Kapitel 17
PoV Eren
Die letzte Nacht war besser, ich konnte in meinem Bett schlafen, bin nur wegen Kopfschmerzen aufgewacht, war dann kalt duschen und es war besser. Ich hatte Angst vor den nächsten Tagen, wollte sie am liebsten einfach überspringen.
Am Montag hatte ich extreme Stimmungsschwankungen und Hitzewallungen. Levi behandelte mich wie immer, ließ sich von meinen Sprüchen und Kommentaren nicht ablenken sondern war ganz normal.
Am Dienstag hatte Armin mich gefragt, ob ich zur Gruppe kommen würde.
„Was hast du gesagt?", fragte Levi und faltete die Wäsche. Ich fühlte mich schlecht, dass ich kaum im Haushalt half und er wegen mir noch mehr zu tun hatte. Aber er meinte, dass er sein eigenes System hatte und es nicht mochte, wenn da jemand rumfuschte.
„Dass ich krank bin. Fiber und sowas." Levi nickte nachdenklich und sah schließlich zu mir. Ich saß mit Rhea im Schoß auf der großen Couch.
„Hast du noch Kopfschmerzen?", fragte er dann und ich schüttelte den Kopf, die waren seit ein paar Stunden weg. „Sonst was? Übelkeit oder schlechte Laune? Unschöne Gedanken? Irgendwas?" Wieder schüttelte ich den Kopf, verdeutlichte es durch ein klares Nein und Levi schmunzelte wieder mal.
„Dann zieh dir was an, wir fahren weg.", er drückte mir die saubere Wäsche in die Hand, füllte Rheas Futter auf und wartete bis ich mir etwas Sauberes angezogen hatte. Seit ich hier war lief ich in meinen Schlafklamotten rum. Wir verließen nicht die Wohnung und ich war meistens sowieso müde und schlief.
Als ich sah, dass Levi ebenfalls nur T-Shirt und Jogginghose trug war ich verwirrt. Wo würden wir um diese Uhrzeit - kurz vor Mitternacht - denn noch hinfahren? Doch ich stellte keine Fragen. Vertraute ihm blind.
Wir zogen die Schuhe an, Levi schnappte sich seine Autoschlüssel und hielt mir die Wohnungstür auf. Zum ersten Mal seit 5 Tagen würde ich nach draußen gehen.
Im Auto fragte er mich, ob ich Musik anmachen würde. Das, was ich in den letzten Tagen immer mal wieder gehört hatte, fand er gut. Ich willigte ein, verband mein Handy mit dem Radio und ließ meine Playlist einfach auf shuffle laufen.
Es war dunkel draußen, die Lichter der Stadt waren das einzige was noch zu sehen war, als wir die Bundesstraße verließen. „Wo fahren wir hin?", fragte ich dann doch und Levi sah mich wie immer mit diesem kalten Blick an. „An den Strand."
„Warum fahren wir nachts an den Strand?", hakte ich nach, doch Levi umging die Frage mit einer Gegenfrage. „Deine Mutter hat mich heute angerufen. Sie macht sich Sorgen um dich." - „Sie macht sich immer Sorgen um mich."
„Sie macht sich Sorgen, dass du wieder in eine manische Phase kommst.", da dämmerte mir wovon er sprach. Scheinbar hatte ihm bisher niemand von dem anderen Problem erzählt. Das Problem, dass ich laut Mama gar nicht hatte.
„Ich hatte nie mit bipolaren Personen zu tun, Eren." - „Willst du das Ganze jetzt abbrechen?", fragte ich unsicher. „Nein. Ich möchte nur wissen, womit ich es noch zu tun habe."
„Tut mir leid, dass ich nichts gesagt hab.", auf einmal fühlte ich mich schlimmer als die ganzen Tage zuvor. Nicht körperlich wie sonst. Das Gefühl des Versagens, der Schuld und der Enttäuschung war plötzlich nicht mehr wegzudenken.
„Das macht nichts Eren. Das war nicht deine Aufgabe." - „Du bist nicht sauer?"
Unbewusst hatte ich mich wieder in meine Oberschenkel gekrallt. Levi legte seine Hand auf meine, ich entspannte mich sofort und er nahm meine Hand, hielt sie fest, während er schaltete, legte sie danach zusammen mit seiner auf den Schaltknüppel und begann endlich zu reden.
„Um mich sauer zu machen braucht es deutlich mehr. Gerade von dir." Verwirrt sah ich auf unsere Hände. Mit dem Daumen streichelte Levi beruhigend meinen Handrücken. Was hatte er gerade gesagt? „W- wie meinst du das?", verdammtes Stottern!
„Ich mag dich Eren."
Das war alles? Er mag mich? Wie mögen? Mögen oder mögen? Er hielt meine Hand, sagte dass er mich mag! Was sollte ich davon bitte halten? Wie sollte ich damit umgehen?!
Nach einiger Zeit des Schweigens kamen wir am Strand an, Levi machte den Motor aus, meinte ich solle aussteigen und holte aus dem Kofferraum eine große Decke. Er breitete sie auf dem Dach des Jeeps aus, kletterte auf über Motorhaube hinauf und setzte sich erwartungsvoll auf die Decke, klopfte neben sich.
Das war ein Scherz oder?
Doch danach sah es nicht aus, also kletterte auch ich auf das Autodach und setzte mich neben ihn. Im Hintergrund hörte man das Meer rauschen, die Musik lief noch im Auto und durch die offenen Fenster konnte man auch diese hören. „Levi was machen wir hier?", fragte ich verwirrt und der Kleinere legte sich auf den Rücken, starrte in den sternenklaren Himmel. „Ich komme oft hier her. Um nachzudenken."
„Und jetzt musst du nachdenken?", fragte ich unsicher und legte mich ebenfalls hin. Die Sterne waren viel klarer zu sehen als in der Stadt. Der leichte Wind, der und durchs Gesicht wehte war warm - immerhin war es Sommer. Es fühlte sich gut an hier zu sein.
„Ja muss ich. Weißt du Eren, seitdem du bei mir bist hab ich Angst, dass ich es verbocken könnte. Dass ich dich verbocken könnte." Er drehte seinen Kopf zu mir, ich tat es ihm gleich.
„Wie meinst du das?"
„Ich mag dich Eren. Wirklich sehr. Und ich hab Angst, dass das im Weg stehen könnte. Dass mich das abhalten könnte Dinge zu tun, die wichtig für dich wären." Ich blieb still, wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Noch nie war jemand so offen zu mir. Noch nie hatte mir jemand so direkt gesagt, dass er mich mochte. Es verwirrte mich.
„Was wäre das?", fragte ich nur. Seine blauen Augen hatten einen Ausdruck, den ich noch nie bei ihm gesehen hatte. Es sah ein wenig aus wie Angst oder Sorge. Irgendwie sowas. Ich konnte es schwer beschreiben, aber schon wieder verwirrte er mich. Schien wie seine neue Lieblingsbeschäftigung. „Ich weiß nicht. Wenn du rückfällig werden würdest, könnte ich dir nicht so die Hölle heiß machen, wie es vielleicht nötig wäre. Ich hätte Angst dich dadurch zu verlieren."
„Ich mag dich Eren.", wiederholte er sich. Und setzte sich auf, ich tat es ihm gleich. Der 22-Jährige sah mir in die Augen. Zum ersten Mal konnte ich in seinem Gesicht richtige Emotionen erkennen und es war mit das Schönste, was ich je gesehen hatte. „Ich mag dich auch Levi."
Aber war es die selbe Art und Weise? Mochte er mich so, wie ich ihn? Oder war ich für ihn etwas ganz anderes? Ein Freund? Ein Patient? Irgendwas anderes?
„Seit du bei mir wohnst, hatte ich nicht einen Alptraum mehr, nicht eine Panikattacke. Etwas, was sonst fast täglich passierte. Du machst etwas mit mir, was ich nicht verstehe.", Levi hatte Panikattacken? Kannte er sich deshalb so gut aus? Konnte er mir nur wegen seinen eigenen Erfahrungen und Problemen helfen? Und wer half ihm?
Mit offenem Mund starrte ich ihn an. Was sollte ich sagen? Sollte ich überhaupt irgendwas sagen? Ich sollte am besten die Klappe halten. Ja das wäre das Beste. Doch mein Mund gehorchte mal wieder nicht meinem Kopf.
„Ich weiß was du meinst.", ich senkte den Blick, winkelte die Beine an und hielt meine Knie fest, wollte mich klein machen und verstecken. „Seit ich dich kenne habe ich Motivation was zu ändern. Mir geht es besser, ohne dass du etwas machst. Einfach wenn du da bist. Ich habe seitdem nicht mehr dran gedacht, dass alle besser dran wären ohne mich. Ich will nicht mehr gehen, weil ich von dir nicht mehr weg gehen will. Ich vertraue dir. Und ich verstehe nicht wie du das machst."
Levi legte seine Hand an mein Kinn, hob es leicht an und lächelte mich an. Er lächelte! Mir war gar nicht bewusst, dass er das konnte.
Im nächsten Moment lagen seine Lippen auf meinen. Genießend schloss ich meine Augen und rutschte näher an den Kleineren heran, spürte, wie er seinen Arm um meine Hüfte legte, seine Lippen sich zu bewegen anfingen und seine Hand von meinem Gesicht in meine Haare wanderte.
Wie von selbst bewegten sich meine Hände über seinen Körper, fanden Platz in seinen Haaren.
Nach all den Monaten der schlechten Laune, des Nicht-Genug-Seins und der Scham war das, was Levi gerade tat, überfordernd. Widerwillig löste ich mich von seinen Lippen, nahm meine Hände zurück und starrte auf meine Beine.
„Scheiße Eren, es tut mir leid. Ich hätte das nicht machen dürfe-", ich unterbrach ihn. „Nein, ich will das ja. Es ist nur so viel auf einmal gerade."
Levi nickte langsam, legte sich wieder hin, hielt sich die Hände übers Gesicht und seufzte laut aus. Ich hingegen ließ meine Finger über meine Lippen fahren. Vor wenigen Sekunden lagen seine noch da. Es fühlte sich gut an. Als er mir so nah war, als er mich geküsst hat, konnte ich für einen kurzen Moment alles Negative vergessen. Ich konnte mich vergessen.
„Wir sollten fahren.", murmelte Levi und sprang vom Auto. Ich kletterte ebenfalls runter, nahm die Decke mit und legte sie wieder ordentlich in den Kofferraum.
Kaum saß ich auf dem Beifahrersitz hatte Levi den Motor gestartet, legte ich meine Hand auf den Schaltknüppel. Als er sie berührte, stockte er und sah mich fragend an. „Ich will das. Und auch mit dir. Ich weiß nur nicht, ob ich gut für dich bin. Ich will dich nicht kaputt machen."
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