12.
Alle, die gerade eben noch herumgewuselt waren, standen augenblicklich still. Sofort erhob sich der Ranghöchste, unter den für die Videoüberwachung zuständigen Ferox.
Eric kannte ihn, er hieß Jacob. Fours Stellvertreter, wenn dieser, wie im heutigen Fall, anderweitig gebraucht wurde.
Sofort ratterte dieser alle relevanten Informationen für seinen ungeduldig wartenden Anführer herunter.
Eric wollte sich selbst ein Bild machen, trat mittig vor die riesige Videowand, auf der momentan mehr als fünfzig verschiedene Kameraausschnitte zu sehen waren. Jacob versorgte ihn währenddessen weiter mit Infos.
„Es ist Feueralarm ausgelöst worden. Im unterirdischen Verbindungsgang, zwischen den Lagerhallen und dem Gebäude für Waffenentwicklung. Es gibt keinerlei Anzeichen für Rauch- oder Hitzentwicklung im gesamten Bereich des Hauptquartieres.“
Eric ließ seinen Blick systematisch über die Leinwand gleiten.
Noch während er dies tat, sprach er zu dem rothaarigen Jacob, der scheu zu seinem Vorgesetzten aufsah und jedes Wort aufsaugte wie ein Schwamm.
„Schaltet den Alarm aus. Und schickt auf alle Empfänger eine Entwarnung. Aber sie sollen vorerst draußen bleiben.“ Nachdenklich ließ der junge Anführer seinen Blick weiter über die Videoüberwachung gleiten. Es gab scheinbar keinen Brand, aber warum hatte dann einer der Rauchmelder angeschlagen?
„Gab es jemanden, der sich in diesem Moment, in dem betreffenden Gang aufgehalten hat?“
Lucien, der hinter Eric stand, hörte aufmerksam zu. Vielleicht würde das hier, bald auch ihn betreffen.
Wieder war es Jacob, der nach einer kurzen Suche in den Datenbanken, antwortete.
„Ja, es gibt zwei Aufzeichnungen. Die Person ist zum größten Teil kaum zu sehen, aber er kann mit Sicherheit mithilfe der Gesichtserkennung und seines Chips identifiziert werden.“
Schon wies er einen seiner Kollegen an, dass entsprechende Videomaterial abzuspielen. Aller Augen waren auf den riesigen Bildschirm vor ihnen gerichtet. Ja, der Verdächtige konnte zweifelsfrei festgestellt werden, auch ohne technische Unterstützung.
Man konnte hören, wie Lucien scharf die Luft einsog. Eric zeigte kaum Reaktion, blieb die Ruhe selbst. Nur das harte Aufeinanderpressen seiner Kiefer verriet, dass es in ihm arbeitete.
„Festnehmen!“
Zügig verließ er den überdimensionalen Raum, nachdem er den an Lucien gerichteten, unmissverständlichen Befehl ausgesprochen hatte.
Der Rest war dessen Aufgabenbereich. Er musste so schnell wie möglich Lexa finden, alles andere war zweitrangig.
*
„Weißt du, was hier los ist?“
Mira sah sich suchend um. Aber bei den Massen an Ferox, die unruhig an ihrem Sammelpunkt standen, war es unmöglich, den Überblick zu behalten.
Lexa hatte Raphaels Freundin gerade erst nach langem Suchen gefunden, und war froh, nicht alleine hier draußen in dem kalten Wind stehen zu müssen.
„Ich weiß genauso viel wie du. Ich war in der Trainingshalle, als der Alarm los ging.“
Immer noch sah sich Mira um. „Hast du Mike oder Tina irgendwo gesehen?“
„Vergiss es, die findest du nicht. Die waren in der Arbeit, sind wahrscheinlich bei einem anderen Sammelpunkt“.
„Hm, bestimmt hast du Recht. Oh, schau! Da kam gerade ‘ne Nachricht. Fehlalarm!“
Die Dunkelblonde hielt Lexa ihr Tablet hin.
„Ja, die Sirenen heulen auch nicht mehr. Hoffentlich können wir bald rein, es ist saukalt hier draußen.“
Lexa fror wie ein junger Hund.
Sie hatte vorhin ihre Jacke in der Halle ausgezogen, in der Hoffnung dann weniger zu schwitzen und trug jetzt nur noch ein dünnes Shirt. Zu allem Überfluss fing es gerade auch noch an zu regnen. Der eisige Wind pfiff noch dazu erbarmungslos um die Ecken der ehemaligen Fabrikgebäude.
Auch in ihrer Umhängetasche vibrierte es. Wenigstens hatte sie daran gedacht, diese mitzunehmen, kopftechnisch war sie heute wirklich nicht auf der Höhe. Aber das zusätzliche Piepen, welches aus der Tasche drang, konnte nur eines bedeuten, eine Nachricht von Eric.
Zitternd vor Kälte las sie seine Mitteilung. Da stand, sie solle sofort zum Verwaltungstrakt kommen. Alleine.
Wie stellte er sich das vor?
Alle Eingänge waren verschlossen und überall Wachen.
Und was sollte sie Mira erzählen? Eigentlich war die Geheimnistuerei beendet, aber Lexa hatte so ein Gefühl, dass sie ihrer Freundin besser nicht sagen sollte, weshalb sie so plötzlich gehen musste.
„Du, ich muss weg.“
Sofort wollte die kleine Krankenschwester protestierend wissen, wo Lexa in dieser Situation hinmusste, aber die Ausbilderin ließ sie einfach stehen.
Lexa hatte schlicht keinen Schimmer, was sie als Ausrede vorbringen sollte. Vielleicht konnte sie ihr es beim nächsten Treffen schon erklären.
Sie quetschte sich durch die anderen, bis sie endlich beim Eingang zum Wohnkomplex angelangt war. Wie zu erwarten, standen mehrere Wachmänner schwer bewaffnet vor dem Zugang und versperrten diesen konsequent.
„Niemand kommt rein, Befehl von oben!“
Lexa hatte noch nicht einmal gefragt, wurde aber schon von einen von ihnen angeblafft.
„Ich habe auch einen Befehl, nämlich dass ich rein soll!“
Im Anschnauzen von anderen war sie auch gut, nicht nur der Wichtigtuer vor ihr.
„Von wem?“ Kam es herrisch zurück. Der Soldat wollte sie immer noch nicht durchlassen.
„Coulter.“
Mit verschränkten Armen und verärgertem Gesichtsausdruck wartete sie weiter auf Einlass. Inzwischen hatte sich die Wache über Funk bei Eric rückversichert, ob die Aussage der frierenden Blonden, auch der Wahrheit entsprach.
Widerwillig öffnete er ihr die Tür.
Ferox, die die Szene mit ansahen, fingen sofort an zu tuscheln und zu pöbeln, warum die Ausbilderin denn ins Warme durfte, sie aber nicht.
Lexa interessierte das jetzt herzlich wenig, sie wollte wissen, warum sie Eric so dringend sehen wollte.
*
Ungeduldig verbarg er sich in einer Nische. Da kam sie.
Eric wartete, bis sie auf seiner Höhe war, packte sie und zog sie zu sich in die Ausbuchtung im Felsen. Schnell presste er dem Blondchen seine Hand auf den Mund.
Niemand der Leute, die sich noch im Inneren des Gebäudes aufhielten, durfte wissen, dass er sie reingeholt hatte.
Später vielleicht, aber noch nicht jetzt.
„Pst. Sei still. Komm mit.“
Er verließ sein Versteck, zog Lexa grob am Handgelenk hinter sich her.
Sein Funkgerät knisterte.
„Eric? Wir haben ihn gefasst. Ich bringe ihn runter“, hörte man eine namenlose Stimme krächzen.
Lexa sah ihn fragend an, aber er bedeutete ihr mit einer Geste, still zu sein. Sie gehorchte.
Weiter vorne gab es einen weiteren toten Winkel, der von den überall installierten Kameras nicht erfasst wurde. Zu diesem zerrte er sie jetzt und quetschte sich mit ihr in die schmale Nische.
Ihre Haut war eiskalt.
Als er ihr jetzt so nah gegenüberstand, bemerkte er auch ihre blau angelaufenen Lippen. Eric widerstand dem Drang, ihr seine Weste zu geben.
Wenn das jemandem auffallen würde, hätten sie wieder einen Grund mehr, sich das Maul zu zerreißen.
Später würde er dafür sorgen, dass sie etwas zum Anziehen bekam, aber im Moment musste sie weiterhin frieren.
Flüsternd, aber bestimmt fragte sie ihn, „wo bringst du mich hin? Was ist hier los?“
Nur wenige Zentimeter trennten beide voneinander, er konnte ihre Zähne klappern hören.
„Wo sind deine Freunde?“
Kam seine leise, aber bestimmte Gegenfrage.
„Mira war draußen bei mir, sie hat heute frei. Tina war bestimmt in ihrem Büro, wo die Jungs sind, weiß ich nicht. Nur das sie arbeiten waren. Warum?“
Er gab ihr keine Antwort, sah sich nur kurz um und zog sie wieder hinter sich her.
Etwas weiter hinterhalb des Zuganges zum Verwaltungsgebäude, befand sich eine weitere Tür. Diese allerdings, war immer verschlossen und trug keinerlei Beschriftung.
Nur Berechtigte hatten Zutritt.
Er hielt erneut seinen tätowierten Unterarm unter das Lesegerät und blickte in den Irisscanner. Sofort öffnete sich die schwere Metalltür. Hinter dieser führte eine Wendeltreppe aus kaltem Metall in die Tiefe. Kurz sah sich Eric nach Lexa um, überprüfte, ob sie die Tür hinter sich schloss.
Kaum das sie bei ihm angekommen war, begann er zügig die zahlreichen Treppen hinunterzusteigen.
Vor einer weiteren massiven Stahltür kam er zum Stehen.
Die gewundenen Stufen fanden hier ihr abruptes Ende.
Wieder griff er nach ihrem Handgelenk und bugsierte sie mit der anderen Hand schiebend in den angrenzenden Raum.
Flink und ohne, dass sie es bemerkte, ließ er einen kleinen, gefalteten Zettel in ihrem Hosenbund verschwinden.
Ein in kaltem Grau gehaltener Vorraum, erwartete sie.
Sofort kam eine schwer bewaffnete Wache auf beide zu. Fragend sah der Soldat Eric an. „Bring sie runter in eine Zelle. Und gib ihr was zum Anziehen.“
Kurz sah er Angst in Lexas Blick, diese wurde aber schnell von Unverständnis und blanker Wut verdrängt.
Er wusste, was sie jetzt von ihm hielt. Doch er brauchte sie jetzt in seiner Nähe und unter Beobachtung. Und nur hier, konnte er sicherstellen, dass sie unter Kontrolle war, bis er sich um alles weitere gekümmert hatte.
*
Was in aller Welt war hier los?
Sie hatte doch nichts getan! Warum ließ Eric sie in diese kahle, kalte Zelle sperren, ohne ihr wenigstens einen Grund zu nennen?
Sie war die ganze Zeit über bei ihm gewesen, er konnte doch nicht im Ernst davon ausgehen, dass sie für diesen Alarm verantwortlich war.
Frierend zog sie ihre Beine an ihren Oberkörper und umfasste diese mit klammen Fingern.
Zwar bekam sie beim Betreten der Zelle von einer der Wachen eine kratzige Decke und einen viel zu großen Pullover, aber wirklich wärmen taten sie diese nicht.
Das raue, alte Stück Stoff stank nach Mottenkugeln und all den Gestalten, um deren Schultern sie ehemals hing. Aber etwas anderes hatte Lexa nicht, um sich warm zu halten. Sie musste sie sich wohl oder übel mit dem mausgrauen, überdimensionalen Wischlappen arrangieren.
Auch der Pulli lag wohl schon seit Generationen irgendwo im letzten Eck, denn genau so stank er auch.
Etwas pikste bohrend in ihre Hüfte, Lexa griff umständlich in ihren Hosenbund und fühlte, dass sich dort etwas befand, was da nicht hingehörte.
Ein kleines Stück Papier, so gefaltet, dass es bemerkt werden sollte.
Lexa ließ ihre Beine wieder auf den blitzblank gefegten Betonboden sinken und war gespannt, was dessen Zweck war. Zügig entfaltete das Papier und las dessen Inhalt, der nur aus zwei Worten, in einer ihr bekannten Handschrift bestand.
„Vertrau mir.“
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