#48 Liebst du mich?
Aufgeregt spielte ich in der Bahn mit der Box von meinen Kopfhörern, die ich immer wieder auf und zuklappte. Neben mir die Frau war schon ersichtlich genervt, was ich aber gescheit ignorierte. Im Moment hatte ich gerade andere Probleme als Fremden nicht auf den Geist zu gehen.
Rastlos ging ich alle Worte durch die mir bekannt waren und versuchte mir Passende rauszusuchen, um meinen Gefühlen den richtigen Ausdruck zu verleihen. Hätte mir vorher jemand gesagt wie schwer sowas ist, wäre ich nicht so dumm gewesen mich zu verlieben, so viel ist sicher!
Gerade war es aber nicht mehr rückgängig zu machen.
Mit jedem Meter den die Bahn mich näher an die Schule brachte stieg meine Aufregung. Mein nervöses Beine-Zittern und dass ich mir die Fingernägel angefangen habe zu zerkauen war längst nicht mehr mein einziges Problem. Mit der Zeit hatte ich angefangen zu schwitzen, was auch nicht besser wurde, als ich mich dem Großteil meiner Oberteile entledigte. Es war die pure Angst, die mir den Schweiß an Stellen trieb, von denen ich selbst noch gar nichts wusste.
Weil ich mir eine solche Körperreaktion schon fast denken konnte, habe ich Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um genau dem entgegenzuwirken. So trug ich mir Deo und Parfüm auf, unmittelbar nachdem ich das schnelle Gefährt verlassen hatte, womit es Richtung Schule ging.
Felix 6:50 Uhr
'Ich bin schon drin.'
Eine Stunde vor Schulbeginn. 60 Minuten, die ich mit ihm hatte und die ich nutzen muss, um ihm meine Liebe zu gestehen. Eine gefühlte Ewigkeit und doch viel zu wenig Zeit.
Was macht dieser Typ nur mit mir?
,,Hallöchen~", zwitscherte er mir mit einer etwas höheren Stimme entgegen, wonach ich einen Kuss bekam. Inzwischen treffen wir uns schon seit fast genau zwei Wochen täglich, immer an den unterschiedlichsten Orten. Zu mir oder ihm sind wir dabei aber noch nicht gegangen. Unsere kleinen Treffen hielten wir ausschließlich in der Schule ab, weshalb wir kaum Zeit miteinander verbrachten.
Unsere Treffen bestanden dabei nur daraus Zärtlichkeiten auszutauschen, anstatt Gespräche zu führen und sich näher kennenzulernen. Nicht, dass ich mich über die Berührungen beschweren möchte. Ich wünschte mir an dem Punkt nur, dass ich mehr über ihn erfahren, oder wir uns vielleicht mal bei einem zu Hause treffen könnten.
Denn ein Problem oder eine Barriere sah ich da jetzt nicht.
,,Du wolltest dich aber ganz schön früh treffen. Stimmt was nicht?", sein Blick veränderte sich in einen etwas Besorgteren, was mich schnaufen ließ. ,,Ich möchte gerne mit dir über etwas reden.", sofort schrieben ihm meine Worte die Angst ins Gesicht, was auch mich betraf, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
,,Ich genieße das mit dir wirklich nur...", ich ertappte mich selbst dabei, dass ich alles vergessen hatte, was ich eigentlich sagen wollte. Viel mehr klang es jetzt so, als würde ich die Sache zwischen uns beenden wollen, anstelle dessen, dass sie auf ein neues Level gehoben werden soll. ,,Aber?", er wirkte in seiner Art schon fast panisch, was ich allzu gut verstehen konnte.
Ich bin echt nicht der beste im Reden.
,,Ich... Also ich... Mir reicht das nicht.", auf meine Aussage hin legte er seinen Kopf kurz zur Seite, ehe er seine Augen weitete und zu verstehen schien. ,,Du willst... Also...", ich nickte, da ich dachte, dass er mich verstanden hatte. Damit lag ich allerdings komplett falsch, was ich nicht schnell genug realisierte. ,,Also von mir aus... ehm, ja, denke ich. Aber nicht hier...", er flüsterte mir leise entgegen, weswegen ich seine letzten Worte gar nicht verstanden hatte, was mich aber nicht weniger lächeln ließ. Überstürzt küsste ich ihn und zwang ihn durch meine Nähe sich auf den Tisch hinter ihn zu setzen. ,,Weißt du, ich hatte so Angst dir das zu sagen.", freudig nahm ich sein hübsches Gesicht in meine Hände, nur um ihn wieder zu küssen, bevor er auch nur einen Ton sagen konnte.
Ein Fehler, wie sich noch herausstellte.
,,Ich liebe dich so sehr.", damit war es raus. Die Worte, die mir bisher so schwergefallen sind und jetzt einfach locker von meinen Lippen gingen. Endlich habe ich geschafft ihm nach wochenlangen Sorgen zu sagen, was lange überfällig war. Damit war ich der glücklichste Mensch der Welt.
Zumindest für einen viel kurzen Augenblick.
,,Du... Chan, ich bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe.", verwundert aber immer noch lächelnd zog ich leicht meine Augenbrauen zusammen, während ich leicht meine Augen zukniff. Scheinbar wollte er mich etwas ärgern, worauf ich direkt einstieg. ,,Schwerhörig? Dann sag ichs eben nochmal.", näher ging ich damit an ihn heran, nur um ihm nochmal ins Ohr zu flüstern, was ich ihm eben schon gesagt habe. ,,Ich liebe dich, Felix.", kaum hatte ich meine Worte ausgesprochen schob er mich sanft von sich weg, was mich fragend zurückließ. ,,So meinte ich das nicht.", plötzlich bildete sich ein Kloß in meinem Hals.
Was kommt denn bitte jetzt?
,,Sondern?", innerlich stieg mein Adrenalin noch höher, als es eh schon war. Bis eben dachte ich mein Herz würde vor Freude platzen, während ich jetzt das Gefühl hatte, als würde etwas ganz anderes meinen stark schlagenden Muskel zerreißen. ,,Willst du doch nicht mit mir zusammen sein?", damit hatte ich das Kind beim Namen genannt, wonach sich Felix das Gesicht rieb. ,,Ich dachte du meinst was anderes.", er verzog sein Gesicht, was ich ihm gleich tat. Dabei sah ich wahrscheinlich so aus, als würde ich jeden Moment in Tränen ausbrechen, was ich auch nur schwer unterdrücken konnte.
,,Warte, was... Felix, jetzt verstehe ich gar nix mehr.", mit seinen nächsten Worten, die er leise vor sich hin nuschelte brach eine kleine Welt für mich zusammen, die nur für einige Sekunden existieren durfte. Er dachte ich möchte sexuell weiter gehen als bisher, womit ich vom Glauben abfiel. Während ich ihm meine tiefsten Gefühle entgegenbringe hat er an Sex gedacht?
Am liebsten hätte ich geschrien, geweint und getobt. Stattdessen blieb ich ungewöhnlich ruhig, was selbst mich verwunderte. ,,Empfindest du denn gar nix für mich?", wieder stellte ich eine Frage, vor dessen Antwort ich unglaubliche Angst hatte. ,,Doch, das tue ich. Das Gleiche wie du aber-", damit fiel ich ihm ins Wort. ,,Aber?!", ich musste mich so beherrschen nicht auszurasten.
Nicht einmal weil ich ihm irgendwas übel nahm, sondern weil ich mir gegenüber stinksauer war. Ich stehe hier zitternd vor ihm, gestehe ihm meine Liebe und gebe mir auch noch die Peinlichkeit auf ein Spiel einzugehen, was nur ein dummes Missverständnis war.
In diesem Moment hasste ich mich für jede Faser meines Körpers. Wenn ich könnte würde ich alle meine Zellen sofort in Luft auflösen und für immer verschwinden, oder einfach vor Scham im Boden versinken. Wie kann denn ein einzelner Mensch so dumm wie ich sein?
,,Ich kann nicht mit dir zusammen sein.", beschämt schaute er zu Boden, weswegen er nicht die Träne sah, die mir in diesem Moment verloren ging. Damit war sie der erste Tropfen durchzerrt von Trauer, den ich vor ihm verlor, den er nicht einmal bemerkte. ,,Aber warum denn nicht?", meine Stimme zitterte. Vor Wut? Trauer? Enttäuschung? Ich wusste nicht was das für ein Gefühl war, aber es fraß mich auf. Mein Gehirn konnte nicht verarbeiten was gerade passiert. Wieso will er denn nicht mit mir zusammen sein, wenn er mich doch gerne hat?
,,Also empfindest du doch nicht das Gleiche?", Verwirrung, Angst und Panik. Das waren gerade meine besten Freunde und schlimmsten Feinde zugleich. ,,Ich will nicht mir dir zusammen sein, während diese Scheiße mit Herr Jung und Direktor Kim abgeht klar?!", lautstark offenbarte er endlich sein Problem, während seine Augen ein Glitzern aufwiesen, das ich nicht deuten konnte.
Es sah so unendlich traurig und doch so wunderschön aus, dass ich mich darin hätte verlieren können. Selbst in einem Moment wie diesen kommt er mir unglaublich perfekt vor, obwohl die Situation das genaue Gegenteil war.
,,Aber Felix bitte.", ich fing an zu betteln und hätte schwören können, dass ich sterben würde, wenn er mir noch einmal ein "Nein" an den Kopf wirft. Aber das tat ich nicht. Seine zweite Abfuhr überlebte ich, jedoch mit einem Schmerz, der nicht hätte schlimmer sein können. Wie kann ein Mensch denn sowas überleben?
,,Es fühlt sich einfach nicht richtig an. Ich versuche auch gerade schon alles Mögliche, um dem ein Ende zu setzen... Wenn es vorbei ist dann-", das war mir zu viel. In diesem Moment, der mein schönster sein sollte wollte ich nicht an diese Sachen denken. Ein "dann", "wenn" und "aber" konnte ich gerade nicht akzeptieren. Ich wollte mit ihm zusammen sein, egal was abgeht. Mir wäre der Preis dafür nicht wichtig, denn nichts war für mich so wertvoll wie meine Gefühle für ihn.
,,-dann halt nicht.", beendete ich seinen Satz und musste stark schlucken.
Ohne ihm auch nur den Hauch einer Chance zu geben sich nochmal zu äußern verließ ich dieses schreckliche Gebäude. Ein Gebäude, das binnen Minuten die pure Hölle für mich geworden ist. Der Ort, den ich in den letzten zwei Wochen sogar angefangen habe zu mögen. Wände, zwischen denen ich angefangen habe zu glauben, dass mich Felix genug mögen könnte, wenn nicht sogar so sehr wie ich ihn.
Aber das alles war eine Farce.
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