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„Nicht! Dein! Ernst!"
Das waren die ersten vernünftigen Worte, die aus Becca herauszubekommen waren. Die letzten 5 Minuten hatte sie damit verbracht wie ein 13-jähriges Teenagermädel quietschend, kreischend und den Geräuschen nach auf dem Bett rumhüpfend mir ins Ohr zu brüllen. Ich grinste schräg, während ich versuchte, den Tinitus, der sich langsam anbahnte zu ignorieren.
„Doch, mein Ernst! Und ich sag dir eins... Dieser Mann, der kann vielleicht küssen! Verdammt, ich kann ihn echt nicht mit Linus vergleichen, denn ernsthaft... Linus spielt Schach und der Soldat Profifootball! Und wo wir schon mal bei versaut sind: während des Kusses konnte ich die ganze Zeit nur daran denken, meine Hand in seine Hose zu schieben..." Beccas Kreischen wechselte spontan die Tonart und wurde so hoch, dass vermutlich sämtliche Hunde der Nachbarschaft jetzt Alarm schlugen. Ich verabschiedete mich seufzend von der Intaktheit meines Trommelfells und stöhnte:
„Becc... Bitte... ich hab bereits Aspirin drin und immer noch Kopfschmerzen. Ein winziges bisschen leiser, bitte?!"
„Upps, sorry... aber jetzt, wo du es gerade erwähnst: ich muss mich da deine Mutter anschließen! Du bist echt total leichtsinnig und bekloppt! Du kannst doch nicht den ganzen Tag in der prallen Sonne liegen und nichts trinken! Mich wundert sowieso, dass du keinen Sonnenbrand der Superlative abbekommen hast!"
Ich verdrehte die Augen und maulte leise: „Ja, ich hab's verstanden! Es war echt dumm. Hilft es, wenn ich sage, dass als ich zum Anfang durchaus im Schatten lag? Und ich über die Geschichte einfach Zeit und Ort vergessen hab?"
„Hmmmm, lass mich nachdenken... Nö!"
Ich kicherte vor mich hin und ließ mich dann auf den Rücken zurücksinken.
Beccs schwieg für einen Moment, dann fragte sie leise: „Juni? Was ist los?"
„Keine Ahnung... ich bin so durcheinander. Egal, was ich angestellt habe, die Jungs schlucken es einfach. Versteh mich nicht falsch es macht schon tierischen Spaß, aber ich weiß auch nicht... vielleicht haben die Brüder sich ja wirklich verändert. Sogar Leander... klar, der schnaubt und knurrt, aber alles in allem.... Er hat noch keinen dummen Kommentar abgegeben oder so was in die Richtung. Und zudem bin ich mir auch noch ziemlich sicher, dass Mom und Jason Bescheid wissen, dass ich den vieren Streiche spiele... Trotzdem haben die beiden noch nichts gesagt."
Ich drehte den Kopf zu dem neben mir liegenden Telefon und hob es an, so dass ich Becca wieder ansehen konnte. Ihre hellblauen Augen blickten mich voller Sorge an, dann seufzte sie: „Ach, Juni... natürlich haben sie sich verändert. Du bist auch nicht mehr das Mädchen, dessen Rucksack auf der Highschool in Brand gesteckt worden ist. Du bist eine erfolgreiche Autorin. Gut, ein bisschen neurotisch vielleicht und durchgeknallt und..."
„Ok, ok, ok... ich hab's verstanden!" unterbrach ich sie lachend. Meine bessere Hälfte lächelte mich liebevoll an. „Du kommst schon noch dahinter. Und was hatte der niedliche Muskelberg doch noch gleich gesagt? Dass du die Erlaubnis der vier hast, dich Rachemäßig auszutoben?!" Ich nickte langsam und dachte nach. Wollte ich das überhaupt noch? Alex' Geständnis hatte mich völlig aus der Bahn geworfen. Aber... was, wenn das nur ein Trick war? Wenn ihre Passivität nur Fassade war und sie darauf warteten, dass ich mich sicher fühlte? Sollte ich nicht besser Vorsicht walten lassen?
„Woran denkst du? Ich kann doch sehen, dass dein Köpfchen wieder irgendetwas Dummes ausheckt! Na, los... Sag der lieben Becc, was Sache ist!"
Ich seufzte und ließ meine Besti an meinen verworrenen Gedanken teilhaben. Wohl wissend, wie sie reagieren würde uuuuuund Bingo...!
„Sag mal, spinnst du? Komm schon, Juna... so blöd bist du doch nicht!!! Da schenkt dir das Universum ausnahmsweise mal einen wirklich guten Kerl und du denkst dir die ganze Sache kaputt! Weißt du was? Es reicht... Ich komm jetzt zu dir!"
Moment, warte... Was?
„Den Teufel wirst du! Du riskierst deinen Job, wenn du dich da jetzt verdrückst! Das lass ich nicht zu, Becca! Das ist es nicht wert!!!"
Doch in Rebeccas Augen stand ein unbeugsamer Wille.
„Juna... hör auf rumzufauchen! Du klingst wie eine Babykatze, der man an den kleinen Öhrchen zieht! Und um meinen Job mach ich mir keine Sorgen. Ich hab vor dreieinhalb Stunden gekündigt!"
What the fuck?!?!
„Scheiße... Beccs... was ist passiert?"
Ich setzte mich auf und sah sie eindringlich an. Becci strich sich eine schwarze Locke aus dem Gesicht und erwiderte meinen Blick.
„Mein Drecksboss hat mir zwischen die Brüste gefasst... er war betrunken und hat irgendwas gelallt von wegen, ich sei doch ein brauchbares Stück Fickfleisch und wenn ich meinen Job behalten möchte, soll ich ganz fix mal den Rock ausziehen."
„ ... WAS? OH, DIESER ALTE STINKENDE WIDERLICHE BOCK!!!! WAS GEHT FALSCH BEI DEM?"
Becca presste die Lippen fest zusammen und ich sah deutlich, wie sie mit aller Macht versuchte nicht in Tränen auszubrechen.
„Reg dich ab... Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Meinen Job bin ich los. Ich bezweifele, dass er noch ein Kündigungsschreiben benötigt. Die Ohrfeige und der Tritt in die Kronjuwelen sollten eigentlich formell genug gewesen sein!" Sie schniefte und dann brach meine taffe und starke Freundin in herzzerreißendes Schluchzen aus.
„Becc..." flüsterte ich und mir brach das Herz. Da lamentierte ich über meine kleinen, unbedeutenden Problemchen, schwärmte von einem Mann, dem ich nicht zu trauen wagten und meine Becca war das Opfer eines verfluchten Drecksacks geworden!
Es klopfte an meiner Tür und dann schob Mama vorsichtig den Kopf hinein.
„Liebling? Ist alles in Ordnung? Wir haben dich bis unten schreien hören... Jason und Luke mussten Alex festhalten, sonst wäre er sehr GI Joe mäßig in dein Zimmer gestürmt.
Gott, Baby... was ist los?" Beim Anblick meines verheulten Gesichts stürzte meine Mutter in den Raum und setzte sich zu mir aufs Bett. Sie brauchte einen Moment, dann schoss ihr Blick zu meinem Handy und der weinenden Becci und fragte schockiert: „Rebecca? Oh, Schätzchen... was ist passiert?" Unter noch mehr Tränen erzählte meine Freundin nochmal was ihr geschehen war und Mama sagte ruhig: „Komm zu uns! Ich schick dir die Adresse. Kannst du fahren, Süße? Wenn nicht, warte noch ein wenig und mach dich dann auf den Weg! Oder sollen Juna und ich dich abholen?"
Schniefend schüttelte Beccs den Kopf. Um keinen Preis der Welt würde sie den Jeep ihres Vaters zurücklassen!
„Ich kann fahren... danke Mrs. Hanson..." krächzte sie schließlich heiser und rieb sich die roten verquollenen Augen.
„Mach dich nicht lächerlich, Rebecca. Du bist uns jederzeit willkommen. Und wenn ich mich recht entsinne, waren wir beide früher schon mal beim ‚du'. Also, Alice reicht völlig.." Meine Freundin lächelte zittrig und nickte. „Danke... Ich mach mich gleich auf den Weg..."
„Fahr vorsichtig," riefen Mama und ich gleichzeitig und Beccs nickte nur nochmal.
Dann legte sie auf und ich sah meine Mutter traurig an. „Komm mit runter, Schatz. Ich mach nur schnell da Gästezimmer gegenüber fertig..." sagte sie und strich mir über den Kopf.
Ich stand auf und ging mit hängenden Schultern die Treppe hinunter. Kaum hatte ich das Wohnzimmer erreicht, wurde ich in eine bärenstarke Umarmung gezogen.
„Ist alles in Ordnung, Juni?" Voller Sorge blickte Jason auf mich herunter und gab mich frei. Augenblicklich war Alex an meiner Seite, nahm mein Gesicht in beide Hände und strich mit den Daumen mir die Tränen von den Wangen. Dann lehnte er seine Stirn an meine und fuhr schließlich mit seinen warmen Lippen über meine.
Jason betrachtete uns mit gemischten Gefühlen. Sorge und Wohlwollen spiegelte sich in seinen blauen Augen. Alex legte mir den Arm um die Schultern und führte mich zur Couch, während Jason sich in Richtung des ersten Stocks aufmachte um nachzusehen, wo seine Frau abgeblieben war.
Im Wohnzimmer befand sich der Rest der Hanson Familie inklusive der Quietschkugel, die sich auf Maliks Schoß niedergelassen hatte und fleißig zugange war, seine Frisur zu zerstören.
Die Zwillinge sahen auf und zu meinem Erstaunen war es Leander, der leise fragte: „Was ist passiert, Juna? Können wir was tun?" Verwirrt sah ich ihn an, aber da war keine Bosheit in seinem Blick - nur Sorge.
„Mir gehts gut..." Alex' ungläubiges Schnauben unterbrach mich und sogar die Quietschkugel hörte auf in Maliks Haaren rumzufummeln und sah abschätzend zu mir. Wortlos drückte Luke mir ein Glas Cranberriesaft in die Hand und sah mich auffordernd an.
Ich trank durstig und ließ mich dann von Alex auf das Sofa verfrachten.
„Mir gehts gut," beteuerte ich und drehte das leere Glas unschlüssig in den Händen.
„Ich hab mit meiner besten Freundin telefoniert. Ihr ist was passiert. Was genau, dass muss sie euch schon sagen... Becc sollte jetzt jedenfalls echt nicht allein sein und daher hat Mama sie eingeladen- kommt sie also her.."
Tessa's Blick wurde dunkel und seltsam verständnisvoll. Zum ersten Mal sah ich so etwas wie Kameradschaft in ihr aufblitzen und nickte ihr zaghaft zu. Sie lächelte kurz ... vielleicht würden wir beide doch nicht in einer Schlammkuhle für den finalen Zickenkampf enden.
Alex zog mich auf seinen Schoß, ich schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte mein Gesicht an seine Brust.
Und so warteten wir...
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