#50 Die letzte Nachricht
Tatsächlich ging es mir sehr bald besser.
Natürlich tat ständig alles in meiner Brust weh und immer wieder war ich den Tränen gefährlich nahe, die mich sogar manchmal kalt erwischten, trotzdem aber ging es nach nur knapp einer Woche langsam bergauf. Meine Freunde kümmerten sich um mich, wie sie es wahrscheinlich noch nie zuvor getan haben. Warum auch? Bis jetzt war immer alles gut gewesen, weswegen es nie zuvor auf diese Weise nötig war.
Nun war es aber soweit.
In den paar Tagen wurde mir einiges bewusst. Besonders im Bezug auf meinen großen Bruder, den ich um sein Geld beschissen habe, während ich seine Gastfreundlichkeit und sein Vertrauen genoss. Scheinbar hatte er bis heute noch nicht bemerkt, dass Geld in der kleinen Schatulle fehlt, oder er hat es vor seinem Freund vertuscht, um mich zu decken. Innerlich betete ich, dass es nicht Letzteres wäre.
Jetzt wo ich weiß wie sich Herzschmerz anfühlt will ich nicht, dass Wonho auch nur den kleinsten Funken davon durchmachen muss, weil ich meine Sachen nicht auf die Reihe kriege.
Darum beschloss ich mich der Sache zu stellen. Meine Fehler wollte ich wieder gerade rücken, wozu auch zählte, dass ich Felix sein Geld zurückgeben will. Auch wenn der Gedanke mit ihm zu interagieren mich jetzt schon zerriss, werde ich damit die Sache beenden. Ansonsten wird immer etwas zwischen uns stehen, dass mir keine Ruhe geben wird. Bestimmt auch etwas, dass mir mein großer Bruder raten würde.
Dem wollte ich jetzt auch endlich mal wieder schreiben, weswegen ich mein Handy anschaltete, das ich aus gelassen hatte, solange wie meine Freunde bei mir gewesen sind.
Sofort wurde ich mit Nachrichten überflutet. Einige waren von Changbin und Jeongin, einige von anderen Bekanntschaften, ein paar von Wonho und etliche von Felix. Gerade die von Felix trieben mir die Tränen in die Augen. Seine Nachrichten waren vollgepackt mit Entschuldigungen und Schuldeingeständnissen, die alle von den gleichen Worten begleitet wurden. Fast jede Nachricht beendete er mit Aussagen wie "Ich liebe dich wirklich, bitte glaub mir.", oder dass er schuld an allem ist. Auch erhaschte eine Nachricht, in der er schrieb, dass ich die Tür öffnen soll meine Aufmerksamkeit.
Diese Worte überraschten mich.
Als es klingelte, während meine Mutter nicht da war, ging ich von Menschen aus die mit ihr zu tun haben, aber nicht von ihm. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich die Mühe macht zu mir zu kommen, weswegen ich jetzt doch ein schlechtes Gewissen hatte. Vor allem deswegen, weil er immer Vormittags klingelte. Das bedeutete, dass er von der Schule wegblieb, nur um herzukommen und mich aufzusuchen.
Felix, Samstag 19:12 Uhr
'Bitte... Ich brauche dich...'
Das war seine letzte Nachricht, die ich mit einem mulmigen Gefühl anstarrte. Sie war von vorgestern, was mir unweigerlich Sorgen ins Gesicht schrieb. Irgendwas sah ich in dieser Nachricht, das trauriger und besorgniserregender klang, als es wahrscheinlich nötig ist. Trotzdem ließ mich diese Nachricht nicht los.
Sie löste eine unbekannte Angst in mir aus, mit der ich nicht so richtig umzugehen wusste.
Meine Beine waren wackelig und fühlten sich an, als würden sie mich nicht mehr lange halten, als ich vor dem Schultor stand. Das letzte Mal bin ich hier durchgelaufen, als ich mich mit Felix zerstritten habe, den ich ohne zögern in dem großen Gebäude zurückließ. Das letzte Mal, wo ich darüber nachdachte wieder hier langgehen zu müssen, hatte ich Angst davor, ihn wiederzusehen. Nun war meine Angst genau mit dem Gegenteil besetzt. Innerlich hoffte ich darauf, dass ich gleich in die Klasse gehe und sein Gesicht erblicke, egal wie sehr es auch weh tun würde.
Etwas, dass ich bis gestern Abend noch gerne vermieden hätte.
Gegen meine Erwartungen sah ich es aber nicht. Von Felix war keine Spur weit und breit, was mir ein bisschen Panik bereitete. Dabei glaubte ich, dass es an der letzten Nachricht lag, die ich von ihm bekommen habe. Ich war mir nicht sicher, ob ich mir nur irgendeinen dummen Blödsinn einbilde, oder ob meine Sorge berechtigt war. Wahrscheinlich könnte ich mir Klarheit verschaffen, wenn ich jemanden fragen würde, wofür ich sogar bereit gewesen wäre.
In diesem Moment fiel mir aber niemand ein.
Immer sah ich ihn alleine in der Pause, auf dem Weg zur Schule, oder nach Hause. Selbst als er wegen des Projektes bei mir war, hing er nie am Handy. Wenn ich so darüber nachdenke war er immer alleine, egal um was es ging.
Ein Grund mehr mich schlecht zu fühlen, was mich in diesem Moment überrannte. Nur eine Person gab es, die mir plötzlich in den Sinn schoss. Es war Han, unser Stalker. Wenn jemand etwas weiß, dann sicherlich er. Darum beschloss ich nach der Schule zu fragen, ob er was über Felix weiß. Zumindest wenn ich bis dahin keine Antwort von ihm bekomme. Denn bevor ich mit dem Paparazzi rede wollte ich nicht unversucht lassen, Felix selbst zu fragen.
10:30 Uhr
'Warum bist du nicht in der Schule?'
Eine Antwort blieb jedoch aus. Bis die Schulglocke ein letztes Mal ertönte regte sich nichts auf meinem Handy. Damit war es beschlossen, auch wenn ich mich innerlich dagegen sträubte. Mit ihm reden wollte ich zwar sowieso, aber nicht unter diesen Umständen. Jetzt hatte ich aber ein Anliegen mehr, bei dem er mir hoffentlich weiterhelfen kann.
,,Geld?", war das, womit er mich begrüßte, als er mich nach der Schule ansprach. Das war eines der Dinge, die ich bis jetzt noch nicht beendet hatte, weil ich einfach noch nicht dazu gekommen bin. Nachdem das mit Felix passiert war gab es keine Möglichkeit, außer die, ihm online zu schreiben. Da ich aber die ganze Zeit nicht an meinem Computer oder Handy hing blieb auch das auf der Strecke. Darum würde ich dem heute hoffentlich ein Ende setzen, oder zumindest dafür sorgen, dass ich niemandem mehr Geld klauen muss, um ihn auszuzahlen.
So mutig wie ich konnte, teilte ich ihm also mit, dass ich wieder kein Geld habe, was ihn einen genervten Blick aufsetzen ließ. Gleiches tat auch Minho, der wieder mit ihm zusammen unterwegs war. Dabei fiel mir auf, dass beide in letzter Zeit immer häufiger zusammen zu sehen sind. Einbildung? Vielleicht. Selbst wenn nicht, es könnte mir egaler nicht sein.
,,Wegen des Angebotes... steht das noch?", beschämt schaute ich zu Boden, konnte aber gerade so noch Minho sein Lächeln erspähen, ehe er einen Arm um mich legte. ,,Klar! Als ob wir uns so viel Money durch die Lappen gehen lass. Nicht wahr, Han?", beide lachten herzlich auf, womit sie alleine waren. Viel habe ich die letzten Tage darüber nachgedacht, konnte mich trotzdem aber nur gerade so mit diesem Gedanken abfinden. Momentan war es die einzige für mich ersichtliche Lösung, um schnell an genug Geld zu kommen, um ihn auszuzahlen und meinem Bruder den Kredit wiederzugeben.
Han und Minho schienen aber schnell mit dem Gedanken Freundschaft zu schließen. Sehr viel schneller, als mir lieb war. ,,Morgen direkt nach der Schule bei mir?", das war alles, was Han noch wissen wollte, wozu ich nickte. Mir war der Ort und Zeitpunkt egal, solange es nicht viel zu lange dauern würde. Umso schneller, umso besser. Damit wollten sie auch schon verschwinden, wovon ich sie jedoch abhielt. Hoffnungsvoll fragte ich, ob sie wüssten, wo Felix ist. An der Stelle bekam ich nur von Minho einen verwunderten Blick, wobei der von Han seltsam und undefinierbar war. Zu gerne hätte ich in diesem Moment gewusst, was in ihm vorgeht.
,,Wieso ehm.. also, wieso weißt du das nicht?", so unsicher wie gerade hatte ich Han noch nie erlebt, was mich selbst auch stutzig machte. Sofort fiel mir eine Theorie ein, die ich einst hatte, aber für viel zu absurd hielt. Eine Zeitlang dachte ich, dass sie vielleicht unter eine Decke stecken würden, was damit wieder erweckt war. Skepsis machte sich also in mir breit, die ich für mich behielt. Sobald ich Felix wiedersehe, werde ich ihn darauf ansprechen.
Was zu verlieren habe ich eh nicht mehr.
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