Kapitel 13: Ein Buch voller Erinnerungen
Am nächsten Morgen war Estel der erste, der aufwachte. Er beobachtete den friedlich schlafenden Elbenprinzen, dessen Haare unordentlich über seinen Schultern verteilt lagen, während er sich an die Seite des Mannes kuschelte.
Bei dem Gedanken an den vorherigen Abend durchfuhr ein angenehmes Kribbeln seinen Körper und er legte seine Arme sanft um Legolas' Taille. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass der Elb sich ihm so anvertraute. Zuvor hatte es in seinem Leben keinen Moment gegeben, der auch nur annähernd so schön war. Dieses unglaubliche Gefühl der Verbundenheit überstieg alles was er davor gefühlt hatte. Es war wie ein Licht, dass in ihrem Inneren aufleuchtete und so hell strahlte, wie es nur die Sterne konnten.
Nur wenig später schlug auch Legolas seine Augen auf. Verschlafen hob er den Kopf, um zu sehen, ob Estel schon wach war. Mondgraue Augen, in denen ein liebevoller Blick lag, starrten ihm entgegen. Er lächelte und setzte sich etwas mehr auf, um dem Mann einen Kuss auf die Lippen geben zu können. Eine Hand legte sich an seine Wange und hinterließ sanfte Liebkosungen auf der zarten Haut.
Als Legolas sich leicht in die Berührung hineinlehnte, dachte er an den gestrigen Abend zurück. Er konnte nichts anderes sagen, als das er noch nie so etwas Wundervolles erlebt hatte. Es war, als wäre er endlich vollständig und er wollte am liebsten nie wieder loslassen.
Der Elb drehte seinen Kopf ein wenig, um einen Kuss in der Handfläche des Mannes zu hinterlassen, bis er sich vorbeugte, damit er seine Lippen sanft küssen konnte.
„Hast du gut geschlafen?", fragte Estel leise und hielt seinen Blick auf Legolas' saphirblaue Augen gerichtet.
„Hätte nicht besser sein können", antwortete der Elb mit einem warmen Lächeln.
Kurz danach standen sie auf und nach dem Frühstück mussten sie feststellen, dass das Wetter an diesem Tag zu schlecht war, um nach draußen zu gehen. Es war kühl, ein starker Wind verbog die dicken Äste der Bäume und dunkle Wolken aus denen strömender Regen fiel, verbargen die Sonne.
Als sie gerade durch die Gänge liefen, kam ihnen plötzlich Elrond entgegen.
„Man erin, cin tád (Guten Morgen ihr beiden)", begann er, während ein Lächeln über seine Lippen huschte.
„Guten Morgen", gaben Legolas und Estel zurück und erwiderten die freundliche Geste.
„Könntet ihr mir helfen, die Sachen zurück in die Bibliothek zu bringen?", fragte er und sein Blick wechselte von seinem Sohn zu Legolas hin und her.
„Oh natürlich, kein Problem", antwortete Estel und sie folgten Elrond zu seinem Zimmer.
Auf dem großen Schreibtisch waren einige Bücher gestapelt, schon sortiert nach Themen. Jeder von ihnen nahm einen Stapel und sie gingen in Richtung Bibliothek.
Dies war einer der imposantesten Räume des Düsterwaldes, es streckte sich über zwei Etagen. In der Mitte war es offen, dort stand ein Jahrhunderte alter Baum, dessen Äste sich bis zur Decke des Raumes erstreckten, die an dieser Stelle nach außen zu einer Kuppel gewölbt war.
An seinem Stamm führte eine hölzerne Wendeltreppe nach oben, wo winzige Laternen am Geländer den Weg erhellten. An den Wänden befanden sich riesige Bücherregale, von oben bis unten gefüllt mit den verschiedensten Büchern. An sie waren Leitern gelehnt, damit man auch die höheren Fächer gut erreichen konnte.
In der oberen Etage wurde von imposanten weißen Säulen gestützt und dort standen purpurfarbene Sessel an kleinen Tischen unter den sattgrünen Zweigen des Baumes. An einigen Ästen hingen weiß-gemusterte Laternen, die den Raum in ein sanftes Licht einhüllten und eine perfekte Atmosphäre schufen.
Die Decke war mit feinen Zeichnungen bemalt, sie zeigten detailreiche Bilder der Natur und einigen der größten Eldar der Geschichte, umrandet von goldenen Verzierungen.
Die halboffene Gestaltung des Raumes, verbunden mit der feinen elbischen Architektur machte die Bibliothek zu einem der schönsten Zimmer des Palastes.
Sie betraten den Raum und liefen zielstrebig auf die Regale zu, um die Bücher zurück zu sortieren. Dies war nicht schwer, da die Schränke gut nach Themen beschriftet waren.
Als Legolas das letzte Buch an seinen Platz schob, fiel ihm plötzlich ein anderes auf, dass im Fach darüberstand. Er zog es aus dem Regal und legte es auf den Tisch vor ihm ab.
Mit seinen Fingern strich er über den olivgrünen Einband, bis er das Buch öffnete und vorsichtig durch die Pergamentseiten blätterte. Der Elb überflog die elbischen Buchstaben, die mit feinster schwarzer Tinte geschrieben wurden. Er war so vertieft in die Zeilen, dass er gar nicht merkte, dass Estel plötzlich hinter ihm stand.
„Legolas, was ist das für ein Buch?", fragte er und warf einen Blick auf die dunkle Schrift.
Der Prinz drehte sich etwas erschrocken um. „Oh, das ist ein Buch, aus dem mir meine Mutter vorgelesen hat, als ich noch ein Kind war...", antwortete er, schlug es wieder zu und stellte es zurück an seinen Platz. Er hatte nicht gewusst, dass dieses Buch überhaupt noch existierte, aber er verband einige Erinnerungen damit.
„Legolas, komm!", rief eine weibliche Stimme und rannte hinter dem kleinen Elben her, der sich zwischen den hohen Regalen der Bibliothek versteckte.
„Zuerst musst du mich finden!", gab er zurück und kroch in eine Ecke hinter einer Säule. Er hatte Glück, dass er noch so klein war, sonst hätte er nie in dieses perfekte Versteck gepasst.
Seine Mutter lächelte und begann durch den Raum zu laufen, in die Richtung, aus der die Stimme ihres Sohnes kam. „Legolas? Legolas wo bist du?", fragte sie spielerisch und schaute unter Tische und zwischen Regale, fand den kleinen Elben aber nicht.
Dann hörte sie ein leises Kichern aus einer Ecke. Sie lief sofort darauf zu und tatsächlich, hinter der Säule saß Legolas. „Hab dich!", rief sie und zog den kleinen Elben in ihre Arme.
Müde lehnte er sich an die Schulter seiner Mutter und ließ sich von ihr zu seinem Zimmer tragen. Dort legte sie ihn behutsam auf das weiche Bett und deckte ihn mit der großen Decke zu.
„Liest du mir noch etwas vor, Nana?", bat Legolas mit großen, glitzernden Augen.
Seine Mutter lächelte und setzte sich auf den Sessel neben das Bett. Dann griff sie zu dem großen Buch, mit olivgrünem Einband.
„Welche Geschichte möchtest du heute hören, iôn nîn?", fragte sie und blickte auf den nachdenklichen Gesichtsausdruck ihres Sohnes.
„Die mit dem Häschen", antwortete Legolas und kuschelte sich in die Kissen.
Sie lächelte und blätterte zur Seite, auf der die Geschichte begann und fing an zu lesen.
„Es war einmal ein kleiner Junge. Eines Tages ging er, wie jeden Abend, glücklich durch den Wald. Sein Blick fiel über die sattgrünen Baumkronen und er ließ sein Gesicht von den warmen Strahlen der untergehenden Sonne kitzeln.
Er hüpfte über den mit weichem Moos bedeckten Waldboden und summte eine fröhliche Melodie. Die Töne waren im Einklang mit dem klangvollen Zwitschern der Vögel, die auf den Ästen der Bäume saßen und ihre Lieder trällerten.
Am Rand des kleinen Pfades wuchsen die verschiedensten Blumen, die ihre Blüten der Sonne entgegenstreckten. Sie leuchteten in kräftigen Farben und lockten damit Bienen an, die hungrig von einer Blüte zur nächsten flogen.
Der Junge lief weiter den schmalen Weg entlang, bis er plötzlich ein Geräusch aus dem Gebüsch hörte. Er lief darauf zu und schob die Zweige des Gestrüpps beiseite, um den Ursprung des Geräusches erkennen zu können.
Seine Augen weiteten sich geschockt, als sein Blick auf ein verletztes Tier fiel. Es war ein kleines Häschen, es lag zusammengerollt im Gras, während sich sein kleiner Bauch in hastigen Atemzügen hob. Eine Wunde bedeckte seine Seite, aus der Blut tropfte.
Der Junge zögerte nicht und nahm das kleine Häschen sanft in seine Hände. Er konnte das Zittern des Tieres bei ihrer Berührung spüren, redete ihm aber gut zu und streichelte es vorsichtig.
Das Häschen sah aus, als würde es jede Sekunde die Hoffnung aufgeben wollen, um in den ewigen Schlaf zu fallen, doch das Licht, welches der Junge ausstrahlte, gab ihm genug Kraft, um am Leben zu bleiben.
Schnell rannte er durch den Wald, schaute angestrengt über den Waldboden, um hoffentlich das zu finden, nach dem er suchte. Endlich, unter einer alten Eiche wuchs ein lila blühendes Kraut. Er legte den zitternden Hasen behutsam auf den Boden und rupfte etwas von der Pflanze. Der Junge zerrieb einige der Blätter und Blüten zwischen seinen Handflächen, bis ein grünlicher Saft austrat.
Dann drückte er beides auf die Wunde des Tieres und spürte, wie sich dessen Atmung langsam normalisierte. Das Häschen überlebte, weil der Junge nicht die Hoffnung aufgab und es wochenlang pflegte, bis es vollständig geheilt war.
Später wurde er nach danach benannt, was er jenem, der Hilfe brauchte, schenkte: Estel (Hoffnung)", erzählte sie und blickte auf Legolas, der sich mit geschlossenen Augen und einem Lächeln auf dem Gesicht in seine Decke kuschelte.
Leise schlug sie das Buch zu und legte es zurück auf den Tisch. Dann ging sie auf ihren Sohn zu und gab ihm einen liebevollen Kuss auf die Stirn. „Schlaf gut, kleines Blatt."
Legolas Finger verließen den Einband des Buches und er drehte sich zu Estel um, der ihm mit fragendem Gesichtsausdruck ansah. Damals war das seine Lieblingsgeschichte und als hätte es das Schicksal so gewollt, gab es Estel wirklich und der Elb war sich sicher, dass der Mann als kleiner Junge nicht anders war, als der in dem Märchen.
Jahrelang hatte er jegliche Erinnerungen an seine Mutter aus seinem Kopf verbannt, deshalb wusste er gar nicht mehr, dass dieses Buch überhaupt noch existierte und konnte sich demzufolge auch nicht an diese Geschichte erinnern.
Estel runzelte seine Stirn und blickte zu Legolas, als würde er versuchen zu erkennen, worüber der Prinz gerade nachdachte.
„Sind das elbische Geschichten?", fragte er, während er versuchte den Einband des Buches zu lesen. Leider war es in Quenya geschrieben, der alten elbischen Sprache, deren Buchstaben er nicht so gut entziffern konnte.
„Ja, es ist eine Sammlung verschiedener Märchen und Geschichten", gab Legolas zurück stellte das Buch schnell an seinen Platz im Regal zurück.
„Ist es in Quenya geschrieben?", hakte Estel nach.
„Nein, nur der Titel, sonst ist es Sindarin", antwortete der Elb und erkannte, dass er den Fragen des Mannes nicht ausweichen konnte, also beantwortete er seine nächste Frage, noch bevor er sie gestellt hatte.
„Diese Geschichten hat mir meine Mutter jeden Abend vorgelesen", fügte er hinzu. „Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht einmal, dass es überhaupt noch existiert."
Legolas beschloss aber, nichts von der Geschichte zu erwähnen, die er gerade gelesen hatte. Estel wollte noch etwas darauf antworten, als Elrond wieder auf sie zukam.
„Danke für eure Hilfe, nun, es gibt jetzt noch einige Dinge, um die ich mich kümmern muss. Dann bis später ihr beiden", sprach er, lächelte ihnen noch zu und verließ die Bibliothek durch eine der großen Flügel-Türen.
„Ich glaube, ich habe es dir noch nicht erzählt, aber Elrond und dein Vater wissen von uns", sagte Estel um bemerkte, wie der Prinz seine Augen aufriss und seinen Blick senkte.
„Keine Angst, beide haben in keinster Weise ein Problem damit. Elrond hat es sogar vorher schon geahnt", antwortete Estel und der Gesichtsausdruck des Elben beruhigte sich schließlich.
Er seufzte erleichtert und ging einen Schritt auf den Mann zu, bis er ihm einen sanften Kuss auf die Lippen legte.
Dann löste er sich von ihm und lief zu einer der Türen. Er drehte sich um und sah, wie Estel ihn fragend ansah. Legolas deutete seinem Geliebten, ihm zu folgen, während er den Raum verließ und ihn durch die langen Gänge nach draußen führte.
„Ich würde dir gern etwas zeigen", sagte er schließlich und ging einen der vielen Pfade in den Wald hinein.
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Hat jetzt zwar nichts mit der Geschichte zu tun, aber mögt ihr Herr der Ringe oder der Hobbit lieber? 😂
Und ich hoffe natürlich, dass euch das Kapitel gefallen hat, denn jetzt wird es spannend... 😶🖤
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