14. Der analliebende Analphabet und die leichtbekleidete Leuchte
Das Werk, welches ich heute auseinandernehmen werde, trägt den Titel »Slave« und ist eine Fanfiction über - man kann es sich schon denken - unser aller Lieblingsboybandsänger mit dem pudeligen Haar. Die Autorin @Anna_Emma war so freundlich die Definition des Wortes Sklave direkt aufs Cover zu schreiben, damit direkt weiß, dass man es hier mit einem ernsten Thema zu tun hat, das man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.
Eingeleitet wird der Klappentext durch ein tiefgründiges Zitat: »Früher dachte ich, dass man einen Menschen nicht besitzen kann. Jetzt werde ich selbst Eigentum genannt.« Hier wird die Naivität, wenn nicht sogar Dummheit, der Protagonistin, die im Übrigen Elena heißt, deutlich. Sie besitzt anscheinend keinerlei geschichtliches Wissen, welches sie zur Betrachtung ihrer aktuellen Lage als Referenz hinzuziehen könnte und ist so nicht nur körperlich, sondern auch geistig gesehen eine Gefangene.
Im weiteren Text wird dargestellt, dass ihr Besitzer ein gewisser Harry ist. Außerdem stellt sie ihr biologisches Fachwissen unter Beweis, indem sie sagt, dass sie in de Glauben ist, dass jeder »Erdbewohner ein Herz besitzen muss«. Leider wirkt dieser Satz sehr zusammenhanglos, denn danach wird sofort aufgegriffen, dass Harry ein Analphabet ist, der nicht weiß »wie Herz geschrieben wird« und es sie nie vergessen lässt.
In diesen ersten knappen Zeilen der Kurzbeschreibung wird deutlich, dass hier zwei Charaktere aufeinandertreffen, die beide eine Bürde zu tragen haben, sich durch das Besitzer/Eigentum-Verhältnis aber womöglich helfen und zu besseren Menschen machen können, denn wir alle wissen ja, dass die sadistischen bösen Buben sich für die wahre Liebe ändern werden, vor allem wenn diese gebildet ist und neben Lesen und Schreiben auch noch naturwissenschaftliche Grundlagen beherrscht. War bestimmt teuer, sie zu erstehen.
Das erste Kapitel ist aus Elenas Sicht geschrieben. Sie steht an einem staubigen Ort in der prallen Sonne, den Blick gesenkt und um sie herum sind »Menschenstimmen« zu hören. Sie ist Ware auf einem Sklavenmarkt, weiß nicht wie sie dorthin gekommen ist und kann sich anscheinend auch nicht entscheiden, wo genau sie sich denn befindet, denn es ist ungewöhnlich, dass man sich in einer dunklen Lagerhalle vor einem Sonnenbrand fürchten muss. Nun, immerhin weiß sie, dass sie in Afrika ist. Natürlich, wo auch sonst könnte auf der Welt Sklavenhandel getrieben werden? Wahrscheinlich wollen sich die Afrikaner, die ja dafür bekannt sind ein einziges kooperatives und kulturell vollkommen einheitliches Kollektiv zu sein für die Zeit rächen, in der die Europäer Kolonialpolitik betrieben haben, weil das ja ein so realistisches Szenario ist.
Elena ist also Gefangene einer Truppe von professionellen Sklavenhändlern, wo auch prompt Harry auftaucht, der alle ihm feilgebotenen Frauen ablehnt, weil sie ihm zu hässlich seien. Bevor er aber auf den osteuropäischen Konkurrenzmarkt ausweichen kann, wird ihm natürlich der deutsche, jungfräuliche Fisch- pardon, »Frischfang« angeboten. Er schlägt auch zu, ist aber so gemein und zahlt in der Währung Lesothos, die deutlich schlechter steht als der Euro, aber der Händler gibt sich anscheinend zufrieden und rückt seine wertvolle Jungfrau für den Preis eines sehr gut gebrauchten Kleinwagens heraus.
Der Lockenkopf will den Preis sogar noch runtertreiben, weil sie ja unverbraucht ist, aber der Händler hat zum Glück mehr Grips als Harry und der Deal steht. Elena ist eine Sklavin, was ihr als so wichtig erscheint, dass sie direkt vom Präteritum ins Präsens wechselt, um dem Leser diese wichtige Erkenntnis, die sie zuvor noch gar nicht beschäftigt hat, weil sie zu sehr von der Optik der ihr Umstehenden abgelenkt war, mitzuteilen.
In Kapitel zwei geht es direkt mit einem Satz weiter, der ebenfalls partiell in der Gegenwartsform verfasst ist. Hier wird so herausgestellt, dass ihr Besitzer nicht älter als 22 sein kann. Was für ein Glücksfall. Und dann ist er auch noch reich und kann sich neben einer Sklavin, die er zum Spottpreis erstanden hat, auch noch leisten, in einem glänzenden schwarzen Audi mit beigem Innenraum durch die Wüste zu fahren. Dass sie das helle Leder schmutzig macht, betont die Protagonistin, ist ihr aber auch egal. Merkwürdig, dass sie diesen Gedanken dann überhaupt fasst, aber vielleicht war das auch nur der Weg um mitzuteilen, dass ihre Hotpants sind, die für den Dreck verantwortlich sind. Eine wirklich ausgeklügelte Art, um ein so plotrelevantes Detail wie die Kleidung zu vermitteln.
Der, ganz dezent nebenbei erwähnt, gut angezogene Harry steigt in den Wagen und die Fahrt geht los. Jetzt geht es ans Kennenlernen mit fehlerhaft interpunktierter wörtlicher Rede und ohne Absätze, was dem ganzen einen sehr dichten Eindruck verschafft. Man fühlt sich so quasi gezwungen alles ganz schnell zu überflieg... ähm ganz schnell und ausführlich zu lesen, um diese überhaupt nicht gestelzt klingende Konversation in sich aufzusaugen.
Um es zusammenzufassen: Harry ist der Meister und will auch so behandelt werden, die große Leuchte Elena (deren Name die Strahlende bedeutet) findet ihn hingegen »voll knuffig und nett« und ist nicht im Geringsten verängstigt. Eher fühlt sie sich dazu verleitet, ihm Anweisungen zu geben und zur Schnecke zu machen.
Die Beziehung er beiden wird aber nicht weiter ausgebaut, denn erstmal geht es völlig problemlos in de Flieger und zu Meister Harry nach Hause. Wo das genau ist, bekommt Schlafmütze Elena aber gar nicht mehr mit, denn sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, an seiner warmen Brust zu schlafen.
In Kapitel drei ist die Reise dann auch schon beendet und der männliche Sklave mit dem Namen Niall, der ganz nebenbei eingeführt wird, bringt das Gepäck ins Haus während der »Sir« das Sklavenquartier präsentiert, wo Elena ein weiterer Unfreier namens Louis vorgestellt wird. Nach dieser Szene stellt sich mir eine einzige, drängende Frage: Wo ist das vierte Mitglied der bekannten britischen Boygroup, auf der dieses Werk basiert?
Das Rest des Kapitels besteht aus Warnungen von Elenas Mitsklaven, die sie allesamt schon missachtet hat und weil sie gerade so gut dabei ist, macht sie sich direkt selbst auf die Suche nach Harry, von dem sie jetzt weiß, dass er hochgradig gewalttätig ist.
Im vierten Kapitel, wo er sie dann in seinem Schlafzimmer erwischt, passiert aber nichts Dramatisches. Da Mode ja ein so wichtiges Thema ist, zeigt Harry ihr erstmal ihren gesamten Kleiderschrank und lässt sie alles vor seinen Augen anprobieren. Er ist ja so generös. Nun ja, zwischendurch hasst sie ihn mal für ein paar Zeilen, aber da sie ja auch geistig nicht frei ist, hat sie das auch schnell wieder vergessen.
Allerdings nur so lange, bis er zum Anfang des nächsten Kapitels sexuelle Dienste von ihr verlangt. Da sie ablehnt, beschimpft er sie als Hure, ungeachtet dessen, dass er derjenige ist, der für sie gezahlt hat, weswegen das ganze genauso gut ein liebevoller Kosename sein könnte, der nur aus Versehen von der Autorin in Großbuchstaben geschrieben wurde.
Allerdings fasst die Leuchte es nicht als kleinen Beweis der Zuneigung auf und tut das, was sie schon am Flughafen in Afrika hätte tun können, wo sie nicht gefesselt und in Gegenwart anderer Menschen gewesen war: Wegrennen.
Leider glückt der versucht nicht und er sperrt sein »Kitten« (hat hier noch jemand ein ungesundes Gefühl der Zufriedenstellung?) in einen Hundezwinger (der zumindest nach deutschen Richtlinien acht Quadratmeter groß sein müsste, was in etwa der Größe meines Zimmers entspricht). Außerdem fragt er noch, ob es gemütlich ist. Sie antwortet mit »Totaly«. Ist das ein russischer Name, der im Zuge einer Einwanderung in die USA an die englischen Schreibweisen angepasst wurde oder fehlt hier einfach nur ein L? Ein Frage, die mir weder die nicht ganz so helle Elena noch der Analphabet Harry beantworten können und mehr relevante Charaktere, die das Recht hätten, sich als solche zur bezeichnen, gibt es ja noch nicht.
Das soll sich aber womöglich ändern, denn Harry hat Freunde. Zwei Stück um genau zu sein, denn anscheinend haben »Ohne Direktion« fünf Mitglieder und nicht nur vier, wie ich bis jetzt immer geglaubt habe. Nachdem mein Weltbild zerstört wurde und Harry sich aus irgendwelchen Gründen noch eine weitere Strafe für die Armleuchterin ausgedacht hat, geht es mit Kapitel Sex weiter.
Um alle Erwartungen wieder zu senken, es kommt nicht zum Geschlechtsakt, aber sie lernt die beiden restlichen Kerle kennen, die natürlich wieder in aller Ausführlichkeit beschrieben werden, weil Mode ja die Welt regiert. Außerdem gibt er ihr irgendein Verhütungsmittel zur einmaligen Einnahme, was »für die nächsten Wochen« hält. Was auch immer es ist, er sollte dafür Patent anmelden. Die Frauen würden sich drum reißen.
Den Vorteil darin sieht sie aber nicht und ist angenervt, weil sie nun in seinem Zimmer eingesperrt ist. Ob sie das Eingesperrtsein an sich stört oder die Tatsache, dass es nicht der Hundezwinger ist, bleibt ungewiss. Da sie aber eine voll ausgereifte Persönlichkeit ist, wendet sie das wahrscheinlich auf Klassenfahrten erworbene Wissen an und sprüht Rasierschaum in seine Unterhose und Gleitgel (er mag es wohl gerne von hinten) in seine Schuhe.
Mit dieser eindrucksvollen Szene beende ich meine Lektüre. »Slave« ist die Geschichte einer geistig minderbemittelten Protagonistin, die trotz aller ihr gegebenen Widrigkeiten versucht, ihr neues Leben im Haushalt von Harry zu meistern, der aufgrund des angestauten Frustes über seine Unfähigkeit zu lesen und zu schreiben, andere erniedrigt und cholerische Anfälle hat. Besonders gefallen hat mir die Ironie die hinter Elenas Namen steckt, denn wie gesagt, eine Leuchte ist sie ja nicht. Ein wirklich ausgeklügeltes Buch, das seine Message so schnell übermittelt hat, dass es mir nach zwei Kapiteln schon gereicht hat und ich auch da schon guten Gewissens hätte aufhören können zu lesen.
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