59. Kapitel - Die Wette
„Guten Morgen", tönte es von der Tür her und sie erschrak fürchterlich. So sehr, dass sie instinktiv aufsprang und ihren Zauberstab in der Hand hielt, ehe sie überhaupt nur einen Gedanken fassen konnte.
„Sirius", stöhnte sie, als sie erkannte, wer da entschuldigend lächelnd im Türrahmen stand. Er trug noch seinen Pyjama und das unfrisierte Haar stand wild vom Kopf ab, als wolle er damit James Konkurrenz machen.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken", sagte er amüsiert. „Ich hatte nur etwas gehört und mir Sorgen gemacht."
„Sehr schmeichelhaft, dass du dich sorgst, wenn du meine Musik hörst", erwiderte sie verstimmt.
Gesenkten Hauptes trat er auf sie zu. „So meinte ich das nicht. Es war ein sehr schönes Stück. Ich habe es noch nie gehört, ist es neu?"
Sie schnaubte abfällig. „Das habe ich schon mit zwölf gespielt."
„Nicht für mich."
„Du warst ja mit zwölf auch ein gehirnamputierter, egomanischer Arroganzbolzen!"
Ein fröhliches Lächeln überzog sein Gesicht. „Schön, dass es dir besser geht."
„Hmpf", grummelte sie und schob ein missmutiges, kaum hörbares „Unfassbar" hinterher.
„Anne, du warst einen halben Tag lang weggetreten und hast Blut gespuckt. Ich habe mir so und so Sorgen gemacht."
Nun hatte sie ein schlechtes Gewissen. Er hatte sich wirklich um sie gesorgt und sie war aufgebracht und zog ihn nur damit auf. Hatte sie sich nicht vorgenommen, es diesmal besser zu machen und die Kratzbürste im Schrank zu lassen? Also versuchte sie ein zaghaftes Lächeln, während sie sich wieder setzte.
„Das musst du nicht. Henry hat erwähnt, dass so etwas passieren kann. Was von schwarzer Magie verletzt wird, heilt weniger schnell als gewöhnliche Verletzungen."
Sanft strich er über ihre Schultern, die in einem hellblauen, zart schimmernden Morgenmantel steckten. „Du wirst mich nicht hindern, mich zu sorgen, egal was du sagst. Die Farbe steht dir."
Überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel, ohne eine Diskussion vom Zaun zu brechen, sah sie ihn skeptisch an.
„Was ist aus dem hübschen Nachthemd geworden?"
„Welches hübsche Nachthemd?"
Er grinste verschmitzt. „Das weiße mit den Rüschen."
Sie hob angewidert eine Augenbraue. „Ich weiß nicht, welche Hogwarts-Bewohnerin mir das ausgeliehen hat, aber ich hoffe es verkümmert in den Tiefen ihres Schrankes und erblickt nie wieder das Tageslicht", äußerte sie, ohne eine Miene zu verziehen. „Marianne hat mir inzwischen meine eigenen Sachen geschickt."
„Ich weiß gar nicht was du hast, ich fand es hübsch", kicherte er frech.
„Dann ist es ja gut, dass du nicht meine Garderobe aussuchst", bemerkte sie daraufhin spitz und er schwieg so lange, dass sie schon befürchtete, ihn beleidigt zu haben.
Aber dann meinte er nur lapidar: „Hauptsache nicht schwarz, wie immer."
„Was hast du gegen schwarz? Müsste dir doch eigentlich liegen - als geborener Black."
Diesmal war das darauffolgende Schweigen anders. Sie merkte es an seinem verletzten Gesichtsausdruck und bereute sogleich, was sie gesagt hatte.
„Es tut mir leid Sirius, das war ... nicht angebracht", entschuldigte sie sich leise, aber die tiefe Falte auf seiner Stirn wollte nicht verschwinden. Er wandte sich ab und sie fürchtete, er würde gehen. Sie wollte nicht, dass er ging. Sie wollte, dass er nie wieder von ihr fortging! „Gehst du mit mir ins Bad?", fragte sie ihn unvermittelt.
„Wie bitte?" Verdutzt hielt er in seiner Bewegung inne und drehte sich zu ihr um. Sie wies auf die Tür zum Badezimmer. „Echt jetzt? Du willst mit mir ..."
Sie konnte ihm von den Augen ablesen, dass er mit widerstrebenden Gefühlen kämpfte. Wollte er nicht? Oder war es etwas anderes, das ihn hinderte? Erstaunlich geschmeidig erhob sie sich von der Klavierbank und trat auf ihn zu. Ihm fiel auf, dass das leichte Hinken tagtäglich weniger wurde. Bald würde sie wieder mit Leichtigkeit über die Wiesen und Wege spazieren können. Er freute sich schon darauf, mit ihr am schwarzen See entlang zu schlendern. Aber jetzt stand sie vor ihm und wirkte irgendwie ... ratlos?
„Was?", fragte er, als sie ihn nur aus der Nähe anstarrte, aber nichts sagte.
„Nichts", hauchte sie kopfschüttelnd. „Wenn du nicht willst, musst du natürlich nicht..."
Sie wandte sich ab und erst da registrierte er, dass ihr Gesicht nicht Ratlosigkeit sondern Enttäuschung ausgedrückt hatte. Verdammt, er vergeigte es schon wieder!
„Warte!"
Hoffnungsvoll wandten ihre kristallblauen Augen sich ihm wieder zu und er musste erst schlucken, bevor er weitersprechen konnte. Als würde sie ihm nach all den Jahren immer noch Schmetterlinge in den Bauch zaubern. Oder vielmehr eine ganze Horde Doxys.
„Liebend gern." Sein Mund fühlte sich ganz trocken an. „Es ist nur ...", stockte er und ihr erwartungsvoller Blick ruhte auf ihm.
„Es ist nur was?", fragte sie schließlich verunsichert, als er nicht weitersprach.
„Ich dachte, du wolltest es vielleicht diesmal langsamer angehen."
„Langsamer?" Sie ließ das Wort erst einen Moment lang auf der Zunge zergehen, bevor sie fragte: „Und du meinst damit, dass wir erst wie viele Dates haben sollten, bevor wir zusammen baden können?"
Das Lachen kam über seine Lippen, bevor er es verhindern konnte, und vertrieb die nervöse Spannung, die in der Luft lag. „Keine Ahnung. Fünf?"
Sie hielt verdutzt die Luft an. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und schlurfte wortlos zur Badezimmertür. Bevor sie hindurchtrat hielt sie inne und blickte sich wehmütig seufzend um. Wieder musste er leise lachen.
„Schon gut, ich komm ja mit!"
„Nein!", lehnte sie ab und fügte unschuldig hinzu: „Ich habe nur überlegt ... also ich habe noch niemals jemanden um ein Date gebeten. Wie macht man das?"
Lachend schüttelte er den Kopf, dass die zerzausten Haare nur so umherwirbelten. „Du machst mich verrückt", stieß er hervor, packte sie am Handgelenk und schob sie ins Bad.
Als er die Tür hinter sich schloss, huschte ein gewinnendes Lächeln über ihr Gesicht. Sie zog ihren Zauberstab aus der Tasche ihres Morgenmantels und sperrte ab. Mit einem weiteren Schlenker drehten sich die Wasserhähne auf und ließen das Becken mit schäumendem Badewasser volllaufen. Erwartungsvoll sah sie ihn daraufhin an und er konnte nicht anders, als ihr Gesicht in seine Hände zu nehmen und mit sanften Küssen zu bedecken. Danach ihren Hals und ihr Dekolleté. Er schob den seidigen, blauen Morgenmantel über ihre Schultern und küsste auch diese. Ganz zärtlich. Ganz langsam.
Sie hob die Hände und öffnete die Knöpfe seines königsblauen Pyjamahemdes. Stück für Stück legte sie seine Brust frei, strich zärtlich über seine von feinen Härchen bedeckte Haut, bis er wohlig schauderte. Er legte die Hände auf ihre Schultern und drehte sie herum, streifte ihr langes Haar beiseite und küsste ihren Nacken bis hinab zu den Schultern. Der Morgenmantel rutschte zu Boden und sie stand vor ihm in einem ebenso zartblauen Negligé mit feinen Trägern und durchsichtiger Spitze am Saum. Seine Finger erspürten das raue Stück Haut, das dunkel verfärbt noch immer von der Vernichtung ihres Destruianten zeugte und sein Daumen zeichnete vorsichtige Kreise darauf. Dann streifte er die dünnen Fäden von ihren Schultern und schob das Kleid ein Stück herab. Er stoppte unwillkürlich und sog entsetzt die Luft ein, als er die frischen Narben von Voldemorts Hieben auf ihrem Rücken berührte.
Als sie sein Zögern bemerkte, wandte sie sich ihm zu und forschte in seinem stahlgrauen Blick nach seinen Gefühlen. Er sah ihr in die Augen, fand aber keine Worte für das, was er empfand.
„Findest du sie abstoßend?", fragte sie leise und unsicher. Er war vollkommen perplex.
Sie schluckte schwer und Tränen traten in ihre Augen. Sein Atem ging stoßweise. Er fasste es nicht, dass sie vor ihm stand und sich schlecht fühlte, weil ihr Widerling von einem Vater sie so grausam gezeichnet hatte.
„Hast du mich gerade gefragt ...? Anne!"
Sie zog ihr Kleid wieder nach oben und trat einen Schritt zurück, die Arme schützend um sich selbst gelegt und den Blick beschämt gesenkt.
Er ging ihr nach, aber sie zuckte zurück.
„Du solltest jetzt gehen", hauchte sie nervös.
Sein Blick durchbohrte sie, wie ein Speer. „Erinnerst du dich an den Nachmittag oben auf dem Glockenturm?"
Sie antwortete nicht, sondern schaute nur mit verschlossener Miene zu Boden.
„Erinnerst du dich?" Seine Stimme nahm einen drängenden Tonfall an. Angstvoll schaute sie ihn von unten herauf an, wie er sich stark und beschützend vor ihr aufbaute. „Anne", rief er sie an und fasste erneut ihre Schultern, dass sie furchtsam zusammenzuckte.
Bevor sie sich vollkommen zurückziehen konnte, nahm er sie fest in seine tröstenden Arme und drückte sie an seine warme Brust unter der sein Herz heftig und aufgeregt raste.
„Bei Merlins Bart. Du bist doch damit nicht allein!"
Nein, sie war nicht allein. Und er auch nicht. Sie waren beide von ihren Eltern verraten und verletzt worden. Jeder für sich. Aber sie hatten einander.
***
An diesem Vormittag ließ er sie dann doch alleine baden. Sirius ging unterdessen auf sein Zimmer, kleidete sich an und kehrte zurück, um sie zu ihrem ersten Date zu erwarten, einem Frühstück zu zweit. Sie war tatsächlich nervös, als sie fertig frisiert und angezogen aus dem Badezimmer trat und er von seinem Platz aufsprang, um sie galant zum gedeckten Tisch zu begleiten. Als er ihr den Stuhl zurechtrückte, musste sie kichern und das freudestrahlende Lächeln wollte für den Rest des Frühstücks nicht mehr aus ihrem Gesicht verschwinden.
„Ich wusste nicht, dass du so perfekte Manieren besitzt", stichelte sie. „Du hast sie mir bisher noch nie gezeigt."
„Oh, ich hab noch ganz viel, was ich dir zeigen kann", tönte er großspurig. „Aber dafür musst du mir etwas von dir erzählen."
Ungläubig blieb ihr bei seinen Worten der Mund offenstehen.
„Schön", erwiderte sie schließlich. „Was möchtest du wissen?"
Er taxierte sie einen Moment lang, dann fragte er: „Welche ist deine Lieblingsfarbe? Und jetzt sag nicht schwarz!"
„Warum nicht?"
„Weil schwarz keine Farbe ist."
„Was?"
„Schwarz ist keine Farbe. Schwarz ist nur die Abwesenheit von Licht. Nichts weiter."
„Hasst du es deshalb?"
„Ich hasse schwarz nicht. Ich mag nur andere Farben lieber. Und ich frage mich, welche Farbe du am liebsten hast. Ich kann mich nicht erinnern, dass du mir das jemals verraten hättest."
Er bedachte sie mit einem Hundeblick, der sie auch ohne seine gefühlvollen Worte zum Schmelzen gebracht hätte.
„Blau", antwortete sie schließlich verlegen und griff nach der Teekanne. Bedauerlicherweise gab es keinen Kaffee. „Azurblau. Kornblumenblau. Royalblau. Kobaltblau ... Blau", erklärte sie und nahm einen Schluck Tee. „Und du?"
„Bordeaux-Rot", antwortete er wie aus dem Zauberstab geschossen.
„Bordeaux-Rot?"
„Ja. Da du sämtliches Blau für dich beanspruchst, ist es Bordeaux-Rot."
„Nein, du wolltest nicht blau sagen! Blau ist nicht deine Lieblingsfarbe..."
„Erst seit ich dir zu tief in die Augen geschaut habe", gestand er grinsend.
„Sirius Black! Du bist ein widerlicher, egozentrischer Dummschwätzer! Ich werde mich hüten, mich auf ein weiteres Date mit dir einzulassen!", rief sie lachend und schleuderte ihm ihre Serviette entgegen.
Er zog eine bedauernde Grimasse. „Ich wusste, du würdest dich dafür rächen, dass ich den Kaffee unterschlagen habe. Aber ich werde dich so lange um ein weiteres Date bitten, bis du nicht mehr anders kannst, als ja zu sagen."
„Pfff ... Das wollen wir erst mal sehen!"
„Wollen wir wetten?"
„Du würdest verlieren!"
„Gut, dann schlag ein." Er hielt ihr seine Hand hin.
Sie zeigte mit dem Finger auf ihn. „Wenn du mich bis Ende Juli nicht zu einem Date überredet hast, wirst du mir einen Monat lang jeden Morgen Kaffee ans Bett bringen."
„In Ordnung."
Sie reichte ihm die Hand, ohne seine Bedingungen abzuwarten. Er grinste von Ohr zu Ohr.
„Wenn du verlierst, werde ich einen Monat lang die Farbe deiner Garderobe auswählen."
Die Kinnlade fiel ihr herunter. „Bist du vom Murtlap gebissen?", rutschte es ihr heraus, als sie bis an die Haarwurzeln erbleichte.
„Du hast schon eingeschlagen", erinnerte er sie mit diebischer Freude.
In ihren Augen blitzte es gefährlich auf.
„Dann werde ich ganz bestimmt nicht verlieren", murmelte sie verbissen und sein Grinsen wurde noch fröhlicher.
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