Part 56
Ich drücke mich noch etwas näher an Sam dran, obwohl das auch nichts mehr bringt.
Jaron drückt den Öffner für die untere Türe und öffnet auch gleich die Wohnungstüre.
Die vielen schweren Schritte auf der Treppe hallen im ganzen Treppenhaus nach und lassen mir die Haare zu Berge stehen.
Die Armee der Finsternis ist auf dem Weg!
Es dauert eine halbe Ewigkeit und doch nur einen kurzen Wimpernschlag, bis ich Toms Stimme an der Türe höre:
"Morgen. Ich bin Tom. Haben wir miteinander telefoniert?"
"Morgen. Ja, ich bin Jaron. Kommt doch rein!"
Die Schritte nähern sich und ich bin nicht mehr fähig meine Spucke zu schlucken.
Mein zittern verstärkt sich und mein Tränenfluss gleicht den Niagarafällen.
"Morgen Jaron. Ich bin Alex"
Ooooooh. Tom hätte nun wirklich gereicht!
"Morgen. Ich bin Franco"
Die Schritte stoppen nicht weit von mir entfernt, aber anscheinend Knöpfen sie sich erst Leo vor.
"Schau mich mal an Leo!" Alex Stimme ist dunkel und voller Zorn, während man von Leo keinen einzigsten Ton hört.
"Dem Geruch und den Augen nach haben wir wohl eine schöne Tüte gezogen, was?"
Ich frage mich, ob man Menschen direkt durch Worte töten kann... wenn ja, ist Leo jetzt tot.
Die Schritte die jetzt zu hören sind, stoppen direkt vor Sam und mir und ich bin mir ziemlich sicher, das mein Herz einige Schläge aussetzt.
"Zoey? Schau mich bitte an! Jetzt!" Toms Stimme ist belegt mit so großer Wut, wie ich es noch nie gehört habe, und ich traue mich gar nicht ihm in die Augen zu schauen.
"Wirds bald?"
Ich hebe im Schneckentempo meinen Kopf und schaue ihm ganz kurz in die Augen.
Wenn mich nicht alles täuscht, sieht man die Stichflammen in seinen Augen lodern.
"Aufstehen und mitkommen!"
Sam löst seine Umarmung und entlässt mich in den real gewordenen Albtraum, der gerade erst in Fahrt kommt, mir allerdings jetzt schon mehr als genug ist.
Mehr schlecht als recht stehe ich vom Boden auf und umarme noch schnell Jaron.
"Ja, verabschiede dich richtig. So schnell wirst du Niemanden mehr zu Gesicht bekommen!" Tom stapft wütend zur Türe raus und ich bin mir nicht sicher, ob ich den Weg zum Auto überhaupt schaffe.
"Sorry Jaron. Machs gut!" mit schluchzender Stimme verabschiede ich mich von meinem Blondi und schaue zu, wie Alex Leo, mit einem festen Griff am Arm, schon förmlich abführt.
"Was hast du schon wieder an und wo sind... ach" Franco winkt mir ab und schiebt mich am Rücken ins Treppenhaus.
Das Patschen meiner nackten Füße auf den Steintreppen ist das einzigste was neben Francos lauten Stampfen zu hören ist.
Vor dem Haus läuft schon der Motor von Toms Wagen.
In mir sträubt sich alles und ich würde am liebsten in irgendeine Richtung davonrennen.
"Na los, einsteigen jetzt" Franco öffnet die hintere Türe und drückt mich auf die Rückbank. Zum Glück dient Leo als Puffer, denn der sitzt zwischen mir und Franco.
Als Franco auch endlich im Auto sitzt fährt Tom los.
Meine kompletten Muskeln sind auf Spannung, meine Augen schmerzen so sehr vom vielen heulen und mein Körper ist der Inbegriff eines Eiswürfels.
Momentan beneide ich Leo um sein benebeltes Gehirn und würde einiges dafür geben um mit ihm zu tauschen.
Je näher wir unserem Zuhause kommen, desto schneller klettert die Magensäure meinen Hals hinauf und ich schaffe es nur unter Mühe und Not meinen Würgereiz zu unterdrücken.
Als Tom den Wagen anhält, breitet sich ein dumpfes Gefühl in meinem Magen aus und ich bekomme wahnsinnige Angst.
"Hopp, raus!" Alex hält mir die Türe auf, worauf ich aussteige und wie ein Häufchen Elend mitten auf dem Gehweg stehe.
Vielleicht kommt jetzt ein Fahrradfahrer und fährt mich gnädiger Weise komplett über den Haufen.
Oder es kommt ein Mann angesprungen und entführt mich kurzer Hand.
Ganz weit weg.
Australien oder Antarktis oder so.
Leider passiert nichts dergleichen, lediglich Alex schiebt mich etwas auf die Seite um Leo aus dem Auto zu ziehen.
Tom steht schon vor der Türe und schließt sie auf, während Franco an meiner Seite auftaucht und mich Richtung Haustüre schiebt.
Meine Füße werden schwer wie Blei, denn noch nie ist es mir so schwer gefallen durch diese Türe zu treten, wie heute.
Im Inneren trifft mein Blick auf einen bitterbösen Stephan, der seine Finger krampfhaft um seine Kaffeetasse gelegt hat.
Tom lehnt im Türrahmen der Küche und beobachtet uns mit seinem scharfen Blick, als Leo neben mir abgestellt wird.
Franco und Alex gesellen sich zu Stephan an den Tisch.
Alex starrt mehr Leo an als mich, während Franco seine Stirn in eine seiner Hände ablegt.
Es ist nicht die Angst vor der Wut, die mich momentan innerlich auffrisst.
Es ist die Enttäuschung der Männer, die mich in meinem dunklen Sturm der Gefühle untergehen lässt.
"Was habt ihr euch dabei gedacht?" Tom ergreift das Wort und ich senke automatisch meinen Blick auf den Boden.
Meine Lippen sind zusammengeklebt, meine Gesichtsmuskulatur wie gelähmt und meine Stimme hat ihre sieben Sachen gepackt und das Weite gesucht.
"Weist du eigentlich, dass das halbe Revier nach dir gesucht hat, Fräulein? Wir hatten verdammt nochmal Angst, das du irgendwo zusammengebrochen bist und wir dich nicht rechtzeitig finden! Moritz ist fertig mit den Nerven! Aber so richtig!" Stephan's Ton ist konstant bedrohlich an mich gerichtet und ich könnte mir vorstellen, dass das die Stimme ist, die er für das Verhör von Schwerverbrecher verwendet.
"Was habt ihr an den Worten Hausarrest und Partyverbot nicht genau verstanden, hmmm? Also, nur um mal mit dem geringsten Problem anzufangen..." Alex' provozierenden Blick kann ich schon an der Stimme raushören und ich warte nur auf das Geschrei von Tom.
"Seit wann kiffst du Leo?" Franco mischt sich bei den eher unverfänglichen Fragen ein.
Ich spickle aus dem Augenwinkel kurz zu Leo, der grinsend mit den Schultern zuckt.
Das darf doch nicht wahr sein....
Jaaaa, kipp nur noch mehr Benzin inst Feuer!
"LEO?" Tom fixiert Leo mit einem Tötungsblick, jedoch reagiert Leo immer noch nicht!
"LEONARD BRITZ KÖNNTEST DU ETWAS GÜTE BESITZEN UND MIT DEINEM DUMMEN GRINSEN AUFHÖREN? AM LIEBSTEN WÜRDE ICH DICH WIRKLICH GERNE GEGEN DIE WAND KLATSCHEN, ICH FASSE ES NICHT WIE DU SO IGNORANT DASTEHEN KANNST UND NICHT EINMAL DEN ANSATZ VON REUE ANS TAGESLICHT BRINGST"
Jaaaa, der Orkan Tom hat annähernd die apokalyptischen Ausmaße einer Atomreaktorexplosion erreicht und momentan traue ich mich kaum zu atmen, da ich Angst habe, das mein Herz durch meinen geöffneten Mund die Flucht ergreift.
Leo zuckt nicht mal mit der Wimper und ich mache mich schon darauf gefasst, morgen neuen Putz an die Wand anzubringen, da Tom Leo bestimmt mit voller Wucht gegen die Wand schleudert.
Die Haustüre öffnet sich unerwartet, was mich übelst zusammenzucken lässt und wird kurz darauf mit einem Ohrenbetäubenden Lärm zugedonnert:
"Naaaa, tolle Nacht gehabt? Ich für meinen Teil schon! Ich hab die halbe Stadt nach unseren verschollenen Kindern abgesucht und mir ausgemalt, wie das weibliche Kind irgendwo am Straßenrand liegt und einen Herzstillstand wegen Unterkühlung erleidet!" Phil stampft an uns vorbei, ohne auch nur einen Blick auf uns zu werfen und geht in die Küche um sich einen Kaffee zu machen.
Meine Nase kitzelt und kündigt somit die nächste Tränenfront an.
"Also, als erstes Handys her. Die werden auf unbestimmte Zeit eingezogen!" Stephan streckt die Hand zu uns aus und wartet auf irgendeine Reaktion.
Leo scheint in einer anderen Welt zu sein, denn er reagiert überhaupt nicht...
"Meins ist oben!" ich nuschle so leise das wohl keiner etwas verstanden hat:
"Du musst schon lauter reden! Sonst hast du doch auch immer so eine große Klappe, wo ist die denn plötzlich hin?"
Stephan hab ich noch nie so wütend erlebt....
Mit einer etwas lauteren Stimme wiederhole ich meinen Satz und werde darauf aufgefordert, mein Handy runter zu holen.
Ich schleiche schon eher den Weg in mein Zimmer hoch, stark bemüht keinen einzigsten Muckser von mir zu geben.
"Na komm, ein bisschen schneller! Heute Nacht hast du doch gezeigt wie schnell du sein kannst!" Die Worte schlagen schwer in mein Herz ein und ich bemühe mich meine Füße etwas schneller zu bewegen.
In meinem Zimmer angekommen, finde ich mein Handy sofort auf meinem Bett und schreibe noch schnell eine Nachricht in den Gruppenchat, nachdem ich das Fenster mit der Info von 47 verpassten Anrufen gelöscht habe:
>> Wir müssen unsere Handys abgeben. Sorry Leute.. bis irgendwann! <<
Schnell schalte ich noch mein Handy aus und mach mich wieder auf den Weg nach unten.
Neben Leo angekommen, fummel ich sein Handy aus der Hosentasche und überreiche Stephan beide Handys.
"Ich bin maßlos enttäuscht und stinksauer! Nicht nur das ihr euch unseren Verboten wiedersetzt habt und euch heimlich rausgeschlichen habt, nein.... Leo kifft, Zoey säuft und übertrifft sich nebenher noch selbst und versetzt alle in Angst und Panik und fordert das ganze Revier und die halbe Wache. Wart ihr zufällig noch im Bootshaus?"
Tom redet sich wieder mehr und mehr in Rage.
Wenn er so weiter macht ergänz sich sein Farbspektrum in Gesicht, noch um die Farbe Lila.
"Nein, wir sind durch die Straßen gezogen!" wenn ich Tom das mit dem Bootshaus auch noch sage, schlägt er mich womöglich noch k.o..
"Wessen Klamotten sind das und wo gottverdammt sind schon wieder deine Schuhe?" Toms Stimme bekommt wieder mehr Volumen.
"Die Klamotten sind wie immer von Jaron... Meine Schuhe musste ich zum rennen ausziehen. Es waren aber nich die neuen...." meine Atmung geht schon stockend und meine Sicht wird langsam aber sicher verschwommen.
"Ich denke du hast keine anderen Schuhe?" wirft Franco jetzt ein, worauf ich innerlich mit den Augen rolle.
"Hab ich auch nicht. Hab mir welche ausgeliehen..." meine Finger zupfen fröhlich meine Nagelhaut ab und ich hoffe sehr das Tom jetzt endlich mal die blöden Schuhe vergisst.
"Von wem? Die sollten wir schließlich ersetzen!"
"Ich mach das dann schon!" meine Augenbrauen ziehen sich zusammen, während ich mich selbst ermahne, weiterhin neutral zu bleiben.
"VON WEM SIND DIE SCHUHE?" Tom duldet wohl meine Eigeninitiative nicht und bohrt weiter.
"Rebekka" ich schiebe noch einen kleinen Seufzer hinterher und hoffe das er es eher als positiv ansieht, das die Schuhe von ihr waren, als von irgendjemand anderen.
"Ich schätze mal nicht, das du sie gefragt hast, ob du dir die ausleihen kannst... wieder so ein Thema....." Tom wandert in die Küche um sich einen Kaffee zu holen.
Ich traue mich, kurz einen Blick auf die schweigende Tischfront zu werfen und treffe genau auf Alex' Blick.
"So, zum ersten zieht Leo vorübergehend ins Gästezimmer, damit ihr euch räumlich getrennt Gedanken über euren Bockmist machen könnt. Dann, liegen heute abend hier auf dem Tisch deine Schulaufgaben. ALLE! Und zwar erledigt!" Alex drückt seinen Finger auf die Tischplatte, damit ich den genauen Ablageplatz abspeichern kann.
Tom erscheint wieder an seinem Türrahmen:
"Desweiteren hast du auf unbestimmte Zeit Hausarrest! Du gehst nirgends hin und es kommt auch niemand her! Und für Leo gilt genau das gleiche! Und jetzt möchte ich eine Erklärung für das ganze haben und zwar dalli!"
Schon wieder Hausarrest...
"Was soll ich denn noch sagen.. Es tut mir leid..." ich weiß nicht was Tom erwartet, aber mehr als entschuldigen fällt mir nicht ein.
"ES TUT DIR LEID? MEHR FÄLLT DIR NICHT EIN? WAS IST NUR FALSCH GELOFFEN DAS IHR BEIDEN SO DERMAßEN ABDREHT? GEHT MIR AUS DEN AUGEN, ICH WILL EUCH HEUTE NICHT MEHR SEHEN!" Toms Kopf scheint bald zu platzen, die rote Farbe erreicht in wenigen Sekunden seinen Haaransatz und mich würde es nicht wundern, wenn die Farbe auch noch auf seine Haare überspringt.
Meine Tränen haben es jetzt geschafft über das Augenlid zu kullern, während meine Unterlippe erbarmungslos zuckt.
"Es tut..." schluchzend möchte ich ihm nochmal mitteilen, das es mir wirklich leid tut, anscheinend hat er aber wirklich die Schnauze voll:
"NEIN! ICH WILL JETZT NICHTS MEHR HÖREN! DU GEHST JETZT DUSCHEN UND DANN IN DEIN ZIMMER UND LEO GEHT SOFORT HOCH INS GÄSTEZIMMER!" Tom atmet einmal schwer auf und setzt sich zu den anderen Männern an den Tisch.
Keines Blickes werden wir mehr gewürdigt.
"A-aber..."
"Zoey, lass jetzt gut sein. Du hast gehört was Tom gesagt hat! Geht jetzt!" man könnte meinen Phil redet mit seinem Kaffee, aber ich bezweifle das er den Namen Zoey trägt.
Leo steht immer noch gleich da, wie am Anfang.
Da er keine Anstalten macht sich zu bewegen, will ich ihn eigentlich die Treppen ins Gästezimmer hochschieben, werde aber von Franco ausgebremst:
"Ich mach das schon, geh duschen!"
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