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Ein Sandkorn, das im Auge sticht (Teil 2)

Wäre sie zu Shirin gegangen, hätte man sie schnell gefunden. Auch wenn Nora noch recht jung war, war sie doch intelligent genug, ihre beste Freundin nicht aufzusuchen, obwohl sie am liebsten genau das getan hätte.

Deswegen saß sie jetzt unter einer der Brücken am Ufer von Alaaukiki. Als sie über die Mauer geklettert war, hatte sie sich ihren Seidenrock aufgerissen und die Finger verletzt, doch hier, erschreckend nahe am reißenden Fluss, das Gesicht von der hochspritzenden Gischt genässt und die Haare schon ganz feucht, fühlte sie sich entspannter als in Khasibs Wohnzimmer. Der Blick von Shaulees dunklen Augen verfolgte sie noch immer und Nora vergrub das Gesicht in ihrem Rock und schlang die Arme um die Beine, das Rauschen des gewaltigen Flusses in den Ohren, das alle anderen Geräusche übertönte. Und obwohl Nora immer ein wenig Angst vor den Wassermassen hatte, hatte es sie, als sie alleine in Arensentia gewesen war, häufig an diesen Ort der Einsamkeit gezogen; denn hier konnte sie vollkommen alleine und für sich sein, sie brauchte sich nicht darum zu sorgen, irgendjemanden zu treffen. Die meisten Arensentianer trauten sie nicht so nahe an Alaaukiki heran und offiziell war es sogar verboten, doch einige junge Erwachsene wollten den Nervenkitzel einfach spüren, dem Wasser so nahe zu sein, dass man beinahe mitgerissen wurde.

Ein bisschen Wasser schwappte über ihre nackten Füße und Nora zog die Beine noch enger an ihren Körper. Hier unter der Brücke war es angenehm kalt, kleine Wassertropfen legten sich auf ihre nackten Arme; das Tosen von Alaaukiki, das einige Stadtbewohner auch als sein Brüllen betitelten, als wäre er ein lebendiges Monster, wirkte auf ihre aufgewühlten Gefühle beruhigend, ein ständiger Klang in verschiedenen Nuancen, als wolle der Fluss mit ihr sprechen.

Vielleicht hätte sie nicht weggehen sollen, vielleicht hätte sie mit Shaulee Keanu aufsuchen sollen, jedoch... Nora wusste nicht, was sie erwarten sollte, wenn sie ihren Anführer noch einmal sah. Sie hatte auch keine Ahnung, wie sie reagieren würde... Anfangs hatte sie Keanu misstraut, anschließend akzeptiert und schlussendlich sogar verehrt. Er war ein stets ruhiger Charakter gewesen, auf eine Art immer freundlich und höflich, gleichzeitig ehrgeizig und stark, sodass Nora nie daran gezweifelt hatte, dass er die Sandkörner zu der beliebtesten Tanzgruppe überhaupt machen würde. Und jetzt stellte sich heraus, dass er die Tanzgruppe nur als scheinheiligen Grund vorschob, um unschuldige Menschen ausrauben zu können. Nora hatte nie etwas getan, was dem Gesetz widersprochen hatte. Sie war immer unauffällig gewesen, hatte sich an alles gehalten, was man ihr vorgeschrieben hatte... Sie hatte immer daran geglaubt, dass sich ihr Leben zu ihrem Besseren wenden würde, dass sie nicht mehr in Angst zu leben brauchte, selbst, wenn dies bedeutete, dass sie ihre Familie letzten Endes hatte verlassen müssen, um sich um ihr eigenes Wohl zu kümmern. Und bei Keanu hatte sie geglaubt, eine Zukunft gefunden zu haben, doch dieser hatte ihren Wunsch nach Sicherheit mit Füßen getreten und angefangen, sie heimlich zu trainieren, damit sie eines Tages ebenfalls eine Diebin sein konnte.

Ihr gesamtes Leben hatte Nouleera sich vorgestellt, wie es wohl war, ein normales Leben zu führen, doch offenbar hatten die Götter andere Pläne mit ihr vor – Pläne, mit denen sie selbst nicht wirklich einverstanden war. Die junge Schleiertänzerin blickte nach oben, gegen die steinerne Decke der Brücke über ihr. Ihr Kopf ruhte an einem der großen Sockel, auf dem die Brücke stand und einen kurzen Augenblick fragte sie sich, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie ihre Familie nicht verlassen hätte. Doch sie dachte nur kurz darüber nach und ein verbitterter Laut entkam ihrer Kehle. Bei der neuen Frau ihres Vaters wäre sie nie glücklich geworden, egal, wie gut sie sich benommen hätte. Dafür war einfach zu viel passiert, als dass sie selbst einfach hätte weiterleben können, sich selbst einredend, alles wäre nur halb so schlimm. Nein, die Bilder verfolgten Nora noch immer in ihren Träumen und das junge Mädchen kauerte sich noch weiter zusammen, spürte, wie erneut Tränen in ihre Augen stiegen.

Sie bemerkte aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung. Nora erstarrte mitten in ihren Bewegungen und hob erst nach einigen tiefen Atemzügen langsam den Kopf, drehte ihn nach rechts und erkannte eine vom Lichtschein der Öllampen erhellte Silhouette ein paar Fuß entfernt am Ufer stehen. Diese schlaksige Gestalt, der bodenlange, ockerfarbene Mantel, dessen Säume bereits ausgefranst und dreckig waren... sie kannte dieses Kleidungsstück gut genug, um sich ein wenig aufzurappeln und die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Sie verschmierte ihre Schminke und Nora hielt inne, starte auf ihren dunklen Hautrücken, an dem sich die schwarze Farbe abzeichnete. Ihre Glöckchen klingelten bei jeder Bewegung hörbar und am liebsten hätte Nora sie abgestreift und wäre weggerannt, weit, weit weg... doch sie wusste nicht, wohin sie gehen konnte.

„Shaulee hat mir erzählt, was passiert ist."

Die sanfte Stimme Keanus drang an ihre Ohren und Nora kroch näher an die steinerne Mauer heran, um sich dagegen zu drücken. Langsam kam der Anführer der Sandkörner näher geschlendert, die Hände in die Manteltaschen gesteckt. Er ging gefährlich nahe an Alaaukiki entlang und das Wasser der starken Wellen schwappte um seine Füße. Als Keanu in den Schatten unter der Brücke eintauchte, blieb er dicht vor ihr stehen. Nora hatte sich noch nie so klein gefühlt, wie in diesem Moment und mit weit aufgerissenen Augen starrte sie zu dem Mann empor.

„Was denkst du gerade, Nouleera?" Keanus Stimme war beruhigend, wie ein leichtes Streicheln über ihre Haare. Und wie er vor ihr stand, mit den Händen in den Manteltaschen und einer lockeren Haltung, überkamen Nora die Gedanken an ihr erstes Zusammentreffen mit Keanu... Auch damals hatte er diese einnehmbare Stimme besessen, die Nouleera von dem ersten Moment an verzaubert hatte. Sie hatte gehofft, dass von Keanu nichts Böses ausgehen konnte und er erschien ihr stets wie eine Tiermutter zu ihren neugeborenen Jungen. Auch damals hatte er diese unordentliche Frisur gehabt, nur an den Seiten kurz rasiert und einige dunkle Haarsträhnen, die ihm in die Augen fielen. Seine azurblauen Augen musterten sie und nicht zum ersten Mal fragte Nora sich, woher der mysteriöse Mann eigentlich genau stammte – er war kein reiner Arensentianer, dafür besaß er eine zu helle Haut, die sich jedoch nach all den Jahren in der Wüstenstadt bräunlich verfärbt hatte.

„...hast du keine Angst, in Alaaukiki zu fallen?", fragte Nouleera schließlich und strich sich eine feuchte Strähne aus dem Gesicht.

„Das kleine Flüsschen jagt mir keine Angst ein." Keanu kniete sich zu ihr nieder und wisperte im verschwörerischen Tonfall: „Ich habe das Diamantmeer in seiner ganzen Pracht gesehen."

„Tatsächlich?" Noras Augen wurden groß. „Dann bist du ja in Amphitrite gewesen."

„Ich bin viel herumgekommen, ehe ich in Arensentia landete. Und als ich hier neu war, habe ich mich auch immer unter den Brücken versteckt, um mit meinen Gedanken alleine sein zu können."

Nora fuhr mit einem Finger durch den feuchten Sand, der sich am Ufer angesammelt hatte. Keanu beobachtete sie eine Weile, dann stand er wieder auf und sagte: „Ich bitte dich, einmal mitzukommen, Nouleera."

„Wohin?", fragte das junge Mädchen misstrauisch. Keanu linste über seine Schulter zu ihr hinunter und antwortete: „Ich möchte dir zeigen, was mit dir passiert wäre, wenn nicht ich dich aufgenommen hätte."

Nora schwieg und machte keine Anstalten, aufzustehen.

„Shaulee hat mir erzählt, wie geschockt du darüber bist, was ich mit den Sandkörnern mache. Und du siehst mich jetzt wahrscheinlich als Monster an... Aber ich zeige dir richtige Monster."

Nora war versucht, ihm zu sagen, dass sie alleine schon zurechtkäme. Doch die Worte wollten sich in ihrem Kopf nicht zurechtlegen lassen, denn sie wusste, dass sie Keanu in dieser Hinsicht dann anlügen würde. Nora hatte damals schon Glück gehabt, dass sie so schnell eine Unterkunft gefunden hatte und wusste, dass man Glück nicht überstrapazieren sollte.

Außerdem schaffte sie es nicht, Keanu wirklich böse zu sein. Er strahlte eine solche Ruhe aus, dass es Nouleera schwer fiel, in ihm tatsächlich dieses Monster zu sehen, als das er sich bezeichnet hatte. Natürlich war sie immer noch geschockt darüber, wie offen er sie angelogen hatte, aber gleichzeitig... Sie mochte Keanu. Sie hatte ihn vom ersten Augenblick an mögen gewollt und sich gewünscht, dass sie in seiner Tanzgruppe dabei sein durfte. Alle anderen Menschen in Arensentia waren zwar häufig freundlich, doch sie wirkten immer ein wenig gehetzt und schienen oft nur auf ihr eigenes Wohl bedacht zu sein – doch Keanu war anders. Ihn störte es nicht, wenn er einen Auftrag verlor oder eine der Tänzerinnen krank wurde und somit nicht auftreten konnte. Wenn ein Kunde unzufrieden war, sperrte er sich mit ihm in einem Raum ein und regelte die Sache ohne auch nur ein einziges Mal die Stimme zu erheben – überhaupt hatte Nora ihren Anführer noch nie brüllen gehört. Keanu war geduldig und schaffte es wahrscheinlich auch, einen feuerspeienden Drachen zu beruhigen, indem er einfach nur sanfte Worte sprach. Nouleera wusste nicht, ob man so etwas lernen konnte oder ob es einfach in der Natur des Mannes lag, doch sie beschloss, ihm erst einmal erneut zu vertrauen: Langsam rappelte sie sich auf und ergriff Keanus dargebotene Hand, um sich hochhelfen zu lassen. Keanu nickte ihr zu dann deutete er mit dem Kopf in die Richtung, in die er zu gehen gedachte. Nora folgte ihm mit vorsichtigen Schritten und gemeinsam kletterten sie über die Mauer hinweg, um schon bald darauf in den dunklen Gassen Arensentias einzutauchen.

Keanu sagte nichts, während er sie führte. Nur einmal sprach er sie an, die Augen unentwegt nach vorne gerichtet und eine Hand in seiner Manteltasche: „Gibt es eigentlich etwas, was du mir über deine Person noch nicht verraten hast?"

Nora zögerte; Shaulee hatte bestimmt davon erzählt, was sie bei ihr gespürt hatte, aber sie konnte unmöglich mehr wissen. Also schüttelte sie den Kopf und flüsterte: „Nein. Nichts, was von Belang wäre."

„Wieso kamst du eigentlich nach Arensentia?", fragte Keanu weiter. „Normalerweise frage ich nicht nach, aber anhand deiner Reaktion nehme ich an, dass du vorher noch nie mit... Verbrechen in Kontakt gekommen bist?"

In seiner Stimme schwang ein stummer Vorwurf mit, immerhin hatte Keanu Nora zu nichts gezwungen, was sie nicht gewollt hatte – und schon gar nicht zu irgendeinem schurkischen Akt verleitet. Das Mädchen schlang die Arme um den Oberkörper und fühlte sich in den dünnen Seidenstoffen wie auf einem Silberteller präsentiert. Die Menschen, an denen sie vorbeikamen, starrten sie mit unverhohlener Neugierde an und in den Augen der Männer glitzerte eine gewisse Begierde auf. Keanu blieb stehen und schälte sich aus seinem Mantel, um ihn ihr über die Schultern zu legen. Nora bedankte sich mit leiser Stimme und gab einen schweren Seufzer von sich. Keanu kniete vor ihr, seine hellen Augen musterten ihr Gesicht und er sagte: „Vielleicht vertraust du mir eines Tages so weit, dass wir keine Geheimnisse mehr vor einander haben müssen."

Sie würde es am liebsten jetzt tun. Nouleera spürte, wie jede einzelne Erinnerung schwer auf ihrer Seele lastete, besonders jetzt, da sie genug Zeit zum Nachdenken gehabt hatte. Als sie in Arensentia angekommen war, war sie abgelenkt gewesen, ebenso wie durch Keanu, Shaulee, Dajana und all die anderen Menschen, die sie kennengelernt hatte. Doch jetzt, in der Stille der dunklen Gassen von Arensentia, spürte sie, wie sehr die letzten Monate an ihren Nerven gezehrt hatten. Doch wenn sie Keanu etwas verriet... Dann würde er sie mit Sicherheit verstoßen. Nora wollte dieses Risiko nicht eingehen und sie zog seinen Mantel nur enger um ihren Körper und schlich weiter hinter ihm her, schweigend, bis Keanu stehen blieb.

„Viele junge Mädchen, wie du eines bist, landen in solchen Etablissements", eröffnete der Mann das Gespräch und deutete auf eines der Häuser. Nora linste an seinem Körper vorbei und sah vor dem Eingang mehrere leicht bekleidete Mädchen stehen, nur wenig älter als sie selbst. Ihre Gesichter waren geschminkt, sodass sie wie kleine Porzellanpuppen aussahen und sie räkelten sich in verführerischen Posen, während einige Männer anhielten, sie anfassten und leise Worte in ihre Ohren raunten. Nora beobachtete ein Mädchen, das den Kopf weghielt und die Augen zusammenkiff, die Lippen nichts weiter als ein dünner Strich.

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