Trauer
Kapitel 30
Veronika
"Was soll das heißen, ihr Vater war hier? Wie kommt dieser Bastard in das Hotel?", hörte Veronika Melodys spitze Stimme und schaffte es dadurch, ihr eigenes Gefühlschaos beiseite zu schieben und sich auf etwas zu konzentrieren, dass ihr erst jetzt, in diesem Moment klar wurde.
Ihm gehörte das Hotel?
Das hatte ihr Vater doch gesagt, oder? Er war hier hereingekommen, weil es ihm gehörte und egal wie Veronika es in ihrem Kopf drehte und wendete, dieser Zufall war einfach zu merkwürdig.
Erschrocken hob sich ihr Gesicht von Hitchs Brust, wischte sich die Nase an ihren Handrücken ab, bevor sie sich so schnell von ihm losmachte, dass ihm wohl der Kopf schwirrte.
"Was?", fragte er verwirrt, aber Veronika hatte dafür keine Zeit. Sie trat an das Waschbecken, wusch sich das Gesicht und schnäuzte sich die Nase mit einem der Papierhandtücher, das auf einem kleinen Tisch neben ihr lag, bevor sie wieder diese Mauer in ihrem Inneren hochzog. Eine Mauer, die eigentlich keine Mauer war, sondern bestenfalls ein Kaninchenzaun.
Aber es hielt das Gröbste von ihr ab, während sie nachdachte und aufhörte, sich von ihrer Trauer erdrücken zu lassen. Es ermöglichte ihr, Luft zu bekommen und atmen zu können.
"Hatte Elija nicht gemeint, die Hotelreservierung war eine Art Hochzeitsgeschenk von seinem Bruder?" fragte Veronika an Hitch gewandt, der immer noch etwas beleidigt aussah, dass sie ihn einfach so hatte stehen lassen, nachdem sie ihm sein Hemd vollgerotzt hatte. Doch dieser Zug verschwand schnell wieder von seinem Mund, als er über ihre Frage nachdachte und dann langsam nickte.
"So etwas hatte er gesagt, ja", meinte Hitch leise, aber das 'vielleicht' reichte Veronika nicht. Entschlossen, aber immer noch mit zitternden Atemzügen ging sie zur Badezimmertür, bei der ihr Melody Zed und Luna fast entgegenfielen, als sie sie öffnete. Als hätten sie an der Tür gelauscht. Dieses neugierige Pack, das sie einerseits verwünschte und gleichzeitig liebte. Das waren wirklich tolle Freunde, die sie sich da angelacht hatte.
"Du!", wandte sie sich an Elija, der daraufhin kühl eine Augenbraue nach oben zog und wartend betrachtete.
Luna schlang währenddessen einen Arm um Veronikas Taille und wahr dabei, sie wieder trösten zu wollen und diesmal schaffte es Veronika nicht sofort wieder zu heulen und konnte die Nähe ihrer Freundin einfach genießen. Luna war ein wahrer Schatz.
Aber dem mitleidigen Blick der Anderen nach zu urteilen, wurden sie von ebendiesem Schatz in Bild gesetzt. Ätzend.
"Dein Bruder hat dieses Hotel gemietet, oder? Dieser Mafia-Kerl", entfuhr es Veronika und Elijas Blick verfinsterte sich, als er starr nickte. Aber auch Melodys Misstrauen war geweckt.
"Worauf willst du hinaus?"
"Mein Vater hat behauptet, ihm gehört das Hotel, also warum wählte dein Bruder ausgerechnet dieses Hotel?", sprach sie es ohne Umwege an.
"Ich dachte dein Vater ist Bauunternehmer", grätsche Zed dazwischen und Veronika nickte ihm zu, während sie auf Elijas Antwort wartete. Und die kam nach einer kurzen Überlegung von ihm.
"Ich schätze, weil es sich in den Bergen befindet und hier von September bis Mai immer Schnee liegt. Ich wollte sicherstellen, dass sie keinen Grund findet, diese Hochzeit noch ein Jahr aufzuschieben, nur weil Petrus nicht so mitspielt, wie sie es gerne hätte", meinte Elija und deutete mit den Daumen auf seine frisch gebackene Angetraute.
Melody schnaubte bei dieser Unterstellung, widersprach aber nicht. Und alle anderen Anwesenden verkniffen sich ein Kommentar darüber, dass sie Brauzilla durchaus zu zutrauten, dass sie genau das getan hätte.
Alles musste immer so funktionieren, wie Melody es wollte, da war sie kompromisslos. Sie war nicht weniger gebieterisch als ihr Mann, auch wenn sie gerne das Gegenteil behauptete.
"Mir gefällt die Richtung nicht, in der du da denkst, V. Es muss keine Verschwörung dahinter stecken, sondern kann einfach Zufall sein. Steigere dich nicht in etwas hinein, nur weil dein Vater gerade ein Arschloch zu dir war." warf Melody ein.
"Willst du damit sagen, dass es dir nicht verdächtig vorkommt?" fragte Veronika an die Braut gewandt und diesen Griff routiniert nach dem Aufschlag von Elijas Jackett und strich ihn glatt, bis er wieder so lag wie er liegen sollte. Wie war er überhaupt zerknittert worden?
"Ich sage, dass du vielleicht einen Moment brauchst, um alles zu verarbeiten. Lass uns zur Bar gehen und etwas trinken, du siehst aus, als bräuchtest du einen", meinte ihre Freundin und weil Veronika gerade tatsächlich nichts lieber wollte, als sich volllaufen zu lassen, um einfach alles zu vergessen, ließ sie ihre wilden Verdächtigungen fallen.
Ihr Vater war tatsächlich ein Mistkerl, die Art, wie er ihr die Nachricht von dem Tod ihrer Mutter überbracht hatte, allein bewies das und vielleicht hatte Melody recht und Veronika nahm das zum Anlass, ihn wild zu verdächtigen. Doch wofür eigentlich? Dass er windige Geschäftsbeziehungen zu einem Mafiosi unterhält?
Ihr Vater war nicht nur im Baugewerbe, sondern auch in der Politik aktiv und so ungern sie das auch zugab, aber Politiker und das organisierte Verbrechen? Das wäre absolut nichts Ungewöhnliches.
Doch warum ließ ihr das alles keine Ruhe? Warum hatte er ihr nicht schon vorher Bescheid gegeben, dass ihre Mutter im Sterben lag? Hielt er wirklich so wenig von ihr?
Veronika hatte sich mit der Missbilligung ihrer Eltern für ihr Studium beworben und dann war der Kontakt irgendwie eingeschlafen. Es war nicht so, als hätte es einen riesigen Krach gegeben, zumindest keinen heftigen als unzählige Male zuvor, in der ihr Vater seine Enttäuschung zum Ausdruck brachte.
Warum also ließ es sie einfach nicht los? Warum hatte sie dabei ein so mieses Bauchgefühl?
"Lass uns trinken", hauchte nun auch Hitch hinter ihr gegen ihre Schläfe, als er sich über ihre Schulter zu ihr herunterbeugte und weil sie keine Ahnung hatte, was sie tun sollte, nickte sie schließlich.
Vielleicht war es wirklich besser, keine Verschwörungstheorien nachzuhängen, wenn man trauerte.
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