"Und es ist wirklich alles gut?", fragte mich Susanne, während uns der Wind weiterhin zu schaffen machte.
"Ja, ich akzeptiere Till und das ihr zusammen seid. Es freut mich für dich."
Meine beste Freundin beäugte mich von der Seite und presste den Mund zu einer schmalen Linie zusammen.
"Ich verspreche dir, dass ich dich nicht vernachlässigen werde."
Der eisige Wind machte jede Bewegung etwas mühevoller und meine Haare blieben nie am Platz, da ich sie heute offen trug und der Wind so freies Spiel hatte.
Ich betrachtete den Mond und die sternenlose Schwärze, die sich über den ganzen Himmel gelegt hatte.
"Ich weiß das", seufzte ich.
"Es scheint als müsste man dich davon überzeugen, nicht mich", erklärte ich und lachte.
Sie machte sich immer zu viele Sorgen.
"Ich will nur nicht-"
Da ich den Schuldgefühlen meiner Freundin ein Ende bereiten wollte, blieb mir nichts anderes übrig als sie zu unterbrechen.
"Susanne, du bist die besteste Freundin der Welt. Glaub mir das!"
Ich betonte bewusst jedes einzelne Wort genau und auf Susannes Gesicht schlich sich ein mildes Lächeln.
"Beste", korrigierte sie mich.
"Es gibt kein bestetes."
Mit nach oben gezogener Augenbraue erwiderte ich: „Meine Version ist besser."
„Da ist das Wörterbuch aber anderer Meinung."
Ich biss mir auf die Unterlippe um nicht noch mehr zu Lachen. Die Stille, die diese kleine Landstraße umgab, wirkte so einzigartig und mich überkam immer wieder das Gefühl eine wütende Bibliothekarin würde wütend herbeigestampft kommen und in der Welt für Ruhe kämpfen, sollte ich noch einen Ton sagen.
„Manche Wörter sollten geändert werden, Sie sollten verbessert werden."
Susanne blieb auf einmal stehen, während ich schon zwei Schritte weiter gegangen war
Sie hatte ihr Handy in der Hand und schaute mit zerknirschtem Gesicht darauf, während sie von dem künstlichen Licht erleuchtet wurde.
Mir entging nicht, dass sie mit überkreuzten Beinen dort stand und leicht nach vorne und wieder nach hinten wibbte.
„Was ist los?"
Sie sah nun zu mir, dann wieder weg und dann auf den Boden.
„Nichts, komm lass uns weiter gehen, es ist jetzt fast Zweiundzwanzig Uhr. Und wir wollen uns doch nicht den besten Horrorfilm von Stephen King entgehen lassen."
Hastig hatte sie mich eingeholt, ihr Handy weggesteckt und sich bei mir untergehackt.
Ihr Versuch mich mit sich zu ziehen, war nutzlos, da ich stehenblieb. Sie konnte mir nichts vor machen, nicht mir. Dafür kannten wir uns zu lange.
„Susanne, hör auf. Ist irgendetwas passiert."
Vorsichtig nahm ich den Arm aus meiner Ellenbeuge und drehte mich zu ihr. Meine Hand trotz dessen auf ihrem Oberarm, um bei ihr zu sein. Da war ein dumpfes Gefühl in meiner Magengegend. Das warme Gefühl des köstlichen Essens weichte und machte Platz für diese widerwärtige Mischung aus Angst und Sorge, das mich immer beschlich, wenn etwas nicht stimmte.
Susanne vor mir seufzte und setze im selben Moment ein Lächeln auf, dass wirkte wie das von einer Schaufensterpuppe.
„Nun ja...er ist in der Stadt, er musste doch nicht mehr die Schicht für seinen Kollegen übernehmen, da sich kurzfristig ein Ersatz fand."
Till arbeitete in der nächsten Stadt, 15 Minuten von hier entfernt und arbeitete im Krankenhaus als Pfleger.
„Und...nun ja", druckste sie zusammen und eine leise Ahnung schlich sich in meinen Kopf, ein leises Wispern um Wind.
„Eigentlich hätte er morgen Frühschicht gehabt, aber jetzt nicht mehr. Und er hatte mich eben angeschrieben, ob ich mir das Feuerwerk mit ihm ansehe, wie beim letzten Mal. Er wusste nichts von unseren Plänen"
Ich erinnerte mich noch gut, was sie mit dem letzten Mal meinte. Letztes Sylvester hatte meine beste Freundin nicht nur ihr Singledasein, sondern auch ihren ersten Kuss an den Frauenschwarm mit dem überaus kreativen Namen Till Spencer abgegeben.
Es beruhigte mich zwar, dass nichts ernstes Geschehen war, doch trotzdem fühlte ich mich auf einmal seltsam alleine.
„Ich werde aber natürlich hierbleiben. Bei dir, meiner besten Freundin."
Aber ihr Blick verriet mir soviel mir. Er flüsterte die leisen Geheimnisse, die sie mir nicht zu Sagen vermochte.
Sie wäre im Augenblick lieber bei Till und wollte das neue Jahr mit ihm starten, indem sie hoffte, dass alles so viel besser werden würde. Es brauchte nur einen winzigen Moment um ihren sehnsuchtsvollen Blick zu sehen, den sie danach versteckte, als hätte es ihn nie gegeben.
„Geh zu ihm, Sylvester ist euer Ding."
Ihr wachsamer scannte mich und ich gab mir große Mühe das ehrlichste Lächeln aufzusetzen, was ich besaß.
„Nein, Sylvester wollten wir miteinander verbringen. Aber wäre es denn in Ordnung, wenn er hinzukommen könnte?"
Auf einmal sah sie sehr zerknirscht aus-Sie wurde von Schuldgefühlen geplagt. Sie wollte es recht machen. Aber auf eine Nacht in der ich nur nutzlos neben dem Liebespaar stände.
„Wie wäre es, wenn wir Morgen etwas unternehmen? Ihr habt euch besonders zu diesem Zeitpunkt verdient."
„Ist es wirklich in Ordnung?"
„Natürlich", erwiderte ich mit breitem Lächeln.
„Hm..."
Susanne suchte mein Gesicht das letzte Mal nach Bestätigung ab, bis sie nachgab.
„Okay, du hast Recht, ich habe ihn echt vermisst und Sylvester war für uns damals echt etwas Besonderes gewesen."
Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen und sie drückte mich.
„Danke."
„Nichts zu danken", sprach ich zurück. Auch wenn ich wusste, dass ich sie gerade sehr glücklich machte, hatte ich das Gefühl einer gewissen Leere in mir, eine minimale Traurigkeit, die mich heimsuchte. Aber das würde gleich vergehen. Ganz bestimmt.
„Ich gehe dann mal und Morgen", sie zeigte mit dem Finger zwischen uns beiden hin und her," sind es nur du und ich"
Bestätigend nickte ich, während sie den Weg zurück ging und ihr Handy bereits wieder in der Hand hielt.
Ich hielt mich nicht länger damit auf ihr nachzusehen. Sie wohnte hier ganz in der Nähe und da ihre Eltern nicht daheim waren, wären die beiden alleine für sich.
Das hatte sie sich verdient. Auch wenn ich Till nicht mochte, wusste ich, dass er sie verdammt glücklich machte. Außerdem hat sie in letzter Zeit so viel mit mir unternommen, dass es nur fair von mir war, ihnen nun ihre Zeit zu geben.
So machte ich mich auf den Weg und bewunderte die vielen dunklen Häuser in denen ab und zu ein Licht brannte. Frösteln zog ich meinen Jackenverschluss bis zur maximalen Höhe hoch, sodass mein kein in den warmen Daunen verschwand.
Es war so ungewöhnlich still. Normalerweise waren schon ein paar Regelbrecher dabei die ersten Raketen in den Himmel zu schicken. Doch heute herrschte konstante Stille und dadurch erklangen meine Schritte so viel lauter als sonst. Als ich bei der nächsten Lampe ankam, stellte ich mich direkt unter ihren hellen Lichtkegel und schaute auf meine Armbanduhr. Mittlerweile war es 11:35.
Langsam entwand ich mich der künstlich gelben Lichtquelle und setzte meinen Weg fort. Der schwarze Himmel über mir gab mir eine gewisse Ruhe und zeigte mir nun wieder deutlich, was Unendlichkeit wirklich bedeutete.
Während ich einfach so da stand, den Blick zum Himmel gerichtet, fragte ich mich ob es für die Menschen auch die Unendlichkeit gab. Viele sprachen von der seltenen Liebe, die für die Unendlichkeit halten soll.
Ich war erst 17 und hatte dementsprechend noch nicht die weitreichendsten Erfahrungen, aber hin und wieder fragte ich mich, ob das nicht nur einen Mythos war, damit die Menschen etwas hatten woran sieglauben konnten.
Wie der unverhoffte Casinogewinn, der keineswegs eintreten würde.
In ein paar Minuten wäre ich Zuhause, nur mein 12-jähriger Bruder und dessen Kumpel wären Zuhause.
Und mit grimmiger Miene musste ich feststellen, dass der Film, den ich mir für den heutigen Abend vorgemerkt hatte schon für Zehn Minuten begonnen hatte.
Scheint nicht so mein Tag zu sein.
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