Kapitel 23
Snape kniete auf dem Boden, die Hände an der kalten Steinmauer abgestützt und die Augen auf den tiefen Abgrund starrend.
„Severus?", hörte er eine Stimme hinter sich leise flüstern und in seinem Kopf hallten die Worte wieder. Sie würde nie wieder seinen Namen sagen.
„Severus?"
Die Stimme in seinem Kopf wollte nicht aufhören und sein Herz begann zu schmerzen. Tränen liefen ihm über sein Gesicht.
„Amelia.", flüsterte er und wischte sich seine Tränen weg.
„Severus?", rief die Stimme nun lauter.
„Amelia?!", sagte Snape plötzlich und abrupt richtete er sich auf. „W-was?"
Suchend blickte er sich im Turm um und erblickte sie plötzlich, zusammengekauert auf dem Boden, nahe einer Bank.
In der Aufregung hatte er das kleine Etwas, was dort auf dem Boden saß und die Beine angewinkelt hatte, glatt übersehen.
„Amelia!", rief er nun – schockiert und erleichtert zugleich.
Er rannte auf sie zu, hob sie hoch und schloss sie in die Arme. Ihr Körper zitterte wie Espenlaub und fühlte sich eiskalt an.
Schwach erwiderte sie seine Umarmung und er spürte dabei ihre kalten Hände an seinem Nacken.
„Amelia. Wieso jagst du mir so einen Schrecken ein.", hauchte er verzweifelt und presste sie weiterhin an sich.
Doch sie antwortete nicht.
„Amelia?!", sprach er weiter und hielt sie auf halber Armeslänge fest. Doch sie bewegte sich nicht mehr.
Erst jetzt bemerkte er ihre blauen Lippen und ihr kalkweißes Gesicht, ihre blauen Hände und ihren durchfrorenen Körper.
Panisch horchte er nach ihrem Atem, spürte aber nichts.
Dann legte er sich auf den Boden und prüfte hastig ihren Puls. Nichts.
„Amelia!", schrie er und schluckte. Bitte nicht!
Er packte Amelia, hob sie hoch, presste sie an seine Brust und lief mit wackligen Beinen die Treppe des Eulenturms hinunter. Dann hielt er sie fest in seinen Armen und rannte den Weg bis zum Schloss hinauf.
Im Schloss angekommen lief Snape zur Krankenstation um Madame Pomfrey aufzusuchen.
„Poppy!", schrie er und schaute sich mit klopfendem Herzen um. Die Krankenstation war leer und Poppy Pomfrey war nirgendwo zu sehen.
„POPPY!", schrie er rasend und presste Amelia weiterhin an sich.
„Severus?", sagte plötzlich eine verwirrte Person hinter ihm und als er sich umdrehte, sah er Madame Pomfrey – mit frischen Handtüchern und Medizin im Arm.
„Was?!", rief sie verunsichert und beäugt Snape, wie er panisch dort stand mit einer Schülerin im Arm, die sich nicht mehr bewegte.
„Severus, was ist passiert?!", schüttelte Poppy den Kopf, legte hastig ihre Sachen ab und bedeutete Snape die Schülerin aufs Bett zu legen.
„I-ich weiß nicht, i-ich habe sie – gefunden, s-ie hat...", brach es aus ihm heraus und Tränen liefen seine Wange herunter.
Schockiert hielt Poppy Pomfrey inne und starrte den sonst so furchteinflößenden und griesgrämigen Lehrer an, den sie so noch nie erlebt hatte.
„Jetzt hilf ihr doch!", schrie er plötzlich und fasste sich an den Kopf. „ Sie ist unterkühlt, sie hat keinen – Puls, ihr Atem..."
Sofort widmete sie sich wieder ihrer Patientin und versuchte den weinenden Professor neben sich zu ignorieren. Sie tastete Amelia ab und wickelte sie in eine Decke ein.
„Wie heißt sie?"
„Amelia. Amelia Evans.", schluckte Snape und strich Amelia sanft über die Haare.
Madame Pomfrey starrte ihn mit großen Augen an und runzelte die Stirn.
„Lina!", schrie sie dann plötzlich und eine junge Frau eilte herbei, die Snape noch nie gesehen hatte. „Ich brauche warme Kompressen, Invigoration Draught und Decken. Sofort!"
Schnell zückte Poppy ihren Zauberstab und maß die Temperatur in Amelias Ohr.
„Unter 28 Grad.", murmelte sie. „Das ist eine sehr schwere Unterkühlung. Wir müssen sie aus ihren klammen Kleidern herausbekommen. Severus – du musst jetzt gehen!", sagte sie bestimmt und begann Amelia auszuziehen.
„Niemals!", rief er schockiert. „Ich bleibe hier!"
Verwirrt hielt Poppy wieder inne.
„Ich habe keine Zeit dafür! Jetzt zählt jede Sekunde. Wenn du nicht gehen willst, dann stell dich dort hinten hin und lass uns unsere Arbeit machen!", meinte sie verärgert und entblößte nun Amelias BH.
Schluckend und mit rotem Kopf, entfernte sich Snape ein wenig von seiner Schülerin und wischte sich seine restlichen Tränen weg. Das Alles war zu viel für ihn. Wieso tat Amelia ihm so etwas an?
Lina, die junge Frau, kam aus einem Zimmer geeilt und trug Decken, warme Kompressen und einen Stärkungstrank. Sie ließ alles auf ein Bett neben Amelia fallen und half Poppy sie auszuziehen. Als sie völlig nackt dort lag, legten sie ihr warme Kompressen auf Körpermitte, Hals, Brustkorb und Leistengegend.
Snape sah hilflos zu, wie sie Amelia in eine dicke Decke einwickelten, ihren Kopf hoben und ihr den Stärkungstrank einflößten.
Nach wenigen Minuten lag sie dort im Bett und Poppy maß wieder ihre Temperatur.
„32 Grad. Das ist gut. Das ist gut.", murmelte sie – eher zu sich selbst und seufzte.
Snape näherte sich wieder ihrem Körper und setzte sich langsam auf einen Stuhl neben ihrem Bett.
„Sie wird das doch schaffen, oder Poppy...", hauchte er und strich ihr sanft über die Stirn.
Die beiden Frauen starrten ihn an und Poppy verschränkte die Arme vor der Brust.
„Severus – was soll das? In welcher Beziehung stehst du zu dem Mädchen?", zischte sie ihn an und befürchtete das Schlimmste. „Was ist überhaupt passiert?"
Wütend und voller Sorge über das junge Mädchen, stand sie dort vor ihm und funkelte ihn an.
Doch noch ehe Snape antworten konnte, riss jemand die Tür zur Krankenstation auf und McGonagall stürmte hinein.
„Poppy – ist schon gut. Wird sie wieder?", rief sie und stellte sich vor Amelias Bett.
„Ich hoffe sehr. Sie ist stark unterkühlt, doch die Temperatur steigt und der Stärkungstrank wird sie wieder einigermaßen aufpäppeln – doch es wird einige Tage dauern. Minerva – wie konnte das passieren?", schüttelte sie den Kopf und starrte immer noch Snape an, der neben ihrem Bett saß und ihr über die Stirn strich.
Ihm war es plötzlich so egal was die anderen von ihm dachten – er wollte sie einfach nur schützen und hoffte, dass sie wieder gesund wurde.
„Ist schon gut Poppy. Lässt du uns einen Moment alleine? Ich möchte kurz mit Severus sprechen.", fragte McGonagall bestimmt und Madame Pomfrey verließ verärgert mit Lina den Raum.
„Severus.", sagte McGonagall kühl - nachdem die beiden verschwunden waren. „Was ist passiert?"
Snape holte tief Luft, schluckte und blickte seiner alten Freundin Minerva in die Augen.
„Ich habe sie gefunden – im Eulenturm. Als sie heute Morgen nicht in meinem Unterricht aufgetaucht ist, habe ich nach ihr gefragt und Susan Robins aus Huffelpuff hat mir erzählt, sie habe Amelia zum Eulenturm laufen sehen. Also wollte ich sie dort aufsuchen und...dann lag sie dort. Unterkühlt. Ich weiß nicht was wirklich passiert ist, Minerva.", erklärte Snape mit ruhiger und gefestigter Stimme, obwohl diese noch etwas brüchig war und er mehrmals schlucken musste.
„Aha. Und das ist alles, Severus? Was soll dein Theater?", fragte sie weiterhin und starrte erbost auf seine Hand, die immer noch sanft über ihren Kopf strich. „Ich habe dich gewarnt, Severus! Und diese Warnung nehme ich sehr ernst!"
„Minerva – es ist nichts mehr passiert! Ich habe sie nicht mehr angerührt!", log er knapp und holte tief Luft. „Aber du weißt wer Amelia ist, Minerva. Und natürlich mache ich mir Sorgen!"
McGonagall kniff die Augen zusammen und beäugte ihn misstrauisch.
„Nun gut.", sprach sie und seufzte tief. „Dann werde ich dir das glauben. Ich hoffe sehr du nutzt mein Vertrauen nicht aus. Aber nun hör auf damit!"
Wütend zeigte sie auf seine Hand und sofort zog er sie weg.
„Jetzt muss ich Poppy erstmal erklären, was passiert ist und wieso sich unser Stellvertretender Schulleiter so dermaßen merkwürdig verhält, dass man vom Schlimmsten ausgehen müsste! Wenn du mich entschuldigen würdest, Severus.", nickte sie nun knapp in seine Richtung und verließ geschäftig den Raum.
Nun war es still auf der Krankenstation und er hörte den Gong der zur dritten Stunde läutete.
Eigentlich müsste er jetzt eine Klasse unterrichten, doch er wollte nicht von ihrer Seite weichen.
Sanft strich er ihr wieder über den Kopf und sog ihr makelloses Gesicht in sich auf. Sie war so wunderschön, ihre rötlich schimmernden Haare, ihre Sommersprossen im Gesicht und ihre geschwungenen Lippen. So wunderschön, dass es schmerzte.
Nach ungefähr zehn Minuten kam eine völlig errötete Poppy und eine launische McGonagall aus dem Nebenzimmer und man sah ihnen deutlich an, dass sie heiß miteinander diskutiert hatten.
„Severus – du hast Unterricht!", rief McGonagall ihm zu und funkelte ihn an. „Unterrichte deine Schüler, danach kannst du wieder nach ihr sehen."
Der letzte Satz war schon etwas sanfter und mit einem letzten Blick auf die schlafende Amelia, verließ er ihr Bett und ging schweren Herzens aus der Krankenstation.
Draußen angekommen hielt Minerva ihn zurück.
„Severus, du weißt, dass ich Harry informieren muss? Poppy hat gesagt, bis sie wieder auf den Beinen sein wird dauert es bestimmt ein paar Tage. Wenn nicht sogar eine Woche.", flüsterte sie ihm zu, während verwirrte Schüler respektvoll an ihnen vorbei gingen und heftig miteinander tuschelten.
Anscheinend hatte Amelias ‚Unfall' schon die Runde gemacht und plötzlich stand eine völlig gehetzte Lisa Abbott vor den beiden Professoren.
„Professor McGonagall, Professor Snape – .", keuchte sie heftig und stützte sich schwer atmend auf ihren Knien ab. „Wie – wie geht es – Amelia."
McGonagall bedeutete Snape mit einem wichtigen Blick und dieser verschwand in seinen Unterricht.
Sein Herz klopfte laut und vor seinen Augen taten sich schwarze Pünktchen auf, als er in seinem
Klassenraum angekommen war und das Adrenalin sich in seinem Körper auflöste. Schwer atmend hielt er sich an seinem Pult fest und keuchte.
Das konnte alles nicht wahr sein. Amelia so zu sehen und zu wissen, dass er ihr nicht helfen konnte, riss ihm das Herz aus der Brust und in seinem Kopf hämmerte das Bild ihres leblosen Körpers. Wie kalt sie gewesen war...wie verletzlich. Was sollte er tun? Wie konnte er ihr helfen?
Wenn McGonagall Harry anrufen würde, dann würde dieser sofort nach Hogwarts kommen und über sie wachen. Er würde keine Chance bekommen, sie zu sehen...auf sie aufzupassen.
Es war ein aussichtsloser Kampf mit sich selbst. Er vermisste sie schrecklich und seine harten Worte zu ihr, sollten nicht die Letzten gewesen sein.
Er mochte sie doch auch...er vermisste sie doch ebenfalls. Und er glaubte ihr. Zwar war er sich immer noch unsicher ob ihre Liebe reell war oder ob sie sich nur etwas vormachte, aber wenn sie so empfand? Wen sollte das stören? In einem halben Jahr würde sie ihren Abschluss haben, sie war volljährig und bald nicht mehr seine Schülerin – wieso also konnten sie keine Zukunft haben?
Was sprach wirklich dagegen? Die Gesellschaft? Diejenigen, die darüber tuscheln würden oder die ihre Beziehung „abwegig" oder „widerlich" richten würden? Wen würde das kümmern?
Niemanden.
Plötzlich klopfte es an der Tür und Ted Stebbins betrat vorsichtig den Klassenraum.
„Professor...", sagte er leise und schüchtern und abrupt drehte sich Snape um. Wut stieg in ihm auf und ein riesiger Hass machte sich in ihm breit. Schluckend atmete er tief ein und aus, um ruhig zu bleiben.
„Schließen sie die Tür, Stebbins", sagte er mit ruhiger, dunkler Stimme und drehte sich schwungvoll zu ihm um.
„Professor...", begann Ted wieder, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte und einige Schritte auf seinen Lehrer zugegangen war. „Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen. Mein Verhalten war total unangebracht und es tut mir wirklich sehr leid, dass..."
„Es tut ihnen also leid?", unterbrach ihn Snape mit schneidender Stimme und ging einige Schritte auf den verängstigten Slytherin Schüler zu. „WAS genau tut ihnen Leid, Stebbins?"
Schluckend stand Ted da und nervös nestelte er an seinem Pullover.
„Es...es tut mir leid, wie ich sie...behandelt habe.", flüsterte er vorsichtig. „Das mit Amelia wollte ich auch nicht..."
„Sie wollten das nicht?", hauchte Snape und stand nun dicht vor Ted.
Bedrohlich baute er sich vor ihm auf und purer Hass war in seinen Augen zu erkennen. Auch wenn Ted nicht die alleinige Schuld trug und Snape sich selbst viele Vorwürfe machte, so war ER der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.
Rasend vor Wut packte er seinen Schüler und stieß ihn gegen die Wand. Er hielt ihn fest und nach Luft schnappend starrte Ted ihn an.
„Ich sage dir jetzt mal etwas, Ted.", zischte Snape dicht an seinem Ohr und griff noch etwas fester zu, sodass er fast keine Luft mehr bekam. „Wenn du auch nur daran denkst, irgendwelche Lügen zu verbreiten oder Amelia schaden zu wollen – egal auf welche Art und Weise, dann werde ich dich fertig machen. Das schwöre ich dir bei allem was mir lieb ist, Stebbins. Du rührst sie nie wieder an, du wirst nicht mehr mit ihr sprechen und du wirst keinem von unserer kleinen Unterhaltung erzählen, haben wir uns verstanden?"
Seine Drohung jagte dem Jungen einen riesigen Schauer über den Rücken und hastig nickte er.
Snape ließ von ihm ab und wich einige Schritte zurück.
Mit aufgerissenen Augen starrte Ted seinen Lehrer weiterhin an und rieb sich die Schulter.
„Sie können jetzt gehen, Stebbins.", sagte Snape nun wieder laut und ruhig und drehte sich um. „Ich sehe Sie dann am Donnerstag in meinem Unterricht."
Ein zufriedenes Winseln war zu hören und als Snape vor seinem Pult stand, hörte er wie die Tür ins Schloss knallte.
Auch wenn Ted seine Drohung in wenigen Stunden nicht mehr so ernst nehmen würde und sie vielleicht irgendwann vergaß– er würde das niemals tun.
Denn so wahr Severus Snape dort stand, seine Versprechen hielt er IMMER ein.
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