#23 - Beziehungen
Stegi saß schweigend am Tisch, starrte auf den viel zu grünen Spinat, der ihn höhnisch auszulachen schien. Nein, er konnte ihn nicht essen. Selbst, wenn Tim ihn tausendmal dazu auffordern würde, nie im Leben brächte er dieses Ding hinunter. Einen kurzen Blick seiner Schwester zuwerfend, stellte er fest, dass diese in ein angeregtes Gespräch mit seinem Besuch verwickelt war. Erst da nahm er ihre Stimmen wieder wahr, konnte sich auf die Worte konzentrieren, die die beiden austauschten. Vorhin war er in seine eigene, kleine Welt abgedriftet, doch nun war er wieder im Hier und Jetzt. Zu seiner Überraschung sprachen sie nicht etwa über das vergangene Basketballspiel, sondern über ein vollkommen anderes Thema, entgegen aller Erwartungen Stegis. Sie sprachen über ihre vergangenen Beziehungen.
„Naja, ich hatte noch nicht wirklich eine Freundin, die ich als feste Freundin bezeichnen könnte. Klar, vor anderthalb Jahren war ich mit einem Mädchen zusammen, aber das hat überhaupt nicht lange gehalten. Ich glaube, ich bin einfach nicht der Beziehungstyp", erzählte Tim, biss sich verlegen auf die Unterlippe. Stegis Schwester kicherte leise, meinte scherzhaft: „Wenn du Beziehungstipps brauchst, kannst du gerne mich um Rat bitten. Stegi kann dir da nicht wirklich weiterhelfen." Er spürte, wie ihm Hitze in die Wangen schoss, als er Tims Blick auf ihm ruhen sah. „Wieso denn nicht? Hattest du noch nie eine Beziehung?", wollte dieser wissen. Sich räuspernd setzte sich Stegi gerade auf, dachte daran, dass es noch etwas früh war, über vergangene oder nie vorhandene Beziehungen zu sprechen. Schließlich kannten er und Tim sich erst seit zwei Wochen und hatten sich heute zum ersten Mal getroffen! Er warf seiner Schwester einen Blick zu, der so viel hieß, wie dass sie nach dem Essen so gut wie tot war. Sie wich diesem jedoch aus, hatte genau gewusst, wie er darauf reagieren würde. Seufzend gestand der Blonde: „Ich hatte noch nie eine Beziehung. Aber ich muss auch ehrlich sagen, dass ich es nie vermisst habe, denn ich habe gute Freunde, das genügt mir völlig."
Once I was eleven years old, my daddy told me: Go get yourself a wife or you'll be lonely.
Innerlich fluchend verdrängte Stegi diese Liedzeile aus seinen Gedanken, wartete auf Tims Reaktion, die unweigerlich folgen würde. Hoffte er zumindest.
Zunächst herrschte bedrücktes Schweigen, jeder Atemzug war zu hören, der einer der Drei tätigte. Seiner Schwester wurde das Ganze zu viel, sie erhob sich, verabschiedete sich, um wieder zurück in ihr Zimmer zu verschwinden. Danke, dachte Stegi sarkastisch. Jetzt war er alleine, mit seinem gänzlich verunsicherten Besucher. Dieser räusperte sich ebenfalls, setzte an, etwas zu erwidern, brach aber sogleich wieder ab. Als wären ihm die Worte mitten auf der Zunge verloren gegangen, als hätte sein Atemzug sie fortgeweht. „Sag bitte etwas dazu, das ist gerade richtig unangenehm", flüsterte Stegi, wusste nicht, wohin er sehen sollte. Tim lachte leise auf, meinte: „Du sprichst mir aus der Seele. Aber ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich hatte eher erwartet, dass du schon unzählige Freundinnen hattest." Erstaunt richtete Stegi seine Augen auf Tim, hatte den Mund leicht geöffnet. Wie kam er denn bitte auf die Idee, dass er, Stegi, schon viele Freundinnen gehabt hätte? Seine Verwirrtheit war ihm offenkundig anzusehen, das war ihm klar. „Wie kommst du darauf? Ich war halt noch nie so richtig verliebt, und wenn ich es war, habe ich es nie erwähnt. Es wäre nur unerwidert geblieben." Tim zog seine Augenbrauen zusammen, schien einen Augenblick sprachlos. „Nun ja, du siehst nicht übel aus. Mädchen würden dich wohl als hübsch bezeichnen. Da dachte ich eben... Ist auch egal. Aber wieso sollten deine Gefühle unerwidert bleiben? Ich denke kaum, dass jemand zu dir nein sagen könnte", versuchte der Braunhaarige seinen Standpunkt zu erklären. Stegi hielt die Luft an. Nein, das konnte er ihm noch nicht mitteilen, dazu war es zu früh. Er durfte Tim nicht jetzt schon abschrecken, ansonsten würde er sich aus der beginnenden Freundschaft zwischen ihnen sofort zurückziehen. Es war noch viel zu früh, ihm dieses kleine Detail über sich selbst preiszugeben. Stegi schluckte den Kloss hinunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte. Mit etwas zu hoher Stimme wisperte er: „Ich werde es dir später einmal erzählen, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt." In Tims Augen konnte er den Zweifel erkennen, doch der Braunhaarige nickte bloß zustimmend. Das war knapp gewesen.
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