Kapitel 14 | Der unsichtbare Abend
("Like I did" ~ ¿?)
Nach einem ganzen Tag harten Trainings, welches Daelar wirklich entspannte, da er es offenbar gewohnt war, waren sich die vielen Rekruten näher gekommen.
Viele von ihnen fingen an, Daelar als ihren Rivalen anzusehen.
Vor allem einer.
Es war kein Rekrut, offenbar ein hochrangiges Mitglied des Ordens, denn die Rekruten wichen zurück, als er näher kam.
Sein Blick sprach Bände.
Daelar zögerte.
Er erinnerte sich nicht daran, ob er schon eine längere Rivalität mit dem Leerenelf führte und das war ein Fakt, der den Elf triumphierend grinsen ließ.
"Zwar sagen alle, du bist Oris Freund und Geliebter, aber denk ja nicht, dass du so durchkommst." Fast wäre Daelars Zögern zu seinem Verhängnis geworden, doch er konnte gerade noch so nach hinten ausweichen, als ein Dolch durch die Luft pfiff.
Der Leerenelf holte nochmal aus, doch eine in schwarz-rotes Leder gekleidete Gestalt mit schwarzen Hörnern und Flügeln schob sich dazwischen und schlug seine Krallen in seine Brust.
Der Schrei, der dem Leerenelf entfuhr, ging allen durch Mark und Bein.
Daelar verstand jedoch nicht, warum der Elf plötzlich begann, sich wie wild geworden hin und her zu werfen.
Selbst nachdem die Kreatur, die höchstwahrscheinlich Senzajin hieß, die Krallen aus seinem Fleisch zog, schrie er noch und schlug um sich.
"Was ist mit ihm?", fragte Daelar Senzajin ein wenig entsetzt.
Der Elf deutete auf seine Zähne und hielt Daelar eine Hand entgegen. "Wie gesagt, ich bin eine Mutation und daher giftig."
"Tödlich giftig?"
"Ich hoffe es für Thalan." Senzajins rote Augen glühten stärker und Daelar fiel auf, dass sogar seine Adern und sein Brustkorb leicht schimmernden, als ob flüssiges Eisen durch seine Adern und seine Lunge zirkulieren würde.
Er war sich sicher, dass er ähnliches schon mal gesehen hatte, aber seine Vergangenheit lag noch in tiefer Schwärze.
"Wieso hoffst du das?"
"Er wird das nicht auf diesem einen Angriff beruhen lassen." Senzajin sah ihn warnend an. "Und bei ihm ist es schwer vorauszusehen, wann, wo und wie er das nächste Mal zur Tat schreitet. Ich mag es nicht, es zu sagen, aber Thalan ist ein strategisches Genie. Kurz bevor du aufgewacht bist hat der Kerl versucht, mit Ori zu schlafen, hatte seinen Misserfolg jedoch nur, weil sie einen genialen Trick kannte und Leerenelfen vorbeigekommen sind und seinen Bannkreis aufgelöst haben. Ich will nicht wissen, was passiert wäre oder noch passieren wird, wenn er umsichtiger wird. Es ist besser, man tötet ihn."
Daelar schwieg.
Thalan hieß also derjenige, der ihn wegen seiner Beziehung zu Ori umbringen wollte.
Die Arme.
Bestimmt ging das alles nicht einfach an ihr vorbei.
Thalans Körper erschlaffte, ebenso wie das Licht in Thalans Augen verschwanden auch die drachischen Merkmale an Senzajin.
"Am besten, ich werfe ihn von der nächstbesten Insel...", meinte Senzajin und er schulterte die Leiche, während er schnellen Schrittes davonging.
"Alles in Ordnung...?", wandte sich eine kleine, wahrscheinlich fünfzehnjährige Blutelfe an ihn.
"Ja, danke der Nachfrage." Daelar lächelte sie an.
Sie hieß Avya, das wusste er.
Die Rekruten weiter hinten atmeten erleichtert aus.
Ein lautes Horn unterbrach das aufkommende Gelächter.
"Abendessen?!", rief einer lachend. "Jetzt schon?!"
"Wir haben erst vor ein paar Stunden gegessen...", stimmte Avya ihm schüchtern zu.
"Vielleicht ist es gar nicht mal das Horn fürs Essen, sondern für etwas anderes.", warf Daelar ein.
Und tatsächlich: Die Meisterassassinen des Ordens versammelten sich in der Nähe auf dem Platz.
Bei ihnen war Ori.
Daelar musterte ihre schlanke Gestalt von Kopf bis Fuß.
Sie war hübsch, ohne Frage.
Insgeheim fragte er sich, wie sie wohl mit freizügigeren Sachen aussehen würde.
Bestimmt genau so wunderschön wie in ihrer jetzigen Rüstung...halt nur mit mehr Haut.
"Ich kenn diesen Blick, Daelar.", wisperte Avya ihm augenbrauenwippend zu.
Röte stieg in sein Gesicht und die für ihn winzige Elfe lachte.
~Oris Sicht~
Das letzte Blatt wurde in die letzte Hand gereicht.
"Ihr wolltet wieder Elite-Missionen.", erklärte Ori den Meisterassassinen. "Ich habe diese vom Schwarzen Brett in der Halle der Schatten mitgenommen. Sie dürften anspruchsvoll, aber nicht zu schwer sein. Wenn jemand trotzdem versagt: Die Schuld ist die meine." Sie holte kurz Luft. "Wenn ihr Senzajins Gift mitnehmt, dürfte eigentlich nichts schiefgehen. Ihr wisst ja, wie tödlich es ist."
Die Assassinen nickten und wuselten davon, zu der Kammer, in der Senzajins Gift gemolken und aufbewahrt wurde.
Ori seufzte leise.
Ein weiterer Haken auf ihrer To-do-Liste.
Auf einmal stellten sich ihre Nackenhaare auf und Ori drehte sich um.
In der Nähe standen die Rekruten und einer von ihnen starrte sie an.
Daelar.
Ein kleines Mädchen - Ori erkannte ihren Schützling Avya - beugte sich vor und sagte etwas zu ihm, woraufhin er rot anlief.
Avya lachte triumphierend und Ori lächelte.
Daelar war so plötzlich unter ihnen, aber erstaunlicherweise kamen alle damit klar.
Es kam ihr sogar so vor, als wären es nur sie und Senzajin, die wirklich Theater spielten.
"Ich kenne solche Blicke, Ori." Senzajin tauchte hinter ihr auf und beugte sich vor, sodass sein Atem ihre Wange streichelte. "Alles was ich zu sagen habe ist, dass wenn Blicke ausziehen könnten, du nackt hier stehen würdest, meine Liebe."
Ori konnte nicht verhindern, dass sie tiefrot anlief.
Senzajin grinste sie an, wurde jedoch schnell wieder ernst. "Ich muss mit dir reden." Sein Blick wanderte kurz zu Daelar. "Unter vier Augen."
"Auf dem Dach der Festung ist niemand.", erwiderte Ori und ließ zu, dass Senzajin sie im Brautstyle hochhob und seine Flügel benutzte, um zu dem genannten Ort zu fliegen.
Dort setzte er Ori ab.
"In Ordnung, was ist los?", fragte sie ohne zu zögern.
"Thalan und Daelar sind los.", schoss es aus ihrem Freund wie aus einer Pistole. "Thalan hat versucht, Daelar zu töten, stattdessen habe ich Thalan umgebracht. Aber ich erinnere mich an Daelar. Ori, er war derjenige, der mich zu diesen Experimentierkerkern gebracht und bei jeder Flucht wieder eingefangen hat. Verzeih mir, wenn ich ihm das nicht vergeben kann, aber das war auch noch nicht alles." Er holte tief Luft. "Er ist Dhanias Seelenverwandter, nicht deiner. Ich bin dein Seelenverwandter. Wie soll ich denn zusehen, wie du mit ihm ein Liebesleben führst?"
Ori schwieg entgeistert.
Erst nach einigen Minuten fand sie wieder Worte. "Ich dachte, du hast Kion-"
"Sie wird das verstehen müssen.", unterbrach Senzajin sie. "Außerdem gelte ich doch als tot. Für sie bin ich tot."
"Aber was soll ich dann jetzt machen?" Ori griff sich verzweifelt an den Kopf. "Er erinnert sich nicht mehr an sie und Dhania ist tot..."
"Vielleicht hilft es, wenn wir Dhanias Leiche finden.", meinte Senzajin. "Vielleicht erinnert er sich dann an sie."
"Auf die Schnelle wird das nicht funktionieren..." Ori biss sich auf die Unterlippe. "Du weißt, ich suche schon seit Jahren nach ihr."
Er nickte nur.
Sie versanken in nachdenkliches Schweigen.
"Bis wir sie finden, kannst du noch bei ihm bleiben.", begann Senzajin leise und Eifersucht blitzte in seinen Augen auf. "Aber danach gehörst du mir."
Ori konnte nur nicken.
Manche Drachen waren habgierig und Senzajins Worte bestätigten das.
"Komm, gehen wir wieder." Er stand auf und sah sie erwartungsvoll an.
Ori zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. "Lass uns so lange hier oben bleiben, bis ich wieder klar denken kann."
Senzajin sah sie erst überrascht an, doch dann lächelte er und setzte sich neben sie.
Mit einem Arm um ihre Schultern saßen sie da und genossen ihren schweigsamen, unsichtbaren Abend.
Die Leere, die diese Welt umgab, flimmerte in der Ferne.
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