Kapitel 29 | Die 'Missgeburt' namens Alynas
Zaeith atmete die frische Luft ein, genau wie Ori und Alynas lachte leise, wodurch sie einen so liebevollen Blick ihres Vaters erntete, dass Ori kurz die Luft anhielt.
"Atmen.", wisperte Zaeith ihr daraufhin wispernd zu und küsste erst sie und dann das kleine Mädchen zärtlich auf die Stirn.
"Dann guck nicht so.", flüsterte sie zurück und knetete sein Ohrläppchen. "Das ist zu verführerisch für mich."
"Oh, dann werde ich wohl öfter so gucken.", meinte er schelmisch grinsend und trat weiter in den Innenhof.
Goldenes Licht hüllte sie ein wie ein wärmender Kokon.
Ori lief ein wohliger Schauer über den Körper.
Alynas schmatzte leise.
"Sie ist so süß.", lachte Zaeith leise.
"Das ist bestimmt jedes Baby.", versuchte Ori ihn auf seine anderen Kinder Senan und Luca aufmerksam zu machen.
"Alynas ist das erste, das ich aufwachsen sehen darf." Zaeith seufzte und ließ sich in das weiche Gras des winzigen Gartens sinken. "Senan habe ich für wenige Minuten vor meinem ersten Tod gesehen und Luca erst vor kurzem, und er ist schon verheiratet und hat vier Kinder."
"Vier?", staunte Ori. "Wie alt ist er denn jetzt?"
"Ich glaube, siebenundvierzig, wenn ich richtig rechne."
"Na, weiter als du ist er jedenfalls gekommen, ohne zu sterben.", scherzte die Leerenelfe in seinen Armen.
"Das ist wahr.", grinste Zaeith und legte ihre Beine auf den Boden, um mit der nun freien Hand Alynas streicheln zu können.
Seine große Hand bedeckte fast den gesamten Körper des zierlichen Babys.
Das störte Alynas offenbar nur wenig.
Sie griff nach den maskulinen Händen ihres Vater und gluckste vergnügt vor sich hin, auch wenn sie die Finger nicht umgreifen konnte, sie versuchte es doch immer wieder, bis Zaeiths Zeigefingerspitze in ihrem Mund landete.
Mit glitzernden Augen nuckelte sie daran herum, ließ mehrmals von dem Finger ab, um Luft zu holen, dann nuckelte sie weiter.
"Sie ist so verdammt süß.", lachte Zaeith leise. "Und sie ist meine Tochter. Ich kann es nicht glauben..." Er küsste das Baby vorsichtig und lächelte Ori dann an. "Danke."
"Für was?", fragte sie irritiert.
"Dass ich wieder Vater sein darf." Er lächelte so liebevoll, dass ihr Herz mehrmals höher sprang, bis es sich endlich beruhigte.
Dann grinste sie ihn an. "Ist dir eigentlich etwas aufgefallen?"
"Was denn?" Zaeith musterte sie interessiert, während Alynas noch immer schmatzend mit seinem Finger beschäftigt war.
"Ich hab keine Psycho-Zustände mehr, seit du mir das mit unserer Seelenverwandtschaft erzählt hast.", erinnerte sie ihn.
"Stimmt." Er lächelte und legte seine Stirn an ihre.
Ihre Nasenspitzen berührten sich und Zaeiths rote Augen sahen tief in ihre.
Trotz der glanzlosen Emotionslosigkeit in dem dunklen Rot verbreiteten sie Liebe, Wärme, Zuneigung, Treue und Freude.
Warum irgendjemand diesen Elf für ein Monster gehalten hatte, war Ori schleierhaft.
Er hatte Gefühle, sehr viel mehr als die Forscher, die dreijährige Kinder zu Tode experimentiert hatten, während Zaeith sein Herz mit jedem Verlust gebrochen hatte.
"Denk nicht darüber nach." Zaeith hatte wohl ihre Gedanken erraten. "Wenn Alath erfolgreich ist, werden wir sie befreien und die Toten rächen."
"Ich helfe euch."
"Nein, du bleibst hier. Mit Alynas.", widersprach ihr Zaeith und entfernte sich wieder von ihrem Kopf, sodass sie seine Sorge, die sein gesamter Körper ausdrückte, genau sehen konnte. "Alynas braucht dich...und mich vielleicht auch. Aber im Gegensatz zu dir stecke ich in der Sache drin."
"Ich doch auch ein bisschen." Ori hob eine Hand und streichelte seine Wange. "Und mir ist es genauso wichtig, dass du hier bleibst. Wenigstens für Alynas."
Das kleine Mädchen ließ gerade von Zaeiths Finger ab und lachte ihn an.
Das war wohl der Wendepunkt.
"In Ordnung, ich bleibe...auch wenn ich mir dann Sorgen machen darf, ob Alath nicht noch einmal stirbt...", seufzte er und küsste Alynas wieder auf die Stirn.
Das Baby griff nach Zaeiths Nase und beide lachten los, während Ori ihnen einfach nur lächelnd zusah.
Doch dann sah sie auf.
In der Nähe stand ein Gardist von Sturmwind, mit einer schussbereiten Armbrust.
"Wenn Ihr schießt, sterbt Ihr.", warnte Ori ihn und erntete eine hochgezogene Augenbraue von dem Gardisten, der wiederum Aufmerksamkeit von Zaeith und Alynas bekam.
"Wollt Ihr wirklich schießen?" Zaeiths rote Augen funkelten streitlustig. "Ich hätte nie gedacht, dass man sowas während laufender Verhandlungen macht."
Der Gardist schwieg noch immer, doch Ori sah, dass er die Armbrust ein wenig senkte - allerdings nicht zur Kapitulation.
Und was war weiter unten?
Alynas.
"Zaeith." Sie beugte sich vor, sodass das Baby hinter Zaeith war. "Am besten bringst du mich und Alynas zurück in das Zimmer..."
Es war zu spät.
Der Pfeil surrte durch die Luft und Ori merkte, dass sie die ihr angeborenen Kräfte der Windläufer nicht nutzen konnte, was zum Glück auch nicht nötig war, denn Zaeith hatte den Pfeil zwischen zwei Fingern eingeklemmt und ihn dem Gardisten in die Hand geschlagen.
Ein Schrei entfuhr dem Menschen und er wich zurück, dicht gefolgt von Zaeith, dessen Adern und sein Brustkorb wieder zu glühen begannen.
Mühevoll und unter Schmerzen stand Ori auf und folgte ihnen, wohl wissend, dass der Gardist mit Absicht in den Thronsaal wich.
Er wollte den Anschein erwecken, dass Zaeith ihn grundlos anfiel, doch Ori merkte grinsend, dass sie Beweisstücke für seine Unschuld hatte: eine blutende Schramme auf ihrem Oberarm und ein oberflächlicher Einstich des zu spitzen Pfeils auf Alynas' Stirn.
Alles sprach für die Schuld des Gardisten.
Zaeith blieb stehen.
Ori nutzte die Chance und stellte sich nah bei Zaeith zwischen die Zwei.
Mit einem Schritt nach hinten konnte sie einer plötzlichen Attacke des Mannes gerade noch entgehen.
Der folgende Wurfdolch wurde von Zaeith aufgefangen, allerdings so ungünstig, dass die Klinge seine Handfläche zerschnitt.
Blut tropfte auf den Boden.
Viel Blut.
Das leise Geräusch von Flüssigkeit, die auf dem Steinboden aufkam, bewegte etwas in Ori.
Hass.
So unendlich viel angestauter Hass.
Zwei Personen in ihrem Augenwinkel ließen diesen nicht gerade abnehmen.
Der Gardist taumelte und Ori drückte Zaeith Alynas in die Hände.
Im nächsten Moment klinkte sie sich in seine Gedanken ein.
Sie sah aus seinen Augen zwei bekannte und verhasste Personen.
Sie gaben ihm und weiteren Gardisten den Auftrag, Alynas zu töten.
Sie sei eine Missgeburt, die die Allianz von innen heraus zerstören würde.
Eine Missgeburt, die dem Wahnsinn verfallen und die Anführer der Allianz ermorden würde.
Ori knirschte mit den Zähnen und beschwor einen Dolch, den sie dem Gardisten mehrmals in den Hals stach, bis er gurgelnd und blutüberströmt in die Knie sank und dann vornüber kippte.
Dann wandte sie sich Alleria und Turalyon zu, die auf einer der Stufen zu Anduins Thron standen und das Geschehen untätig mitverfolgt hatten.
Während Turalyon entsetzt aussah und dieser Ausdruck von allen anderen Anwesenden außer Zaeith und Alynas geteilt wurde, bedachte Alleria ihre tot geglaubte Tochter mit einem Blick puren Zorns.
Etwas anderes hatte Ori nicht erwartet.
"So sieht man sich wieder, Mutter, Vater..." Ori senkte ihr Kinn ihren Schlüsselbeinen entgegen, was ihren nach vorn gerichteten Augen ein bedrohliches Aussehen verlieh. "...nur dass eure 'Tochter' eine Missgeburt bei sich hat..."
Ihre Stimme verhallte schlangenhaft zischend in der Stille.
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