Er hatte sie niemals aktiver oder aufgeweckter erlebt, als in diesen Sommerferien. Es war als hätte der Freispruch des Zaubergamots sie in einen völlig neuen Menschen verwandelt. Ihr Tatendrang war die reinste Freude. Sofort nach ihrer Ankunft hatte sie das Wohnhaus samt Garten und Umland vor fremden Augen versteckt. Ihre Schutzzauber erlaubten es nur jenen Menschen das Haus zu finden, die schon einmal dort gewesen waren.
Damit die Hausdame Marianne nicht deshalb ihre Zukunft in völliger Isolation verbringen musste, hatte sie der überraschten Hausangestellten eine eigene kleine Wohnung in Bakewell gekauft. Außerdem hatte sie den alten Bentley ihres Vaters verkauft und stattdessen einen winzigen Kleinwagen für sie angeschafft.
„Aber ich kann doch gar nicht Autofahren", hatte Marianne daraufhin protestiert, was nur ein müdes Lächeln zur Folge gehabt hatte. „Dann lernen wir es eben jetzt. Beide!"
Anschließend hatten sie begonnen, erst auf der Einfahrt auf und ab zu fahren und danach einen Fahrlehrer angeheuert. Sirius hatte ihre Bemühungen gelinde belächelt, aber sie hatten sich schon bald ausgezahlt, als die beiden Damen als stolze Besitzerinnen von Muggelführerscheinen nach Hause gekommen waren. Und nachdem Anne ihm den Schatz ihres Vaters, ein Motorrad mit Beiwagen in der Garage gezeigt hatte, war er sogar selbst versucht gewesen, den Fahrlehrer aufzusuchen. Stattdessen hatte er eifrig angefangen, das Fahrzeug in seine Einzelteile auseinanderzunehmen und wieder zusammenzubauen und magisch zu vervollkommnen, bis er es nachts wagen konnte, damit Ausfahrten zu unternehmen. Für den Rest der Ferien nahm er sich vor, es so zu verhexen, dass es durch die Lüfte fliegen konnte.
Die Wochen vergingen und nach ihrem erfolgreichen Ausflug nach London kündigte Anne eines Tages an: „Morgen kommen die anderen. Ich habe noch so viel vorzubereiten!" Sie krempelte die Ärmel hoch und eilte zu Marianne, um ihr aufzutragen, was sie einkaufen müsse und was es zu Essen geben solle. Danach ging sie in das im Herrenhaus eingerichtete Hotel hinüber und kam erst eine Stunde später wieder zurück.
„Wie sollen die anderen uns finden? Sie waren noch nie hier. Treffen wir uns im Hotel?", fragte Sirius ratlos.
„Nein!", entgegnete Anne vehement.
„Wo dann?"
„Hier!"
„Hier? Aber, das ist nicht möglich..."
Sie lächelte verschwörerisch. „Oh doch, das ist es. Ich habe für meine Gäste das Zimmer 102 reserviert. Wenn sie ankommen, werden sie vom Hotelpersonal dorthin geschickt."
„Schön, also doch im Hotel..."
Anne strahlte ihn mit stolzgeschwellter Brust an. „In Zimmer 102 liegen einige Bücher auf dem Tisch. Eines davon heißt Dumbledores Geheimnisse. Es hat nur leere Seiten, aber es würde mich sehr wundern, wenn sie ihre Finger davon lassen könnten."
Er grinste und schüttelte ungläubig den Kopf. „Du hast unerlaubte Portschlüssel erstellt!"
„Ach, unerlaubt ist so ein unschönes Wort ... Sagen wir lieber: nicht überwachte Portschlüssel", erwiderte sie glucksend.
***
Kaum waren ihre Freunde angereist, nahm Anne sofort mit Vergnügen wahr, dass Lily und James frisch verliebt wirkten und weder die Augen, noch die Finger voneinander lassen konnten. Endlich!
„Wo ist Peter?", fragte James bei Tisch, als Marianne gerade die Suppe auftrug.
Anne presste die Lippen aufeinander, rührte mit dem Löffel in ihrem Teller mit Pilzsuppe und erzählte dann pikiert, dass Peter ihr geschrieben habe, er könne ihre Einladung nicht annehmen, weil er mit seinen Eltern verreise.
„Das ist eine glatte Lüge", vermutete Remus. „Wormtail und seine Eltern sind noch nie verreist!"
James grinste: „Vielleicht hat er sie ja endlich überzeugen können, der Glückspilz."
Auch Sirius war dieser Meinung. „Wormtail ist ein schlechter Lügner. Es fällt immer sofort auf, wenn er uns anflunkert. Ich glaube ihm."
„Aber ja, Wormy ist einer der ehrlichsten Menschen, den ich kenne", stimmte James zu.
„Wie auch immer", schloss Anne das Thema. „Ich bin ihm nicht böse."
Die anderen schmunzelten verstohlen. Jeder wusste, dass Anne und Peter lediglich durch ihre gemeinsamen Freunde Kontakt pflegten, darüber hinaus jedoch durch nichts verbunden waren. Er war seit jeher eifersüchtig darauf gewesen, wie die reiche, zickige Grafentochter aus dem verhassten Slytherin sich mit scheinbarer Leichtigkeit Liebe und Respekt SEINER Freunde erschlichen hatte und sie wiederum hielt ihn für einen ehrlosen Trittbrettfahrer und ungeschickten Einfaltspinsel. Folglich mochten sie sich nicht besonders und so wunderte es niemanden, dass sie seiner Absage nicht nachweinte. Also ließen sie das Thema fallen und lobten stattdessen Annes ausgeklügelten Portschlüssel-Trick. Maple Court fand bei allen Anklang und Anne freute sich, dass ihr Haus ihnen gefiel.
Nachmittags spazierten sie durch den Garten und weit über die dahinter liegenden sommerlichen Wiesen und Felder. Die ersten waren bereits abgeerntet worden und wurden nun nur noch von goldenen Stoppeln bedeckt. James und Sirius machten sich einen Spaß daraus, sich in ihre Animagi - James in einen stattlichen Hirsch und Sirius in einen zotteligen schwarzen Hund - zu verwandeln und darüber hinwegzugaloppieren, was Lily ungläubig erstaunen ließ. Sie wollte die Verwandlung wieder und wieder sehen und schwor Stein und Bein, dieses Geheimnis für sich zu behalten, wenn sie ihr nur dafür berichten wollten, wie es sich anfühlte im Körper eines Tieres zu stecken.
Anne warf Sirius verschwörerische Blicke zu und als sie schließlich ihre eigene Transformation in einen kleinen Steinkauz vorführte, war nicht nur Lily überrascht.
Alle genossen die Sonne und die sommerliche Wärme, bevor sie über die kräftig zirpenden Wiesen nach Hause zurückkehrten, im Garten ein gemütliches Lagerfeuer entzündeten und sich bei ein paar Bier von ihren Ferien berichteten. Marianne hatte Würstchen und Brote für sie vorbereitet, die sie über dem Feuer rösteten. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich und wieder fiel Sirius auf, wie verändert Anne in den letzten Wochen wirkte. Sie blühte in Maple Court geradezu auf, dabei hatte sie früher kaum von zu Hause erzählt und nie den Eindruck erweckt, die Heimat besonders zu schätzen. Er schöpfte Hoffnung, dass sie hier glücklich werden konnten. Gemeinsam.
„Deine Marianne ist eine wahre Perle", schwärmte James und leckte sich begeistert die Finger ab. „Hättest du eine Hauselfe, die könnte es nicht besser machen."
Anne verzog das Gesicht. „Marianne ist mir tausendmal lieber, als eine Hauselfe! Sie ist frei und bleibt trotzdem hier. Ich werde sie niemals austauschen. Sie wird für mich arbeiten, solange sie mag. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie täte!"
„Anne hat ihr sogar eine Wohnung und ein Auto gekauft. Man stelle sich vor, wir würden das für unsere Hauselfen tun", scherzte Sirius und kassierte sofort einen Seitenhieb von ihr, ließ sich aber davon nicht einschüchtern. „Ich wette, du würdest auch Denca so reich beschenken ..."
„Das würde ich, wenn ich könnte. Sie hat mich schon mehr als einmal gerettet! Aber sie sieht die Dinge anders, als ich."
„Natürlich tut sie das, sie ist eine Hauselfe", lachte James und Anne seufzte verstimmt. Für reinblütige Zauberer schienen diese sklavenähnlichen Wesen das Normalste auf der Welt zu sein.
„Es ist falsch, uns alle unliebsame Arbeit von unfreien Elfen abnehmen zu lassen", beharrte sie. „Meine Hausangestellten werden wenigstens bezahlt."
„Für eine reiche Erbin ist das ja auch unkompliziert", sagte Remus unbedacht und sie hätte ihn beinah mit ihren Blicken getötet.
„Du hörst dich an wie Severus Snape", beschuldigte sie ihn. „Ich gedenke mich nicht auf der faulen Haut auszuruhen, wenn ich mit der Schule fertig bin. Ich werde mein eigenes Geld verdienen. Wenn es mit der Musik nicht klappt, dann eben mit etwas anderem!"
Lily tätschelte ihr besänftigend die Hand. „Ich kann mir gut vorstellen, dass du mit deiner Musik ausreichend verdienen wirst. Ich wünschte, ich hätte auch so ein besonderes Talent."
„Du hast viele Talente, Lily", entgegnete Anne besänftigt und Lily lächelte.
„Ich könnte mir vorstellen später eine Lehrerstelle zu übernehmen."
„Spinnst du?" James war entsetzt. „Das hieße, du müsstest das ganze Jahr in Hogwarts leben!"
Lily grinste beim Gedanken an das alte Gemäuer. „Ich finde, es gäbe Schlimmeres..."
„Und wo bleibe ich?!"
Sie lachte und schmiegte sich an ihn. „Ich sagte ja nur, dass ich es mir vorstellen könnte", beschwichtigte sie und er legte liebevoll seine Arme um sie.
„Ich nicht", gab er zu.
„Marlene McKinnon wird eine Lehrstelle bei Madam Malkin in der Diagonallee annehmen", wusste Sirius zu berichten. Er verstand sich gut mit der platinblonden Hexe, wie Anne schon festgestellt hatte. So gut, dass es ihr manchmal einen eifersüchtigen Stich gab. "Sie will eines Tages ein eigenes Geschäft führen."
„Ich beneide jeden, der schon Pläne und Aussichten hat", gestand Remus und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche.
„Ich habe dir schon oft gesagt, du solltest dich mit James und mir um einen Platz in der Aurorenausbildung bewerben", erwiderte Sirius forsch.
Anne verdrehte die Augen. „Ich kann nicht fassen, dass ihr euch den Unsäglichen anschließen wollt ..."
„Es gibt auch gute Auroren, Anne. Denk nur an Alastor Moody! Frank Longbottom wurde dieses Jahr auch aufgenommen."
„Die sind aber die Ausnahme", blieb sie bei ihrer Meinung.
„Umso wichtiger, dass wir die Anzahl der Guten erhöhen!" Sirius war fest entschlossen.
„James sollte lieber in die Quidditch-Liga einsteigen, damit wäre der Welt mehr gedient", antwortete Anne trocken und alle mussten kopfschüttelnd kichern.
Nachdem das Feuer heruntergebrannt war, machten sie sich müde auf den Weg in die Betten. Anne hatte Sirius zu Beginn der Ferien das Schlafzimmer ihrer Mutter herrichten lassen. Anfangs war er ein wenig beleidigt gewesen, weil sie ihn offensichtlich nachts nicht neben sich haben wollte, aber als sie einmal nebeneinander eingeschlafen waren und er dann mitten in der Nacht von ihrem gequälten Stöhnen geweckt worden war und miterleben hatte müssen, wie sie sich, von Alpträumen geplagt, stundenlang hin und her gewälzt hatte, war ihm bewusst geworden, weshalb sie ihm ein eigenes Schlafzimmer anbot.
James, Remus und Lily bekamen jeder eines der üppigen Gästezimmer für sich. Nur das Schlafzimmer des Grafen hielt Anne zurück. Darin musste alles unverändert bleiben und wenn sie sich darin aufhielt, hatte sie stets das Gefühl, er würde gleich zur Tür hereinkommen.
***
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück brachen sie mit zwei üppig gefüllten Picknickkörben, die sie vor sich herschweben ließen, zu einem kleinen See hinter dem nahe gelegenen Wald auf, der zum Besitz von Maple Court gehörte.
Die Sonne leuchtete vom strahlend blauen Himmel und nach dem anstrengenden Fußmarsch ließen sie sich fröhlich plappernd im Schatten der Bäume am Seeufer nieder. James kam als erster auf die Idee, sich das verschwitzte Hemd vom Leib zu reißen und im See baden zu gehen. Die Mädchen und Remus folgten ihm sofort begeistert in die kühlen Fluten. Sirius zierte sich jedoch und Anne erkannte bald, dass er sich nicht vor den anderen ausziehen wollte. Also schnappte sie sich Remus und sie begannen mit James und Lily eine wilde Wasserschlacht. Fast eine halbe Stunde lang jagten und bespritzen sie sich am Ufer, bevor Remus mit langen Zügen weit hinausschwamm und die anderen ihm begeistert folgten.
Sirius, der im Schatten gedöst hatte, befand nach einer Weile, dass sie nun weit genug entfernt waren, legte unbeobachtet seine Kleider ab und schwamm ihnen nach. Das Wasser des Sees war dunkel und prickelte erfrischend auf der Haut. Nur sein Kopf ragte aus dem Wasser und er holte rasch auf. Anne kam ihm freudestrahlend ein Stück entgegen. In der Mitte des Sees ließen sie sich auf dem Rücken im Wasser treiben und die Sonne ins Gesicht scheinen. Für einen Moment lang fühlte es sich an, als würden sie auf Wolken schweben. Ihre Hände berührten sich zart und Anne warf ihm ein glückliches Lächeln zu. Es war ein unendlich kostbarer Augenblick der Unbeschwertheit, wie sie ihn vielleicht nie wieder erleben würden und wehmütig registrierten sie, dass er vorbei war, als die anderen lärmend und Wasser spritzend zu ihnen zurückkehrten und dem Ufer zustrebten.
„Wer als erster da ist, bekommt die Häppchen mit Lachs", rief James ausgelassen und stürmte voran. Natürlich war er der Erste und tat sich sogleich gütlich an Mariannes appetitlichen Sandwiches.
Anne und Sirius ließen sich viel Zeit und kamen als Letzte ans Ufer geschwommen.
„Ich bringe dir ein Handtuch", wisperte sie ihm zu und lief los, noch bevor er aus dem Wasser war.
Er stieg langsam heraus, darauf bedacht, niemandem den Rücken zu kehren und Anne legte ihm sogleich ein Badetuch um die Schultern. Dankbar zog er sie an sich, streichelte sanft über ihren feuchten Rücken zwischen den beiden Teilen ihres türkisfarbenen Bikinis, bis sie eine Gänsehaut bekam, und küsste sie innig. Er verzehrte sich so sehr nach ihr, dass er sich einen kurzen Moment lang wünschte, die anderen wären nicht da. Aber natürlich blieben die anzüglichen Rufe der Freunde nicht aus und grinsend gesellten sie sich zu deren Picknick.
„Die mit Gurke musst du probieren, sie sind köstlich", schwärmte James.
„Nein, versuch die mit Schinken", warf Remus verzückt ein. „Die mit Lachs hat Prongs schon alle aufgegessen..."
Lachend setzte Anne sich zu Lily, die zufrieden an ihrem Käsesandwich kaute und ihr eine Flasche Wasser reichte.
„Das kann doch wohl nicht wahr sein", beklagte Sirius sich über die Sache mit den Lachsbrötchen und lugte unter den Deckel des zweiten Picknickkorbes. „Ah, da sind doch noch welche!"
James und Remus stürmten rangelnd herbei und stürzten sich auf den Korb. Sirius wich lachend zur Seite. Dabei rutschte das Handtuch von seinen Schultern. Ehe er es aufheben konnte, rief James neugierig: „Padfoot, was hast du da am Rücken?"
Sirius versuchte, sich wieder zu bedecken, aber James zog ihm das Handtuch weg und hielt ihn an der Schulter fest.
„James, nicht!", rief Anne noch, aber es war zu spät.
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