Kapitel 12
Es war stockdunkel. Amelia schluckte und drehte sich auf die Seite.
Nachdem Snape ihr erlaubt hatte, die Nacht bei ihm zu verbringen, beharrte er stoisch darauf, sie auf dem Sofa schlafen zu lassen. Er zauberte ihr eine Decke und ein Kissen herbei und verabschiedete sich von ihr.
Dann hatte er die Tür hinter sich geschlossen und Amelia war alleine.
Jetzt lag sie wach – ungefähr eine Stunde nachdem er ins Bett gegangen war. Von draußen schien nur ein winziger Lichtstrahl des Mondes herein.
Amelia seufzte. Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf und trotz, dass sie müde war, konnte sie nicht schlafen. Dass sie hier bei ihm schlief, war eine merkwürdige Situation und wenn sie diese Tatsache reflektierte, musste sie schlucken.
Die Gefühle waren ein einziges hin und her und sie wusste einfach nicht, wie sie sich verhalten sollte.
Snape hatte ihr klar gemacht, dass er von ihren Gefühlen nicht sehr viel hielt, was sie zum einen verstehen konnte, zum anderen aber ärgerte.
Wieso sollte sie nicht so lieben können, wie eine erwachsene Frau? Wieso sollte sie nicht wissen, was Liebe ist? Wenn sie doch so empfand? Wer legte fest, was wirkliche Liebe war und wie diese Gefühle sind?
Doch seine Aussage, sie würde sich nur für ihn interessieren, weil er die einzige Verbindung zu seinen Eltern seien, verunsicherte sie. Hatte er vielleicht Recht?
War sie so in ihrer Einsamkeit und ihrer Traurigkeit über den Tod ihrer Eltern gefangen, dass sie den Tatsachen nicht ins Auge blicken konnte?
Der Wahrheit? Und was wäre, wenn es doch anders ist?
Ihre Gedanken drehten sich immer wieder im Kreis und verzweifelt versuchte sie sie zu verdrängen. Wie spät es wohl war?
Amelia griff halb blind nach ihrem Zauberstab und dieser erleuchtete hell. Kurz blickte sie auf die große Uhr, die hinter dem Schreibtisch an der Wand hing.
Zwei Uhr nachts.
Es war erst zwei Uhr und in wenigen Stunden schon würde sie endlich ihren Bruder kennen lernen.
Aufgeregt löschte sie wieder ihr Licht und versuchte sich ein wenig zu entspannen.
Dass sie hier in Snapes Nähe war, beruhigte sie ein wenig – auch wenn sie keine Ahnung hatte, wieso das der Fall war.
Seine Anwesenheit gab ihr eine gewisse Sicherheit und Geborgenheit – etwas, dass sie nie erfahren durfte, auch wenn ihre Großeltern ihr immer wieder versucht hatten dieses Gefühl zu geben.
War das normal? Wollte sie einfach nur in seiner Nähe sein, weil sie sich bei ihm geborgen fühlte?
Oder genoss sie seine Anwesenheit im Sinne eines Geliebten?
Fragen über Fragen, die sie nicht beantworten konnte. Ein ewiger Kreislauf.
Vielleicht konnte er auch nicht schlafen? Lag er womöglich auch wach und machte sich darüber Gedanken?
Sollte sie nachschauen gehen? Nur vorsichtig die Tür öffnen und hören, ob er schlief?
Leise erhob sich Amelia und tapste durch das dunkle Zimmer, durch die Tür und auf den Flur. Kurz hielt sie inne und lauschte.
Nichts drang durch die Tür. Kein Schnarchen, kein...Ja – was hatte sie auch erwartet?
Langsam öffnete sie die Tür und schaute in sein stockdunkles Schlafzimmer.
„Severus?", flüsterte sie leise. „Bist du noch wach?"
„Wenn du so laut bist, ist das ja wohl nicht anders möglich, was?", schnaubte Snape und sofort wurde das Zimmer in ein dämmriges Licht getaucht.
Da lag er – in seinem Bett, die Bettdecke bis zur Brust hochgezogen und an die Decke starrend.
„Habe ich dich... wach gemacht?", fragte sie zögerlich und verharrte in der Tür.
„Nein.", sagte er und runzelte die Stirn. Er setzte sich auf und schaute sie an. „Kannst du nicht schlafen?"
Amelia schüttelte den Kopf und schloss vorsichtig die Tür hinter sich.
„Ich muss immer wieder darüber nachdenken, was du gesagt hast.", erklärte sie und schritt langsam auf sein Bett zu. Dort angekommen, setzte sie sich – unter dem misstrauischen Blick von Snape – aufs Bettende und lehnte sich an den Pfosten.
„Eigentlich bin ich müde, aber ich kann nicht schlafen."
Er legte den Kopf leicht schräg und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Dann bin ich ja nicht der Einzige.", murmelte er spöttisch und hob die Augenbrauen. „Und nun?"
Sie kaute auf ihrer Unterlippe und beobachtete ihn.
Er trug ein schwarzes T-Shirt und seine sonst so perfekt liegenden Haare, waren nun etwas zerzaust und auf irgendeine Art und Weise sah Snape für Amelia das erste Mal „normal" aus. Wie ein wirklicher Mensch und nicht wie ein mürrischer und furchteinflößender Professor.
„Wieso tust du das alles?", flüsterte sie ihn nach einer Weile und blinzelte müde. „Wieso lässt du mich hier übernachten?"
Snape zuckte zusammen und seufzte tief.
„In deiner Anwesenheit fühle auch ich mich...gut.", stockte er und sie riss überrascht ihre Augen auf.
„Und ich kann dich verstehen. Auf irgendeine Art und Weise.", sprach er weiter und presste die Lippen aufeinander. „Ich kann es nicht sehen, wenn du...leidest."
Das letzte Wort stotterte er ein wenig und Amelia war überrascht, über die so ehrliche Antwort.
„Danke.", sagte sie müde und schloss die Augen.
Er schaute sie an und sein Herz klopfte laut.
„Ich bin müde.", hauchte Amelia und legte sich langsam seitlich auf das Bettende.
Snape schluckte und zog langsam die Füße weg.
Amelia lag nun seitlich am Bettende, die Füße noch auf dem Boden und die Hände unter ihrer Wange. Ihr Atem ging immer flacher und er konnte förmlich spüren, wie sie in den Schlaf glitt.
„Amelia.", flüsterte er ihr zu, doch sie rührte sich nicht.
Verzweifelt schaute er sie an. Langsam stieg er aus dem Bett und näherte sich ihrem schlafenden Körper.
Er hätte sie mit seinem Zauberstab wieder ins Wohnzimmer schweben können, doch er hob sie vorsichtig hoch und nahm sie in den Arm. Dann ging er um sein Bett herum und legte sie auf die andere Bettseite.
Sie regte sich kurz und murmelte etwas unverständliches, das Snape nicht verstehen konnte. Dann zog er die Decke sanft über ihren Körper und legte sich auf die andere Bettseite.
Er drehte sich auf die Seite und schaute sie an. Ihr Atem ging ruhig und langsam und eine Strähne hing ihr im Gesicht. Immer wenn sie Luft ausstieß, pustete sie sie nach oben.
Vorsichtig strich er sie weg und legte sich wieder auf den Rücken. An die Decke starrend versuchte er sich zu entspannen und schloss die Augen. Auch er hatte in den letzten Nächten wenig Schlaf bekommen und wollte der realen Welt einfach nur für ein paar Stunden entfliehen.
Langsam glitt auch er in den Schlaf.
Plötzlich aber öffnete Snape die Augen und schaute auf den Arm, der sich um seine Brust gelegt hatte.
Amelia hatte sich wohl umgedreht und lag nun dicht an ihn gedrängt, mit einem Arm auf seiner Brust liegend, neben ihm. Er sog scharf nach Luft und sein Herz klopfte laut.
Vorsichtig versuchte er ihren Arm von seiner Brust zu legen, doch sie seufzte nur verschlafen und rückte noch ein wenig näher an ihn heran.
Er verdrehte leicht die Augen.
Da sein Arm unter ihrem Körper lag und nach einer Weile drohte einzuschlafen, entzog er sich ihrem Gewicht und legte ihn unbeholfen auf ihren Rücken.
Jetzt rückte sie noch ein wenig näher an ihn heran und legte ihren Kopf auf seine Brust.
Er seufzte leise und versuchte sich zu entspannen, doch in dieser Position konnte er schlecht einschlafen. Eine gewisse Beklemmung überrollte ihn, aber auch eine gewisse Geborgenheit.
Snape fühlte sich auf der einen Seite sehr wohl, andererseits aber war die Situation sehr befremdlich für ihn.
Irgendwann gab er auf und spürte nur Amelias ruhigen Atem an seinem Hals, während er ihr sanft über den Rücken strich und wartete, bis es draußen hell wurde...
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro