Gedankenblitze
„Donner ist gut und eindrucksvoll, aber die Arbeit leistet der Blitz"
-Mark Twain
Wenn Du Fabie Laurent sehen würdest, dächtest Du Dir wahrscheinlich nichts. Rein gar nichts. Vielleicht so etwas wie: „Oh, sie ist aber blass!" oder „Oh, sie sollte wirklich an ihren Augenringen arbeiten!" Aber sicherlich nicht, dass sie all diese Gedanken von Deinem Gesicht ablesen kann oder, dass sie jedes einzelne dreckige Geheimnis von jedem einzelnen Pariser kennt. Egal wie tief es auch vergraben sein sollte. Ihre Gedankenblitze sind ihre Stärke. Und ihre Schwäche zugleich.
Der Wecker riss sie aus dem Schlaf. Wie ein Sprung ins kalte Wasser. Unangenehm, schnellend und vor allem kalt. Es war mitten im Februar. Die Zeit in der man nie weiß, ob man den Wintermantel vielleicht doch noch nicht auf den Dachboden räumen sollte, um ihn dann in 9 Monaten wieder rauszuholen.
Es war 1961. Das Jahr in dem Fabie 18 Jahre alt werden sollte. Sie fühlte sich immer noch wie ein Kind. Neugierig, unschuldig, doch trotzdem konnte sie es kaum abwarten älter zu werden.
Müde setzte sie sich auf und schwang sich aus dem wohlig, warmen Bett. Hastig zog sie sich ihre Arbeitskleidung über. Eine schneeweiße Bluse mit himmelblauer Schürze. Ihre zarten Finger glitten über die schwarzen, runden Knöpfe und knöpfte diese zu. Leise schlich sie die Treppe hinunter in die Küche des Cafés. Ein Lächeln huschte ihr über die Lippen. "Bonjour, Marie! Hast Du die Eier schon fertig? Monsieur Rouge kommt ja gleich!", sie zwinkerte einer etwas pummeligen Frau im mittleren Alter verschmitzt zu. "Ach, ist's schon 08:00 Uhr?", fragte diese ohne von dem Ausrollen eines fast fertigen Croissantteiges aufzuschauen. Fabie signalisierte ihr mit einem Handzeichen zu warten und warf einen Blick auf ihre goldene Armbanduhr. "Nein, aber fast!", Fabie schnappte sich einen Biscuit aus einer buntbemalten Schale und artikulierte Marie, dass sie gehen musste. "Salut, Mademoiselle! Hab einen wundervollen Arbeitstag! Soll ich Dir später in der Mittagspause ein paar Crêpes aufs Zimmer bringen?" "Hmm, klingt verlockend... aber danke, hab in der Pause schon etwas vor, aber heute Abend hätte ich sicherlich Lust auf ein paar Deiner weltberühmten Crêpes, Marie! Aber jetzt muss ich wirklich los! Salut!" Ein herzliches Lachen füllte den Raum und Marie winkte Fabie mit mehlverschmierter Hand hinterher. "Alles klar, Mademoiselle, alles klar!"
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