21. Kapitel - Warnungen
„Was ist passiert?“, fragte Annabel und sah den Schulleiter fragend an. Dessen Blick richtete sich auf Anne und diese meinte etwas wie Erleichterung darin zu lesen.
„Seht selbst“, sagte er nur und wies auf eines der Betten, die allesamt von Vorhängen und Paravents abgeschirmt wurden.
Annabel eilte voran und Anne ging ihr nach. Entsetzt nahm sie wahr, dass Lily in dem Bett lag, weinend und zusammengekauert wie ein Baby. Ihre Strumpfhose zierten Löcher an den Knien und der Rock war zerrissen und schmutzig.
„Lily!“, entfuhr es ihr vor Schreck lautstark. Dann fiel ihr Blick auf Lilys rechten Arm und ihr wurde es auf der Stelle schlecht. Schwarz und rot gerändert prangte auf der weißen Haut an der Innenseite des Unterarms ein grauenhafter Schriftzug.
Schlammblut
„Bei Merlin!“ Annabel eilte auf Lily zu und besah sich die Buchstaben genauer.
„Das ist mit dunkler Magie geschrieben worden“, berichtete Madam Pomfrey. „Meine Mittel wirken dagegen nicht. Wir dachten, Sie wüssten vielleicht passende Gegenflüche. Miss McDonald hat dasselbe Mal.“
Annabel sah Lily mit Tränen in den Augen ins Gesicht. Was musste dieses liebenswerte Mädchen nur mitmachen, bloß weil ein paar Irre sie für ihre Eltern verurteilten! Dann begann sie alle Gegenzauber zu murmeln, die ihr einfielen.
Anne stand wie gelähmt in der Ecke, bis Dumbledore sie sanft an der Schulter fasste.
„Komm mit“, forderte er sie auf, ging ein Stück weiter und schob sie dezent unter einem Vorhang hindurch. Remus und Sirius saßen dahinter in zwei Betten nebeneinander, ohne Sichtschutz dazwischen .
„Sirius!“, rief sie besorgt und eilte an seine Seite. Sie wollte ihn gern umarmen, zögerte jedoch, als sie sah, dass sein Arm in einer Schlinge lag und seine Unterlippe blutig war. „Was ist Euch denn nur passiert?“, fragte sie fassungslos und warf einen Blick auf Remus, dem ein rot leuchtender Striemen über die Wange verlief und dessen rechte Hand in einen dicken Verband gehüllt war.
„Todesser“, zischte Sirius nur.
Schockiert schnappte Anne nach Luft. „Todesser? In Hogsmeade?!“
Remus lachte bitter auf. „Bis Hogsmeade sind wir gar nicht gekommen!“
Sirius griff nun nach ihrer Hand und sie drückte die seine fest und streichelte tröstend über seinen Arm.
„Was ist mit James? Geht es ihm gut?“, wollte er von ihr wissen.
„Ich ... ich weiß es nicht. Ich hab nur ... Lily gesehen“, antwortete sie und konnte das Zittern in ihrer Stimme nicht unterdrücken.
Sirius seufzte auf und lehnte sich in seine Kissen zurück. „Diese scheiß Arschlöcher...“, brummte er vor sich hin und starrte ausdruckslos in die Luft.
Fragenden Blickes sah Anne zu Remus hinüber, dessen Augen dunkel funkelten.
„Wer hat das getan, Remus“, wollte sie schließlich flüsternd wissen, da kam wieder Leben in Sirius.
„Meine scheußliche Cousine Bellatrix Lestrange und ihre vermummten Kumpanen“, rief er lautstark und zornig. „Die andern beiden habe ich nicht erkannt“, fügte er leise an.
„Drei Todesser? So nah bei Hogwarts?!“
„Wir glauben, dass Mulciber oder Avery sie gerufen haben“, meldete Remus sich zu Wort.
„Als Rache dafür, dass wir sie aufgemischt haben“, zischte Sirius und ballte die Fäuste.
„Warum sollten sie dann Lily und McDonald angreifen?“, stutzte Anne.
„Weil die zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort waren“, seufzte Remus. „Merlin-sei-Dank, dass James unbedingt umkehren wollte. Nicht auszudenken, was die drei sonst mit den Mädchen angestellt hätten!“
„Scheiße ...“, rutschte es Anne heraus.
Wütend stierte Sirius vor sich hin.
„Die Slytherins haben zugesehen und sich daran aufgegeilt. Kannst du dir das vorstellen? Es war furchtbar Anne ... James hat sich sofort vor Lily gestellt. Sie haben ihn mit mindestens zwei Schockzaubern getroffen.“
Anne schreckte auf. „James! Ich sehe gleich mal nach ihm“, rief sie und hastete los, unter dem Vorhang hindurch. Bevor sie nach James suchte, kehrte sie jedoch noch einmal zu Lily zurück. Deren Arm war inzwischen in Mull eingebunden und sie hatte offensichtlich einen Zaubertrank verabreicht bekommen, denn sie schlief friedlich.
Anne schlich weiter zum Bett neben ihr, in dem sie Mary McDonald, ebenfalls schlafend und mit dem gleichen Verband wie Lily vorfand.
Blieb nur das hinterste Bett, ganz in der Ecke. Als sie unter dem Vorhang durchschlüpfte, stockte ihr der Atem. James sah aus, als hätte man ihn zu Brei geschlagen! Das ganze Gesicht war verquollen und blauviolett angelaufen. Hätte sie nicht die abstehenden schwarzen Haare ausmachen können, sie hätte die Person vor sich nicht erkannt. Beide Arme waren verbunden und am Hemdkragen waren Blutspuren zu sehen. Unwillkürlich stöhnte Anne leise auf und schlug die Hände vor den Mund. Als sie sich davonschleichen wollte, um zu den Jungs zurückzukehren, prallte sie unerwartet gegen Dumbledores Brust und zuckte schuldbewusst zusammen.
„Es sieht schlimmer aus, als es ist“, meinte der Schulleiter beruhigend. „Er wird bald wieder auf den Beinen sein. Und ein umschwärmter Held“, schmunzelte er, aber sogleich wurde sein Ausdruck wieder ernst. „Ich bin froh, dass du heute im Schloss geblieben bist. Ich möchte mir nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn die Todesser auf DICH getroffen wären.“
„Ich schon“, zischte Anne wütend. „Ich hätte meine Freunde beschützen können!“
Ernst blickte Dumbledore ihr in die Augen. „Das ist ein edler Gedanke, meine Liebe. Aber die Gefahr, in der DU dich befindest, ist weit größer, als die der anderen.“
„Wie meinen Sie das?“, fragte sie verwirrt.
Dumbledore seufzte. „Uns will er einfach nur vernichten. Dich hingegen will er besitzen“, sagte er schließlich. „Und was er einmal besitzt, setzt er auch ein“, fügte er leise hinzu und versetzte ihr damit einen Stich.
Nicht auszudenken, was sie und ihre Magie in den Händen ihres Vaters für eine Waffe wären! Genau wie das Ministerium es getan hatte, würde Voldemort nach ihrer Macht trachten und sie schlimmstenfalls gegen ihre Freunde einsetzen. Anne atmete tief durch. So weit durfte es auf gar keinen Fall kommen!
Dumbledore merkte, dass seine Botschaft bei ihr angekommen war und nickte ihr wohlwollend zu, bevor er den Krankenflügel verließ.
Niedergeschlagen kehrte sie zu Remus und Sirius zurück.
„Und? Wie geht es James?“, fragte Sirius ungeduldig.
Mitleidig sah sie ihn an und zuckte dann mit den Schultern. „Er schläft. Dumbledore sagt, er ist bald wieder fit“, meinte sie ausweichend, um nicht die Wahrheit sagen zu müssen.
Die Jungen atmeten auf.
„Und Lily?“
„Die schläft auch. Sie haben ihren ... ich vermute Annabel konnte ihr helfen.“ Da fiel ihr noch etwas anderes ein.
„Wo ist eigentlich Pettigrew?“
„Der konnte die Flucht ergreifen, bevor es zu spät war“, sagte Remus und sie blickte angewidert auf.
„Er ist abgehauen?“
„Du sagst das, als wäre es etwas schlechtes.“
Ungläubig sah sie dem Freund ins Gesicht. „Er hat seine Freunde im Stich gelassen! Was genau findest du daran NICHT schlecht?!“
„Er wäre nur krass verdroschen worden, Anne“, mischte Sirius sich nun ein und griff beschwichtigend nach ihrer Hand. „Und irgendjemand musste ja Hilfe holen, oder nicht?“
„Ich fasse es nicht. Ihr verteidigt ihn auch noch... Ich könnte Euch niemals so im Stich lassen!“, fauchte sie.
Sirius lächelte. „Nein, natürlich nicht. Du hättest dich mit uns niederstrecken lassen und lägst jetzt im Bett nebenan“, sagte er leise und brachte sie damit missmutig zum Schweigen.
Im Bett nebenan. Oder in den Klauen ihres Vaters, schoss es ihr durch den Kopf.
Es war zwei Wochen später - ihre Blessuren waren alle abgeheilt, nur auf Lilys Arm war eine unauslöschliche Narbe zurückgeblieben - da konnten Anne und Sirius wieder einmal nach Unterrichtsschluss die Finger nicht voneinander lassen und zogen sich zum Knutschen hinter einen Wandteppich zurück, vor eben dem sich kurz darauf Severus Snape und seine Slytherin Kommilitonen begegneten. Die beiden hielten sofort die Luft an, als sie die verhassten Stimmen ganz in der Nähe vernahmen.
„Hey Sev“, hörten sie Mulciber gackern. „Wie hat es sich angefühlt neulich, zu sehen wie Lestrange die Muggelschlampen gebrandmarkt hat? Hat dich das nicht auch angemacht? Vor allem die Rothaarige, mit der hattest du doch mal was, oder? Muss befriedigend gewesen sein, sie endlich unten liegen zu sehen“, lachte er und Avery reihte sich ein.
„So wird Potter sie niemals sehen, da liegt nur er unten. Unter Schlamm und Abschaum“, amüsierte er sich.
Anne meinte, gleich vor Zorn überzukochen und Sirius blieb ungläubig der Mund offenstehen.
„Die würde ich nicht mal mit Drachenhauthandschuhen anfassen wollen“, hörten sie Snapes leise Stimme zurückgiften und mussten an sich halten, um nicht auszuflippen und sich in ihrem Versteck zu verraten. Sie konnten den tiefen Schmerz nicht sehen, der bei seinen Worten in Severus Augen trat und den Holzköpfen aus Slytherin vollkommen entging.
„Gut gesagt“, meinte Mulciber. „Bis nachher im Gemeinschaftsraum!“
Damit trennten sich die Wege der Jungen und Snape ging alleine weiter den Flur entlang. Anne wollte ihm gerne einen bösen Fluch hinterherjagen, einen der ihn in seinen Umhang einrollen würde oder seine Nase abfallen ließ. Oder noch besser, den Haarausfall-Fluch, den er einst James an den Kopf hatte hexen wollen. Aber Sirius hielt sie zurück und legte den Finger auf seine Lippen um ihr zu zeigen, dass sie schweigen solle. Dann schlichen sie dem verhassten Mitschüler hinterher.
Drei Gänge weiter stieß der, völlig in Gedanken versunken, beinah mit zwei weiteren Schülern zusammen. Es waren Lily und James. Schnell drückten sich Sirius und Anne um die Ecke an die Wand und belauschten das resultierende Gespräch, das entbrannte, als James sich schützend vor Lily stellte.
„Mach dich nicht so wichtig, Potter. Ich tue ihr schon nichts“, zischte Snape und James antwortete umgehend: „Dir würde ich selbst dann nicht glauben, wenn du Veritaserum genommen hättest, Schniefelus.“
„War dir die Begegnung im Wald keine Lehre, dein Maul nicht so weit aufzureißen?“, ätzte Snape und James zog den Zauberstab.
Sein Gegenüber lächelte verächtlich. „Was willst du jetzt tun, Potter? Das Zaubern auf den Gängen ist verboten, solltest du als Schulsprecher da nicht ein gutes Vorbild abgeben?“
Nun hielt es Sirius nicht mehr in seinem Versteck. Mit erhobenem Zauberstab ging er auf das Grüppchen zu.
„Er vielleicht, ich aber nicht“, rief er mit unverhohlener Wut.
Snape grinste. „Ah, Black und sein ... Schlammblut“, zischte er und sah Anne dabei provozierend an, weil er wusste, dass sie genau das nicht war. Dann wanderte sein Blick zurück zu James.
„Du lässt andere für dich die Drecksarbeit machen. Wie erbärmlich! Und schaust du dann geflissentlich weg, wenn Black mich verhext?“ Dabei sah er Lily tief in die Augen, als könnte er sie mit dem Schwachsinn, den er redete auf seine Seite ziehen.
Verunsichert war sie dann aber doch, als er sie bei ihrer Schulsprecher-Ehre packte. Doch dem schob Sirius sogleich einen Riegel vor.
„Wenn sie hört, was du über sie gesagt hast, wird sie ganz sicher darüber hinwegsehen!“
„Was?“ Lily traten Tränen in die Augen. „Was hast du über mich erzählt?“, hauchte sie verletzt.
„Sag es ihr Anne“, befahl Sirius und Anne zuckte zusammen. „Los, sag ihr, was euer alter Freund so von sich gibt.“
„Bist du vom Hippogreif getreten?“, brauste Anne da auf.
„Nein, sags ihr!“ Sie waren inzwischen so nah herangekommen, dass sein Zauberstab Snapes Hals berührte und diesem so unangenehm wurde, dass ihm unter seinem dicken Umhang der Schweiß den Rücken hinablief.
„Was Anne? Was hat Sev gesagt?“, fragte Lily leise und mit zittriger Stimme.
„Das willst du nicht wissen“, zischte Anne.
„Doch, bitte“, flehte die Freundin sie an.
Anne sah Severus mit einem tödlichen Blick ins Gesicht, dann holte sie tief Luft und wiederholte dessen Worte.
„Er sagte, dass er dich selbst mit Drachenhauthandschuhen nicht anfassen würde.“
Nun war es heraus und Lilys entsetzter und grenzenlos enttäuschter Blick schnitt Severus so tief ins Herz, dass er stumm blieb.
„Halt dich fern von ihr“, fauchte James nun und gab Severus einen kräftigen Stoß, so dass dieser über Sirius Füße stolperte und zu Boden ging.
„Wenn ich dich noch einmal in Lilys Nähe sehe ...“, sprach James weiter, aber Lily unterbrach ihn. „Lass gut sein James!“
Damit rauschte sie auf und davon und James beeilte sich, ihr hinterher zu stiefeln.
„Verschwinde“, zischte Sirius Snape bedrohlich zu und der machte sich schleunigst aus dem Staub.
„So ein Weichei“, giggelte Sirius und war sofort wieder bester Laune. Die verging ihm jedoch, als er in Annes streng blickendes Gesicht sah und sie ihm an den Kopf warf: „Du bist so ein blöder Idiot, echt!“
Damit ließ sie ihn stehen und eilte Lily nach.
Nach diesem Vorfall erinnerten James und Sirius Snape jede Woche aufs Neue daran, dass er sich von Lily fernzuhalten habe und unglaublicherweise tat er das sogar.
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