37.
Unzählige Köpfe - unüberschaubar viele Personen befanden sich inzwischen in der Grube. Alle, die gerade frei hatten oder auf ihrem Posten abkömmlich waren, waren gekommen, um der Verkündigung der Namen derer zu lauschen, die sich stolz als neue Fraktionsmitglieder bezeichnen konnten.
Bis sie vollwertige Ferox waren, mussten sie zwar erst die jeweiligen Ausbildungen ihrer zukünftigen Jobs absolvieren, aber sie waren der Fraktionslosigkeit entkommen und hatten sich mit dem Bestehen der Initiation einen festen Platz in ihrer jetzigen Fraktion gesichert.
Lexa stand in ihrer Funktion als Ausbilderin zusammen mit den anderen Ausbildern und Max auf der Empore, ließ sich direkt neben Eric für ihre Verdienste feiern und hatte nichts weiter zu tun, als gut auszusehen und Max Rede zu lauschen, die mit großer Sicherheit gleich folgen würde.
Ein paar Meter entfernt von ihr konnte sie Tina und die anderen erkennen, sogar Raphael war endlich aus seiner selbst gewählten Isolation gekommen und stand weitgehend emotionslos neben den anderen.
Lexa lächelte ihm kurz aufmunternd zu.
Sein Zwinkern und ein kurzes Zucken seiner Mundwinkel, zeigte ihr, dass er sie wahrgenommen hatte.
Lexa fühlte sich beobachtet, ein flüchtiger Seitenblick bestätigte ihren Verdacht.
Eric hatte die kurze Szene beobachtet, sein nichtssagender Blick ruhte auf ihr.
Die Sekunden vergingen, Lexa wusste nicht, wie sie reagieren sollte.
Warum sah er sie so an?
Endlich, er unterbrach den Blickkontakt, sah in eine andere Richtung.
Hatte sie etwas falsch gemacht? Wieder schossen ihr tausend Fragen durch den Kopf, da kam Max langweilige Rede genau zum richtigen Zeitpunkt.
Perfekt, um sich den Schädel über solch wirre Dinge wie gerade eben zu zerbrechen.
Max endete, nur Augenblicke später wurden die Namen derer von ihm verlesen, die sich von nun an Ferox nennen durften.
Jeder der Neuen wurde ausgiebig bejubelt und durfte sich zurecht von den anderen feiern lassen. Lexa spürte Erics Ellenbogen an ihrem Arm, sie sah zu ihm, folgte seinem Blick und erkannte schnell, was er ihr zeigen wollte. Ein sehr vertraut wirkendes Pärchen, das sich selig lächelnd in den Armen lag - Four und Tris.
Sie war jetzt keine Initiantin mehr und er nicht mehr ihr Ausbilder - Zeit, um mit dem Versteckspiel aufzuhören.
Lexa spürte eine Wehmut in sich aufkommen, die sie da eigentlich gar nicht haben wollte. Solch eine Gefühlsduselei lag ihr normalerweise fern, was zur Hölle war los mit ihr?
Sofort sah sie ertappt weg, wartete darauf, endlich von der Empore heruntersteigen zu können und sich ein kühles Bier zu schnappen.
Die Blonde spürte eine große Hand auf ihrem unteren Rücken, das konnte nur Eric sein, der sie gerade sanft voran schob. Niemand sonst wagte es, sie so zu berühren, solange sie sich im unmittelbaren Dunstkreis von Coulter befand.
Himmel, wie sie inzwischen von ihm dachte und vor allem - wie Recht sie doch hatte und warum war ihr das nicht schon viel früher aufgefallen!
Weit kam sie mit ihren Gedanken nicht, schon quetschte sie sich durch die Menge und kam kurz darauf vor ihren Freunden zum Stehen.
„Bier, ich brauche Bier! Endlich ist diese verdammte Initiation zu Ende!“
Ohne sich mit Fragen aufzuhalten, schnappte sie sich die Flasche aus Tinas Hand und setzte sich diese an die Lippen.
Lachend überließ diese ihr das kühle Blonde kampflos. Mike, der die Szene breit grinsend beobachtet hatte, hob ergeben beide Hände und deutete damit an, dass er den Wink verstanden hatte. Er machte sich kommentarlos auf den Weg zur Bar, um für Nachschub zu sorgen.
Das offizielle Stelldichein vom Nachmittag ging nahtlos in die obligatorische Entlassfeier für die Initianten über.
Dementsprechend gelöst war die Stimmung derer, die schon seit der Verlesung der Namen mit vollem Einsatz mitfeierten.
Zur lauten Musik tanzend und weitestgehend textsicher konnte man inmitten der zuckenden Körper auch Lexa und Tina finden, die sich nach verpasstem Abendessen und einiger Drinks, trotz allem noch wacker hielten. Spontane Lachanfälle und hin und wieder stolpernde Ausfallschritte von beiden, zeugten allerdings davon, dass die Frauen nicht mehr ganz Herr ihrer Sinne waren.
Die Gunst der späten Stunde wollte genutzt werden - das dachte sich nun schon zum wiederholten Mal einer der mehr oder weniger ausgewachsenen Ferox, die bei Lexa ihre Chance gekommen sahen.
Den Ersten hatte Mike noch verscheucht, dem Zweiten war Tina auf die Pelle gerückt. An den Dritten konnte sich keiner mehr erinnern und dieser hier, pirschte sich mit einer Entschlossenheit an die Ausbilderin heran, wie sie nur Betrunkene haben konnten.
Sein platter Anmachspruch ging in seinem Genuschel und dem ohrenbetäubenden Lärm unter. Lexa bekam nur am Rande mit, dass er es eigentlich auf sie abgesehen hatte und nicht einfach nur die Uhrzeit wissen wollte. Motiviert heute noch die berühmte Ausbilderin abschleppen zu können, legte der große, schlaksige Kerl nach. Drehte die Blonde unwirsch zu sich, damit diese auch wirklich mitbekam, dass er es ernst meinte. Mit glasigem Blick sah ihn diese verwirrt an, zog ein Gesicht und versuchte, ihn wieder auf Abstand zu bringen.
Doch er war auf einer Mission und wollte heute definitiv nicht allein nach Hause gehen.
Er suggerierte mit erhobenen Händen, ihr nichts tun zu wollen, und machte sich daran ein Gespräch mit seiner Auserwählten zu starten.
*
W
ar die dunkelhaarige Freundin von der Süßen nicht gerade eben noch wild am Tanzen gewesen, keine zwei Meter entfernt? Warum stand sie jetzt stocksteif wie ein Baum und glotzte mit großen Augen zu ihm?
Fragend sah er sich ungelenk um, und bereute es noch im selben Moment.
Nur wenige Zentimeter entfernt sahen ihn ein Paar eiskalte blaugraue Augen an. Starrten ihn so erbarmungslos nieder, dass er sich wünschte, nie auf die Schnapsidee gekommen zu sein, seine müden Knochen auch nur in die Nähe dieser Lexa zu bewegen. Kein Wort kam seinem Widersacher über die Lippen.
Sein befehlender Blick machte eindeutig klar, dass er schleunigst das Weite suchen sollte, wollte er den morgigen Tag noch erleben.
Doch so leicht wollte der Hochgewachsene nicht klein beigeben.
Die Hübsche war nicht dessen Eigentum, sollte sie doch entscheiden und nicht Coulter. Der hatte hierbei gar nichts zu melden!
Wie zu seiner Bestätigung hechtete Lexa zwischen die beiden, bemüht die heikle Situation zu entschärfen, bevor sie eskalierte.
Ein siegessicheres Grinsen huschte dem von sich selbst überzeugten Ferox über das stoppelige Gesicht. Dabei übersah er Coulters Hand, die in einer schnellen, flüssigen Bewegung nach Lexas Arm griff und diese unmissverständlich und ohne jede Anstrengung hinter sich beförderte.
Diese war durch den Alkohol so benebelt, dass sie gar nicht recht realisierte, wie ihr geschah, auch das erneute Blickduell der beiden Kontrahenten bekam sie nicht mit. Der Dünne bemerkte jedoch trotz seines Pegels, dass es doch keine gute Idee war, sich mit einem Coulter anzulegen, der augenscheinlich dabei war sein Revier zu markieren.
Spätestens als dieser einen weiteren Schritt auf den enthemmten Ferox zukam und beide nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten, musste dieser einsehen, dass er auf verlorenem Posten kämpfte.
Um beide herum wandten die anderen schon die Köpfe, Schultern wurden angetippt, alles andere wurde zur Nebensache. Fehlte nur noch, dass jemand die Musik leiser machte und einen Scheinwerfer auf die beiden richtete.
Eric war eine dieser Personen, die jeder sofort erkannte und wenn sich andeutete, dass es jemanden gab, der naiv genug war, sich mit dem Anführer anzulegen, stand eine große Show bevor.
Der Schmale musste einsehen, dass es keinen Sinn machte, sich seine komplette Zukunft wegen einer Frau zu zerstören.
Er trat einen Schritt zurück, senkte unterwürfig seinen Blick und überließ dem Anführer das Feld. Das war es nicht wert, schnell sah er zu, dass er von der Tanzfläche verschwand und huschte um die nächstbeste Felskante.
*
Lexa wusste gar nicht, wie ihr geschah, nur das Eric sie plötzlich erneut am Unterarm packte und mit sich von der Tanzfläche schliff. Sie protestierte, versuchte, sich auch seinem Griff zu lösen, und stemmte sich gegen seine Laufrichtung, aber nichts fruchtete.
Wütend funkelte er sie an, „wirst du wohl endlich damit aufhören?! Du benimmst dich wie eine unerzogene Göre, lass den Mist jetzt und kommt mit!“
Lexa konnte nicht fassen, dass er sie so anfauchte. Sie hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen, er war derjenige, der jetzt so ein Fass aufmachte!
„Lass mich los! Warum zerrst du mich mit dir? Ich will nicht gehen!“
Mit einem kräftigen Ruck entzog sie ihm ihren Unterarm.
Überrascht von ihrer Entschlossenheit blieb er abrupt stehen und sah ihr anschließend belustigt dabei zu, wie sie unkontrolliert nach hinten weg taumelte.
„Deswegen. Weil du dichter bist wie ein U-Boot, bei dir läuft nur noch das Notprogramm. Ich bring dich nach Hause, da kannst du ausnüchtern.“
Bemüht nicht ganz so benebelt zu wirken, wie er behauptete, versuchte sich, die Ausbilderin wieder aufzurappeln.
Doch ihre in zahllosen Drinks versenkte Koordination schickte sie in die falsche Richtung, schon prallte sie mit der rechten Schulter hart gegen die Felswand.
Seine helfende Hand wegschlagend, fauchte sie ihn bockig an; „Ich will aber nicht heim, ich will zurück!“
Seinen Kopf schräg gelegt und mit übertrieben vorgeschobener Unterlippe machte er sich über ihre kindische Art lustig und stachelte sie damit nur noch mehr an.
„Wenn du jetzt noch mit dem Fuß aufstampfst, bin ich mir sicher, dass ich mich von dir überzeugen lasse.“
Noch in derselben Sekunde verfinsterten sich seine Gesichtszüge jedoch wieder, „komm jetzt, hör auf zu zicken. Ich kann auch anders und das willst du nicht, glaub‘s mir!“
Die enthemmende Wirkung des Alkohols entfaltete bei Lexa seine volle Wirkung, sie wollte es darauf ankommen lassen und war bereit, Erics Grenzen auszutesten.
„Du kannst auch anders? Dann zeig mal, bin gespannt was das wohl ist!“
Sein nun folgender Blick verhieß nichts Gutes, doch Lexa war zu benommen und realisierte viel zu spät, was sie sich gerade eingebrockt hatte.
Noch während sie bereute, kam er schon forsch auf sie zu, packte sie kurzerhand an ihrer Hüfte und warf sich die Blonde, ohne zu zögern, über die rechte Schulter. Wie einen nassen Sack transportierte er die Ausbilderin zum Lift und ließ diese auch darin nicht wieder herunter.
Weder ihre wilden Drohungen noch, dass sie sie sich angeblich übergeben musste, zeigten bei ihm ihre beabsichtigte Wirkung. Auch ihre fadenscheinigen Versprechungen verhallten ungehört. Sie hätte auch gegen die Felswände boxen können, das hätte denselben Effekt gehabt, wie das unkontrollierte Einschlagen auf Erics Rücken.
Es interessierte ihn schlichtweg nicht.
Kurz vor ihrer Wohnung ließ er Gnade walten und ließ sie endlich herunter.
„Rein da, ...“ Weiter kam er nicht, denn erst stolperte Lexa über ihre eigenen Füße und beim Versuch, sie vorm Sturz zu bewahren, er über ihre überall am Boden verteilt liegenden Schuhe. „Verdammt, hatte ich dir nicht gesagt, du sollst Ordnung halten?!“ Sie stand schon, als er sich wieder aufrichtete, ließ ihn nicht weiter zu Wort kommen und hob warnend ihren Zeigefinger in seine Richtung.
„Mach das nicht nochmal, das war peinlich ohne Ende! Wie soll ich das den anderen erklären? Was sollte der ganze Scheiß eigentlich?“
Eric sah sie ungläubig von oben bis unten an, „drohst du mir gerade? Du? Fahr fort, du machst mich neugierig.“
Provozierend kam er Schritt für Schritt näher, zwang Lexa damit zum Rückzug.
Die Tür hatte er inzwischen ungeachtet hinter sich ins Schloss geschmissen.
Unsicher, in welchen Schlamassel sie sich nun wieder bugsiert hatte, wich Lexa ihm nach hinten aus. Ihre Ferse stieß nach ein paar Schritten an die Scheuerleiste der Wand hinter ihr, was nun?
Er kam weiterhin näher, Schritt für Schritt.
Lexas Herz raste, er sah nicht mehr wütend aus, eher ... fasziniert, neugierig. Wie ein kleines Kind, das etwas unbedingt haben will, sich aber noch nicht traut danach zu fragen.
Lexa spürte die kalte Wand unnachgiebig an ihren Schulterblättern, wie angewurzelt blieb sie stehen - sah ihm unentwegt in seine Augen, die eine Nuance dunkler wirkten wie sonst.
Seine Augen, nicht mehr als eine Unterarmlänge von den ihren entfernt wanderten von ihren Augen zu ihren Lippen und wieder zurück.
Sie konnte seinen warmen Atem inzwischen auf ihrem Gesicht spüren, ein Schauer fuhr ihr durch den gesamten Körper, elektrisierte jeden einzelnen Nerv.
Was würde jetzt passieren?
War das real, träumte sie oder passierte das gerade wirklich?
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Uiuiuiuiuiui, er wird doch nicht etwa ... oder führe ich euch nur wieder an der Nase rum???
Hm, welch ein Zufall, dass nächste Woche Dienstag Weihnachten ist, oder? Hab ich exzellent getimt, nicht wahr??
Hehehehe, ich lass euch jetzt schmoren ...
LG Nic
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