22. Kapitel - Sie ist wieder da
„Was habt ihr dann also mit Schniefelus angestellt?", fragte Sirius und in seinen Augen blitzte es begierig auf.
Wieder linste James prüfend zu Lily. Dann räusperte er sich ein wenig verlegen und begann schließlich zu berichten.
„Wir haben ihm klargemacht, dass er uns nicht mehr unter die Augen kommen soll. Und danach haben wir ihn im Leichenhaus in einen Sarg eingesperrt."
Sirius konnte nicht an sich halten. Die Vorstellung war einfach zu lustig und wenn der Anlass noch so traurig war.
„Zu einem Toten?" Er lachte Tränen.
Anne biss sich auf die Lippen, um ernst zu bleiben und sah vorsichtig nach, wie Lily diese Geschichte aufnahm. Immerhin betrauerte sie noch den Tod ihrer Eltern.
Aber sein herzhaftes und ehrliches Lachen schallte so mitreißend durch den Raum, dass keiner traurig bleiben konnte und schließlich erschien sogar auf Lilys blassem Gesicht ein verkniffenes Lächeln und sie zuckte, als das Lachen sie ansteckte. Erleichtert fielen die übrigen mit ein und als Sirius sich endlich beruhigen konnte, hatten sie alle Bauchschmerzen.
Nach Luft ringend lehnte er sich schließlich zurück und wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht.
„Oh Mann, wenn daraus kein Paar für die Ewigkeit wird, weiß ich es auch nicht", giggelte er. „Da hat Schniefelus seine kalte und steife bessere Hälfte gefunden!"
Nachdem damit endlich wieder gute Laune eingekehrt war, ging James ein paar Bier holen und Anne und Sirius konnten ohne schlechtes Gewissen weiter von ihrem Urlaub berichten.
„Und bei der Heimfahrt hatte Sirius Motorrad eine Panne", erwähnte Anne schließlich augenzwinkernd. „Wir mussten notlanden. In Frankreich." Sie sagte es so vergnügt, als wäre es der reinste Spaß gewesen, während Sirius eine heftige Schnute zog.
„Ich hätte das leicht wieder hingebogen, aber Madame wollte unbedingt noch in Paris bleiben", klagte er.
„Ich wollte den Eiffelturm sehen!"
„Ja toll! Stattdessen haben wir Alain Pinot gesehen. Eine ganze Woche lang", brach es gequält aus ihm heraus und die anderen kicherten verstohlen.
Sirius hielt Alain für seinen härtesten Nebenbuhler und Alain machte sich einen Spaß daraus, dieses Image auszubauen. Er hatte mit Anne nicht nur den Eiffelturm angesehen, sondern war mit ihr nachts bis zur Spitze hinaufgeflogen. Außerdem hatte er ihr die blauäugigen Matagots im Ministerium gezeigt und war mit ihr an der Seine entlang spaziert. Sirius war bei alldem zum Statisten degradiert worden, der zehn Schritte hinter ihnen hergelaufen war und zu dem man sich ab und an mal umgedreht hatte. Jeden Tag hatte er sich sehnlichst die Nacht herbeigewünscht, denn in den Nächten gehörte sie nur ihm allein und in jeder einzelnen davon hatte er ihr so viel Lust bereitet, dass sie den Franzosen vorübergehend vergessen musste. Aber das wollte er seinen Freunden lieber nicht erzählen...
Ein paar Tage später ließ Anne am Frühstückstisch den Hinweis fallen:
„Nächste Woche wirst du zwanzig."
„Nein echt?", erwiderte Sirius darauf spitz. „Bist du sicher, dass du dich da nicht verrechnet hast?"
Sie hob pikiert die Brauen und schaute ihm in die Augen, aus denen der Schalk nur so lachte.
„Nun eigentlich bist du erst sechs oder sieben und kaum dem Kindergarten entwachsen", meinte sie trocken. „Aber irgendwie hast du dich in Gammelfleisch verwandelt, wie es scheint!"
Er zog eine Grimasse. „Boah, das nimmst du sofort zurück, du alte Hexe!"
„Ich bin nicht alt. Du bist alt. Schon vergessen? Wirst du schon senil oder was?" Sie grinste nicht. Sie blieb ernst, auch wenn sie das Spiel mindestens genauso genoss, wie er.
„Nur weil du dem Tod von der Schippe gesprungen bist, heißt das noch lang nicht, dass du in einen Jungbrunnen gefallen bist...", giggelte er.
„Hm", machte sie affektiert. „Immerhin bin ich dem Tod von der Schippe gesprungen. Du bist dazu viel zu klapprig. Du würdest dir beim Springen vermutlich den Hals brechen."
Sie hätte noch ewig so weitermachen können, aber ihre Frechheiten brachten ihn so in Wallung, dass er sich nicht länger zurückhalten konnte.
„Dir werde ich schon zeigen, wie ich klappern kann", rief er vergnügt und bewarf sie mit einem Löffel voll Erdbeermarmelade. Als diese in ihrem Gesicht gelandet war, stand er auf, beugte sich zu ihr und sagte: „Wenn du mein Essen klauen willst, musst du früher aufstehen, böse Hexe." Anschließend leckte er die Marmelade von ihrer Wange und ihrem Hals und bescherte ihr eine prickelnde Gänsehaut.
Ihr Atem beschleunigte sich und der nächste dumme Spruch blieb ihr im Hals stecken, als er sie fordernd auf den Mund küsste. Immer näher kam er, bis sie schließlich hinterrücks mit dem Stuhl umkippten. Schnell zauberte er ein paar Kissen herbei, damit sie nicht so hart aufschlugen, jagte einen Schließzauber auf die Tür und liebte sie mitten auf dem Esszimmerboden.
„Ich habe Dich vermisst", sagte Sirius, als sie danach in eine Decke gekuschelt aneinander lagen.
„Ach ja?" Erstaunt sah sie zu ihm hinüber, aber er sah sie nicht an, sondern starrte verträumt an die Decke.
„Ja", hauchte er nur.
Ihre Augen funkelten. „Wann?"
„Die ganze Zeit."
Verständnislos kräuselte sie die Stirn. „Und wo war ich?"
Endlich wandte er seinen Blick von der langweiligen Zimmerdecke und ihr zu. „Weg", meinte er nur.
Sie sah ihm ganz tief in die Augen. „Bist du sicher, dass du nicht hart aufgeschlagen bist?", fragte sie abrupt und klopfte mit den Fingerknöcheln sanft auf seinen Kopf.
„Ja."
„Ich war doch die ganze Zeit hier!"
„Ja."
„Kannst Du auch noch was anderes sagen, als ja?!"
„Ja."
Sie kicherte. „Blödmann. Also was genau hast du vermisst?"
„Dich."
Lächelnd stöhnte sie auf und warf den Kopf in den Nacken.
„Weißt du", wurde er plötzlich ganz ernst. „Damals warst du genauso wie jetzt. Damals, als ich mich in dich verliebt hab."
Sie grinste. „Wie denn?"
„Neugierig. Frech. Gemein."
Empört fuhr sie in die Höhe. „Gemein?!"
„Ja, gemein. Du hast unsere Besen auf den Schwarzen See hinausgehext. Wir mussten hinschwimmen, um sie zurückzuholen."
„Hat Euch nicht geschadet."
„Es war November, das Wasser war eiskalt!"
„James hat mir dafür Haarwuchsmittel in die Seife gemischt."
Sirius lachte auf. „Ja, das war lustig."
„Ach so, ich war gemein, aber ihr wart lustig. Ich erkenne den Unterschied nicht ganz."
Ihre blauen Augen blitzten streitlustig und er strich sanft mit der Hand über ihr Haar.
„Genau das habe ich vermisst. Die alte Anne. Die mich beschimpft und lustig ist und lebensfroh. Seit der siebten Klasse war sie nicht mehr da. Seit Hawthorpes Tod hast du sie begraben unter Trauer und Schmerz und schwarzen Kleidern. Und jetzt ist sie zurückgekehrt."
Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Dazu wollte einfach kein dummer Spruch passen.
„Willst du mich heiraten?", fragte er plötzlich.
„Was?!"
Seine stahlgrauen Augen sahen sie treuherzig an, während er sanft über ihr Kinn streichelte.
„Willst du mich heiraten?", wiederholte er.
„Wie oft willst du mich das fragen?", stöhnte sie.
Lachfältchen traten auf sein Gesicht. „Wenn es sein muss, genauso oft wie James Lily um ein Date gebeten hat."
„Na dann habe ich ja noch ein wenig Zeit!"
Er senkte den Blick und küsste sie auf den Mund. Ganz zärtlich schob sich seine Zunge zwischen ihre Lippen und forderte sie heraus. Ihr Puls beschleunigte sich und ihr wurde heiß. Er drehte sich zu ihr und legte sich mit seinem Gewicht auf sie. Er erregte sie. Schon wieder. In Erwartung der Wiederholung der Lust, die er ihr zuvor schon bereitet hatte, öffnete sie die Beine, doch im nächsten Moment rollte er sich seufzend von ihr herunter, wickelte sich in eine eigene Decke und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
„Was ist?", fragte sie ratlos.
„Höre ich da ein Ja?"
„Sag mal, hast du noch alle Zweige am Besen!?!", fuhr sie empört auf und er kicherte schuldbewusst.
„Wieso, hat doch noch etwas Zeit", brummelte er und musste sich das Lachen verkneifen.
Die Zornesröte schoss ihr ins Gesicht. Aber dann überlegte sie es sich anders und zog sich die Decke bis zum Hals.
„Ich kann deinen Antrag nicht annehmen, ich bin schon verlobt", klärte sie ihn auf.
„Ach so?"
„Ja, aber mein Verlobter hats vergeigt."
„Vielleicht solltest du ihm eine zweite Chance geben", schlug er vor und erntete damit einen überheblichen Blick.
„Die müsste er sich erst verdienen ..."
Er hob die Augenbrauen. „Und wie?"
„Das überlege ich mir noch", erwiderte sie und wandte sich ihm mit verführerischem Augenaufschlag zu, um im nächsten Moment ihre Hand unter seine Decke zu schieben.
Aber er schob sie zurück und meinte nur: „Ok, ich überleg es mir auch noch. Lass mich so lange von unserer Hochzeit träumen."
Entgeistert starrte sie ihn an. „Idiot", zischte sie und stand auf, als sie merkte, dass ihr die Tränen in die Augen schossen.
Er starrte zufrieden wieder an die Decke.
„Jetzt ist sie wieder da", murmelte er wohlig, atmete tief durch und dachte zurück an die Zeit, als sie sich gegenseitig zu immer gewitzteren Streichen angestiftet hatten.
„Musst du wirklich über Weihnachten arbeiten?!"
„Ich kann ja schlecht während der Schulzeit verreisen, oder?"
Sirius schleuderte missmutig einen Schokofrosch durchs Zimmer, der daraufhin wild umherhüpfte, nur um ihn gleich darauf mit einem Aufrufezaueber wieder zu sich zurückzuholen.
Anne saß am Tisch und schrieb einen Kräuterkundeaufsatz über Giftpilze und was diese von einem Horklump unterschied.
„Aber es ist Weihnachten!"
Anne hob überrascht den Kopf.
„Was ist an Weihnachten so wichtig?"
Ungläubig starrte Sirius sie an.
„Na es ist das Fest der Familie!"
„Ach, und du legst Wert darauf es mit deiner Familie zu verbringen, oder was?"
Er verdrehte die Augen. „Nicht mit dem Abschaum, der zufällig denselben Namen trägt wie ich."
Sie grinste. „Na also."
Er trat an sie heran und legte von hinten die Arme um sie. „Aber mit dir. Mit James. Mit meinen Freunden. Mit allen, die hier zu meiner Familie geworden sind", sagte er leise und sie seufzte genervt.
„Weihnachten ist ein christliches Fest. Ich weiß gar nicht, warum in der Zaubererwelt überhaupt so viel Aufhebens darum gemacht wird", erwiderte sie scheinbar emotionslos.
„Weihnachten ist was?"
„Oh Mann, Sirius! Vielleicht hättest du doch mal Muggelkunde besuchen sollen!"
„Es ist das Fest, an dem man sich gegenseitig reich beschenkt. Ich meine das ist bei den Muggeln nicht anders", erwiderte er eingeschnappt und begann wieder seinen Schokofrosch zu malträtieren.
Anne widmete sich erneut ihrem Aufsatz, nicht ohne entnervt mit den Augen zu rollen.
Sirius fand es blöd, dass sie in den Weihnachtsferien zu Hector reisen wollte, um mit ihm eine dritte Schallplatte aufzunehmen, für die sie schon seit ein paar Wochen fleißig übte. Aber sie liebte Hectors neue Stücke und wenn sie über die Feiertage beschäftigt war, hatte sie keine Zeit, die Weihnachtsfeste ihrer Kindheit zu vermissen, wenn der Graf von Eastwood ein paar Tage zu Hause gewesen war, mit ihr den Weihnachtsbaum geschmückt und gemeinsam am Klavier gespielt hatte und sogar die Gräfin ihre schlechte Laune vergessen und mit glänzenden Augen Geschenke verteilt hatte.
Nichts könnte jemals diese Feste ersetzen, dessen war sie sich sicher, auch wenn Sirius sie gerne vom Gegenteil überzeugen wollte. Aber in dieser Sache blieb sie unerbittlich.
„Hast du schon davon gehört, welchen neuen Streich Prongs und Moony für die Slytherins ausgeheckt haben?"
„Du meinst die Amortentia-Geschichte?", kicherte Anne. Remus hatte mit ihrer Hilfe einen Liebestrank gebraut und ein Haar von Schniefelus hineingetan, das James ihm - wie auch immer er das geschafft hatte - heimlich besorgt hatte und ihn dann in die Teekanne auf dem Slytherin-Tisch geschüttet. Tagelang hatte Snape sich vor liebestrunkenen Verehrerinnen und Verehrern verstecken müssen. Sie hatten allesamt Tränen gelacht.
„Nein, nicht das. Das ist doch ein alter Hut! Nein, die neue Sache wird erst nach den Ferien steigen. Hat was mit Motten zu tun ..."
Anne beendete ihren Aufsatz und begann ihren Tisch aufzuräumen.
„Motten. Hm. Ich würde ja zu gern sehen, wie ihr die Idioten in Mäuse verwandelt und ihnen die Schuleulen auf den Leib hetzt", lästerte sie und Sirius spitzte die Ohren.
„Oder wie ihr es im Gemeinschaftsraum der Slytherins regnen lasst. Oder wie ihr sie alle in Seifenblasen sperrt und die große Treppe hinunterkullern lasst."
„Sowas kannst du?" Erstaunt sah er sie einen Moment lang an.
Sie zog eine verschwörerische Grimasse und wackelte mit den Augenbrauen.
„Vielleicht ..."
„Eine Menge unerlaubter Zauber wären dafür nötig."
„Und? Wo läge dabei das Problem?"
Anerkennend schnalzte er mit der Zunge.
„Gar nirgends. Deine Ideen sind nicht schlecht! Aber erst kommen die Motten dran", meinte er augenzwinkernd.
Am Ende hatte sie sich nicht aufhalten lassen und er hatte die Ferien mit James und Remus im Schloss verbringen müssen, weil James Mutter an ansteckender Doxy-Grippe erkrankt war und sie nicht zu ihm nach Hause durften. Es war ein fantastisches Weihnachten geworden, aber die Mädchen hatten ihnen doch sehr gefehlt.
Heimreise über Paris: Unbreakable von Two Steps From Hell / Thomas Bergersen.
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