Kapitel 3 | Illidari und Krokuuner
Je weiter sie die Treppen nach unten stiegen, desto violetter und leerenreicher wurde die Umgebung. Allerdings war das nicht die einzigste Veränderung.
Oris Augen weiteten sich mit der Weile und starrten beinahe angsterfüllt auf die Wände, an denen die Leere glimmerte.
Thalan wusste jedoch, dass Ori die Leere keineswegs fürchtete, schließlich erkundete sie selbst das formbare Nichts, nicht nur aus Interesse, sondern auch aus anderen Gründen wie zum Beispiel die Suche nach ihrer Schwester, die von Geburt an von der Leere verflucht war und wenig später vor Oris Augen von der Leere verschlungen wurde. Alles, was von ihr übrig geblieben war, war die Rüstung, das Schwert und die Halskette, in der "Oris" richtiger Name stand.
Der Name der leerenverfluchten Paladin war Dhania gewesen.
"Ich will nicht weiter...", hörte Thalan Ori hauchen und sie krallte sich in seinen Arm.
"Du musst.", sagte er mit sanfter Stimme. "Denk daran, dass ich bei dir bin."
"Ich werde nur wieder den Verstand verlieren..."
"Du bist schon in der Vorphase...", erinnerte er sie und Ori schluckte schwer. "Die Kerker sind eben für genau solche Gefangenen gedacht wie die, die die Späher höchstwahrscheinlich wieder angeschleppt haben. Ori..." Er griff nach ihrer anderen Hand und drückte auch diese. "...vertrau mir, wenn ich sage, dass du einfach hineinrauschen, ein Urteil geben und wieder rausrauschen kannst."
Ori nickte nur, dennoch musste Thalan sie mehr oder weniger grob hinter sich her ziehen.
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"Oh.", machte Thalan leise, kaum dass sie den Raum betreten hatten. "Illidari."
Er verkniff sich die Bemerkung, dass man mit solchen Wesen nur schwerlich handeln konnte.
Die meisten konnte man nicht töten und auch Folter überlebten sie nur zu oft, aber eine Gehirnwäsche wäre eventuell machbar. Allerdings taugten Illidari nicht zu Assassinen.
Er flüsterte Ori, deren Augen schon wahnsinnig funkelten, seine Gedanken zu und zog seine Maske über den Mund, bevor sie in das Blickfeld der Illidari traten.
Ihre glühend grünen Augen musterten ihre Umgebung wohl schon lange, denn die Neuankömmlinge wurden weit interessierter beäugt.
"Was soll das alles hier?", fragte einer von ihnen und seine Stimme hatte einen unangenehmen Hall.
"Unbedeutend.", winkte Ori ab und Thalan wusste, dass sie grinste. "Warum bringt ihr Illidari hierher?", wandte sie sich an die maskierten Späher, die sogar mit den Schatten verschmolzen, die sinnlose Fackeln warfen.
"Sie waren kurz davor, es zu finden." Einer von ihnen betonte das 'es', mit dem zweifellos das Portal gemeint war.
"Dann werden andere es auch finden. Oder spüren. Macht sicher, dass die Gehirnwäsche erfolgreich wird und stellt sie dann auf die Mauern der Festung. Sie können als Wachen fungieren." Ori bemerkte ein Schaudern einer Illidari. Zu ihrer Verwunderung eine junge, vielleicht erst vierzehnjährige. Allerdings war das vollkommen belanglos. "Sorgt dafür, dass niemand ein und aus geht. Wir müssen sie in Sicherheit wiegen."
"Benachrichtigt die von außen. Sie müssen aufpassen, dass es nicht entdeckt wird.", fügte Thalan hinzu und warf Ori einen fragenden Blick zu. "Ich denke, Euer Urteil ist beschlossen, Milady?" Er nannte sie nur selten so.
"Und ausgesprochen."
Die Späher nickten stumm und verfrachteten die Illidari noch weiter unter die Erde, wo die Folterräume verlegt waren.
Doch einer blieb stehen. "Wollt ihr Euch nicht an der Folter beteiligen, Milady?"
"Nein...heute fehlt mir...die Lust." In Wirklichkeit regte sie nur der Wunsch, die Leere zu erkunden. "Ich denke, ich werde mir die Tage einen angeketteten Gefangenen aussuchen."
"Wie Ihr meint, Milady." Der Späher ging und Thalan führte sie schnell zurück nach oben, wo sie zu schwanken begann.
"Ori?" Sie sah nur noch Schwärze vor ihren Augen und seine Stimme drang hohl und gedämpft in ihren Ohren. "Was ist los?"
"Dunkel..." Sie legte eine Hand auf ihre Augen ohne sie zu sehen. "Thalan...ich seh dich nicht..."
"Ich halte dich." Sie hörte die Besorgnis aus seiner Stimme und sie spürte, wie seine starken Hände sie beinahe schmerzhaft umklammert hielten. "Soll ich dich in dein Zimmer bringen?"
Ori schaffte noch ein Nicken, bevor ihr die Beine wegknickten.
Wenig später war sie von rauschendem Wind umgeben und sie war sich sicher, dass der Schurke rannte, denn es dauerte nicht lange, da spürte sie wieder ihr weiches Bett unter sich und Thalans zögernde Hände, die nach ihrer Rüstung griffen.
Mit einem Nicken gab sie die Bestätigung, die ihr Stratege wohl erwartet hatte, denn innerhalb von Sekunden trug sie ein fließendes langes Nachthemd und sie wurde unter ihre Decke gelegt.
"Soll ich eine...weibliche..." Er schien nach dem Wort zu suchen. "...Fachkraft zu dir schicken?"
"Wenn sich jemand hiermit auskennt, warum nicht?" Ori kuschelte sich in ihre Decken.
"Es wird ein wenig dauern. Schaffst du das?"
"Ich bin Anführerin eines anonymen Ordens, natürlich schaffe ich das.", schnaubte sie gespielt empört und wartete, bis Thalan weg war.
Dann setzte sie sich auf und berührte ihre geschlossenen Augenlider. "Was denn? Werde ich dir etwa ähnlicher, Dhania?"
Stille.
Wie nicht anders zu erwarten.
"Ich finde dich, Dhania..." Eine Träne rollte und es sollte nicht die einzige bleiben. "...koste es, was es wolle. Du warst damals für mich da, als Mutter mich zu dir schicken ließ."
Sie erwartete keine Antwort.
Sie bekam sie dennoch.
Eine bedrohliche Präsenz schlich sich in ihr Bewusstsein.
Kurzerhand griff sie nach einem Dolch. "Wer ist da?!"
Die Präsenz näherte sich.
Ori riss die Augen auf, vermochte für den Bruchteil einer Sekunde etwas zu sehen, doch das entlockte ihr bloß einen gellenden Schrei.
Ein Wesen wie aus einem Albtraum.
Ein Krokuuner, gezeichnet von der Leere.
Sein vertrocknetes und mit spitzen Zähnen ausgestattetes Maul schwebte genau vor ihrem Gesicht.
Ohne zu zögern stach sie nach dem Wesen, ziellos und blind.
Sie verfehlte es zu oft, aber dann traf sie es.
Der Widerstand und das Gurgeln des Viechs sagte ihr, dass sie glücklicherweise den Hals getroffen hatte.
Aber die dunkle Präsenz nahm kein Ende.
Nun doch ängstlich, dass mehrere kommen könnten, stieg Ori aus dem Bett und tastete sich zur Tür.
Sie verließ ihr Zimmer gerade dann, als sie eine Klaue fast erwischt hätte.
Einen weiteren Schrei unterdrückend sprintete die Elfe los, drei Finger an der Wand, um ihrer Orientierung zu helfen, doch die Dunkelheit hinter ihr hatte sich sogar vervierfacht.
Allein deswegen schienen sich ihre Beine von allein zu bewegen.
Nicht, dass sie einen Kampf fürchtete, aber ein Kampf ohne Rüstung, Sicht und Waffen war kein Kampf, sondern eher ein sinnloses Unterfangen.
Ori erreichte gerade die Treppe in die Galerie, als die Präsenzen aufzuholen schienen.
Bestärkt in ihrer Angst, stolperte Ori die Treppen hinunter.
"Oriiiii!" Sie erkannte Katlynns hohe Stimme. "Thalan hat mich zu d-"
"Lauf und hol Hilfe!", unterbrach Ori sie hastig und das Gurgeln der stimmenlosen Mutationen erledigte den Rest.
Schreiend hastete die Katzenfrau davon und kreischte förmlich nach Thalan und Thanduril.
Ori konnte ihr das nicht übel nehmen, war sie doch vor einer unbekannten Zeit von der Leere getötet worden.
"Thanduril!" Ein Hauch Erleichterung sagte Ori, dass die Katzenfrau ihn gefunden hatte. "M-Monster...Orinyan...Treppe..."
Für einen kurzen Moment harrte Ori aus, um die Antwort des stillen Elfs zu hören, doch da ertönte wieder Gurgeln und diesmal, das wusste Ori, war es zu spät.
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