9. Kapitel
Der Anschlag des Sonnengläubigen
Bernstein folgte Rabe durch die warme und stille Nacht. Sie wusste nicht wo er hin wollte, das war ihr aber egal. Sie würde ihrem Freund überall hin folgen. Und vielleicht wusste Rabe selbst nicht wo er hin wollte. Die Grillen zirpten ihr unendliches Lied auf der Wiese, während die Sterne über ihnen leuchteten. Rabe kam auf der Anhöhe des Credos zum Stehen. Bernstein trat neben ihn. Eine Weile standen sie da, mit dem Blick auf die vielen Steine, welche die zwei Religionen darstellten. Sonne und Mond, Seite an Seite. Gebildet aus tausenden Steinen, tausenden Füchsen die hier ihren Stein dazugelegt hatten. "Auch wenn ich am Tag meines Abschluss' lügen werde, habe ich meine Seite schon gewählt" erklärte Rabe und trottete auf die Seite des Sonnenhalbkreises. "Nur, welche Seite wählst du?" fragte er und drehte sich zu ihr um. Sie blickten sich an. "Vielleicht, habe ich keine" erklärte sie scheu und blickte hinauf zu den Sternen. Rabe folgte ihrem Blick. "Muss man etwa zu einer Seite gehören, um für das Richtige zu kämpfen?" fragte sie. Der schwarze Fuchs sah sie an. "Das heisst also, du glaubst an gar nichts?" fragte er. Bernstein schüttelte den Kopf. "Sonne und Mond sind Brüder, keine Feinde. Beide schenken uns Licht, jeder auf seine Weise. Aber genau so sind Geschwister. Ähnlich, und doch verschieden. Daran glaube ich" erklärte die weissrote Füchsin. "Ich glaube einfach nicht, dass der Mond die Sonne tot sehen wollte." Rabe schaute zu Boden. "Ich glaube garnichts mehr in der Art. Fakt ist, dass die Corvas unschuldig sterben mussten. Deswegen, möchte ich die Corvas wieder aufbauen" verkündete er leise. "Das würde auffliegen, sie werden dich auch jagen" warnte Bernstein besorgt. "Ich muss es riskieren, Bernstein. Für die Sonne, für meine Eltern und meine Geschwister, die ihre Leben lassen mussten..." flüsterte er heiser. Bernstein sah wieder in diese glasigen Augen. Gefüllt mit purer Trauer und Schmerz. Wenn du gehst, komme ich mit" versprach sie. "Danke Bernstein, aber du hast schon genug getan, konzentrier' dich auf deine Ausbildung." Bernstein trat näher zu ihm. "Dein Vorhaben ist wichtiger als meine Ausbildung. Du brauchst jede Unterstützung die du kriegen kannst." Der Soldatenlehrling sah sie mit ernster Miene an. "Vertrau mir, Bernstein. Ich schaffe das" versicherte Rabe. "Du wirst mir aber fehlen" gestand sie. Sein Blick wurde weich. "Ich werde Tags über wieder da sein, Nachts sind nur die Jäger draussen, dann werde ich gehen. Schliesslich, will ich dir bei deinen Ermittlungen helfen" erklärte er. Bernstein lächelte ihn an. "Du hast mir so viel Mut gemacht. Vor ein paar Tagen hätte ich diesen Schritt nie gewagt." Bernstein drückte sich an ihn. Beide blieben stumm und genossen nur den Moment gemeinsam. "Ich werde schon heute Nacht gehen."
Am Morgen war sie schon auf und war mit Sternenhimmel im Wald, um neue Heilpflanzen zu sammeln. Rabe war noch nicht zurück. Er hatte Bernstein aber versprochen nach Sonnenaufgang da zu sein. "Das hier ist Baldrian oder?" fragte Bernstein als sie einen Stängel mit vielen kugelförmigen, weissen Blüten fand. "Nein, das ist nur Schafgarbe" erklärte Sternenhimmel mit ihrer sanften Stimme. Sie klang nicht vorwurfsvoll, das würde auch nicht zu der Schamanin passen, dennoch senkte Bernstein den Kopf. "Mach dich nicht verrückt, Schafgarbe und Baldrian sehen wirklich ähnlich aus. Die Blüten beim Baldrian sind aber nicht wie kleine Kügelchen." Bernstein musterte die Schafgarbe. "Nützt die uns wenigstens etwas?" fragte Bernstein. Sternenhimmel schüttelte den Kopf. "Es ist durchblutungsfördernd, aber es wäre schade sie nur deswegen zu pflücken. Wir wollen Heilpflanzen mit möglichst vielen und wirksamen Heileigenschaften" erklärte die weisse Füchsin. "Verstehe, dann weiter gehts" sagte Bernstein motiviert und trottete voraus. Sie mochte Kräuterkunde sehr. Sternenhimmel war wirklich eine gute Lehrerin. Auf der grossen Wiese wuchsen viele Kräuter und Blumen. Doch Bernstein konnte noch nicht gut zwischen Heilkräuter und normalem Unkraut unterscheiden. Die Sonne kroch langsam hinter dem Bergkamm hervor. Es war früh und doch so warm als würde die Sonne schon ewig am Himmel stehen. Sie überquerten die Wiese bis zum Fluss. Bernstein war weit zurück gefallen. Sie untersuchte jedes Kraut und schnupperte daran. Sie sah nach einer Weile zu ihrer Leherin. Sternenhimmel war ganz starr und sah zum Ufer hinab. Bernstein trottete zu ihr. "Ist etwas?" fragte sie. Die strahlend weisse Füchsin deutete mit einer Kopfbewegung zum Ufer hinunter. Auf dem sandigen Fleck am Ufer waren Steine in Sonnenform angelegt worden. Das Phantom meinte es wirklich ernst. Sie hatte grössten Respekt vor dem Fuchs. Aber er wollte das Richtige, auf dem falschen Weg erreichen. "Eine Sonne auf heiligem Boden!" rief Sternenhimmel geschockt aus. Bernstein machte sich auf, hinunter zur Sonne zu gehen. Doch plötzlich versperrte Sternenhimmel ihr den Weg. "Nein! Wir nähern uns keinem verschmutzten Ort!" ermahnte Sternenhimmel ausführlich. "Salve Saley, ihr beiden!" rief eine Stimme. Sie wandten die Köpfe zu einer frühen Jagdtruppe, die vom Hügel des Credos hinab trottete. Dämmerung, Feuerseeles Stellvertreterin führte den Trupp an. In der Truppe waren Mohn, Falke und eine Wächterin namens Ginsterstrauch. "Salve Saley, Dämmer. Wir haben hier etwas gefunden" berichtete Stern der Gruppe. Mohn und Falke traten aus der Gruppe zu ihr. "Salv', was habt ihr denn gefunden?" fragte Mohn. Bernstein zeigte ihnen mit der Schnauze auf die Steinsonne. Falke knurrte laut auf. "Dieses Phantom!" schnaubte er. "Es muss hier noch irgendwo sein, die Steine sehen aus als wären sie noch nicht all zu lange bewegt worden" erklärte Mohn. "Woran erkennst du das denn?" fragte Bernstein während Falke am Boden herum schnüffelte. "Ganz einfach, einpaar Steine wurden aus der Erde oder dem Wasser gezerrt, an den Stellen sind sie noch feucht." Bernstein war beeindruckt, sie hätte gar nicht darauf geachtet. "Das Phantom ist noch hier, ich habe seine Fährte!" rief Falke der Gruppe zu. Plötzlich sah er blitzschnell auf. Sein Blick auf die Brücke der Insel gerichtet. "Da!" Die anderen folgten seinem Blick. Ein weisser Pelz erstarrte. Dann rannte er los. Er sprang von der Brücke in Richtung Westwald. Falke preschte los und die Gruppe folgte sofort. Falke verringerte den Abstand zu ihm und dem Phantom sehr schnell. Dann plötzlich schlug er die Zähne in das Bein des Fuchses. Das Phantom stürtzte und rollte mit Falke über den Boden. Der braune Fuchs nagelte ihn am Boden fest und schlug auf ihn ein. Der weisse Fuchs jaulte. Bernstein kam vor den Kämpfenden zum Stehen. Mohn trat neben sie. "Los Bruder, bring es zu ende! Mach die Mondseelen stolz." Bernstein stand wie angewurzelt da. Ein Windstoss fuhr durch ihr Fell und trug leise Stimmen in ihre Ohren. "Adiuven eum!" flüsterten sie. Bernstein wusste nicht woher die Stimmen kamen, und woher sie die Worte verstand. Es war die Sprache der Ahnen, es klang jedenfalls so. "Hilf ihm doch! Warum stehst du nur rum!? Hilf ihm! Na los, schnell!" flüsterten die Stimmen aufgebracht durcheinander. Bernstein verstand plötzlich. Es waren die Seelen, welchen Glaubens auch immer, sie sprachen mit ihr! Sie sprang vor und rammte Falke von dem Fuchs. Falke schlug dabei um sich und traf Bernstein voll ins Gesicht. Sie zuckte zurück. Der weisse Fuchs rappelte sich auf und flüchtete wieder. Falke stand auf und sah sie an. "Was machst du denn?" rief er vorwurfsvoll und rannte hinterher. "Warte, Falke!" jaulte sie ihm nach. Bernstein folgte ihm wieder. Das Phantom hatte einen ordentlichen Vorsprung. Doch plötzlich trat eine schwarze Gestallt vom Ufer hinauf. Das Phantom krachte fast ihn den Fuchs hinein. Sie erkannte die Gestallt sofort. Rabe. "Halt ihn auf, Rabe!" jaulte Falke dem Lernenden zu. Doch Rabe sah den weissen nur wie gebannt an und rührte sich nicht von der Stelle. Dann rannte der Fremde zum Ufer, sprang hinüber und verschwand in den Büschen. Bernstein und Falke kamen vor Rabe zum Stehen. "Warum hast du ihn nicht aufgehalten. Du Vollidiot!" knurrte der braune Fuchs wütend. "Das war das Phantom!" Rabe sah immernoch gerade aus, als ob das Phantom noch vor ihm stehen würde. "Zu nichts bist du zu gebrauchen!" knurrte Mohn die mit Sternenhimmel bei ihnen ankam. "Hört auf mit den Vorwürfen, das hilft jetzt keinem weiter. Lasst uns das lieber Feuerseele melden, Dämmer und Ginster sind schon los" schlug die Schamanin ruhig vor. Falke nickte, war aber immernoch aufgebracht. Dann folgten die Geschwister der weissen Füchsin zurück ins Dorf. Bernstein wand sich an Rabe. "Warum hast du ihn gehen lassen?" fragte sie ihn ruhig. Klar war er auf der Seite der Sonne, aber er hatte ihr gesagt, dass er das Phantom trotz des gleichen Glaubens seltsam fand. Rabe wandt endlich den Blick ab. Seine klaren grünen Augen sahen sie an. "Er hat nur kein rot..." brummte er vor sich hin. "Was?" fragte sie verwirrt. Als er nicht antwortete begann sie zu sprechen:" Rabe ich habe Stimmen gehört. Sie meinten, dass ich dem Phantom helfen soll." Rabe legte die Ohren an. "Bernstein, verstehst du denn nicht? Natürlich soll er leben! Und du bist die, die es verhindern soll. Es ist deine Pflicht ihn zu beschützen!" Bernstein war verwirrt. "Dieser Fuchs... du hast seine Augen."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro