21. Agent 00Bock und die Tetradaktylophilie
Disclaimer: Jegliche Unverständlichkeiten bezüglich Handlung, Worldbuilding und Charakteren, die in diesem Verriss auftreten, sind der Absicht zuzuschreiben, ein möglichst authentisches Bild des zu verreißenden Werkes zu gewährleisten.
Geschichten über den ersten Kontakt mit Außerirdischen gibt es viele. Mal handelt es sich bei dem Besucher aus einer anderen Welt um ein schrumpeliges Wesen mit großen Augen, mal um einen katzenfressenden Phlegmatiker und wieder andere Male um ein Monster, das einer Raumschiffcrew nach und nach den Garaus macht. Und dann wiederum gibt es da dieses aufstrebende Genre auf dem Buchmarkt, das sich Young Adult nennt und sämtliche Themenbereiche der Unterhaltungsliteratur abklappert, Science-Fiction nicht ausgenommen, in dem Außerirdische nichts anderes sind als Menschen mit bunten Augen oder ähnlichem.
In diese Kategorie zählt »Zero« vom Autorenduo ProVeritatem, hinter dessen in falschem Latein verfassten Fassade sich Bakterchen und mockingbird1801 verbergen. Die Handlung des Romans setzt im Jahr 2071 ein, nachdem etwa eine Dekade zuvor die anthropomorphen Gaias, von den Menschen allerdings Neos genannt. auf der Erde gelandet sind, um Asyl zu suchen. Unglücklicherweise haben sie einen Virus eingeschleppt, der fast die gesamte Menschheit ausgerottet hat, bis auf eine winzige Population, die sich in einem Bunker an der Küste Schottlands versteckt hält.
Die Geschichte beginnt mit einem Kapitel aus der Sicht von Anleia, einer Neo, die im Kindergartenalter auf der Erde gelandet ist. Wenngleich sie mit den Hinterlassenschaften der menschlichen Kultur aufgewachsen ist, gehört sie einer Gruppe Extremisten an, die die letzten Menschen jagen. Ob das der Grund dafür ist, dass 1. ihr Name klingt wie der einer gewissen Prinzessin und 2. sie nicht in der Lage ist, ihre Umgebung mit weniger pathetischen Worten als »Gras, das sich dem peitschenden Wind hingab, karge Felsen und Hügel, die zu Bergen wurden und das Gelände unwegsam machten« zu beschreiben, bleibt unklar.
Wie dem auch sei, sie ist in Schottland und läuft ganz alleine durch die Gegend. Warum? Mehr Zeit für inneren Monolog, in dem die Hintergrundgeschichte der Neos, die vom Planeten Pangaia stammen und anscheinend eine Sprache sprechen, die dem Altgriechischen ähnelt, ausgebreitet werden kann. Außerdem macht sie Gebrauch eines sogenannten Seitenlinienorgans, das Haie zur Ortung von Beutetieren nutzen und von dem ich nicht weiß, ob es mit einem humanoiden Körper wie dem ihren überhaupt kompatibel ist. Aber wen schert das schon, denn es geht hier schließlich um fiktionale Wissenschaft.
Nach etwa eintausend Wörtern ist die Autorin des Infodumpings überdrüssig geworden, doch anstatt die Handlung voranzutreiben, lässt sie Anleia einen Herzschlag in ihrer Nähe wahrnehmen und übergibt mit diesem Pseudo-Cliffhanger (sind schließlich Hügel, die erst noch in Berge übergehen müssen) an ihre Kollegin.
Auftritt Zero, Namensgeber des Romans und neuerdings Versuchskaninchen. Um möglichst wenig über den Bunker preisgeben zu müssen, der seit der Invasion Zeros Heimat ist, besteht seine erste Szene daraus, dass ihm der Prototyp eines Mittels gegen den tödlichen Virus injiziert wird. Nebenbei wird erwähnt, dass er schwarze Haare hat, sein ganzes Leben über körperlich arbeiten musste und zumindest rudimentär mit den Werken Sir Arthur Conan Doyles vertraut ist. No shit, Sherlock! Dann ist es auch schon an der Zeit für ihn in Ohnmacht zu fallen, denn das Mittel enthält anscheinend nicht inaktive Viren oder ähnliches, sondern immer noch den Krankheitserreger.
Wieder geht es zu Anleia. Es scheint, als würden kurz getaktete Perspektivwechsel genutzt werden, um Spannung vorzugaukeln. Die Frage, die unformuliert am Ende des erstens Kapitels steht, wird jedoch innerhalb kürzester Zeit abgehakt. Natürlich läuft Anleia keinem Menschen über den Weg, sondern Kodal, einem Gleichaltrigen (sie ist glaube ich 17), dessen Name klingt wie aus »Bärenbrüder« entlehnt. Allerdings handelt es sich um kein kleines, süßes Bärenjunges, sondern um einen rückgratlosen Typen, der sich gänzlich auf die Autorität anderer verlässt. Dieses Charakterdesign ist ein ausgesprochen guter Vorwand, um spätere Handlungen der Figur zurechtfertigen.
Bevor ich allerdings zu weit vorgreife... Nein, halt, stopp! Ich muss weiter vorgreifen, denn im Laufe des Kapitels geschieht nichts. Wir erfahren, dass Kodal eine Zwillingsschwester namens Raia hat, die nur zu existieren scheint, um zu zeigen, dass -ia eine übliche Endung (weiblicher) Namen der Neos (hier schon wieder) ist und somit die Illusion von Worldbuilding zu suggerieren.
Der Abschnitt endet damit, dass die letzte Gruppe der Menschenjäger zurückkehrt und Anleia einen Herzschlag mehr wahrnimmt als sie hätte sollen, denn ein Mensch wurde gefunden, mehr tot als lebendig, aber nichts, was sich mit Alientechnologie nicht beheben ließe.
Besagter Mensch wacht im vierten Kapitel auf und weiß nicht wohin mit sich selbst. Da die Neos ein Heilmittel gegen den von ihnen eingeschleppten Virus besitzen, weil ihre Ressourcen Forschung an einem solchen anscheinend hergegeben haben, ist Zero nun fast wieder putzmunter, denn wer keine Inkubationszeit braucht, darf sich auch über eine plötzliche Genesung freuen. Nachdem er fragen zur Position des Bunkers nicht beantworten will, wird er wieder seiner Ohnmacht überlassen, den weitere Kommunikation muss mit der anderen Hauptfigur resp. Anleia geschehen.
Bevor es allerding weitergeht, zunächst ein kleiner Einschub über die Logik der hier dargestellten Sachverhalte. Die Neos haben Zero neben seinen weniger glücklichen Mittestsubjekten am Strand gefunden. Dass die Menschen die Infizierten aus ihrem Bunker entfernen wollten, ist verständlich. Aber wieso werden sie nicht direkt ins Meer entladen? Wäre das geschehen und sie nur durch eine günstige Strömung an Land gespült worden, hätte Zero sicherlich nicht überlebt. Stattdessen offenbaren die Menschen den Neos, von denen sie nicht mit Bestimmtheit sagen konnten, dass sie sich in der Nähe aufhalten, ihre grobe Position. Selbst, wenn es sich um einen Akt des Hohns gegenüber den Invasoren gehandelt hätte, wäre es nicht der schlauste Zug gewesen. Aber nun gut, Charaktere können nicht schlauer handeln als die Autoren, die sie schreiben.
Die folgenden Kapitel spielen am nächsten Tag. Die Neos haben Zero in eine verlassene Hütte geschafft und unter der Obhut Anleias und Kodals zurückgelassen. Die beiden sollen dafür sorgen, dass er zu reden beginnt. Nach dem Austausch kreativer Beleidigungen wie »Fick dich ins Knie, du Wichser« hat Kodal schließlich genug. Bewaffnet mit einer Rohrzange, einem Werkzeug, das man beim Campen in der Natur immer bei sich tragen sollte, verstümmelt er Zeros linke Hand, indem er den kleinen Finger mehr oder weniger zermalmt. Der ganze Akt wird in aller Ausführlichkeit beschrieben und enthält mehr Gags als dieser Verriss. Also eine andere Art von »gag«, nämlich würgen. Würde in jede Szene dieses Romans so viel Energie investiert werden, könnte aus der Geschichte sogar was werden. Allerdings kann ich zum aktuellen Zeitpunkt mit keinem der Charaktere mitfühlen außer auf einer Ebene, auf die ich ebenfalls komme, wenn ich einen Horrorfilm gucke oder eine Serie wie sagen wir »Riverdale«.
Nun ist Zero um einen Finger ärmer, aber die Neos finden dies nicht weiter schlimm, denn sie sind ohnehin nur mit vier Fingern ausgestattet. Ob diese Tatsache in den vorherigen Kapiteln schon erwähnt wurde oder nicht, weiß ich nicht mehr, aber es würde mich nicht wundern, wenn nicht. Ist eh vollkommen irrelevant und wird nur plakativ verwendet.
Die sich in diesen ersten Kapiteln des Romans entwickelte Dynamik wird sich auch auf den folgen 150 Seiten nicht ändern. Zero ist stur, egal wie viel Leid ihm auch zugefügt wird und Anleia versucht dagegen anzukommen. Nicht mit physischer Gewalt, dafür ist Kodal alias Rohrzange zuständig, doch mit emotionaler Erpressung. Sie versucht sich bei ihm einzuschleichen, seine Sympathie sowie Empathie zu gewinnen und als strahlende Retterin wahrgenommen zu werden. Würde dies jedoch auf Anhieb gelingen, wäre die Geschichte vorbei, denn Zero würde ihr den Aufenthaltsort seiner Leute nennen. Daher muss er in seiner Null-Bock-Attitüde (haha, Wortwitz) verweilen, bis Anleia ernsthafte Gefühle für ihn entwickeln kann. Danach hauen die beiden ab, versuchen die verfeindeten Parteien zu versöhnen und scheitern dabei jämmerlich, sodass am Ende alles in die Luft fliegt.
Oh, das ist so noch gar nicht geschrieben worden? Die beiden sind zum aktuellen Stand der Veröffentlichung noch nicht einmal getürmt? Da hab ich mich wohl etwas von der Fülle an Tropes, die die Rahmenhandlung einem anbietet, mitreißen lassen. Ich bin aber ziemlich zuversichtlich, dass es so oder zumindest so ähnlich enden wird. Sehr, sehr zuversichtlich sogar. Man kann seinen Lesern ja keinen Aliensex mit vier Fingern und ohne Busen beim weiblichen Part (wird auch da zum ersten Mal erwähnt werden) entgehen lassen. Wäre ja eine verpasste Chance, die vielen Unterschiede beider Arten darzulegen, um darüber hinwegzutäuschen wie lächerlich es ist, dass die Neos den Menschen so ähnlich keinesfalls existieren können. Aber gut, das sind alles nur reine Spekulationen.
An dieser Stelle habe ich die 1200-Wort-Marke schon lange überschritten und da diese der Maßstab für alle Kapitel in »Zero« ist, fühlt es sich komisch an, noch weiterzuschreiben. Geradezu unnatürlich – anthropomorphe Aliens sind viel natürlicher. Wer Theorien auf Basis dieses Verrisses hat, wie das Buch ausgehen wird, darf sie hier gerne kundtun. Wer weiß, vielleicht legt Zero noch eine Wandlung hin und wird tatsächlich aktiv handeln!
Wann und ob es dazu kommen wird, ist jedoch der Willkür der Autorinnen überlassen. Sie verschwenden ihre Zeit wohl lieber mit z.B. Tiramisu essen oder dem Schreiben von Verrissen oder beidem gleichzeitig. Wobei letzteres auch eher weniger aktiv betrieben wird. Na ja, ich kann es verstehen in Anbetracht dessen wie schwierig es ist, angemessene Schlussworte zu finden. Also äh tschüss!
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