Kapitel 51 | Zaeiths alte Familie
Ein paar Worgen knurrten ungeduldig, doch Senan ließ sich nicht davon beeindrucken.
Sie lief geradewegs zu ihnen und Ori spürte, dass, mit jedem Schritt, den seine erste Tochter nähertrat, Zaeith angespannter wurde und kaum merkbar zurückwich.
Als wolle er diese Situation meiden.
Doch sie alle, Zaeith, Genn, Kionan, Senan und sie selbst, wussten, dass es sowohl bereits zu spät wie auch unmöglich war.
In seinem Zustand konnte Zaeith nicht einmal einen Schritt allein tun.
Und Senan wusste das nur zu gut.
Sie trat vor ihren Vater, starrte ihm lange in die glanzlosen roten Augen, bis sie eine Hand hob und an seine Wange legte.
Sie fuhr mit ihrem Daumen über seine markanten Gesichtszüge, die ausgeprägten Wangenknochen und besonders entlang seiner Augen als bewundere sie deren Form und Farbe.
Dass Zaeith sie hatte vermeiden wollen merkte sie nicht...oder sie ignorierte es.
"Mutter...", begann sie leise mit einem Seitenblick zu der Nachtelfe, die unruhig auf ihrer Unterlippe kaute. "...hat mir alles erzählt von damals. Was ihr zusammen erlebt habt. Wie ihr euch geliebt habt."
Ori verspürte ein unangenehmes Stechen in ihrem Herz.
"Ich erinnere mich an den Moment, an dem du mich zum ersten und letzten Mal gehalten hast.", fuhr Senan unberührt ihrer Gefühle fort. "Als wir die Fluchkinder in Sturmwind sahen und über dich reden hörten, konnten wir beide es kaum glauben. Du warst doch tot, nicht wahr, Vater?"
"Er ist bereits vier Mal gestorben.", antwortete Ori für den bleichen Zaeith und konnte nicht verhindern, dass sie der jungen Frau all ihre Kälte entgegenschleuderte. "Zudem haben wir erst vor wenigen Minuten ein gewaltiges Ritual beendet. Dein...Vater..." Sie spuckte das Wort aus, als wäre Senan eine Heuchlerin, die nicht wirklich Zaeiths Tochter wäre, aber dennoch so tat. "...muss sich ausruhen. Dringenst. Meinst du nicht, dass es dumm ist, jemanden, der so viel Blut verloren hat, auch noch mit deiner Anwesenheit zu belasten? Er sah dich zum ersten und letzten Mal kurz nach deiner Geburt und du trittst als Erwachsene vor ihn und das auch noch sehr unpassend. Dir fehlt es offenbar an Rücksicht."
"Entschuldige bitte." Mit einem zuckersüßen Lächeln, das fast mütterlich wirkte, trat Kionan zu ihnen, all die Unruhe und Schüchternheit von ihr gefallen als hätte sie nur darauf gelauert, Zaeiths neue Partnerin zur Schnecke zu machen. "Ich habe meine Tochter gut erzogen und es ist ja wohl selbstverständlich, dass sie zu ihrem Va-"
"Dasselbe gilt für dich, Kionan Mondschwinge.", zischte Ori die erboste Nachtelfe an. "Gerade dich wollte er meiden. Er hatte Angst, dir unter die Augen zu treten. Er wollte dich nicht verletzen, indem er nach all der Zeit zu dir zurückkommt. Indem du von den Dingen erfährst, die man ihm angetan hat und du dir dann die Schuld gibst, weil du nicht da warst, nicht wusstest, dass er überhaupt wieder lebte. Er hat dich längst aufgegeben, als er dich mit diesem Nachtelf sah." Sie vollführte eine knappe Geste gen Blauschopf. "Zaeith ist kein Alkoholiker, aber nachdem er dich mit ihm gesehen hat, fiel er für fast einen Monat in eine Trinksucht. Du kannst nicht einfach hier vorbeikommen und alte Wunden aufreißen." Sie nickte Genn zu, als Zaeiths Knie leicht nachgaben. "Bringen wir ihn erst einmal zu seiner Ruhestatt."
Der alte König nickte, stützte Zaeith noch ein wenig auf Oris Seite, da ihre Arme und Hände leicht zu zittern begannen.
Sie gab sich nicht so, wie sie war.
In Wahrheit hatte sie Angst vor dieser Konversation, diesem Moment gehabt, mindestens genauso sehr wie Zaeith, der mittlerweile wieder leise zu atmen anfing.
Dennoch stoppte er wieder kurz, als sie ihn auf der weich gepolsterten Matte ablegten.
Sein Atem ging schneller, als sie seinen Kopf auf ein flauschiges Kissen betteten, und angespannt hielt er seinen Rücken in der Luft.
Sein Muskelspiel dabei faszinierte Ori auf ein Neues und sie konnte es sich nicht verkneifen, über seinen Arm zu streichen.
"Tut es weh?", fragte Genn besorgt und tastete Zaeiths Rücken ab.
"Ein wenig." Durch die Anstrengung, sich auf den Ellenbogen in der Luft zu halten, begann er stark zu zittern, doch als er kein einziges Mal bei Genns vorsichtigem Abtasten aufzischte, drückte Ori ihn auf sein kleines Lager.
Er lächelte dankbar, dann schloss er die Augen und sein Brustkorb hörte auf sich zu bewegen.
Genn gestikulierte nach außerhalb des kleinen "Raumes" und zog die Vorhänge zu, die provisorisch erst einmal für Ruhe sorgen sollten.
"Ich denke, ich stelle meine Wachen auf.", beschloss er und winkte ebenjene näher. "Keiner soll ihn stören. Solcher Blutverlust muss ernst genommen werden."
"Hakkar ersetzt immer Zaeiths verlorenes Blut.", merkte Ori leise an und warf einen verstohlenen Blick gen Senan, Kionan und Nachtelf Nummer drei alias Blauschopf, die bei Tyrande saßen.
Ori bezweifelte, dass Elunes Hohepriesterin ihnen nicht die Informationen zugeschoben hatte.
Doch kaum wandte Kionan ihren genervten Blick auf sie, drehte Ori sich augenrollend um und konzentrierte sich wieder auf Genn.
"-gewährleisten. Man sollte so viel von diesem Blut wie möglich von hier wegschaffen." Ein paar Worgen machten sich daraufhin an die Arbeit. "Nun, wo wir sowieso nichts zu tun haben..." Der Worgenkönig schenkte ihr ein fast zärtliches Lächeln. "Was haltet Ihr von einem kleinen Tee, bei dem wir alle etwas zur Ruhe kommen?"
"Wir...alle?" Ori legte den Kopf schief. "Versteht mich nicht falsch, Sir, aber wenn Ihr Senan und Kionan meint...ich verzichte auf ihre Gesellschaft."
"Weil sie unpassend kamen oder...?"
"Weil sie mit ihrem neuen Partner und erwachsenen Tochter aufkreuzt als hätten sie ein Anrecht auf ein erneutes Leben mit ihm." Ori schnaufte verächtlich. "Natürlich auch noch, wenn sie wissen, dass er nicht ausweichen kann. Sie werden ihn mit Fragen und Erinnerungen bombardieren, die er längst hinter sich gelassen hat. Sie nutzen seine Schwäche aus, und das regt mich auf!"
"Ich schlage vor, wir versuchen das erst einmal zu klären." Genn legte ihr freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. "Wenn man der Atmosphäre nicht helfen kann, sorge ich dafür, dass wir Senzajin schnell nach Sturmwind oder Dalaran bringen."
"Vielen Dank." Sie zwang sich zu einem Lächeln.
Doch es erstarb bereits wieder, kaum dass Genn sie umgedreht und Richtung Zaeiths alte Familie geführt hatte.
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