Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

kapitel 4 : hast ihn gestohlen

„Es war niemand dort," flüsterte Libitina erneut, ihre Stimme klang hohl, leer, als ob sie durch einen endlosen, dunklen Tunnel sprach. Der Satz hing schwer im Raum, wie ein Gespenst, das sich nicht vertreiben ließ. In ihrer Brust lastete ein tiefer Schmerz, ein Schmerz, der sich anfühlte, als würde er niemals vergehen, als hätte er sich in jeden Winkel ihres Seins eingebrannt. Abes Tod lag wie eine dunkle Wolke über ihr, und obwohl die Zeit weiterging – mittlerweile war ein ganzer Monat vergangen – schien dieser Schmerz nur an Tiefe und Schwere zuzunehmen. Jeden Morgen wachte sie in der stillen Hoffnung auf, dass die Qual endlich nachlassen würde, dass der Albtraum ein Ende fände. Doch jedes Erwachen brachte nur dieselbe, endlose Leere mit sich.

Libitina saß in dem kleinen Therapiezimmer, das in beruhigenden, hellen Tönen gehalten war, als wolle es ihr Frieden bringen. Doch sie spürte nichts als Beklemmung in diesem Raum. Sie trug eine weite, dunkle Strickjacke, die wie ein Schutzschild über ihren Schultern hing, und ihre Finger griffen immer wieder unbewusst in den weichen Stoff, als könne sie sich dadurch selbst daran hindern, in die Finsternis zu sinken. Ihr Blick war abwesend, starrte durch die Wände hindurch in eine Welt, die nur sie sehen konnte – eine Welt, die immer wieder durchschimmerte, voller Schatten, voller unheimlicher Gestalten, die sie verfolgten und die niemand sonst wahrnahm.

Die Therapeutin vor ihr, eine ältere Frau mit sanften, ruhigen Augen und einer ruhigen Stimme, nickte einfühlsam. „Libitina," begann sie langsam, und ihre Stimme war weich, wie ein warmer Mantel, „für jemanden, dem erst ein Monat seit einem so schweren Verlust vergangen ist, machst du erstaunliche Fortschritte." Sie pausierte einen Moment und suchte Libitinas Blick, der sich in einem Anflug von Widerwillen zu ihr wandte. „Aber ich denke, dass mehr dahintersteckt, als wir bisher erkennen können. Diese eine Nacht hat dich stark mitgenommen."

Libitina schnaubte und verschränkte ihre Arme fest vor der Brust, als wolle sie die Therapeutin und ihre einfühlsamen Worte auf Abstand halten. Sie lehnte sich zurück, zog die Beine an und drückte sie eng an ihren Körper, ein stiller Versuch, die Welt fernzuhalten. Sie konnte diese gut gemeinte Fürsorge kaum ertragen. Es war, als ob die Therapeutin versuchte, durch sie hindurchzusehen, ihre tiefsten Gedanken zu entschlüsseln – und das machte sie nur noch ärgerlicher. Sie schüttelte leicht den Kopf und murmelte sarkastisch: „Abgesehen davon, dass ich verrückt bin?" Sie spürte, wie ihre eigenen Worte wie bitterer Wein auf ihrer Zunge lagen, doch sie konnte nichts dagegen tun, dieser Zynismus schien die einzige Verteidigung zu sein, die sie noch besaß.

Die Therapeutin ließ sich davon nicht beeindrucken, nickte nur ruhig und sprach mit sanfter Beharrlichkeit weiter. „Alpträume und Ängste sind keine Anzeichen von Verrücktheit, Libitina. Du hast viel durchgemacht, deine Seele wurde zutiefst erschüttert." Ihre Stimme war warm, doch Libitina fühlte einen unüberwindbaren Abgrund zwischen ihnen, einen Abgrund aus unerklärlichen Visionen und Gefühlen, die niemand je nachvollziehen könnte. Nicht einmal sie selbst konnte verstehen, was in ihrem Inneren vor sich ging. Sie fragte sich oft, ob sie nicht tatsächlich den Verstand verlor.

Ihre Augen fixierten die Therapeutin mit einer Mischung aus Verzweiflung und Misstrauen, als sie mit zittriger Stimme weiterredete: „Und was ist mit den Dingen, die ich sehe, die einfach nicht real sind?" Ein Hauch von Panik lag in ihrer Stimme, und sie spürte, wie sich ein kalter Schauer ihren Rücken hinaufzog. Bilder tauchten in ihrem Geist auf – Abes lebloser Körper, die unheimlichen Schatten, die sich in ihren Albträumen bewegten, Gestalten, die keine wirkliche Form hatten und doch so real erschienen.

Die Therapeutin nickte langsam und hielt ihren Blick fest. „In traumatischen Situationen ist es nicht ungewöhnlich, dass das Unterbewusstsein Bilder erzeugt, die auf tief vergrabenen Ängsten basieren. Oft sind es verzerrte Erinnerungen, Fantasien oder Symbole, die für dein Unterbewusstsein eine tiefere Bedeutung haben können," erklärte sie mit ruhigem Ernst.

Libitina spürte, wie sich in ihrem Inneren ein brennender Widerstand regte. Ihre Hand ballte sich unbewusst zur Faust, und sie ließ ihre Augen theatralisch übertrieben rollen, als wäre die Erklärung der Therapeutin nichts weiter als leeres Gerede. „Also bin ich unaufhörlich in einer traumatischen Situation gefangen? Ist das Ihre Erklärung?" Die Worte kamen wie Gift über ihre Lippen, doch im gleichen Moment spürte sie, dass sie sich nur selbst verletzte, indem sie diesen beißenden Sarkasmus einsetzte. Sie wollte die Therapeutin von sich stoßen, sie konnte diese Annäherung nicht ertragen – und doch war da ein Teil von ihr, der verzweifelt eine Erklärung, irgendeine Erleichterung wollte.

Die Therapeutin seufzte leise und blickte sie an, ihre Augen strahlten ein Mitgefühl aus, das Libitina beinahe unerträglich fand. „Libitina... du kämpfst gegen etwas, das tief in deinem Inneren verwurzelt ist. Manchmal liegt die Antwort nicht darin, diese Bilder zu unterdrücken, sondern sie anzusehen, zu verstehen und herauszufinden, was sie dir wirklich sagen wollen."

Libitina schloss ihre Augen, und für einen Moment fühlte sie, wie eine seltsame Ruhe in sie sickerte. Doch die Dunkelheit in ihrem Inneren war tief, wie ein Abgrund, in den sie immer wieder stürzte. Und in diesem Moment spürte sie, dass sie vielleicht niemals wirklich verstehen könnte, was diese Bilder bedeuteten, welche Geheimnisse sie bargen.

Eine tiefe, beinahe greifbare Stille breitete sich im Raum aus, als Libitina weitersprach. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, fast, als hätte sie Angst, die Erinnerung an Abe könnte im Scheinwerferlicht der Worte an Substanz verlieren. „Abe... er erzählte Jake immer diese Geschichten. Wenn Jake klein war, saß er da, mit großen Augen und gespitzten Ohren, und Abe sprach von Monstern, gegen die er angeblich gekämpft hatte, als wäre es das Normalste auf der Welt. Und ich... ich habe zugehört. Immer aufmerksam, verstehst du?"

Sie machte eine Pause, blickte auf ihre Hände, die in ihrem Schoß lagen, fest ineinander verkrallt, als würden sie Halt suchen. Es war eine intime Erinnerung, und das Preisgeben dieser Erinnerung schien, als risse sie einen verborgenen Teil von sich selbst auf. Ihre Augen flackerten, als sie daran dachte, wie oft sie sich damals gefragt hatte, ob Abe wirklich gegen Monster gekämpft hatte oder ob es nur Geschichten gewesen waren, um Jake Mut zu machen. Doch nun schien sie sich sicher zu sein: Die Geschichten waren wahr.

Die Therapeutin, geduldig und sanft, griff diesen zarten Faden auf. „Weißt du, Libitina, genau hier scheint der Kern deines Schmerzes zu liegen. Du hast miterlebt, wie Abe in jener Nacht... wie er angegriffen wurde. Dein Verstand hat versucht, einen Sinn darin zu finden, was du gesehen hast – und das Bild dieses Mannes, dieses Angreifers, hat sich in deinem Inneren zu einem Monster verwandelt."

Doch bevor die Therapeutin den Satz zu Ende gebracht hatte, hob Libitina den Kopf und sah sie an, ihre Augen voll kaltem, festem Entschluss. „Nein," unterbrach sie mit fester Stimme, beinahe ein Zischen. „Es waren keine Menschen. Die Polizei sagt, dass Hunde die Tür zerkratzt haben. Dass die Hunde ihn in den Wald getrieben haben." Sie sprach das Wort „Hunde" mit einer Mischung aus Bitterkeit und Unglauben aus, als wäre es eine kränkende Lüge, die sie ins Lächerliche ziehen wollte. „Der Gerichtsmediziner sagt, es war ein Herzinfarkt. Sie alle behaupten, dass Tiere oft zuerst die Weichteile anfallen... sie haben sogar eine DNA-Analyse an der Fleischgabel durchgeführt, die er in der Hand hielt. Aber..." Sie atmete tief ein, und in der plötzlichen Stille erschien ihre Stimme wie ein Hauch. „...ich weiß, dass es Monster waren."

Libitinas Gesicht war blass, aber in ihren Augen brannte eine dunkle Entschlossenheit. Sie glaubte, was sie sagte, mit einer tiefen, beinahe schon religiösen Überzeugung. Die Therapeutin saß ihr gegenüber, regungslos, wie eine Statue des Verständnisses, doch hinter ihrer ruhigen Maske suchten ihre Augen in Libitinas Gesicht nach einem Weg zu ihrer zerbrochenen Seele.

„Warum bist du dir so sicher?" fragte die Therapeutin sanft, beinahe flüsternd, und doch schien jede Silbe wie eine Herausforderung an Libitinas Welt. Libitina schüttelte langsam den Kopf und ließ ihren Blick aus dem Fenster gleiten. Sie wirkte, als wäre sie meilenweit entfernt. Ihre Stimme wurde leise, fast geheimnisvoll. „Ich denke nicht, ich weiß es." Der Satz hing in der Luft, zäh und unlösbar.

Die Therapeutin rang mit den Worten, die Libitina mit ihrem Abgrund an Schmerzen konfrontieren könnten. „Warst du Abe sehr nahe?" Ihre Frage klang beinahe zaghaft, und für einen Moment schien Libitina überrascht, als hätte die Therapeutin einen der tiefsten Knoten in ihrem Inneren berührt.

In einer Mischung aus Schmerz und Zorn lachte Libitina trocken auf, doch das Lachen klang hohl, und ihre Augen spiegelten nichts als die Verzweiflung der Einsamkeit. Sie senkte den Kopf, ließ die Arme sinken und atmete zitternd ein. „Wir waren uns nahe, ja," flüsterte sie dann, als ob die Worte selbst ihr schwer auf der Seele lasteten. Ihr Blick war glasig, und sie schien beinahe durch die Therapeutin hindurchzusehen, in eine Erinnerung, die weit hinter ihnen beiden lag, in eine Zeit, die längst vergangen war und die sie dennoch niemals loslassen konnte.

In ihrem Geist tauchten Bilder auf: Abe, der sie zum Lachen brachte, der sie beschützte, der für sie da war, wenn niemand sonst es war. Abe, der für sie ein Anker in der Dunkelheit war, die sie oft umgab. Diese Erinnerungen, lebhaft und klar, legten sich wie ein wärmender Schleier um ihr Herz, und gleichzeitig stachen sie mit messerscharfer Kälte in ihre Brust, weil sie wusste, dass sie ihm niemals wieder in die Augen sehen würde. „Abe war... er war der Einzige, der wirklich... der wirklich an mich geglaubt hat." Ihre Stimme brach, und sie biss sich auf die Lippen, um die Tränen zurückzuhalten, die in ihren Augen brannten.

Die Therapeutin lehnte sich ein Stück nach vorne, ihre Stimme war warm, beinahe mütterlich. „Er war jemand, dem du dich voll und ganz anvertrauen konntest, stimmt's? Jemand, der nicht gezweifelt hat, sondern dich gesehen hat, so wie du wirklich bist."

Libitina nickte langsam, und ein winziges Lächeln, traurig und voller Verlangen, huschte über ihre Lippen. „Ja... ja, das war er." Sie fühlte die Tragweite dieser Worte, das Gewicht dieses Verlusts, und in ihrem Inneren zerbrach erneut ein Teil ihres Herzens. Sie fragte sich, ob der Schmerz je nachlassen würde, ob die Wunde je heilen könnte.

Eine tiefe Stille füllte den Raum, eine Stille, die von Trauer und unerfülltem Verlangen durchzogen war. Schließlich sah sie die Therapeutin an, und in ihren Augen flackerte etwas Dunkles, etwas Entschlossenes. „Sie können mir erzählen, was Sie wollen, aber ich weiß, was ich gesehen habe. Sie... die Monster... sie sind real. Und ich werde Abe gerecht werden – egal, was es kostet."

Die Therapeutin atmete ein, wollte etwas sagen, doch Libitina schloss ihre Augen und ließ sich in die Stille fallen. Es war eine Entschlossenheit in ihr erwacht, und während sie sich in der düsteren Ruhe verlor, spürte sie, dass der Kampf gegen ihre eigenen Dämonen gerade erst begonnen hatte.

Eine einzelne Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und rann langsam über ihre Wange, schimmerte wie ein winziger, kostbarer Kristall im sanften, gedämpften Licht des Raumes. Libitina atmete flach, ihre Brust hob und senkte sich in einem Rhythmus, der ihre innere Zerrissenheit widerspiegelte. „Er war nicht nur mein Freund," flüsterte sie, ihre Stimme voller Zittern und rauer Gefühle, „er war mein Bruder, mein Kompass... meine Familie."

Während sie sprach, schien sich die Zeit für einen Moment aufzulösen, und die Erinnerungen an die unzähligen Abenteuer, die sie gemeinsam erlebt hatten, zogen wie ein lebhafter Film an ihrem inneren Auge vorbei. Da war das erste Mal, als Abe sie an die Hand genommen hatte, als sie selbst voller Angst und Misstrauen gewesen war und er ihr gezeigt hatte, dass sie ihm trauen konnte. Sie erinnerte sich an seine Wärme, die beruhigende Kraft, die nur er ausstrahlen konnte, die Art, wie er sie angesehen hatte, als wäre sie unantastbar und stark, auch wenn sie es selbst niemals so empfand. Die Erinnerung an seine Stimme, die ihr Mut zugesprochen hatte, an seine Nähe, die all ihre Zweifel fortwischte, drängte sich wie eine überwältigende Welle in ihr Herz.

Die Tränen, die sie so lange zurückgehalten hatte, drohten nun hervorzubrechen. Sie spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte, und ihre Fassade begann zu bröckeln. „Entschuldigen Sie mich," murmelte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein heiserer Hauch. Sie stand auf, spürte, wie ihr Körper leicht schwankte, als ob die Emotionen sie zu überwältigen drohten, und sie wandte sich zur Tür. Mit einem leisen Klacken fiel sie hinter ihr ins Schloss, und Libitina ging den Korridor entlang, ihre Schritte hastig und von einer unbändigen Dringlichkeit getrieben. In ihren Fingern hielt sie die silberne Kette, die um ihren Hals hing, und presste sie fest, so fest, dass die Kanten sich schmerzhaft in ihre Haut gruben, als wäre das metallene Amulett der letzte Faden, an den sie sich klammern konnte.

Im Badezimmer angekommen, schloss sie die Tür hinter sich, drehte den Schlüssel um und lehnte sich mit dem Rücken gegen die kalten Fliesen. Für einen Augenblick stand sie einfach nur da, atmete tief ein und aus, als würde sie versuchen, die brodelnde Unruhe in ihrem Inneren zu beruhigen. Doch dann, fast widerwillig, trat sie auf das Waschbecken zu und hob ihren Blick.

Doch was sie im Spiegel sah, ließ ihr Herz einen Schlag aussetzen. Die Frau, die ihr entgegenblickte, war nicht mehr sie selbst. Ihre Augen, einst ein warmes Blau, waren schwarz wie die tiefste Nacht, als hätte die Dunkelheit in ihrem Inneren die Oberhand gewonnen und ihre Seele verschlungen. Die Iris war verschwunden, und ihre Pupillen schienen endlos, als ob sie Blicke in ein bodenloses Nichts boten. Über ihre Wangen und entlang ihrer Stirn zogen sich dunkle Adern, wie Risse in einem zerbrochenen Spiegel, die eine bedrohliche, unheimliche Aura ausstrahlten.

Und dann hörte sie sie – die Stimme. Sie kam von tief innen, schrill und verzweifelt, eine Stimme, die gleichzeitig ihr eigenes und doch das eines fremden Wesens war. „Du hast ihn gestohlen! Du hast ihn mir gestohlen!" Die Worte klangen voller Wut, Anklage und verzweifeltem Schmerz. Es war die Stimme des kleinen Mädchens, dessen Körper sie bewohnte, dessen Dasein sie gewaltsam verdrängt hatte.

Libitina schluckte hart und legte ihre Hände gegen ihre Schläfen, als ob sie die aufdringliche Stimme damit fernhalten könnte. Die Wut und Angst des Mädchens hallten in ihrem Kopf wider und dröhnten wie ein beklemmender, nicht enden wollender Echo. „Nein... nein!" murmelte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein zerbrechliches Flüstern, das im Raum verlorenging. Die Dunkelheit in ihr schien zu wachsen, dehnte sich wie ein kalter Schatten in ihrem Inneren aus und hüllte sie in eine dichte, lähmende Stille.

Sie sah ihr eigenes Spiegelbild an, doch das Gesicht, das sie anblickte, war nicht ihres – es war ein Abbild der Finsternis, die sie verschlang. Die schwarzen Augen, die dunklen Adern, das fremdartige, fast geisterhafte Antlitz. „Ich bin hier, um zu helfen," flüsterte sie leise, doch ihre Worte klangen hohl und verloren. „Ich will dich beschützen."

Doch ihre Beschwörungen prallten an der Dunkelheit ab, die wie lebendig war und in ihr pochte, drängte und sie zu überwältigen suchte. In ihrem Kopf tobte ein Kampf, ein verzweifelter Konflikt zwischen ihrer eigenen Existenz und dem Kind, dessen Seele sie unterdrückt hatte. Sie spürte, wie die Macht des kleinen Mädchens sich gegen sie aufbäumte, ein Aufschrei aus Wut und Angst, der sie an den Rand der Verzweiflung trieb.

Libitina spürte, wie sie mit all ihrer Kraft gegen die Dunkelheit ankämpfte. Sie schloss die Augen und zog sich tief in ihre Erinnerungen zurück, suchte Halt an den Dingen, die sie noch mit der Welt verbanden. Sie dachte an Abe. An seine Stärke. An die Liebe, die sie in seiner Nähe gespürt hatte, an das Vertrauen, das er ihr geschenkt hatte. Diese Erinnerungen waren wie ein Anker, den sie umklammerte, ein Lichtstrahl, der sie daran hinderte, in der Finsternis verloren zu gehen.

„Abe..." flüsterte sie leise, fast wie ein Gebet. Der Gedanke an ihn verlieh ihr neue Kraft, und langsam, ganz langsam, schien die Dunkelheit in ihr zu schwinden, als ob das Licht der Erinnerung sie zurückdrängte. Sie öffnete die Augen, und für einen kurzen Moment schien das Schwarz in ihren Augen einem sanften, kühlen Blau zu weichen.

Doch der Kampf war nicht vorbei – sie wusste, dass die Dunkelheit immer noch lauerte, dass das Kind in ihr drängte und nach ihrem Dasein schrie. Doch Libitina nahm einen tiefen Atemzug, und mit jedem Schlag ihres Herzens verspürte sie einen kleinen Funken Hoffnung. Die Dunkelheit war da, und sie würde niemals verschwinden, doch sie würde nicht zulassen, dass sie sie verschluckte. Sie würde kämpfen – für Abe, für das Mädchen, das sie mit sich trug, und für sich selbst.

In ihrem Inneren spürte Libitina, wie sich die beklemmende Dunkelheit langsam zurückzog, wie das schwarze, leere Nichts, das ihre Augen verschlungen hatte, verblasste und ihre natürliche Augenfarbe, das ruhige, klare Blau, langsam wieder zum Vorschein kam. Es war, als würde sie sich Schicht für Schicht von einem unsichtbaren Schleier befreien, der sie von sich selbst getrennt hatte. Die dunklen Adern auf ihrem Gesicht, die wie Narben einer längst vergessenen Wunde ausgesehen hatten, zogen sich allmählich zurück und verschwanden, als hätten sie nie existiert. Libitina atmete tief und zitternd ein, als ob sie zum ersten Mal seit langem wieder frei atmen könnte, als ob die Dunkelheit, die so lange in ihrem Inneren gewütet hatte, endlich ihre Macht verlor.

Vorsichtig hob sie den Blick, und im Spiegel sah sie nun wieder sich selbst. Sie erkannte ihr Gesicht und die vertrauten Züge, die sie als ihr eigenes empfand. In ihren Augen lag ein sanfter Glanz, das ruhige Blau, das sie an Abe erinnerte, das sie an ihre eigene Essenz erinnerte. Ein schwaches Lächeln formte sich auf ihren Lippen, fast scheu, als ob sie erst wieder lernen müsste, wie sich Freude anfühlt. Doch das kleine Lächeln war echt, ein Zeichen, dass sie auf dem Weg zurück zu sich selbst war.

In ihrem Inneren spürte sie auch das kleine Mädchen, dessen Existenz sie so lange gespürt hatte, wie eine wachsame, ängstliche Präsenz. Doch die Stimme des Mädchens war leiser geworden, weniger drängend und voller Akzeptanz. Libitina fühlte, wie die Angst und Verzweiflung des Mädchens langsam einem Gefühl der Ruhe wichen, als ob es endlich verstand, dass sie, Libitina, nicht gegen sie kämpfte, sondern mit ihr. Sie waren beide Überlebende, zwei Seelen, die in einem Körper Zuflucht gefunden hatten und die nun lernten, im Einklang zu existieren. Die beiden Teile ihrer selbst hatten sich miteinander verbunden, und für das erste Mal empfand sie eine Art inneren Frieden.

Libitina spürte, wie die Kraft in ihr zurückkehrte, wie das pochende Herz in ihrer Brust den Rhythmus eines neuen Mutes annahm. Sie wusste, dass die Dunkelheit noch immer Teil von ihr war, dass sie sie nie ganz würde ablegen können – aber jetzt verstand sie, dass die Dunkelheit nicht ihr Feind war. Sie war eine Begleiterin, ein Schatten, den sie nicht mehr zu fürchten brauchte, weil sie wusste, dass das Licht in ihr stärker war. Es war Abe, der in ihrem Herzen lebendig geblieben war und der ihr den Mut schenkte, weiterzumachen.

Mit einem tiefen Atemzug, der all ihre neu gewonnene Entschlossenheit in sich trug, wandte sie sich ab und verließ das Badezimmer. Ihre Schritte waren leicht, sicherer als zuvor, und als sie zurück in den Raum trat, in dem die Therapeutin geduldig auf sie wartete, spürte sie die vertraute Wärme des Ortes, der für sie zum Rückzugsort geworden war. Die Therapeutin hob den Kopf und sah sie aufmerksam an, eine Spur leisen Lächelns auf den Lippen, als hätte sie in Libitinas Gesicht die Veränderung erkannt, die tief in ihr stattgefunden hatte.

Libitina setzte sich wieder hin, diesmal aufrechter, mit einem Glanz in den Augen, der sowohl Entschlossenheit als auch Ruhe ausstrahlte. Sie fühlte sich bereit – bereit, die Vergangenheit zu erkunden, ohne sich von ihr verschlingen zu lassen, bereit, die Geheimnisse zu ergründen, die sie in die Dunkelheit geführt hatten, ohne Angst davor zu haben, in ihr verloren zu gehen.

„Ich glaube, ich bin soweit," sagte sie schließlich, ihre Stimme leise, aber fest, und in diesen Worten lag eine Stärke, die sie lange nicht mehr gespürt hatte. Sie wusste, dass der Weg vor ihr steinig sein würde, dass alte Wunden wieder aufgerissen werden könnten und dass das, was in ihr ruhte, sie immer wieder auf die Probe stellen würde. Doch sie war entschlossen. Sie war bereit, sich den Herausforderungen zu stellen, die auf sie warteten, bereit, sich selbst neu zu entdecken – mit all dem Licht und all der Dunkelheit, die in ihr lebte.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro