kapitel 5 : zu viel familie
Das Haus, das einst von Abe bewohnt worden war, stand nun wie ein stummer Zeuge der Vergangenheit, der in den Schatten der Erinnerungen eingehüllt war. Jeder Raum schien von einer tiefen, unsichtbaren Präsenz durchzogen zu sein – Abe, der in jedem Winkel weiterlebte, auch wenn er physisch nicht mehr da war. Die Wände, die er mit seinen Füßen berührt hatte, die Möbel, die er berührt hatte, all diese Dinge schienen mit seinem Geist gefüllt zu sein. Für Libitina fühlte es sich an, als ob die Erinnerungen an ihn wie ein Echo in der Luft lagen, das nie verklingen würde.
Sie und die beiden Männer, Jake und sein Vater Franklin, waren damit beschäftigt, das Haus zu räumen, als ob sie versuchen würden, etwas Greifbares von der Vergangenheit zu bewahren, das niemals wirklich festzuhalten war. Libitina bewegte sich durch die Räume, ihre Schritte leise auf dem staubigen Boden. Sie fühlte sich, als würde sie sich immer weiter von Abe entfernen, als wäre die Welt, die sie einst geteilt hatten, nun zerbrochen und auseinandergefallen. Jede Bewegung, jedes Aufheben eines Gegenstandes, schien ein weiteres Stück von ihm und seiner Welt zu zerstören. Es war, als ob sie die Verbindung, die sie zu ihm hatte, mit jedem Augenblick schwächer wurde, als ob sie sich von etwas verabschiedete, das niemals wirklich abgeschlossen worden war.
Abe hatte immer wieder versucht, mit ihr in Kontakt zu treten. Er hatte oft von Dingen gesprochen, die sie nicht hören wollte, von der Vergangenheit, die sie nie ganz begreifen konnte. Es gab Worte, die nie ausgesprochen worden waren, Fragen, die nie beantwortet worden waren, und Antworten, die sie nie hören wollte. Sie hatte sich immer hinter einer Mauer aus Schweigen versteckt, hatte die Gespräche vermieden, die in die Tiefe gegangen wären. Die Vergangenheit, mit all ihren unaufgelösten Wunden, war ein Labyrinth, das sie niemals betreten wollte. Doch nun, da er nicht mehr da war, blieb sie in diesem Labyrinth gefangen – der Raum um sie schien sich immer weiter zu verengen, und sie wusste nicht, wie sie sich befreien konnte.
Libitina hielt an, als sie etwas Großes und Ungewöhnliches auf dem Boden entdeckte. Es war eine altmodische Lederjacke von Abe, die in der Ecke lag, als ob sie dort vergessen worden wäre, doch die Erinnerungen an ihn waren in ihr eingefangen, wie der Duft von altem Leder, der in der Luft hing. Zögernd hob sie die Jacke auf und zog sie an. Die Ärmel hingen weit über ihre Finger, und der Stoff reichte bis zur Mitte ihrer Oberschenkel. Sie fühlte sich für einen Moment, als ob sie in die Vergangenheit zurückversetzt worden wäre. Der Duft der Jacke umhüllte sie, und sie konnte sich plötzlich wieder an einen kalten Tag erinnern, als Abe ihr diese Jacke gegeben hatte. Er hatte sie vor dem kalten Wind geschützt, hatte sie gerettet, als sie verloren gewesen war. Es war als ob er in diesem Moment wieder bei ihr war, als ob sie nur die Augen schließen musste, um ihn wieder zu spüren.
„Die steht dir wirklich gut, Libitina", hörte sie plötzlich Jakes Stimme, die sie aus ihren Erinnerungen riss. Er stand da, ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen, als er sie betrachtete. Die Wärme in seiner Stimme war nicht ganz frei von einem Hauch von Traurigkeit.
Libitina atmete tief ein und schloss für einen Moment die Augen, als versuche sie, sich wieder zu fassen. Es war, als ob die Luft in diesem Raum zu dick war, als ob die Erinnerungen, die um sie herum schwebten, sie fast erstickten. „Ja, sie ist besonders", flüsterte sie, ohne zu wissen, ob sie sich selbst oder Abe ansprach. Es war, als ob sie mit ihm sprach, auch wenn er nicht mehr da war, als ob seine Präsenz in ihr war, in dieser Jacke, die sie trug.
Sie zog die Jacke enger um sich und spürte die wohltuende Wärme, die sie von innen erfüllte. Es war ein Moment der Geborgenheit, der sie fast aus der Realität herausriss, einen Moment, in dem sie sich für einen Augenblick wieder sicher fühlen konnte.
Doch dann hielt Jake ein Foto in der Hand, das sie gemeinsam mit Abe zeigte. Es war eines dieser Bilder, auf denen sie alle zusammen glücklich und unbeschwert waren. Abe hatte sie so oft zum Lachen gebracht, hatte immer dieses Lächeln auf den Lippen, das so vertraut war. Jakes Lächeln spiegelte das eigene wider. Sie hatte es fast vergessen, wie glücklich sie damals gewesen waren.
„Oh, das ist großartig! Steck es ein, Jake", sagte Libitina, als sie versuchte, das Bild wie ein kostbares Erbstück zu bewahren. Es war eine Erinnerung, die sie festhalten wollte, eine Erinnerung an die Zeit, als alles noch gut gewesen war.
Doch plötzlich veränderte sich Jakes Stimmung. Er sah sie mit verletzten Augen an, und Libitina spürte, wie ihr Herz schwer wurde.
„Wieso zur Hölle ist es für dich so in Ordnung? Es kommt mir vor, als wäre dir alles scheißegal! Kaum ist er fort, machst du zu, und dabei schienen wir uns gerade zu öffnen..."
Seine Worte trafen sie wie ein Schlag. Ein kaltes Gefühl kroch in ihre Brust, und Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie weigerte sich, sie zu zeigen. Ihre Kehle war trocken, die Worte, die sie finden wollte, blieben ihr im Hals stecken.
„Jake", flüsterte sie, ihre Stimme fast unhörbar, während der Schmerz in ihr nachhallte. „Du warst Abe viel näher als ich es je war. Du und er, ihr hattet eine einzigartige Bindung, eine, die ich nie verstehen konnte." Ihre Worte fühlten sich an wie eine Entschuldigung, wie eine Rechtfertigung, doch sie wusste, dass sie die Dinge nie richtig erklären konnte.
Franklin, Jakes Vater, der bisher still gewesen war, schloss sich nun dem Gespräch an. „Libitina hat recht", sagte er mit ruhiger, aber bestimmter Stimme. „Du und Abe, ihr wart wie Seelenverwandte. Er war ein wunderbarer Großvater, das bestreite ich nicht. Aber er war kein so großartiger Vater, verstehst du?"
Franklins Versuch, zu vermitteln, fühlte sich an wie eine Kluft, die sich noch weiter zwischen ihnen auftat. Libitina versuchte, sich zusammenzunehmen, doch ihre Gefühle brodelten in ihr wie ein Sturm. Sie konnte die Trauer und den Vorwurf in Jakes Augen kaum ertragen, und als Franklin versuchte, einen Arm um sie zu legen, wich sie geschickt aus.
„Er schien immer Jobs zu suchen, bei denen er unterwegs war oder reisen konnte. Suzy und ich dachten immer, er betrügt unsere Mutter...", fuhr Jakes Vater fort, als ob er versuchte, Dinge zu klären, die Jahre zuvor nie richtig ausgesprochen worden waren.
„Bullshit! Das würde er nie tun!" Libitina brach in den Raum, bevor sie nachdenken konnte, und die Wut, die in ihren Worten mitschwang, überraschte sogar sie selbst. In ihren Gedanken fügte sie hinzu: „Ich weiß es. Ich war dabei. Wir mussten deine Mutter sogar davon überzeugen, dass nichts zwischen Abe und mir lief..."
Jake schien für einen Moment zu kämpfen, versuchte, einen Schritt zurückzutreten, seine Gefühle zu sortieren. „Ich verstehe, wie sehr du ihn bewundert hast, aber so war er nun einmal." Er legte eine Hand auf Libitinas Schulter, doch sie schüttelte sie entschieden ab. Die Berührung fühlte sich an wie ein weiteres Hindernis, das zwischen ihnen stand – ein weiteres Stück der Vergangenheit, das nie heilen konnte.
Es war, als ob jeder Versuch, sich von Abe zu verabschieden, sie nur weiter von ihm entfernte.
~~~
Als Franklin das Auto auf der Einfahrt parkte, durchzog Libitina ein kaum zu bändigendes Gefühl. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust, schwer und gefangen in der Erinnerung an Abe. Der kalte, schneidende Wind draußen drang durch den Stoff der Jacke, die sie von ihm getragen hatte, doch der kühlende Schutz konnte die Hitze der Trauer in ihr Inneres nicht vertreiben. Die Jacke, die er ihr einst mit einem schüchternen Lächeln übergeworfen hatte, schien nun wie ein gelebtes Stück seiner Nähe, ein Teil von ihm, das sie an sich drückte. Sie zog den Stoff fester um sich, als wollte sie sich in ihm verstecken und die Welt um sich herum ausblenden. Aber sie wusste, dass das nicht funktionierte.
Franklin öffnete die Tür und gab ihr so die Gelegenheit, auszusteigen. Doch noch bevor sie einen Schritt machen konnte, wurde sie von einem lauten, ungestümen Ruf überrascht, der wie ein scharfer Ruck durch ihre Adern zog und sie unwillkürlich zusammenzucken ließ.
„ÜBERRASCHUNG!" Es waren die Zwillinge, Jakes Cousinen, die mit ihren energiegeladenen Rufen durch die Tür stürmten. „Happy Birthday, Cousin Jake!" Ihre Stimmen vermischten sich mit einem freudigen Lachen, das den Raum erfüllte, und doch traf es Libitina wie ein Schlag. Ein Teil von ihr wollte diese Freude in sich aufnehmen, wollte sich in die fröhliche Atmosphäre einfügen, aber ihre Gedanken waren viel zu schwer, die Dunkelheit in ihrem Inneren hatte sie fest im Griff.
„Zu viel Familie auf einmal..." murmelte sie leise, mehr zu sich selbst als zu irgendjemandem. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich abrupt um und hastete an den Zwillinge vorbei, die immer noch voller Energie durch das Haus flitzten. Sie eilte ohne Umweg in ihr Zimmer, ließ sich auf das Bett fallen, die Hand auf ihrem Gesicht, als wollte sie den Strom der Emotionen, der in ihr aufstieg, irgendwie zurückhalten.
Die Decke über ihr verschwamm vor ihren Augen, ihre Gedanken jagten einander, immer wieder zurück zu Abe. Der Verlust brannte wie eine Wunde, die nicht heilen konnte. Alles schien sich in dieser stillen, schweren Dunkelheit zu verlieren. Sie wollte die Geburtstagsfeier nicht mit ihrer Trauer belasten, wollte nicht zur Last werden, und doch konnte sie die Gedanken nicht abstellen. Sie konnte die Bilder von Abe nicht aus ihrem Kopf vertreiben, nicht die schrecklichen Erinnerungen an den Tag, der alles verändert hatte.
Inmitten dieser zerrissenen Gedanken, hörte sie plötzlich das leise Klicken der Tür, die sich öffnete. Eine Stimme, sanft, aber vertraut, erklang: „Hallo, hier ist Tante Suzy." Ihre Tante trat ein, mit einem leichten Lächeln, das genauso warm wie immer war. „Ich glaube, das gehört dir..." Sie reichte Libitina ein kleines, weißes Kästchen, das aus Eichenholz gefertigt war. „Ich habe es bei deiner Großmutter gefunden, als wir angefangen haben, zu packen."
Libitina nahm das Kästchen mit einem müden Blick entgegen. „Danke", murmelte sie, obwohl ihre Gedanken weiterhin weit entfernt waren. Tante Suzy lächelte noch einmal sanft, bevor sie sich wieder entfernte, um sich der Feiergesellschaft anzuschließen.
Libitina setzte sich langsam auf, das Kästchen in ihren Händen. Sie starrte es eine Weile an, als sei sie sich unsicher, ob sie es öffnen sollte. Doch dann, als ob eine unsichtbare Hand sie drängte, öffnete sie das kleine Kästchen behutsam. Im Inneren fand sie eine goldene Kette, deren Anhänger in Form einer Sanduhr gearbeitet war. Der Sand, der in der Sanduhr floss, war jedoch kein gewöhnlicher Sand. Er bestand aus kleinen, funkelnden lila Diamanten, die das Licht im Raum einfingen und in glitzernden Farben erstrahlten. Die Kette war schwer in ihrer Hand, und Libitina konnte nicht anders, als zu spüren, dass sie eine besondere Bedeutung hatte. Sie spürte das Gewicht der Verantwortung, das sie damit auf sich nahm.
Neben der Kette lag ein vergilbter Zettel, der längst von der Zeit gezeichnet war. Die Tinte war verblasst, aber die Worte darauf waren klar: „Erst gehen wir mit der Zeit, dann gehen wir mit der Zeit... und dann werden wir die Zeit. - Abe"
Libitina starrte auf den Zettel, die Worte brannten sich in ihr Gedächtnis. „Oh, Abe..." flüsterte sie, die Tränen kamen, ohne dass sie es verhindern konnte. Die Erinnerung an Abe, wie er ihr diese Worte immer wieder ins Ohr geflüstert hatte, kam mit einer Wucht zurück, die sie beinahe erstickte. Ihre Finger zitterten, als sie die Kette weiter betrachtete, als suchte sie nach einem Halt, der ihr die Welt um sich wieder verständlich machen könnte.
„Wenn ich dir nicht hinterhergelaufen wäre, hätte er mich aufgehalten...", murmelte Libitina, ihre Stimme zerrissen. Ihre Worte klangen wie ein Vorwurf an sich selbst, ein leiser Hauch von Schuld, der sie unaufhörlich verfolgte. „Dann hätte ich damit aufgehört... Dann hätte ich nicht mitangesehen, wie du langsam erneut zu einer Leiche wirst..."
Die Kette, die sie noch immer in ihren Händen hielt, fühlte sich wie ein Zeichen der Vergänglichkeit an. Wie eine Erinnerung an den Verlust, den sie nie ganz begreifen konnte. Die glänzenden lila Diamanten der Sanduhr schimmerten jetzt wie kleine Spiegel, die ihre Tränen reflektierten. Libitina fühlte sich, als würde sie in den Tiefen ihrer eigenen Erinnerungen ertrinken. Die Schuldlast, die auf ihren Schultern lag, fühlte sich erdrückend an.
„Ich hätte etwas tun müssen... ich hätte ihm mehr helfen können", flüsterte sie, ihre Stimme brüchig und weich. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie sich niemals von dieser Last befreien würde. Die Gedanken an Abe, die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit, an die Versprechen, die sie sich gegeben hatten – all das war nun ein Teil von ihr, für immer. Und sie wusste, dass sie mit dieser Last leben musste. Aber vielleicht, nur vielleicht, würde das Gewicht der Kette, die sie so fest umklammerte, ihr auch die Kraft geben, weiterzugehen.
Die Erinnerungen an die Momente, in denen sie Abe verzweifelt um Hilfe angefleht hatte, kamen wie eine Flutwelle über Libitina. Sie schloss die Augen, und sofort sah sie ihn wieder vor sich, mit diesem warmen Blick, der sie immer tröstete – doch diesmal war er wie ein unerreichbares Bild, ein Schatten der Vergangenheit, der sie zu verspotten schien. In ihrer Brust zog sich ein Schmerz zusammen, scharf und unnachgiebig. Die Dunkelheit der Erinnerungen legte sich wie ein dicker Schleier um sie, schwer und drückend. Hätte ich ihn retten können? Der Gedanke fraß sich unaufhörlich durch ihren Verstand, ein endloses Echo, das keine Antwort zuließ.
Eine Träne glitt über ihre Wange, und hastig strich sie sie fort, als wolle sie auch die Empfindungen damit auslöschen. Sie wusste, sie sollte sich sammeln, die Feier fortsetzen, sich auf andere Gedanken bringen, aber die Last der Vergangenheit war wie eine unsichtbare Kette um ihr Herz, die sie ständig zurückzog.
Langsam zog sie die Decke enger um ihre Schultern und sank in das sanfte Dämmerlicht ihres Zimmers. Sie spürte die Kühle der Nachtluft, die durch das Fenster hereindrang, doch die Dunkelheit hatte etwas Beruhigendes, etwas Tröstendes. Sie schloss die Augen und lauschte dem stillen Rhythmus der schlafenden Welt um sie herum – das leise Rascheln der Bäume, das sanfte Knarren des Holzes, das gelegentliche Murmeln der Stimmen aus dem Flur. Der Schlaf würde vielleicht ihre Gedanken klären, dachte sie, ihr Ruhe schenken, doch kaum war sie in den Halbschlaf geglitten, begannen die Schatten, sie zu heimsuchen.
Vor ihrem inneren Auge erschien die Gestalt, die sie so gut kannte – eine düstere, schattenhafte Figur, die sich wie Rauch formte und langsam auf sie zukam. Libitina erstarrte, spürte, wie ihre Glieder schwer wurden, als sich das Bild schärfte. Es war Enoch, eine dunkle Präsenz, die tief in ihren Albträumen verwurzelt war, eine Erinnerung, die sie nicht loslassen konnte, und die wie ein unheilvoller Geist in ihrem Verstand lebte. „Enoch..." flüsterte sie im Halbschlaf, und in diesem Moment wurde sie wach, riss sich aus dem Griff des Traums, keuchend und mit schweißnasser Stirn.
Im gleichen Moment öffnete sich leise die Tür, und Jake trat in ihr Zimmer, seine Augen erfüllt von Sorge. „Libitina?" Seine Stimme war sanft, und die Dunkelheit in ihren Gedanken schien für einen Augenblick zu weichen. Er schloss die Tür vorsichtig hinter sich und trat zu ihr ans Bett. Sein Gesichtsausdruck war voller Mitgefühl und Verständnis, als er fragte: „Was ist los? Du siehst aus, als hätte dich etwas erschreckt."
Libitina atmete tief durch, schluckte die letzten Schatten ihrer Angst hinunter und bemühte sich, ruhig zu klingen. „Nur ein schlechter Traum... wie immer", antwortete sie leise und zwang sich zu einem schwachen Lächeln, das ihre Erschöpfung nicht ganz verbergen konnte. Sie wollte nicht, dass Jake sich um sie sorgte, nicht an diesem Tag, der ihm gehören sollte, seiner Freude und seiner Unbeschwertheit.
Jake musterte sie still, seine Augen weich und verstehend. „Wenn du reden möchtest, bin ich hier, ja?" Er trat näher an sie heran, legte sanft eine Hand auf ihre Schulter, und die Berührung war wie ein warmer Lichtstrahl in der Dunkelheit. Sie fühlte, wie die Wärme durch sie hindurchströmte, wie die Sorge in seinem Blick eine Brücke zu ihrem Schmerz schlug.
Ein Anflug von Dankbarkeit überkam sie, und sie nickte langsam, ihr Blick kurz in seine Augen vertieft. „Danke, Jake. Aber es geht schon... Geh zurück zu deiner Feier. Ich komme klar." Ihre Stimme war sanft, doch in ihr schwang eine Sturheit, die Jake gut kannte. Sie wollte ihm nicht zur Last fallen, ihn nicht weiter von seiner eigenen Freude abhalten.
Jake hielt ihren Blick einen Augenblick länger, und in seinen Augen lag das stille Versprechen, dass er jederzeit wiederkommen würde, wenn sie ihn brauchte. Dann nickte er und trat langsam zurück zur Tür. „Denk daran, ich bin nur ein paar Schritte entfernt, wenn du es dir anders überlegst." Mit einem letzten, aufmunternden Lächeln schloss er die Tür hinter sich und ließ sie allein in der Stille ihres Zimmers zurück.
Die Dunkelheit schloss sich wieder um Libitina, und die Kälte kehrte in ihre Gedanken zurück. Sie zog die Decke enger um sich, doch sie konnte die Schatten, die sie umgaben, nicht abschütteln. Die Erinnerungen waren wie Geister, die durch ihr Innerstes wanderten, die sie immer wieder an das Vergangene erinnerten. Der Schlaf kam an diesem Abend nicht zu ihr, und die Dunkelheit blieb ein stummer Begleiter, während sie mit ihren eigenen Ängsten kämpfte, gefangen in den Bildern und Stimmen der Vergangenheit.
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