Seelen existieren immer zu Zweit, getrennt voneinander mit der Lebensaufgabe, die jeweils andere Hälfte zu finden, um vollends glücklich zu sein.

"So ein Quatsch!"
Ich runzelte die Stirn und wollte den Zettel schon bis ins unerkenntliche zusammenknüllen, als meine Freundin sich zu mir umdrehte und die Augenbrauen hochzog.
"Die Beziehung zwischen mir und Till ist Quatsch?"
Susanne sah ziemlich erschüttert aus und ihre Stimme erreichte Oktaven, die nur Hundepfeifen erreichen sollten.
Doch um die Frage, warum mein Trommelfell diesen fensterzerbrechenden Sound standhalten konnte, durfte ich mich im Moment nicht befassen, da ich ihr wiedermal nicht zugehört hatte und nicht wusste was sie meinte.
"Ich-", versuchte ich zu erklären, doch Susanne ließ mich nicht zu Wort kommen.
"Ich weiß, dass Till und du nicht die besten Freunde seid, aber du weißt doch genau, wie ich unter der Beziehungspause gelitten habe und außerdem-"
"Susi!"
Meine Stimme war etwas lauter als beabsichtigt, aber sie hatte alles vollkommen falsch verstanden und dieses Dilemma galt es zu beseitigen.
"Ich meinte den Glückskeks", sagte ich schmunzelnd und hielt ihn ihr vor die Augen.
Jetzt lachte auch sie.
"Ich sollte dich wirklich mal ausreden lassen."
"Ja, das solltest du. Und ich sollte vielleicht besser zuhören."
Sie schnaubte.
"Defenitiv."
Vorsichtig tastete sie nach ihrem Dutt.
"Sitzt meine Frisur noch", fragte sie mit leiser Stimme, als hätte sie ein Vogelnest auf dem Kopf, von dem keiner wissen sollte.
"Perfekt."
Wie immer.
Meine beste Freundin hatte Haare, wie Shampoo-Models. Seidig-glatt bekommt bei ihr eine völlig neue Bedeutung.
Mattbraune Locken, die sich nicht auf ihre Form einigen konnten, hielten da nicht mit.
"Danke, May", erwiderte sie lächelnd und nahm ihren Glückskeks zur Hand, der neben ihrem Teller lag.
Sie aß den Keks und sie fegte den Zettel ungelesen unter ihre Serviette.
Das China-Restaurant was ich mir für den heutigen Sylvester-Abend ausgesucht hatte, war ein voller Erfolg.
Susi gefiel es auch, besonders die vielen Zeichnungen von Chinesen und Frauen in Kimonos, sowie diese Auswahl an Farben, die einem das Gefühl geben, Zuhause zu sein und das alles in bester Ordnung ist.

Meine Mum würde jetzt sagen, dass dieser Laden verdammt futuristisch aussieht und dann hätte sie angefangen von all den Restaurants zu erzählen, die sie in ihrer Kindheit besucht hatte und was eine wundervolle Zeit es doch war, als noch junges Blut in einem floss. "Junges Blut", diese Metapher benutzte sie fast bei jedem Satz.

Ich stützte mein Kinn auf meine Han und inspizierte das Outfit meiner besten Freundin, während sie Gedankenverloren auf ihrer Unterlippe kaute - und der Lippenstift hielt trotzdem!
Ihr Stil war schlicht, sowie meiner.
Schwarzes Kleid mit goldener Kette.
In der Sache tickten wir gleich.
Susanne beugte sich über unsere Teller und flüsterte leise :"War ich gerade sehr laut?"
Meine Mundwinkel wollten beim Anblick ihrer roten Wangen einfach nicht still sitzen bleiben. Sie flogen sofort nach oben.
"Ach keine Sorge, die haben sich bestimmt nicht alle wegen dir umgedreht", erwiderte ich im größten Ernst und tätschelte ihren Arm.
Die Augen von ihr weiteten sich und ich wusste sie viel darauf rein.
Prustend lachte ich als sie sich panisch umsah und immer wieder durch ihre Haare fuhr.
"Du bist ein Monster. Plane deinen nächsten Urlaub bitte im Bermuda- Dreieck, dann muss ich dich nie wieder sehen."
"Aber ich habe doch gar keine Bermuda-Shorts", sagte ich schmollend.
"Wenn das alles ist, was du brauchst, kaufe ich dir ein Dutzend davon"
Da wir unserer Wortgefecht mit einer solchen Ernsthaftigkeit austrugen, war es kein Wunder, dass wir beide lachten als gäbe es kein Morgen mehr.
Susanne wusste, dass ich sie gern aufzog. Und ich wusste, sie würde einen Rachefeldzug starten.

"Aber-", sie hob den Zeigefinger und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.
"Aber zurück zu Till und mir. Bist du bei der Sache?"
"Absolut. Meine Ohren gehören nur dir", bestätigte ich mit schelmischen Lächeln.
"Sehr romantisch, May",kommentierte sie.
Ich zog eine Augenbraue hoch.
"Eine von uns muss ja ein Herz haben. Wir sind ein perfektes Duo. Wie Dick und doof!
Ich nenne uns..."
Eine dramatische Pause meinerseits setzte ein und wurde durch ein dramatisches Erheben der Arme untermalt.
"Herz und Herzlos!"
Susanne versuchte ihr Kichern zu verbergen, indem sie ihren Blick senkte und ihren Mund hinter ihrer Hand versteckte.
Insgeheim liebte sie meine dämlichen Witze.
"Nicht jetzt,May."
"Okay, gut schieß los. Aber wenn ich es richtig verstanden habe,  seid ihr beiden wieder ein Paar."
Die Beziehungspause war sogar ihre Idee, weil sie schauen wollte, ob sie ihn auch noch auf Distanz liebt.
Ich schmunzelte. Lange hatten sie es wohl nicht ausgehalten.
Diese Neuigkeit sagte mir zwar überhaupt nicht zu. Till hatte diese eingebildete Art und bei jedem Treffen sah er mich an, als wäre ich ein krichernder Wurm auf dem Boden.
"Ja, wir sind wieder ein Paar. Er war so unfassbar süß.
Er stand vor meiner Tür und hatte genau 20 Rosen dabei. Die Anzahl der Tage, die wir durch die Pause getrennt waren!"
Sie lächelte und starrte verträumt zur Seite.
Nun war ich an der Reihe: Ich musste mein bestes Lächeln zur Schau stellen.
Zwar mochte ich Till nicht, aber er machte sie glücklich und er behandelte sie immer gut.
Mit einem teilweise Arschloch konnte ich leben.
"Das ist ja der Wahnsinn!"
"Oh", sie sah mich stirnrunzelnd an und der nachdenkliche Blick setzte mich in Alarmbereitschaft.
Scheiße! Sie sah mir an, dass ich ihn nicht mochte.
Trotzdem versuchte ich nochmal das strahlendeste Lächeln aufzusetzen. Sie sollte nicht über solche Kleinigkeiten nachdenken.
"Hör auf damit."
Mist!
"Ich kann genau sehen, dass du damit ein Problem hast", sagte sie leise.
Jetzt hat sie mich. Ich will nicht, dass sie denkt, dass ich mich nicht für sie freue.
"Du bist traurig, dass ich wieder in einer Beziehung bist und du immer noch Single."
Warte, Was?!