27.
Ob er sich heute noch blicken lassen würde?
Unschlüssig, was sie jetzt hier unten im Trainingsbereich der Elite anstellen sollte, ging Lexa ihre Optionen durch.
Ihr persönliches Training hatte sie mittlerweile schon hinter sich gebracht. Die Files mit den Videoanalysen von Four hatte sie heute noch nicht von ihm erhalten.
Eric hatte die Nachrichten an sie so eingestellt, dass diese sich automatisch nach 12 Stunden löschten, somit konnte sie auf diese mittlerweile nicht mehr zugreifen und neues Videomaterial hatte sie noch nicht von ihm.
Vielleicht konnte sie Mike oder Raphael zu einem Sparring oben in der normalen Halle überzeugen?
Gerade als sie den Entschluss fasste, wieder nach oben zu gehen, hörte sie, wie die schwere Eingangstüre von außen entriegelt wurde.
Schwungvoll betrat Eric den Raum und sah sie fragend an.
„Du bist zu spät."
Gespielt beleidigt sah Lexa auf ihre imaginäre Armbanduhr und wartete auf eine angepisste Reaktion auf ihren platten Scherz.
Doch zu ihrer Verwunderung passierte nichts dergleichen.
Im Gegenteil, er sah sie sogar etwas belustigt von der Seite an und zog die Augenbrauen übertrieben nach oben.
„Bist du aufgewärmt?"
Nanu, heute nicht auf Krawall gebürstet wie sonst?
Dieser Mann schaffte es tatsächlich, sie auch mal positiv zu überraschen.
„Schon seit sechs Stunden, Eric." Wieder kein böser Blick, irgendetwas war heute anders.
Argwöhnisch beobachtete Lexa ihn dabei, wie er sich seine Stiefel, Socken und seine Jacke auszog. Den dünnen Pulli, den er trug, zog er sich während des Gehens über den Kopf und pfefferte diesen in Richtung seiner restlichen Sachen.
„Du gehst an die Pratzen, ich muss mich noch warm machen."
Lexa machte sich auf den Weg die Schlagpolster zu holen.
Das konnte ja lustig werden. Wahrscheinlich würde er sie gleich quer durch den Raum boxen, seine Schlagkraft war wesentlich höher als die von Raphi oder Mike.
Lexa rechnete mit dem Schlimmsten.
Auf dem Rückweg aus dem Geräteraum sah sie ihn Liegestütze machen, auf den blanken Fäusten und in einer unfassbaren Geschwindigkeit. Dieser Kerl war eine wahre Maschine!
Sie ließ sich am Rand der Matte nieder und beobachtete ihn weiter fasziniert beim Aufwärmen.
Sein Körperbau war wirklich beeindruckend, kein Gramm Fett, austrainiert bis in die akkurat gegelten Haarspitzen. Er schien nicht einmal aus der Puste zu sein.
Da sie ja im Hauptquartier bleiben musste, bekam sie vielleicht dieses Jahr mal die Möglichkeit, ihn beim Tournament kämpfen zu sehen. Nicht nur als Wiederholung in einem kalten Wellblechcontainer wie sonst, sondern richtig, im FightClub mit hunderten aufgeputschten Zuschauern.
Das musste eine Wahnsinnsatmosphäre sein, bei einem solchen Herausforderer. Eventuell konnte er ihr sogar Tickets für sich und ihre Freunde besorgen.
„Gefällt dir, was du siehst?"
Seine Worte rissen sie aus ihrer Träumerei.
Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass er sie angesprochen hatte.
„Hä? Was? Ich war in Gedanken, was hast du gesagt?", er wank nur ab und stieg schweigend auf die Matte.
Sie hatte sich in der kurzen Zeit merklich gesteigert, war noch schneller und wendiger geworden. Ihre Schläge und Tritte kamen quasi aus dem Nichts. Die Hebel und Griffe, die er ihr zeigte, gingen langsam aber sicher in ihr Muskelgedächtnis über.
Sie war eine wirklich gute Schülerin, das musste er ihr zugestehen.
Eric war zufrieden mit ihrer bisherigen Leistung.
Das war nicht selbstverständlich, sein Anspruch war hoch und er verschwendete ungern seine kostbare Zeit, mit hoffnungslosen Fällen.
Faulheit und Desinteresse konnte er auf den Tod nicht ausstehen.
Aber Blondchen hatte Potenzial. Zwar würde sie immer noch einen reellen Kampf gegen ihn, in kürzester Zeit verlieren, aber die Grundlagen für einen zukünftigen Sieg gegen Four waren geschaffen. Noch hatten sie etwa 55 Stunden Zeit, das würde knapp werden, aber ausreichen.
Das tägliche Auspowern forderte allmählich seinen Tribut, sie war körperlich komplett hinüber.
Eric hatte ganze drei Stunden Sparring mit ihr gemacht, nach einer 15-minütigen Pause noch eine Stunde Konditionstraining und als ob das nicht schon genug Schinderei gewesen wäre, anschließend noch 60 Minuten Krafttraining.
Sie wollte nur noch in ihr Bett, geduscht hatte sie schon unten im Trainingsbereich.
Als sie aus der Umkleide kam, war Eric schon verschwunden.
Obwohl sie keine Lust hatte, musste sie ja noch etwas essen, ob sie nun wollte oder nicht.
Jetzt, wo sich das Tournament dem Ende zuneigte, legte sich die Überbevölkerung des Hauptquartieres endlich wieder.
Man musste nicht mehr zwischen zig sinnlos im Weg rumstehenden Ferox Slalom laufen, um von A nach B zu gelangen.
Endlich kein nerviges Durchgequetsche zu den Tischen mehr.
Erleichtert atmete Lexa durch und stellte sich bei der Essensausgabe an.
Sie wagte einen kurzen Blick zum Tisch der Anführer, dort saßen aber nur Maddox, der für die gesamte IT der Fraktion zuständig war und Richard, der geborene Amite.
Er war einer der ältesten Ferox, ein lieber Kerl, aber vielleicht auch gerade deswegen, ging er in der Riege der Alpha Männchen gnadenlos unter.
Sie fand sonst niemanden, der ihr bekannt war, also setzte sie sich alleine an einen der langen Tische. Sie war nicht besonders extrovertiert, neue Menschen kennenzulernen fiel ihr schwer. Lieber blieb sie dann für sich. Vertrauen aufzubauen war nicht leicht für sie.
Zu oft war sie schon ausgenutzt und enttäuscht worden. Und irgendwann hatte sie für sich beschlossen, dass es besser für ihr Seelenheil wäre, fremden Menschen einfach aus dem Weg gehen.
Innerhalb kürzester Zeit fühlte sie sich beobachtet.
Ein extrem nerviges Gefühl, wenn man weiß, dass jede Regung, die man tat, genau von Fremden analysiert und bewertet wurde, man aber noch nicht einmal genau wusste, wer der Beobachter war.
Ein weiterer Grund, warum sie lieber allein blieb.
Einer inneren Eingebung folgend, hob sie den Blick zu den Personen am Tisch rechts vor ihr.
Eine Gruppe junger Ferox, die abwechselnd zu ihr sahen und dann wieder tuschelten und kicherten.
Ein paar von ihnen hatten Braun in ihren Uniformen – niederer Rang.
Wahrscheinlich letztjährige Initianten.
So wie sie aus ihrer Position erkennen konnte, waren zwei Lagerarbeiter dazwischen, sie erkannte sie an den dunkelgrünen Abnähern.
Lexa versuchte das Gefeixe zu ignorieren.
Die Frischlinge hatten sowieso nur Mist im Kopf, die waren es nicht wert, sich aufzuregen.
Wieder hörte sie lautes Lachen. Musste ja urkomisch sein da drüben.
Langsam, aber sicher nervte es sie.
Immer wieder sahen die Grünschnäbel zu ihr, rissen einen Witz und bogen sich anschließend vor Lachen.
Lexa versuchte aufzuschnappen was da drüben geredet wurde, konnte aufgrund der Nebengeräusche hier in der Cafeteria, aber nichts verstehen.
Was sollte sie tun?
Weiter ignorieren und anschließend gehen oder diese Kinder höflichst darauf hinweisen, dass sie gefälligst die Schnauze zu halten hatten, wenn eine Ausbilderin anwesend war.
In ihr kochte es.
Nach außen hin war sie die Ruhe selbst, aber in ihr tobte ein Vulkan der kurz vor dem Ausbruch stand. Ihre Müdigkeit war wie verflogen.
Sie spürte, wie allmählich Adrenalin ihre Blutbahn flutete.
Gehen oder Respekt verschaffen?
Wieder kichern und verstohlene Blicke.
Jetzt war es genug!
Den Typen an der Stirnseite hatte sie als Leithammel ausgemacht.
Sie erhob sich ruhig und nahm ihr Geschirr langsam und mit Bedacht vom Tablett darunter, die Gruppe schräg gegenüber folgte jeder ihrer Bewegungen, genau das hatte sie beabsichtigt.
Sofort ging das Gegacker wieder los.
Das Tablett war fertig abgeräumt, sie hob den Blick, sah jeden einzelnen der Teenies nacheinander an, ging dann langsam auf den Brünetten zu. Dieser sprang natürlich sofort auf, um sich vor seiner Anhängerschaft zu profilieren.
Das war genau das Verhalten, welches Lexa provozieren wollte.
Etwa eine Schrittlänge vor ihm blieb sie stehen, sah ihm in seine kleinen Schweinsäuglein und lächelte ihn übertrieben freundlich an.
„Ihr scheint Spaß zu haben? Nicht wahr?"
Sie ließ ihren Blick über die am Tisch Anwesenden gleiten. Faszinierend, wie schnell doch Stille eingekehrt war, sobald sie persönlich vor ihnen stand.
„Ihr lacht ja gar nicht mehr? Was ist los?"
Auffordernd nickte sie den jetzt plötzlich ängstlich guckenden Jugendlichen zu.
Kein Mucks gaben sie noch von sich. Sie wendete sich wieder dem Rädelsführer zu.
Dieser sah sie herausfordernd und geringschätzig an, das war genau das, was er nicht hätte tun sollen...
Lexa lächelte ihn weiter freundlich an, doch tief in ihr drin, ganz tief in der aller letzten Windung, knallte ihr in diesem Moment eine Sicherung durch.
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Na ihr hübschen?
Ich hoffe ihr genießt die letzten schönen Tage genauso wie ich, bevor es Herbst wird und wir wieder nur doofes Wetter haben.
Wenn euch das Kapitel gefallen hat, dann lasst mir gerne ein Herzchen da, freu mich da jedes Mal wie Bolle drüber!
Was mich übrigens wie verrückt interessieren würde wäre, was ihr denkt. Wohin wird die Reise Lexa führen? Was glaubt ihr, führen Eric und Max im Schilde?
Her mit euren Vermutungen und Gedanken!
Bis nächste Woche!
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