Kapitel 27
„Das verstehe ich nicht.", hauchte Amelia und schluckte merklich.
Harry und sie saßen in ihrem Schlafzimmer. Es war Nachmittag und draußen zogen dunkle Wolken auf, während Harry Amelia versuchte zu erklären, was mit Snape geschehen war.
Er blickte sie mitfühlend an.
„Ich weiß. Aber wir können nichts tun.", nickte Harry ihr diplomatisch zu und erst jetzt begriff sie seine gesagten Worte wirklich.
Snape war in Askaban –wegen ihr. Snape würde in sechs Monaten vor dem Zaubergamot verurteilt werden – wegen ihr. Snape würde seine Seele ausgesaugt bekommen – wegen ihr!
Tränen traten ihr in die Augen und schluchzend hielt sie sich die Hände vor ihr Gesicht. Nicht nur, dass sie ihm eine wahnsinnige Angst eingejagt hatte. Nein, jetzt wurde er auch noch wegen ihr bestraft.
„Ich verstehe das nicht.", schluchzte sie weiterhin und wischte sich nun einige Tränen von ihrem Gesicht.
Harry stand immer noch in der Mitte des Raumes, die Hände in die Hosentaschen gesteckt und verunsichert.
„Wie meinst du das genau, Amelia?", fragte er nun und runzelte die Stirn. „Was ist daran nicht zu verstehen?"
Sein letzter Satz kam etwas barsch und er musste schlucken. Dass sie hier über Severus Snape sprachen und dieser Mann seine Schwester glaubte zu lieben, die Tatsache, dass sie Lilys Tochter war, die Tatsache, dass Amelia in ihrem Alter glaubte ihn ebenfalls zu lieben, fand er auf irgendeine Art und Weise – ekelhaft. Und das spürte Amelia deutlich. Doch diese Tatsache war ihr im Moment egal, auch wenn Harry ihr Zwillingsbruder war.
„WER hat Severus überhaupt verraten?", fragte Amelia nun misstrauisch und sprang auf. „Harry..."
„Amelia, auch wenn eure Verbindung mich ... nicht grade positiv stimmt...", begann er kopfschüttelnd. „Ich habe ihn definitiv nicht verraten."
Sein Gesicht wurde düster.
„Und wer war es dann?", schluckte sie und biss sich auf die Unterlippe. Ein dunkler Verdacht kam ihr in den Sinn.
Harry kratzte sich an der Stirn und wendete den Blick ab. Er schaute betreten auf seine Füße und seufzte.
„Amelia, das ist doch...", versuchte er ihr auszuweichen, doch sie funkelte ihn wütend an.
„WER HAT SEVERUS VERRATEN?", knurrte sie nun und ging einige Schritte auf Harry zu.
„Dein Freund. Dieser Ted.", sagte Harry knapp und ihr wurde der Boden unter den Füßen weggerissen.
Nach ihrer letzten Begegnung hätte sie Ted einiges zugetraut, vieles – doch nicht das. Er war verletzt, wütend und eifersüchtig. Das konnte sie verstehen. Und es tat ihr leid, sie hatte so etwas nie gewollt.
Aber DAS? Ihn beim Ministerium anschwärzen? Plötzliche, unkontrollierte Wut stieg in ihr auf. Nein, sie konnte nichts tun. Aber sie musste irgendwohin mit ihrem Zorn, ihrer Angst und ihrer Aggression.
„Dieses verdammte...", flüsterte sie düster und sog scharf nach Luft. „ Ich mache ihn fertig!"
Und damit stürmte sie kurzerhand aus dem Zimmer, dicht gefolgt von Harry, der sofort reagiert und sie am Arm packte.
„Amelia! Du bleibst jetzt hier, du musst dich ausruhen, bitte leg dich...", rief er laut, doch sie riss sich los und rannte aus dem Gryffindorturm. Hinaus aus dem Bild der alten Dame und durch die dunklen Korridore.
Er müsste jetzt Zauberkunst bei Professor Flitwick haben. Keuchend rannte sie voller Wut bis zum Klassenraum und riss lautstark die Tür auf.
Zwanzig Augenpaare starrten sie erschrocken an, als Professor Flitwick die Luft anhielt und sie verdutzt anblickte.
„Miss Evans, was zum...", begann er, doch er kam nicht weit.
Amelia hatte Ted erblickt und dieser stierte mit großen Augen in ihr von Wut gelenktes Gesicht.
Sofort stürzte sie sich auf ihn und schmiss ihn zu Boden.
Einige Schüler schrien auf und sprangen von ihren Stühlen auf, während Professor Flitwick panisch im Raum hin und her sprang und mit piepsiger Stimme um Ruhe bat.
Doch Amelia war in einem Rausch voller Hass und setzte sich auf Ted, hielt seine Hände am Boden fest und gab ihm eine deftige Ohrfeige.
„Du verdammter Mistkerl!", schrie sie lautstark und funkelte ihn an, während Ted sich unter ihrem Griff wandte.
„Lass – mich – los.", schrie Ted, doch Amelia ließ nicht locker.
„Was mischst du dich in mein scheiß Leben ein!", brüllte sie voller Hass sah ihn mörderisch an. „Welches RECHT hast du dazu WELCHES RECHT HAST DU DAZU!"
Das Alles passierte in wenigen Sekunden. Die Schüler starrten verängstigt und verwundert auf das Schauspiel der beiden ringenden Schüler, während Professor Flitwick sich soweit gefangen hatte und seinen Zauberstab packte, „Stupor" rief und Amelia mit voller Wucht traf. Sie flog einige Meter zurück und landete unsanft auf dem Boden.
„Bewegen Sie sich kein Stück, Miss Evans!", schrie Professor Flitwick und just in dem Moment kamen Harry und Professor McGonagall japsend angelaufen.
„Was ist denn hier passiert?", sagte McGonagall mit lauter Stimme und schaute auf die am Boden liegende Amelia und den verwirrten und verängstigten Ted, der nun aufgesprungen war und sich seine Kleidung zurecht klopfte.
„Amelia ist nun völlig verrückt geworden!", schüttelte er den Kopf und betrachtete sie mit gespieltem Mitleid. „Sie hat mich angegriffen!"
In ihr brauste erneute Wut auf. Wie konnte dieser Mistkerl sich so verhalten? Was war dieser Typ für ein Mensch? Welcher Mensch hatte Spaß daran, anderen Menschen das Leben kaputt zu machen?!
Voller Zorn sprang sie erneut auf und wollte sich auf ihn stürzen, doch Harry kam ihr zuvor. Er packte sie fest und umklammerte sie von hinten, während sie schreiend um sich trat.
Er hatte ihr Snape weggenommen! Er war derjenige, der ihr Leben zerstören wollte – mit voller Absicht! Er hatte ihr den zweitwichtigsten Menschen weggenommen und sie hasste ihn dafür. Sie hasste ihn!
Völlig außer Atem hielt sie plötzlich inne und sank in sich zusammen.
Nein, sie hasste nicht nur ihn. Sie hasste auch sich selbst. Sie war an all dem Schuld. Snape hätte sich niemals auf sie eingelassen, wenn sie ihm nicht das Angebot gemacht hätte. Sie hatte ihn verführt, sie hatte ihn zu Anfang benutzt, weil sie sich alleine fühlte. Weil die Einsamkeit so schmerzte.
Doch jetzt fühlte sie mehr für ihn, mehr als nur Freundschaft oder Egoismus. Schluchzend sank sie vor Harrys Füßen zusammen, doch dieser packte sie fest und zog sie aus dem Raum voller Schüler, die tuschelnd und mit großen Augen die Reaktion von Amelia beobachteten.
Er schleifte Amelia durch einen Korridor und setzte sie an die Wand, als ihre Kräfte plötzlich nachließen.
„Ich bin Schuld daran, Harry.", schluchzte sie laut und brach nun in ein krampfhaftes Weinen über. „Das ist alles meine Schuld."
Harry seufzte laut und schüttelte den Kopf.
„Nein, Amelia. Das ist nicht deine Schuld.", sagte er eindringlich, kniete sich neben seine Schwester und nahm sie in den Arm.
Er drückte sie ein wenig unbeholfen an sich und schaukelte ein wenig hin und her.
„Pscht.", flüsterte er leise und versuchte sie zu beruhigen.
McGonagall stürmte um die Ecke und sah Harry Potter und Amelia Evans auf dem Boden kniend, Arm in Arm. Ein unglaublicher Anblick, auch trotz ihres Ärgers über ihre kindische und unüberlegte Reaktion.
Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte und die Verbindung der beiden nicht guthieß, so fühlte dieses Mädchen doch mehr für Severus, als sie je gedacht hatte. Die ganze Zeit hatte sie ihre Gefühle für ihn nicht ernst genommen, sie hatte Angst gehabt, dass er sich zu sehr in sie verliebte und sie ihn dann fallen lassen würde. Dass sie ihn nur benutzte, weil sie sich verloren und einsam fühlte.
Doch so war es nicht. Erst jetzt begriff sie das richtige Ausmaß ihrer Gefühle und holte tief Luft. Dieses Mädchen war in Severus verliebt. Dieses Mädchen war zwar schwach und verzweifelt, aber sie liebte Severus. Und er liebte sie.
Auch Harrys Gedanken zogen Kreise und ein Blick zu Minerva sagte ihm, dass sie das Gleiche dachte.
Er spürte, dass Amelia für Severus wahre Gefühle hatte und auch wenn dieser seine Gefühle vielleicht mit denen zu Lilys Gefühlen verwechselte, so kam er nicht daran vorbei, dass er sich eingestehen musste, dass Harry nichts dagegen tun konnte. Er selbst wusste wie es war, Gefühle für jemanden zu haben und diese nicht erwidert zu bekommen. Sofort schweiften seine Gedanken kurz ab, zu dem Mädchen, dass er seit Jahren liebte.
Schluckend begriff er nun endlich, wie schwer es Amelia haben musste. Sie kam nach Hogwarts - nach England, wo sie niemanden kannte. Sie durfte niemanden von ihrer wahren Herkunft erzählen, musste lügen, wurde von ihren falschen Freunden belogen und betrogen und verliebte sich in einen Mann, der für sie ein Fels in der Brandung war. Der ihr durch diese schwierige Zeit half, sich um sie sorgte und für sie da war. Wie konnte er diese Gefühle verurteilen?
Auch wenn der Gedanke an eine intimere Verbindung der Beiden ihn anwiderte – so waren die Gefühle zueinander real.
Schluckend strich er ihr beruhigend über den Rücken und allmählich hörte sie auf zu Schluchzen.
Ein erneuter Blick und ein Nicken zu McGonagall, ließ ihn aufatmen. Auch sie dachte exakt dasselbe wie er.
Sie mussten Severus da irgendwie rausholen.
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