Kapitel 1 | Gift, Leere, Leichen
Blutfang, eigentlich Senzajin, stand da an eine Säule gelehnt und machte mit seiner mit Blut gefüllten Flasche auf die Rekruten wie auch die Meisterassassinen einen schaurigen Eindruck.
Hinzu kamen seine blutrot glühenden Augen, die mit jedem Schluck Blut stärker leuchteten.
Na ja, zumindest wenn er vorher nichts getrunken hatte, schließlich hatten auch seine Augen eine Leuchtgrenze, die im Durchschnitt schon aufhörte.
Amüsiert zog Ori kurz die Schultern hoch und trat dann zu dem in schwarz und rot gekleideten Blutelf, sofern man diesen mutierten Elf überhaupt noch mit der Rasse vergleichen konnte.
"Da bist du ja endlich." Senzajin verstaute die Flasche in einem Beutel, der an dem Gürtel an seiner Hüfte befestigt war und nahm ihre Hand. Ein schelmisches Grinsen umspielte seine Lippen, bevor er seinen Mundschutz hochzog. "Zurück in die Schatten, Milady?" Ein Kuss landete auf ihrem behandschuhten Handrücken. "Ich habe bereits eine Mission herausgesucht."
"Wir sollten heute erst mal dein blödes Gift melken, bevor du noch jemanden ausversehen zu Tode beißt.", grinste Ori zurück und zeigte auf den Mundschutz, den Senzajin für den Kuss nicht weggezogen hatte.
"Schon wieder?" Senzajins Augenbrauen zeigten nach unten und signalisierten so den Ekel, den man dank der Kapuze und des Mundschutzes nicht aus seinem Gesicht ablesen konnte. "Das haben wir doch erst vorgestern gemacht."
"Genau, und heute wieder." Noch immer grinsend zog Ori ihn zu einem Geheimgang auf Dalarans Straßen. "Wenn wir nicht aufpassen, mutierst du vielleicht weiter."
Daraufhin schwieg der recht quirlige Elf und benutzte seinen Greifhaken, um von Windläufers Rast hinter Dalarans Mauer zu springen.
Bevor er jedoch zum Sprung ansetzte, schlang er noch einen Arm um Oris Hüfte und zog sie mit sich auf die andere Seite.
Dort öffneten die beiden mithilfe einer Schattenrune ein Portal, welches augenscheinlich ins Nichts führte.
Die beiden Elfen durchquerten es und während sie auf der anderen Seite auf eine mysteriöse "Welt" traten, schloss sich das Portal auf Azeroth.
Senzajin und Ori atmeten gleichzeitig tief ein.
"Endlich wieder zuhause...", seufzte Senzajin und zog sich sowohl Kapuze als auch Mundschutz - gerne auch Maske genannt - vom Kopf. Lange schwarze Haare kamen unordentlich zu einem Zopf gebunden zum Vorschein.
"Das, was wir jetzt machen, wird dir eher weniger heimelig vorkommen." Ori lachte, als der Ekel die Entspannung verscheuchte. "Oh ja, mein Freund, ich seh dir auch nicht gern zu."
Diesmal gab Senzajin nicht mehr als einen gequält hohen Laut von sich, während er Ori zu einer riesigen Festung - dem Wohnort ihres unbekannten Ordens - folgte.
"Wir machen es so schnell, wie es geht. In Ordnung?" Oris schlanke Gestalt huschte durch das wabernde Tor, gefolgt von Senzajins muskulösen.
Daraufhin nahm das wabernde Tor wieder Festigkeit an.
"Willkommen zurück, Leerenklingen.", begrüßte sie Oris Stratege Thalan mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen. Sein Blick fiel auf Senzajin. "Welch große Begeisterung. Ich nehme an, heute ist wieder Entgiftung?"
"Leider.", grummelte Senzajin erntete einen freundschaftlichen Knuff von Thalan.
"Ich habe mir ausgedacht, wie wir das schneller hinter dich bringen könnten." Der Stratege ging ihnen voran zu der von Senzajin verhassten Kammer. "Ich habe mich erfolgreich über das Wesen vor Senzajins Mutation informieren können und weiß daher, dass die typischen Opfer dieses Wesens Elekk sind. Oder jedenfalls Dickhäuter." Kaum, dass sie die grünlich leuchtende Kammer betreten hatten, wandte Thalan sich einer Art Kalender zu und tippte auf ein paar Notizen am Rand, in Thalassisch geschrieben. "Unsere eigenen Experimente sagen, je dicker die Haut ist, desto schneller kann das Gift entnommen werden und vor allem sogar mehr."
"Sag bloß, ihr habt meinetwegen einen Elekk gehäutet." Senzajin grinste.
"Och, das ein oder andere Leerentier hat seinen Gefallen an einem Elekk und einem lebendigen Draenei gefunden.", grinste Thalan zurück und stülpte ein Stück der Haut ebenjenem Dickhäuters über ein eckiges Glas und hielt es Senzajin entgegen. "Bitte vergiss nicht, Berserker zu benutzen."
"Werde ich schon nicht." Tatsächlich durchfuhr ein Schaudern Senzajins Körper und seine Adern nahmen ein leichtes rötliches Leuchten an, als hätte man glühendes Eisen in sein Blut gemischt. Zudem wanderten schwarze Schuppen über Senzajins Handrücken, Schultern und sein Gesicht, wenn auch die Schultern nicht sichtbar waren, doch sie wussten, dass selbst dort Schuppen waren.
Senzajins Berserker zeigte nämlich auch einen Teil seines Schwarzdrachen, den man ebenfalls versucht hatte, mit Experimenten aus ihm herauszutreiben.
Zu seinem Glück erfolglos.
Erst jetzt nahm Senzajin das Glas entgegen und biss mit voller Wucht in die Haut, verzog im nächsten Moment jedoch schmerzerfüllt das Gesicht, da er die spitzen Zähne am Unterkiefer vergessen hatte und nun gegen das Glas gedonnert hatte.
Er zog seine oberen Eckzähne wieder aus der Haut und biss erneut mit allen vieren hinein.
Ori beobachtete mitleidig, wie der Elf sich auf einen Stuhl sinken ließ und die Augen schloss, während man die Unmengen an Gift, die er wohl innerhalb weniger Tage produzieren konnte, in das Glas fließen sehen konnte.
"Natürlich sind Dickhäuter meistens große Wesen, größer als das Raubtier von seiner Mutation.", begann Thalan diese Mengen zu erklären. "Da ist es nicht verwunderlich, dass das jagende Tier so viel Gift braucht, um seine Beute außer Gefecht zu setzen."
"Also kein Rudeltier?", vermutete Ori und griff nach Senzajins Schulter, als er zu schwanken begann.
Das Glas war schon fast gefüllt.
"In Ordnung, Senzajin, das reicht vollkommen aus." Thalan nahm Senzajin das Glas aus der Hand und zog vorsichtig seine Zähne aus der Haut.
Als das geschafft war, pfiff er anerkennend. "Ein ganzer Liter innerhalb von zwei Minuten. Neuer Rekord, mein Lieber."
"Bin ich gar nicht stolz drauf.", meinte Senzajin leise und massierte seine Schläfen. "Mir ist verdammt schwindelig..."
"Keine Sorge, ich bin Leerenelf.", erklärte Thalan das unverkennbare. "Du bist in Null Komma Nichts wieder in deinem Zimmer. Ori, ich werde mit ihm gehen. Er sollte nicht in Rüstung schlafen."
Ori nickte und die beiden männlichen Elfen verschwanden.
Wieder allein verließ Ori die Kammer und trat wieder auf den Innenhof der Festung, auf den locker ganz Orgrimmar samt Bewohner gepasst hätte.
Sie wusste den Namen der einst blühenden Welt nicht mehr, aber von gefundenen Büchern und Leichen zu schließen, war diese Welt Heimat merkwürdiger Wesen mit azerothischen Tieridealen gewesen.
In der Galerie hatten sie Bücher wie auch Gemälde und andere Dinge aus besseren Zeiten und bei mehreren Gemälden waren Wesen, die wie Blutelfen aussahen, doch sie hatten keine langen Augenbrauen und die Elfenohren wurden durch Fuchs- oder Wolfsohren ersetzt. Zudem hatten sie auch die dazugehörigen Schwänze, Krallen und manchmal sogar Hufen und offenbar clantypische Tätowierungen im Gesicht, jedenfalls sahen sie sehr friedlich und sanftmütig aus.
Die Bücher berichteten jedoch nie über den Planeten an sich, sondern vielmehr über andere Welten, überraschenderweise waren sowohl Azeroth als auch Draenor, Argus und die Scherbenwelt dabei.
Von diesen Gedanken angezogen, lenkten sich Oris Schritte beinahe von selbst zu der Galerie.
Ein Gefühl, dass selbst sie mittlerweile als gruselig empfand.
Doch es verschwand immer, sobald sich die wabernden Türen auf ihrem Weg weiter in die Festung hinein hinter ihr verfestigten.
Beinahe, als würden die verlorenen Seelen hinter ihr ausgesperrt werden...
Ori schüttelte den Kopf, um das Gefühl loszuwerden und bog um die nächste Ecke in die Galerie...und stolperte erschrocken zurück.
Zwei klauenartige Hände lagen auf der Scheibe einer Vitrine und die goldenen Augen der "Leiche" starrten sie an.
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