26.
Noch zwei Tage.
Heute war der 5. Tag der Woche, übermorgen würde sie zum allerersten Mal im FightClub im Ring stehen!
Schon immer war es ihr größter Traum gewesen, dort eine Bühne geboten zu bekommen.
Aber niemals hätte sie damit gerechnet, dass es wirklich einmal passieren würde.
Ihr Kampf gegen Four war ein Top 10 Fight, Eintrittskarten waren schwer zu bekommen, jeder wollte schließlich live dabei sein, wenn die besten zehn der Ferox aufeinandertrafen!
Wo blieb Eric nur?
Es war schon zehn Minuten nach neun. Es sah ihm gar nicht ähnlich, zu spät zu kommen. Im Gegenteil, eigentlich war er immer schon vor ihr da gewesen, ob er überhaupt mal schlief?
Irgendwie war er immer überall. Ständig abrufbereit, jederzeit über alles und jeden informiert...
Ein Workaholic wie er im Buche stand.
Nur jetzt war er nicht anwesend. Aber sie machte sich nichts draus, dann machte sie eben alleine weiter.
Sich ihre In-Ear Kopfhörer wieder einstöpselnd, hielt sie auf die Boxsäcke zu.
Dann absolvierte sie ihr Nachmittagspensum eben jetzt schon.
Dieses sinnlose rumgesitze zerrte zusehends an seinem Nervenkostüm.
Schon mehr als zwanzig Minuten ließ man ihn hier warten, Janine zog wieder einmal sämtliche Register, um ihm zu zeigen, wer die größere Machtposition innehatte.
Eigentlich musste man als Fraktionsfremder, immer sämtliche Waffen und elektronische Geräte abgeben, wenn man das Ken Hauptquartier betrat. Aber das interessierte einen Eric Coulter herzlich wenig.
Was wollten die Ken schon tun?
Ihn schimpfen?
Enzyklopädien nach ihm werfen? Lachhaft.
Also holte er sein Tablet hervor, um nachzusehen was das Blondchen ohne ihn so trieb.
Diese hatte er natürlich nicht darüber informiert, dass sie heute auf seine Anwesenheit verzichten musste.
Sehr zu seinem Gefallen tobte sich diese im Moment an einem der Boxsäcke aus.
Braves Mädchen.
Er war angenehm von ihr überrascht, die Kleine war wirklich so gewissenhaft und zielstrebig, wie sie von Max und Lucien angepriesen worden war. Solche Leute fand man heutzutage nur noch selten.
Er konnte sie also auch mal aus den Augen lassen, ohne sich Sorgen machen zu müssen.
Gut zu wissen.
Endlich öffneten sich die großen, weiß lackierten Flügeltüren links von ihm.
Hein stolziert kamen mehrere akkurat gekleidete Ken, in ihrer Mitte den blondierten Kopf stolz nach oben gereckt, Janine.
Laut klackerten ihre Pumps auf dem ebenfalls in Weiß gefliesten Boden.
Wie sehr er diese Frau doch verabscheute!
Egal was sie früher einmal für ihn getan hatte, seine Schuld war seit geraumer Zeit schon abgegolten, er schuldete ihr nichts mehr.
Energisch streckte sie ihm ihre Hand zum Gruß entgegen, ein aufgesetztes Lächeln, welches ihre Augen nicht erreichte, umspielte ihre Lippen.
Eric hielt nichts von diesen hohlen Höflichkeitsfloskeln. Gekonnt ignorierte er Janines Hand und sah ihr nur mit eingefrorener Mimik entgegen.
„Eric, schön dich wieder bei uns begrüßen zu dürfen! Setzen wir uns."
Im Begriff sich zu setzen, deutete sie auf den in dunklerem Blau gehaltenen Sessel, auf dem der hochrangige Ferox vor ihrer Ankunft schon gesessen hatte.
Doch dieser machte keinerlei Anstalten, sich wieder zu setzen. Stattdessen hob er eine Augenbraue und blickte vielsagend zu deren Anhang, welcher noch immer sinnlos im Raum rumstand.
„Eric? Möchtest du einen Kaffee? Wir haben die chemische Synthese verbessert, die Aromen kommen jetzt viel besser zur Geltung."
Die arrogante Schnepfe schien seinen Wink nicht verstehen zu wollen, dann musste er eben etwas direkter werden.
„Dein Fanclub wird hier nicht gebraucht."
Entschlossen blickte er der Gruppe blau gekleideter Milchgesichter entgegen. Diesen war die Situation und vor allem ihr, in ablehnender Körperhaltung stehender Gegenüber, sichtlich unangenehm.
Unsicher sahen sie zu ihrer Anführerin rüber, diese nickte kurz, endlich suchten ihre Lakaien das Weite.
Jetzt setzte sich auch der bullige Ferox endlich.
Die vor ihm auf einem kleinen Beistelltisch stehende Kanne mit Kaffee, ließ er unberührt.
Er aß oder trank grundsätzlich nichts, was nicht aus seiner eigenen Fraktion stammte und vorher von einem anderen Ferox probiert worden war.
Vertrauen war definitiv keine seiner Stärken.
„Also, du wolltest Informationen über einen ehemaligen Initianten deiner Fraktion, richtig?" Auffordernd sah sie ihren Gegenüber an, sie bekam allerdings keine Antwort.
„Nun, darf ich fragen, wozu du diese Auskunft benötigst?"
„Nein."
Die karge Antwort brachte die Blonde zwar nicht aus dem Konzept, aber man sah sofort, dass ihr diese grobe Zurechtweisung gar nicht passte.
„Gut, du wirst sicherlich deine Gründe haben. Allerdings möchte ich dich daran erinnern, dass ich das, was du gerade tust, eigentlich den Candor melden müsste."
Milde lächelnd, nahm er ihre unverhohlene Drohung zu Kenntnis.
„Tu dir keinen Zwang an, ICH -" er machte eine bedeutungsschwere Pause, „-habe vor den Paragraphenreitern nichts zu verbergen."
Das mit dem Drohen konnte er auch, schließlich hatte Janine Matthews selber genug Leichen im Keller. Und sicherlich würde sie niemals das Risiko in Kauf nehmen ihn anzuschwärzen. Sie würde sich und ihrer Fraktion damit mindestens genauso schaden, wie ihm.
Beide lieferten sich ein kurzes, aber intensives Blickduell, das jäh von Janine beendet wurde, als sie seine ihr erwartungsvoll entgegen gestreckte Hand registrierte. Auffordernd nickte er ihr zu.
„Die Dateien."
Nicht, ohne ihm vorher noch einen missbilligenden Blick zugeworfen zu haben, suchte sie in ihrem modischen, blauen Blazer nach dem von ihm verlangten Stick.
Früher waren sie ein wirklich gutes Team gewesen, doch seit der Sache mit den Unbestimmten, war er wie ausgewechselt. Ihre Zusammenarbeit beschränkte sich inzwischen auf ein absolutes Minimum.
Vor etwa einem Jahr entwickelten die Ken ein Verfahren, anhand dessen man Unbestimmte zweifelsfrei entlarven konnte. Zunächst hatte es aber der Zustimmung des gesamten Stadtrates und aller Oberhäupter der einzelnen Fraktionen bedurft, damit sie zur Tat schreiten konnten.
Diese Aufgabe hatte Janine übernommen, synchron zur Entwicklung des Serums entwickelte sie ein weiteres Mittel, mit dem sie etwaig andersdenkende, zu ihren Gunsten beeinflussen konnte.
Und da Max und Eric ihre Überzeugungen teilten, war der Rest dann ein Kinderspiel gewesen.
Alle Einwohner Chicagos wurden unter einem Vorwand getestet, die Unbestimmten separiert und anschließend von Ferox unter der Leitung von Eric eliminiert.
Endlich war das Problem beseitigt und das Fraktionssystem vor der Bedrohung des Unterwanderns sicher.
Die Unbestimmten waren seitdem Geschichte, und alle Kinder wurden sofort, ab einem Alter von sechs Jahren getestet und dann, wenn nötig, beseitigt.
Die normale Bevölkerung wusste davon natürlich nichts, ein Sturm der Entrüstung würde über die Ken hinwegfegen, wenn dem so wäre!
Alles lief in geordneten Bahnen, und diese Tatsache verdankte Janine größtenteils den Ferox, allen voran Max und Coulter.
All das Erreichte stand auf der Kippe, wenn es zum Bruch käme.
Nachdem er hatte, was er wollte, erhob sich Eric und wollte so schnell wie möglich weg von diesem manipulativen Weibsstück.
Zu lange hatte er schon unter ihrer Fuchtel gestanden.
Sie war es gewesen, die ihm damals zu seinem jetzigen Posten verhalf, unentwegt flüsterte sie ihm zu dieser Zeit ein, was er in ihrem Sinne zu tun und zu lassen hatte.
Damit war jetzt Schluss!
Die Ferox waren eine eigenständige Fraktion, die zwar Handel mit den anderen Fraktionen trieben und mit ihnen zusammenarbeiteten, wenn es nötig war, aber diese ständige Einmischung und vor allem Beeinflussung von Seiten der Ken, musste endlich ein Ende haben!
Die Ferox sollten das System und alles Leben innerhalb und außerhalb Chicagos schützen. Nicht die Leibeigenen einer anderen Fraktion sein und nach deren Pfeife tanzen!
Doch kaum das er sich von ihr abwandte, machte die falsche Schlange schon wieder ungefragt den Mund auf.
„Eric, eines noch – ich habe mitbekommen, dass einer meiner ehemaligen Schüler, als persönlicher Assistent für dich arbeitet. Ich muss sagen, eine vortreffliche Wahl! Aiden war der Beste seines Jahrgangs, er ist doch bestimmt eine großartige Bereicherung in eurer Fraktion, nicht wahr?"
Am liebsten hätte er ihr, ihr überhebliches Grinsen aus dem gepuderten Gesicht gedroschen! Sprach sie etwa von dem dürren Vollpfosten, der nur an diese Stellung gerückt war, weil er halbwegs intelligent war und den Sinn eines Terminplaners verstand?
Ihr Ernst?
Das falscheste Lächeln das er zustande brachte, huschte kurz über sein ansonsten todernstes Gesicht.
„Sicher. Ist sonst noch was?"
Auf irgendwas wollte sie hinaus, sonst hätte sie dieses Thema nicht angeschnitten.
Wieder dieses gespielt freundliche Gegrinse von ihr. Mann, ging ihm diese Person auf den Sack. Sollte sie doch einfach sagen, was sie von ihm wollte, er entschied dann, ob es wichtig war oder nicht.
„Nun ja, ich habe mich gefragt, wann es denn für einen solch essentiellen Mitarbeiter, an der Zeit für eine Beförderung wäre, wenn du verstehst, was ich meine."
Jetzt tatschte sie ihn auch noch an, er musste sich allmählich wirklich beherrschen nicht ausfallend zu werden.
„In seiner momentanen Verwendung ist eine Beförderung weder vorgesehen noch möglich." Hoffentlich gab das Weib jetzt Ruhe, er wollte hier weg, und zwar am besten sofort. Noch länger hielt er es hier nicht aus.
„Ach, das ist aber schade! Solch ein Talent sollte doch gefördert werden, Eric. Du wirst bestimmt eine passendere Stellung für ihn finden können, da bin ich mir sicher!"
Oh ja, er würde auf jeden Fall eine bessere Stellung für die Niete finden, im Zweifel etwas zerbeult auf dem Grund der Schlucht.
Er ging nicht weiter auf das manipulative Gerede der Ken ein, er wusste genau, worauf sie hinauswollte, aber diesmal konnte sie es vergessen.
Der Posten, den sie für diese Pfeife im Sinn hatte, war bereits verplant.
Nur wusste sie noch nichts davon. Und selbst wenn dem so wäre, könnte sie versuchen, was sie wollte, Eric würde nie wieder zulassen, dass sie sich in Feroxangelegenheiten einmischte.
Er grüßte sie kurz und drehte ihr dann seinen breiten Rücken zu.
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