11.
Frisch geduscht und in legerer Freizeitkleidung, stand sie vor Tinas Wohnung im 3. Stock und wartete darauf, dass ihre Freundin ihr die Tür öffnete.
Die Dunkelheit des kalten Flures, wurde nur von einzelnen blauen LED Streifen erhellt, die oben an der felsigen Decke, in Nischen versteckt, angebracht waren.
Endlich bewegte sich das Türblatt.
„Herein in die gute Stube! Ich hab' Wein besorgt und Schokolade!"
Lexa wurde stürmisch von ihrer Freundin umarmt und gleich voll in Beschlag genommen.
„Wow! Deine Wohnung ist der Hammer!"
Staunend, sah sich die Blonde in der geräumigen Wohnung um. Lexa ging, flankiert von Tina, vom Flur ins Wohnzimmer.
Ein bodentiefes Fenster links von ihr, führte raus auf einen kleinen Balkon.
Direkt vor Lexa befand sich eine dunkelgrüne, wirklich bequem aussehende Couch, mit passendem Sessel und einem kleinen Holztischchen.
Rechts vom Wohnbereich war die kleine, offen gestaltete Küchenzeile, komplett in dunklem Blau gehalten.
Lexa staunte, sie hatte mit einer großen, schönen Wohnung gerechnet, aber das hier... das war wirklich... Sie fand keine passenden Worte.
„Und? Was sagst du? Und jetzt denk mal darüber nach, wie die Wohnungen zwei Stockwerke über mir aussehen könnten."
Spöttisch neckte Tina ihre Freundin.
Sie wusste genau, dass Lexa nicht wieder ins Hauptquartier zurück wollte, aber nachvollziehen konnte sie es deswegen noch lange nicht.
Die Verwaltungsangestellte konnte einfach nicht verstehen, wie man ein zugiges Zelt, matschigen Boden und den ekligen Einheitsfraß, einem bequemen Zuhause mit Kantine, Freizeitangebot und stabilen Wänden vorziehen konnte.
Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass auch all ihre Freunde hier waren.
Sie mochte Lexa so sehr, aber ab und an zweifelte sie stark am Urteilsvermögen ihrer langjährigen Freundin.
Während sich die Ausbilderin weiter in Tinas Wohnung umsah, holte diese die Weingläser aus dem geräumigen Holzschrank im Wohnzimmer.
Dieser nahm die gesamte Wand ein und beherbergte auch den großen Flachbildschirm, auf dem sich Tina nach ihrer Schicht im Verwaltungstrakt, gerne die Kämpfe im Fightclub ansah.
Aber jetzt nicht später vielleicht, wenn die ersten Ausbilder in den Ring steigen würden.
Die gesamte Fraktion war schon ganz hibbelig deswegen.
Bis dahin dauerte es aber noch ein paar Stunden.
Heute Abend dudelte nur halblaute Musik aus den Lautsprechern, die unsichtbar, überall in der Wohnung in den Wänden versteckt waren.
Tina hörte eher ruhige Rockmusik, sie konnte nichts an dem aggressiven Rumgeschreie finden, welches sich zum Beispiel Raphael und Mike anhörten.
Das war für die Brünette keine Musik, sondern nur Krach nach Noten.
Wieder kam der schlanken Brünetten der Gedanke, wenn Lexa nicht so stur wäre, sie könnte hier ein komfortables Leben führen.
Gab es da am Zaun überhaupt sowas wie Partys oder andere Anlässe, wo man mal die Sau bei lauter Musik rauslassen konnte?
Sie wusste es nicht, konnte es sich aber auch nicht wirklich vorstellen.
Ausbilder waren hoch angesehen bei den Ferox und standen in der Rangordnung direkt unter den Anführern.
Lexa könnte ein hoch gestelltes Mitglied der Fraktion sein... Kopfschüttelnd sah sie zu ihrer Freundin hinüber, die gerade mit großen Augen aus dem Bad kam. „Deine Wohnung ist echt der Wahnsinn! Was guckst du so?"
Mit fragendem Blick ging Lexa auf Tina zu, die bereits den Wein entkorkte.
„Ach, das weißt du doch", seufzte diese, „dass, und noch viel mehr könntest du auch haben. Aber du willst lieber bei Wind und Wetter im Dreck hausen."
Schulterzuckend griff sie nach einem der Gläser und schenkte den Primitivo ein.
Sie wollte keinen Streit provozieren, aber es ging ihr einfach nicht in den Kopf, warum man freiwillig so leben wollte.
„Und jetzt erzähl! Man hört so einiges!"
Erwartungsvoll sah Tina ihr Gegenüber an.
Lexa hatte gehofft, dass Tina noch nichts von all dem Gerede mitbekommen hatte.
Tja, anscheinend hatte sie den Flurfunk unterschätzt.
Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als ehrlich mit ihrer Freundin zu sein und sie auf den neuesten Stand zu bringen.
Als sie mit ihren Ausführungen am Ende war, nahm Lexa einen großen Schluck von ihrem Wein und bereitete sich auf die jetzt unweigerlich folgende Analyse ihrer Freundin vor.
Diese hatte ihr schweigend zugehört, sie weder unterbrochen noch Zwischenfragen gestellt.
Das war sehr untypisch für sie und machte Lexa etwas Sorgen.
Noch untypischer war, dass Tina noch immer schweigend und mit großen Augen da saß und Lexa einfach nur anstarrte.
„Ich glaube wir brauchen mehr Wein."
Ruckartig erhob sich Tina von der Couch und ging in die Küche, um Nachschub zu besorgen.
Tausend Gedanken schwirrten der Büroangestellten durch den Kopf. Und keiner dieser Gedankengänge endete positiv für Lexa.
Es war nie von Vorteil, wenn man so im Fokus der Anführer stand.
Lexa blieb allein auf dem Sofa zurück und grübelte scheinbar ebenfalls über ihre derzeitige Situation.
„Tina, sei ehrlich. Was glaubst du ist hier los?"
Fast schon verzweifelt, sah sie ihrer Freundin in die Augen.
„Hm. Fassen wir mal zusammen: Max, Lucien und vor allem Eric, haben seit dem du hier bist, ein enormes Interesse an deiner Person. Tauchen immer wieder unvermittelt da auf, wo du gerade bist und beobachten dich.
Noch dazu warnt dich Lucien – ausgerechnet LUCIEN! – davor, dass du unter Beobachtung stehst."
Theatralisch gestikulierte Tina mit ihrem Glas vor Lexas Gesicht herum.
„Und du weißt nicht warum. Hast keinen Schimmer?"
Fragend hielt sie jetzt inne und sah Lexa forschend an.
„Nein, ich habe keine verdammte Ahnung! Mir sagt ja hier keiner was! Alle glotzen, tuscheln und reden, aber eben nicht mit mir, sondern über mich!"
Sie wirkte verzweifelt und kippte sich den letzten verbliebenen Schluck des Weines in den Mund.
Tina dachte nach.
Sie hatte anfangs nichts davon mitbekommen, dass Lexa zum großen Fraktionsgespräch geworden wäre.
Sie war ja die meiste Zeit über in ihrem Büro.
Aber neulich hatte sie Kolleginnen dabei belauscht, wie diese sich über diese ‚komische blonde Ausbilderin vom Zaun', ausließen.
Wirklich interessantes, hatten diese dämlichen Waschweiber nicht zu sagen, aber sie würde ab jetzt Augen und Ohren offen halten.
Das sagte sie ihrer Freundin auch, jetzt war sie selber neugierig geworden und wollte der Sache auf den Grund gehen.
Irgendwas lag in der Luft, und sie würde herausfinden, was genau es war.
Besonders, dass die oberste Riege solch ein Interesse an Lexa zu haben schien, war ihr suspekt.
Im Besonderen die Aufmerksamkeit von Eric, konnte nichts gutes bedeuten.
Er war nicht dafür bekannt, wohlwollend, fürsorglich oder gütig, in irgendeiner positiven Art zu sein. Eher ganz im Gegenteil, sadistisch, berechnend, gefühlskalt, manipulativ, dass waren schon eher passende Attribute, um ihn zu beschreiben. Niemals würde sie es öffentlich zugeben, aber er machte ihr Angst.
Mit diesem Kerl würde sie nicht allein in einem Raum sein wollen, nicht einmal für eine Minute.
Und jetzt, da sie von den aktuellen Vorkommnissen bei ihrer Freundin wusste, wuchs die Furcht, dass er etwas im Schilde führte das Lexa ruinieren konnte.
Aber sie wollte sich nicht anmerken lassen, welch große Sorgen sie sich machte, also goss sie sich noch einmal Wein nach und wechselte dann das Thema.
Tina hatte ihrer Freundin noch viel zu erzählen, schließlich hatten sie sich ja eine ganze Weile nicht gesehen und so verging die Zeit wie im Fluge.
Beide hatten die inzwischen schon laufenden Kämpfe der Ausbilder, komplett vergessen.
Wie von einer Tarantel gestochen, sprang Lexa plötzlich auf – „Tina! Die Kämpfe! Mach den Fernseher an, schnell!"
Sofort rief diese in den Raum hinein und das Gerät erwachte zum Leben.
Schon seit einer halben Stunde lief die Übertragung, aber verpasst hatten sie zum Glück noch nicht viel.
Im Moment machten sich zwei Frauen bereit, gegeneinander anzutreten.
Die eine war Kampfausbilderin der 14 bis 16 jährigen gebürtigen Ferox, die andere kannte Lexa nicht.
„Wer ist die Schwarzhaarige? Die kenne ich nicht."
Tina überlegte kurz.
„Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke sie gehört zu den Spezialkräften.
Da schau – jetzt wird es eingeblendet!"
Lexa las sich die Untertitel durch.
Die Ausbilderin der Schüler hieß Anna, die andere Susan.
Beide waren drahtig und gut trainiert, die eine Blond und ungefähr 25 Jahre alt, die andere hatte kurze schwarze Haare, war großflächig tätowiert und sah nicht aus, als wäre sie nur zum Spaß hier.
Der Kampf war nicht wirklich spannend, beide belauerten sich die meiste Zeit und es passierte kaum etwas.
Die ersten Buhrufe hallten schon durch den umfunktionierten Trainingsraum.
„Meine Güte, das ist ja grausam. Passiert da heute noch was?"
Tina verdrehte genervt die Augen.
Kaum waren die Worte ausgesprochen, tat sich tatsächlich etwas.
Die Schwarzhaarige warf sich plötzlich nach vorne und griff nach den Beinen der Blonden. Dadurch brachte sie diese zu Boden und beförderte sie in eine passende Position, um ihr mithilfe der Arme, die Luft abzudrücken.
Endlich war dieser unsägliche Kampf vorbei.
Hoffentlich lieferte Lexa morgen nicht auch so ein desolates Trauerspiel ab.
Bei diesem Gedanken fiel Lexa auf, dass es schon ziemlich spät war, sie sollte sich langsam auf den Weg zu ihrer Unterkunft machen.
Sie musste morgen ausgeschlafen und fit sein, sonst war das ihr erster und auch letzter Auftritt hier im Hauptquartier.
Nur kurze Zeit später verabschiedete sie sich von ihrer Freundin, diese versprach morgen auf jeden Fall mit dabei zu sein und ihre Freundin anzufeuern.
Zügig ging Lexa den Flur in Richtung der Treppe entlang, die sie ins unter ihr gelegene Stockwerk brachte.
Wenig später, war sie schon im Erdgeschoss angelangt und bog in Richtung des Ganges ab, der sie zu ihrer Unterkunft führte.
Die Kämpfe liefen noch, dumpf konnte man Jubel - und Anfeuerungsrufe der Ferox hören.
Sie war nicht allein in diesem Flur, jemand kam ihr mit schweren Schritten entgegen.
Noch konnte sie nicht erkennen wer es war, das Licht war zu spärlich.
Selbstsicher setzte sie ihren Weg fort. Sie hob den Kopf etwas höher, straffte ihre Schultern.
Man durfte nie vergessen, wo man sich hier befand, jede falsche Regung konnte als Schwäche ausgelegt werden und diese konnte sie sich nicht erlauben.
Auch nicht spät abends, in einem unterirdischen Gang in dem man noch nicht einmal wusste, wer einem eigentlich entgegenkam.
Wenn sie nach den schweren Schritten ging die sie hören konnte, war ihr baldiger Gegenüber jedenfalls niemand, dem es an Selbstbewusstsein und körperlicher Masse mangelte.
Jetzt konnte sie erkennen um wen es sich handelte, es war Coulter.
Schon wieder – schoss es ihr durch den Kopf.
Was machte der denn hier unten?
Ihre Blicke trafen sich, beide hielten den Blickkontakt, während sie weiterhin auf einander zu gingen.
Lexa auf der rechten Flurseite, Eric auf der linken.
Sein Blick war eiskalt, aber auch herausfordernd.
Würde sie jetzt den Blickkontakt abbrechen, würde er triumphieren und das wollte sie nicht.
Sie liebte Herausforderungen und das hier, war definitiv eine.
Sein Blick war bohrend, sie widerstand aber dem drängenden Reflex, die Augen zu senken.
Eigentlich wurde es jedem Ferox von Anfang an eigebläut, Anführer niemals anzustarren und den Augenkontakt nicht unnötig lange aufrecht zu erhalten, also war das was sie hier tat, nicht nur unglaublich dumm, sondern auch wahnsinnig leichtsinnig!
Weiterhin liefen sie aufeinander zu, noch zwei oder drei Meter und sie wären auf gleicher Höhe.
Die Distanz nahm immer weiter ab. Seine Körpersprache drückte absolute Autorität aus, die Mimik völlig ausdruckslos, die graublauen Augen fixierten weiterhin ausschließlich Lexa, die immer näher auf ihn zu kam.
Sie wich seinem Blick nicht eine Sekunde aus.
Auch sie wirkte äußerlich selbstsicher und auch ihr Gesichtsausdruck verriet nichts darüber, was in ihr vor ging.
Als sie nur noch etwa einen Meter von einander entfernt waren, nickte die Blonde kurz, sah ihm weiterhin fest in die Augen und setzte ihren Weg ungerührt fort.
Dann, als sich beide fast auf selber Höhe befanden, trennte sich ihr Augenkontakt abrupt.
Sie spürte wie ihr Herz in ihrer Brust hämmerte und war sich nicht mehr sicher, ob das jetzt eine gute Idee oder eine verdammt miese gewesen war.
Was hatte sie getan?
Sie konnte doch nicht einfach ihren Anführer so respektlos niederstarren!
Das würde sicherlich Konsequenzen haben!
Sie wollte doch unter dem Radar bleiben und dazu gehörte eben auch, genau solche Situationen zu vermeiden!
Sie war so dumm, schalt sie sich im Stillen.
Jetzt hatte sie so richtig Scheiße gebaut!
Als er sie im Rücken davon gehen hörte, legte sich ein leichtes Lächeln auf Erics Gesicht.
Diese Ausbilderin wurde ihm allmählich doch immer sympathischer.
Sie schien diese gewisse Art von Willensstärke zu besitzen, die von Nöten war und anscheinend auch den nötigen Mut dafür.
Normalerweise vermieden andere es tunlichst, auch nur ansatzweise seine Aufmerksamkeit zu erregen. Und wenn es dann doch passierte, verließ sie plötzlich der Schneid und sie wurden ganz schnell, ganz still.
Doch diese Blondine hier, die schien entweder dumm, lebensmüde oder eben ziemlich mutig zu sein.
Er musste zugeben, dieser Umstand imponierte ihm ein wenig.
Morgen würde sie in den Ring steigen, er freute sich schon fast ein bisschen auf ihren Kampf.
Mal sehen ob sie wirklich so viel auf dem Kasten hatte, wie Max ständig behauptete.
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