
34.
Von einem Truck überrollt. Mehrfach.
So einem Gepanzerten und voll Beladenen. Die riesigen Dinger, die Soldaten und Material von A nach B brachten.
So fühlte sie sich.
Seit ein paar Stunden war sie schon wach und lag alleine, in einem strahlend weißen, fensterlosen Raum.
Klinisch sauber, nervig piepsende Bildschirme neben sich, Kabel und Schläuche überall, still und trotz der Größe irgendwie beklemmend.
Ihren ersten Besuch bei den Ken hatte sie sich irgendwie anders vorgestellt.
Zumindest ging Lexa davon aus, bei den Ken zu sein.
Sie schloss Aufgrund des hellblauen Laibchens und dem blauen Armband, welches sie ums rechte Handgelenk trug, darauf.
Bisher war nur eine schweigsame, in weiß gekleidete Schwester kurz hier gewesen.
Lexa war aber noch zu benebelt, um richtig mitzubekommen, weshalb.
Gedämpft hörte sie jetzt aufgeregtes Gerede vor der Tür. Die tiefe männliche Stimme zwischen den anderen, erkannte sie aber sofort.
Eric.
Langsam drehte sie ihren Kopf in die Richtung, aus der sie die Geräusche vernahm.
Schlechte Idee, ein stechender Schmerz schoss ihr hoch bis in die Stirn.
Stöhnend kniff sie die Augen zusammen, aber auch das tat sofort unfassbar weh.
Während sie wimmernd darauf wartete, dass der Schmerz endlich nachließ, öffnete sich bereits die Tür zu ihrem Krankenzimmer.
Wild diskutierend betraten mehrere Pfleger und ihnen voran Eric, den Raum.
Ungehalten machten sie ihn immer wieder darauf aufmerksam, dass dieser hier ohne Erlaubnis nicht eintreten durfte. Was diesen aber natürlich nicht die Bohne interessierte.
„Was ist hier los?"
Ein blasser, hagerer Mann betrat nun forsch das Krankenzimmer. Sofort wandten sich die mit Eric völlig überforderten Pfleger an ihn.
„Dieser Ferox hat sich einfach Zutritt verschafft! Er ließ sich nicht hindern, Dr. Miller. Der Sicherheitsdienst ist bereits informiert ..."
Der Arzt hob beschwichtigend eine Hand, „das wird nicht nötig sein, Mathilda. Lassen sie uns bitte allein."
Vor den Kopf gestoßen, sah die resolute Schwester von dem Ken Arzt zu dem breit gebauten Ferox und wieder zurück.
Kopfschüttelnd verließ sie mit ihren Kollegen anschließend unfreiwillig das Zimmer.
Lexa schloss aufgrund der plötzlichen Reizüberflutung ihre Augen, warum mussten sie das ausgerechnet hier ausdiskutieren?
Ging das alles nicht auch ein wenig leiser?
Sie hörte wie Eric auf ihr Bett zuging, hoffentlich ließ er sie in Ruhe und würde gleich wieder verschwinden.
Lexa wollte nur hier in diesem Bett liegen bleiben und still vor sich hin leiden.
Prüfend ließ Eric seinen Blick über die blasse, fast bemitleidenswerte, in ihrem Bett liegende Lexa wandern. Endlich war sie wach und ansprechbar.
Als er zuletzt hier gewesen war, hatten die Ken zwar das Beatmungsgerät schon entfernt, aber sie war noch sediert gewesen.
Trotz der vergleichsweisen langen Zeit, die sie schon hier zubrachte, war ihr Anblick erschreckend. Bis sie wieder vorzeigbar aussehen würde, dauerte es mit ziemlicher Sicherheit noch.
So sah eine Verliererin aus.
In diesem Zustand konnte er sie unmöglich der Fraktion als neue Initianten Ausbilderin vorstellen. Er wusste, dass sie wach war. Auch wenn sie im Moment mit geschlossenen Augen Dornröschen spielte.
Wie selbstverständlich griff er nach der digitalen Krankenakte der Ausbilderin und las in dieser.
Dr. Miller ließ ihn gewähren.
Der leitende Chefarzt wusste genau, wen er da vor sich hatte. Es war sinnlos, ihm etwas von den eigentlich strikten Vorschriften zu erzählen.
„Sie wollen sie heute mitnehmen?", fragte er sicherheitshalber noch einmal nach. Ein kurzer Seitenblick des Feroxanführers reichte, um klarzustellen, dass dessen Vorhaben nicht zur Debatte stand.
„Unsere Ärzte werden sich um sie kümmern. Entfernen Sie die Kanülen, dann können Sie gehen. Wir finden alleine raus".
„Ich werde eine Schwester rufen, die ihr beim Umkleiden hilft, wenn Sie inzwischen in unserem Wartebereich ..." der Arzt kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden.
„Nein. Sie schafft das alleine."
Während der Doktor die Zugänge aus Lexas Armbeugen entfernte, sah er sie kurz mitleidig an.
Eigentlich sollte sie noch ein, besser noch zwei Tage hierbleiben. Für eine Entlassung war es aus medizinischer Sicht noch zu früh, aber dieser harsche Feroxanführer hatte wohl keinerlei Mitgefühl für seine Untergebene übrig.
Dieser Coulter war wirklich ein Tyrann.
Dr. Miller konnte nicht einmal im Ansatz nachvollziehen, weshalb solch ein Mann einen derartig hohen Posten in einer Fraktion bekleiden durfte.
Eine abfällige Handbewegung Erics reichte aus und Dr. Miller verließ anschließend, nach einem kurzen Gruß, fluchtartig den Raum.
Bloß schnell weg von diesem furchteinflößendem Ferox ohne Manieren.
Eric hing das Tablet wieder zurück an das Fußende des Bettes und sah Lexa erneut musternd an.
Diese musste einsehen, dass es aussichtslos war, weiterhin so zu tun, als würde sie schlafen.
„Zieh dich an. Deine Sachen sind im Badezimmer."
Zögerlich versuchte sich Lexa, in ihrem Bett aufzusetzen.
Wieder schoss ihr der Schmerz wie ein glühendes Messer bis in den Kopf. Stöhnend hielt sie inne und verharrte kurz in ihrer sitzenden Position.
Alles drehte sich, warum konnte er sie nicht einfach hier lassen? Der Arzt sagte ihm doch, dass es noch zu früh war sie zu entlassen.
Abwartend sah Eric ihr zu, wie sie erfolglos versuchte, ihre Beine aus der Decke zu befreien.
So würde das nichts werden.
Langsam kam er auf sie zu, schlug die Decke ungeduldig zurück und hielt ihr auffordernd seine Hand hin.
Lexa sah ihn mit verquollenen Augen fragend an, sagte aber keinen Ton.
Endlich ergriff sie sie mit ihrer verbundenen Rechten.
Die Verletzung, die sie noch vom Kampf gegen Four hatte, war also auch noch nicht vollständig verheilt.
Eric seufzte innerlich resigniert auf. Ihre sowieso schon ellenlange Liste an offensichtlichen Verletzungen, wurde immer länger ...
Wie in Zeitlupe begab sie sich endlich in die Senkrechte.
Doch sobald er ihre kalte Hand losließ, begann sie bedrohlich zu schwanken.
Na super, eigentlich war er anhand ihrer Werte davon ausgegangen, dass sie fitter wäre. Er griff sie fest am Oberarm und führte sie langsam zum Badezimmer.
„Aber das kannst du alleine, oder?", der leicht genervte Unterton entging Lexa nicht.
„Ja."
Mit dünner Stimme antwortete sie ihm. Zumindest hoffte sie, dass sie es alleine hinbekommen würde.
Ihr war diese Situation zutiefst unangenehm.
Sie ließ sich sowieso schon nicht gerne helfen und der Umstand das ausgerechnet er ihr jetzt unter die Arme greifen musste, machte es nicht besser.
Endlich ließ er sie los, schnell griff sie nach der Türklinke und versuchte, so aufrecht wie möglich, in den angrenzenden Raum zu gelangen.
Ihr Kopf dröhnte und das gekachelte Badezimmer in dem sie sich befand, fuhr Karussell.
Erschöpft von dem kurzen Weg, aber vor allem wegen der enormen Anstrengung während diesem, ließ sie sich auf dem Toilettendeckel nieder.
Anziehen.
So etwas Simples kam ihr gerade wie eine unlösbare Aufgabe vor.
Zitternd griff sie nach dem schwarzen Bündel, welches auf der Ablage des Waschbeckens lag.
Erst einmal musste diese grausam hellblaue Papierkleidung der Ken loswerden. Wie in Zeitlupe streifte sie diese ab.
Erst jetzt fiel ihr Blick auf ihr Spiegelbild gegenüber.
Ihr stockte der Atem.
Wie sah sie nur aus?
Erschrocken, was sie da erblickte, wich sie einen Schritt zurück.
Sie erkannte sich selbst kaum mehr!
In sämtlichen Farben schimmerte ihr ihr seltsam deformiertes Gesicht entgegen.
An mehreren Stellen klebten Wundnahtstreifen, ihre Unterlippe war wohl auch genäht worden und ihre Nase war anscheinend gebrochen gewesen. Fast schwarze Augenringe komplettierten ihr desaströses Erscheinungsbild.
Ihre ungewaschenen, strähnigen Haare, in denen immer noch Blut klebte, ignorierte sie besser komplett.
Genau wie die Tatsache, dass sie anscheinend bisher nicht gewaschen worden war. Verschmiertes Blut und getrockneter Schweiß kleben überall an ihrem Körper.
Noch nie zuvor hatte sie sich so unwohl gefühlt. Sie musste stinken wie eine Fraktionslose, es war so unglaublich peinlich.
Und das alles vor ihrem Anführer. Lexa wollte am liebsten tot umfallen, als ihm nochmals so unter die Augen zu treten.
Die ungeduldige Stimme des wartenden Eric holte sie wieder zurück ins Hier und Jetzt.
Sie solle sich beeilen, er hätte nicht den ganzen Tag Zeit.
Wenn der wüsste, wie sehr sie sich eigentlich schon beeilte!
Zittrig zog sie sich die Unterwäsche an, aber die Socken schaffte sie nicht. Auch die Hose machte Schwierigkeiten, sie konnte sich nicht bücken, sofort wurde ihr schwindelig und ein heftiger Schmerz schoss ihr erneut ins Hirn.
Den Pullover hatte sie schon an, die dreckigen Haare irgendwie zu einem Dutt zusammengebunden. Aber die Hose und der Rest – sie wusste nicht, wie sie das bewerkstelligen sollte.
Sie würde Hilfe brauchen.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als genau den Mann im Raum nebenan zu fragen, von dem sie am allerwenigsten Hilfe wollte.
Unsicher rief sie nach Eric.
Langsam öffnete sich die Türe einen Spalt, „Was ist?"
„Ich brauche deine Hilfe. Bitte."
Auch das noch.
Zögernd betrat Eric das für zwei Personen viel zu kleine Bad, um dann ernüchtert festzustellen, dass das Blondchen wie ein Häuflein Elend, zitternd und leichenblass ohne Hose vor ihm stand.
Entschlossen griff er nach der Hose und kniete sich zu ihren Füßen, „Stütz dich an mir ab, Bein hoch!"
„Nicht zuerst die Socken?", grummelnd sah er zu der wackelig über ihm stehenden hoch und verfluchte die momentane Situation, in der er sich dank ihr befand.
Wortlos griff er nach den Strümpfen und streifte sie ihr grob über ihre kalten Füße.
Ausziehen ok, aber anziehen?
Das war eigentlich nicht seine Aufgabe.
Endlich war sie mit den Füßen in den Hosenbeinen. Er zwängte sich hinter sie, um ihr die Hose anschließend hochzuziehen.
Was eine Scheiße, bloß gut, dass sie niemand sah. Diese Szene hier, würde die Gerüchteküche nur noch weiter anheizen.
„Zumachen."
Er trat um sie herum und wartete mit einem ihrer Stiefel in der Hand darauf, dass sie sich setzen würde.
Nur konnte sie mit der verbundenen Rechten den Knopf der Hose nicht schließen. Immer wieder versuchte sie es, aber bekam die Hose einfach nicht zu.
Tief durchatmend stellte Eric den Stiefel wieder ab, trat vor sie und schob ihre nervös zitternden Hände beiseite.
Während er an dem Verschluss herum nestelte, sah er sie drohend an, „Wenn ich auch nur ein Wort darüber höre, wirst du dir wünschen, im Ring verreckt zu sein!"
Lexa nickte schnell.
Anscheinend war ihr das Ganze genauso unangenehm, wie ihm.
Wenigstens etwas.
Noch die Schuhe, dann nichts wie weg von hier.
Zügig verließen die beiden das Ken Krankenhaus, immer wieder musste er sie abstützen und führen. Sie war wirklich noch nicht ganz auf dem Damm.
Er bemerkte, wie sie sich bemühte, aber gegen den immer wieder plötzlich auftretenden Schwindel konnte sie nichts tun.
Er war mit seinem Geländewagen der Ferox gekommen. Eine Zugfahrt war schon wegen dem unvermeidlichen Springen nicht möglich gewesen.
Sobald kein Zeuge mehr in der Nähe war, half er ihr beim Einsteigen und schnallte sie an.
„Wenn wir im Hauptquartier angekommen sind, musst du das alleine schaffen. Dann kann ich dir nicht mehr helfen. Du wirst die alte Wohnung von Lauren beziehen, 5. Stock, Quartier Nummer 5635. Geh direkt dort hin."
„Was ist mit Lauren? Warum wohnt sie dort nicht mehr?", fragend sah sie zu ihm rüber, immer wieder verschwamm ihre Sicht.
„Irrelevant."
Mehr kam nicht von ihm.
Als er ausparkte, bemerkte sie seine aufgeplatzten Knöchel der rechten Hand. Darauf angesprochen, sah er nur kurz hin, gab aber keine Antwort.
Er verbarg etwas vor ihr, da war sie sie sich sicher. Etwas war passiert, nur wusste sie nicht was.
„Hattest du schon deinen Kampf?" Sie fragte nur als Alibi, sie hatte bestimmt nur einen Tag verpasst, also konnte er erst frühestens in fünf Tagen dran sein.
„Morgen."
Geschockt sah sie zur Fahrerseite rüber. Etwas zu schnell allerdings, sofort was der Schwindel zurück.
„Morgen? Wie lange war ich bei den Ken??"
„Vier Tage. Du lagst im künstlichen Koma."
Mit großen Augen, zumindest so groß wie es ihre geschwollenen Gesichtszüge erlaubten, sah sie ihren Vorgesetzten an. Vier Tage! Das war bei dem heutigen medizinischen Stand der Ken, ein enorm langer Zeitraum.
Und trotzdem ging es ihr noch so mies? Was in aller Welt hatte David mit ihr angestellt?
Das fragte sie jetzt auch Eric, aber der blickte nur stoisch nach vorne, ließ sich mit seiner Antwort Zeit. „Nicht mehr viel und er hätte dich umgebracht. Allerdings hast du dich dafür, erstaunlich gut gehalten. Kannst du dich erinnern?"
„An den Anfang ja, aber dann ist da nichts mehr."
„Vielleicht besser so.", fügte der Dunkelblonde leise hinzu.
Lexa verstand ihn trotzdem.
So wie sie momentan aussah, war sie ehrlicher Weise wirklich froh, sich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern zu können.
Sie bogen ab, jetzt befanden sie sich auf Ferox Gebiet.
Nur kurze Zeit später erreichten sie das Hauptquartier und parkten in der Fahrzeughalle ein.
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