Part 64
Großeinsatz und ich als Praktikant mittendrin, na super!
"Zoey, du kommst mit mir mit!", Linus packt mich an der Hand und zieht mich durch die umherrenenden Hilfskräfte hindurch, direkt zu einem Auto, das ziemlich abseits steht.
"LINUS! PASS MIR AUF MEIN MÄDCHEN AUF!", ich traue meinen Ohren kaum, als ich Toms Stimme höre.
Auch Herr Hoffmann scheint etwas irritiert und bleibt abrupt stehen.
Um seine Augen bilden sich kleine Fältchen, als er sie kaum merklich zusammenkneift.
Komischerweise herrscht jetzt keine Eile mehr.
Linus steht stocksteif da und scheint zu überlegen, was er sagen soll.
Bevor sich sein Mund öffnet, trifft mich sein eiskalter Blick.
"Was ist denn?" , frage ich ängstlich, doch das scheint den Notarzt nur zu amüsieren, denn dessen Mundwinkel beginnen zu zucken.
"Linus?", da mir die ganze Situation plötzlich mehr als komisch vorkommt, versuche ich meine Hand aus seinem Griff zu lösen, doch Herr Hoffmann lässt das nicht zu und verstärkt den Druck um mein Handgelenk.
"NATÜRLICH, TOM!"
Nach seiner Antwort, dreht sich der Notarzt wieder in die Richtung des zuvor anvisierten Unfallwagens und zieht mich unsanft hinter sich her.
Mein Handgelenk brennt wie Feuer, doch ich traue mich nicht, irgendetwas zu sagen.
"Du kletterst von der Beifahrerseite rein! Na los!", der plötzlich harsche Umgangston kratzt leicht an meiner Empfindsamkeit, aber ich rede mir einfach ein, dass das während eines Einsatzes ganz normal ist.
Als ich auf dem Beifahrersitz ankomme, hantiert Herr Hoffmann schon am linken Arm des Verunfallten herum, aber irgendetwas stimmt nicht.
Es ist ruhig.
Zu ruhig.
"Gib deine Hand und halte das Tuch auf den Arm!"
"Sag mal, lebt der Mann überhaupt noch? Sein Brustkorb bewegt sich nicht. Du musst doch zuerst überprüfen, ob er atmet und Puls hat!", wenn beides nicht vorhanden ist, bin ich mir sicher, dass ich keinerlei Wunden mehr abdrücken muss.
"WILLST DU MIR ERZÄHLEN, WIE ICH MEINEN JOB ZU MACHEN HABE?"
Erschrocken weiche ich zurück und starre den sonst so friedlichen Notarzt mit weit aufgerissenen Augen an.
"Gib jetzt deine verdammte Hand!"
So wie es sich anfühlt, ist der Pulsschlag des Mannes in meinen Körper geflüchtet, denn es scheint, als würde mein Herz die Schläge doppelt so intensiv durch meinen Körper hämmern.
Schwer schluckend reiche ich Linus meine zitternden Hand, die er sofort entgegennimmt und auf dem Arm des von mir totgeglaubten platziert:
"Du musst jetzt fest zudrücken und ganz still halten!"
Meine Augen verfolgen jeden Handgriff des Retters und lassen nicht einmal ein Blinzeln zu.
Als Linus eine Spritze aus der Hosentasche zieht, legt er ein gruseliges Grinsen auf und drückt den Inhalt so weit nach vorne, bis ein paar Tropfen der Flüssigkeit aus der Spitze hervortreten:
"Liebe Grüße von Papa. Er freut sich auf ein Wiedersehen mit dir!"
Mir entgleisen jegliche Gesichtszüge, als mir die gesagten Worte bewusst werden.
"Nein! TOM!", ich bin nicht mehr fähig mich zu bewegen, mein Körper fühlt sich durch die alles überflutende Angst fast schon versteinert an.
Mir bleibt nur noch das Schreien übrig und die Hoffnung, dass Tom mich hört und mir hilft.
"Was will dieser Tom schon ausrichten?", fragt der Notarzt, während er meinen Arm festhält und sich mit der Spritze nähert.
"TOM! HILF MIR!"
Kurzzeitig tritt eine Erleichterung ein, da ich seine Stimme hören kann:
"Ich bin da, Zoey!"
"TOM?"
"Ja, ich bin da!"
Da ich ihn nirgends sehen kann, gerate ich aber allmählich doch wieder in Panik und versuche Linus' Griff von meiner Hand abzuwehren.
Leider ist der Blondschopf viel zu Stark für mich, was mich an den Rand der Verzweiflung treibt:
"TOM? TOOOOM? HILF MIR!" Diese Worte schreie ich so laut ich nur kann, wobei mir fast die Stimme versagt.
Nur einen Bruchteil einer Sekunde später, spüre ich einen festen Griff um meinen Körper, der das Bild des Notarztes, mit Spritze in der Hand, langsam verblassen lässt.
"Ich bin da! Mach die Augen auf, Zoey!"
Als ich meine Augen öffne, klebe ich mit meinem Rücken direkt an Toms Körper und meine Augen vernehmen Phil direkt vor meiner Nase:
"Hey, es ist alles in Ordnung! Du hast nur geträumt!"
Um mich zu vergewissern, dass das stimmt, drehe ich meinen Kopf prüfend in alle Richtungen und scanne die Umgebung.
Tatsächlich scheint kein Herr Hoffmann anwesend zu sein und ich alles nur geträumt zu haben.
Die Anspannung verlässt langsam meinen Körper, was auch meinen Hintermann dazu animiert seinen festen Griff um mich zu lockern.
"Du bist in Sicherheit, Prinzessin! Alles gut!" Tom drückt meinen Hinterkopf gegen seine Brust und umklammert mit der freien Hand meine eiskalte linke.
Es verstreichen ein paar Minuten, in denen ich versuche, mich wieder zu sammeln und niemand ein Wort verlauten lässt.
Was war das denn bitte?
Drehst du jetzt völlig durch?
"Weißt du noch was du geträumt hast?" Phil streicht mir über den Kopf und unterbricht mit seinen Worten die Stille.
"Ich... Nein...", ich kann den Männern diesen Traum jetzt nicht unter die Nase reiben, da ich mir sicher bin, dass sie mich dafür gleich in eine Anstalt einweisen werden.
Vermutlich war nur die Aussicht auf den morgigen Tag und dann auch noch das Praktikum etwas zu viel für meine Fantasie.
Das wiederum bestärkt mich darin, den Geburtstag irgendwie zu umgehen und darauf zu hoffen, dass Leo und Sam mir morgen endlich eindeutige Beweise liefern.
Sollte es sich bei Linus' Frau tatsächlich um Katrin handeln, ist das Thema eh erledigt, denn dann werden mich die Männer so oder so von der Gefahrenquelle abschotten.
Falls es jedoch eine ganz andere Person ist, die nichts mit meiner Vergangenheit zu tun hat, beruhigt sich mein Gemüt hoffentlich und lässt es endlich zu, mit Linus Frieden zu schließen, denn so ein schlechter Mensch ist er eigentlich gar nicht.
"Zoey? Über was denkst du nach?" Phil fuchtelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum und versucht, meine Aufmerksamkeit zu erlangen.
"Nichts. Ich bin nur müde!", um die Glaubwürdigkeit zu untermauern, gähne ich lauthals auf und kuschele mich an Tom an.
Die Herren tauschen vielsagende Blicke aus und ich weiß ganz genau, dass sie denken, dass mir die Verfolgung der vier Typen zu schaffen macht.
Das mich das nicht die Bohne interessiert ist anscheinend nicht bei ihnen angekommen, aber es ist den beiden nicht zu verübeln, da sich dieser Vorfall als optimale Alptraum Vorlage bietet.
"Du schläfst heute bei mir, okay?", auf Toms Worte hin, nicke ich nur vor mich hin und schließe wieder meine Augen, da ich keine Lust auf irgendwelche Gespräche habe.
"Dann gehe ich mit Zoey jetzt hoch. Hast du morgen früh ein Auge auf sie? Ich muss arbeiten..."
"Klar, keine Sorge. Wenn heute Nacht irgendetwas sein sollte, dann sag bescheid!"
Kaum hat Tom eine Bestätigung über die Lippen gebracht, erhebt er sich mit mir in die Lüfte und trägt mich die Treppen nach oben.
Als wir zusammen gekuschelt im Bett liegen, streicht Tom immer wieder mit seiner Hand über meinen Kopf und scheint selbst nicht in den Schlaf zu finden.
Mir ist es total Unrecht, dass er sich unnötige Sorgen macht, aber aufklären kann ich diese Sache jetzt keinesfalls.
"Zoey? Vielleicht sollten wir nochmal in aller Ruhe über den Vorfall sprechen. Du kannst auch mit Rebekka darüber reden, wenn du willst", flüstert er fast schon in mein Ohr, worauf ich nur ein leises "okay" von mir gebe.
Es dauert noch eine ganze Weile, bis ich wieder in den Schlaf finde, da ich mir immer wieder Gedanken mache, wie ich den morgigen Tag umgehen kann.
Die einzige Option, die mir einfällt, ist tatsächlich Rebekka.
Vielleicht kann ich mich morgen bei ihr einnisten und dann gleich nach ein paar Tipps fragen, wie man sich mit einer einst unliebsamen Person anfreunden kann.
Ich bin jetzt einfach mal zuversichtlich, dass Karin wirklich nicht Katrin ist und versuche mich auf einen neutralen Umgang mit Herrn Hoffmann einzustellen.
"Hey Zoey! Zeit aufzustehen!"
"Viel zu früh!", murre ich vor mich hin und drehe mich auf die andere Seite, um der körperlichen Präsenz zu entkommen.
"Wir haben es kurz vor Mittag!", lacht Oli und durchflutet das Zimmer mit Tageslicht, indem er den Rollladen nach oben zieht.
Ich fühle mich, als wenn ich nur zwei Stunden geschlafen hätte und ziehe mir deshalb auch gleich die Decke über den Kopf, um vielleicht doch noch etwas im Bett liegen bleiben zu können.
"Na komm. Franco kocht gerade und muss bald zum Dienst. Wäre doch schön, wenn wir dann zusammen essen würden, mh?", mit einem Ruck entfernt sich die Bettdecke von mir, was mich sofort frösteln lässt:
"Mh. Komme gleich!"
"Nein, jetzt. Du stehst sonst eh nicht auf!", der Herr Notarzt lässt sich auf der Matratze nieder und streicht mir ein paar Mal über den Rücken:
"Geht's dir soweit gut?"
"Nö, ich bin noch müde!"
"Das meine ich gar nicht. Phil musste nochmal kurz weg und hat mir davor von gestern Abend erzählt. Weißt du, manchmal beschäftigen einen Dinge, die man eigentlich als Nichtigkeit abstempelt oder man denkt, dass sie einem gar nichts ausmachen. Das Unterbewusstsein arbeitet in diesen Fällen allerdings auf Hochtouren und äußert sich dann mit solch intensiven Träumen. Du solltest unbedingt darüber reden, Zoey."
"Werde ich machen, Oli, aber nicht direkt nach dem Aufwachen. Ich muss erst einmal zum Mensch werden! Vielleicht schaue ich nachher bei Rebekka vorbei und befreie meine Seele!", ich wende mich jetzt Oli zu, um seine Reaktion zu überprüfen und finde nur einen ungläubigen Gesichtsausdruck vor.
Um dieser Situation zu entkommen, da Herr Dreier mir momentan als viel zu gesprächig erscheint, rolle ich mich aus dem Bett und nehme Kurs auf mein Zimmer.
Dort entwende ich meinem Kleiderschrank ein paar Klamotten und bremse als nächstes im Badezimmer ein.
Während ich meinen Körper in die zusammengeschneiderten Stoffe quetsche, lege ich mir in meinem Kopf einige Worte zurecht, die ich Rebekka auftischen kann, ohne mich selbst sofort an den Pranger zu stellen.
Dass das eventuell schwierig wird, ist mir klar, denn die psychologische Ader ist immer präsent und arbeitet nur recht selten auf Sparflamme.
Kaum betrete ich das Esszimmer, tischt Franco schon das Mittagessen auf.
Gegen seine Spaghetti Carbonara ist echt nichts einzuwenden, aber so direkt nach dem Aufstehen ist das mit solch deftigem Essen eine Sache für sich.
"Morgen kleines! Verzieh dein Gesicht nicht so. Wenn du noch keinen Hunger hast, dann zwingt dich keiner zum Essen. Hauptsache wir sitzen gemeinsam am Tisch!" Franco strahlt heute wie ein Honigkuchenpferd und schafft es mit seiner blöden Grinserei, dass auch meine Mundwinkel in die Höhe wandern.
Da scheint gerade die rosarote Brille im Einsatz zu sein...
Nach sage und schreibe drei Gabeln Spaghetti ist dann bei mir auch schon Schluss.
Solch eine deftige Mahlzeit ist als Frühstücksersatz einfach ein bisschen zu viel des Guten.
"Du wirst mir doch nicht krank werden, mh? Geht's dir nicht gut?" Oli fasst mir ganz automatisch an die Stirn und mustert mein Gesicht.
Zuerst will ich ihm genervt sagen, dass ich putzmunter bin und einfach erst gerade aufgestanden bin.
Bei genauerer Überlegung ist seine Vorlage aber gar nicht so schlecht und könnte als Notfallplan genutzt werden, falls alle Stricke reißen:
"Weiß nicht. Ein bisschen komisch ist es mir schon, aber wird sicherlich nichts sein!"
Franco zieht die Augenbrauen zusammen und mustert mich jetzt ebenfalls:
"Komisch im Sinne von krank werden oder eher belustigt sein?"
Definitiv rosarote Brille!
Herr Dreier hat da schon etwas mehr den Durchblick:
"Eher erste Option. Du siehst auch ein wenig blass aus. Vielleicht legst du dich wieder hin und ruhst dich noch ein bisschen aus!"
"Ne, ich geh jetzt gleich zu Rebekka und wenn es mir schlechter gehen sollte, kann ich ja auch bei ihr aufs Sofa liegen", ich schiebe noch schnell einen bemitleidenswerten Gesichtsausdruck hinterher und stütze mein Ellenbogen auf dem Tisch ab, um mein Kopf in meine Handfläche zu legen.
"Ich fahr dich schnell. So läufst du mir nicht in der Gegend herum. Sobald ich alles weggeräumt habe, können wir los!", mein notärztlicher Chauffeur erhebt sich von seinem Stuhl und fängt an, den Tisch abzuräumen während ich mich nochmals auf den Weg ins Badezimmer mache, um meine Beißerchen zu polieren.
Keine halbe Stunde später stehe ich vor Rebekkas Haustüre und warte, dass die gnädige Frau mir die Tür öffnet.
Damit Sie weiß das sich der Gang wirklich lohnt, drücke ich die Klingel im fünf Sekundentakt und werde dementsprechend pampig empfangen:
"Ich bin nicht taub! Könnten Sie... Oh, Zoey... Was machst du denn hier?"
"Hi Rebekka. Sorry, ich wollte nur signalisieren, dass ich hier an der Türe warte, egal wie lange es dauert. Hast du Zeit oder störe ich dich bei irgendetwas?"
"Quatsch, du störst mich nie. Komm rein!", die Mundwinkel der Psychologin wandern in die Höhe und nach ihrer auffordernden Handgeste, betrete ich die Tersing Behausung und laufe sofort in die Küche, um Getränke zu holen, damit Rebekka das nicht machen muss.
Die Gute braucht nämlich schon eine halbe Ewigkeit bis sie im Wohnzimmer angekommen ist und da möchte ich ihr jeden unnötigen Weg ersparen.
"Ist Robert nicht da?", ich parke meinen Hintern auf dem Sofa und befülle zwei Gläser mit Wasser, um mir gleich eine Ladung die Kehle hinunterspülen zu können.
"Nein, der ist bei seiner Freundin. In ein paar Tagen wird er eh nur noch selten hier anzutreffen sein!"
"Warum? Zieht er aus?"
"Ja. Mein Bruder möchte endlich wieder selbst sein Leben in den Griff bekommen und wird zu seiner Erna ziehen!", diese Information bewirkt zwei Gefühlsregungen in mir.
Erstens freue ich mich für Robert, da er es sich wirklich verdient hat und seinem alten Leben dadurch wieder einen Schritt näher kommt.
Zweitens bin ich mir aber gar nicht so sicher, was das für mich bedeutet.
Ich schätze, dass Tom dann mehr hier abhängen wird, damit die zwei auch mal ungestört sind und das passt mir irgendwie so gar nicht in den Kram.
Ich meine, verdient haben sie es ja, aber in letzter Zeit sieht man sich eh so wenig und wenn Herr Mayers Anlaufstelle sich auf Rebekkas Wohnung konzentriert, dann muss ich bald Termine ausmachen, um eine abendliche Kuschelstunde mit meinem Seelentröster genießen zu können.
"Alles okay, Zoey?"
Jetzt denk doch nicht an solche Dinge!
Heute hast du andere Prioritäten und musst dich auf dein Vorhaben konzentrieren!
"Sag mal, kann man einem Mensch irgendwie die Angst vor anderen Menschen nehmen?", ich spiele an dem Strohhalm, der in meinem Wasserglas steckt, herum und beobachte die kleinen aufsteigenden Blasen.
"Wie meinst du das?", etwas überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel, setzt sich Rebekka neben mich und nimmt mich genauer ins Visier.
"Naja, wenn eine Person Angst hat, dass andere ihr nicht bekannte Personen irgendetwas schlimmes Vorhaben könnten und.... ach...", ich winke Rebekka ab und seufze laut auf.
Irgendwie scheint es mir viel zu kompliziert, um die Lage richtig erklären zu können, ohne mich zu verraten.
Es war eine scheiß Idee, das anzusprechen!
"Zoey, um wen geht es? Um dich selbst?", leider hat der Fisch schon angebissen und lässt sich nicht so einfach vom Haken lösen.
"Eine Freundin!"
"Clea?"
"Tzzzzz. Nein!"
"Du hast doch sonst keine Freundinnen.... Der Rest deiner Freunde besteht aus männlichen Wesen!"
Tom und Rebekka reden eindeutig zu viel miteinander!
Ich kneife die Augen zusammen und werfe ihr einen bösen Blick zu:
"Woher willst du das wissen? Die kennst du nunmal nicht... Die heißt... Astrid. Und Astrid habe ich erst vor kurzem kennengelernt. Die ist total Banane im Kopf! Also, sie hat zu viel Gedankenmüll und bekommt das irgendwie nicht so ganz auf die Reihe!"
"Was für Sorgen hat sie denn?" Rebekka lehnt sich entspannt zurück und lagert ihr kaputtes Bein auf dem restlichen Stück Sofa.
"Na, so absurde Gedanken halt. Das jeder Fremde ihr etwas antun könnte, dass sie alles falsch macht und.... Den Rest habe ich vergessen!", zu viel darf ich ihr jetzt nicht verraten, denn sonst bestätige ich ihre Vermutung.
"Man kann dieser Person auf jeden Fall Helfen. Sie muss es aber von sich aus wollen und nicht nur deswegen, weil sie gezwungen wird. Das Problem mit den Fremden ist wirklich ernst zu nehmen, da das irgendwann fatale Folgen haben könnte. Weiß Tom davon?"
"Was weiß Tom?", frage ich verwirrt, worauf Rebekka leicht den Kopf schüttelt, als wenn sie mir sagen wollte, das ich sie nicht für dumm verkaufen muss:
"Von deiner Angst!"
"Hallo! Wir reden über Astrid und nicht über mich.... lassen wir es gut sein!"
"Warum?"
"Weil du nervst!"
"Weil ich recht habe?"
Wie hält Tom es nur mit dieser Frau aus?
"Sicher nicht! Ich werde Astrid empfehlen, sich helfen zu lassen und eventuell macht sie es dann auch. Basta. Sag mal, könnte ich heute hier bei dir schlafen?"
Rebekka bekommt große Augen und scheint völlig überrascht von dem erneuten Themenwechsel zu sein.
"Ja... warum nicht. Hast du Ärger zuhause?"
"Nein, aber ich dachte mir, dass wir zwei mal einen Frauenabend starten könnten. Du und Tom seid schon ewig zusammen und wir beide haben noch gar nie so richtig was zu zweit unternommen!", diese Masche müsste eigentlich ziehen und Rebekkas Herz erweichen, da bin ich mir ganz sicher.
Außerdem sind wir zu einer Geburtstagsfeier von Freddy eingeladen, bei der auch Linus dabei sein wird und dann bevorzuge ich lieber deine Anwesenheit.
"Weiß Tom Bescheid?"
"Nö. Aber du könntest ihn ja anrufen und sagen, dass du mich ganz dringend für irgendetwas brauchst!", meine Formulierungen der ausgesprochenen Worte lassen heute wirklich zu wünschen übrig, denn ich schaufele mir hier im Sekundentakt mein eigenes Grab.
"Also ist irgendetwas im Busch!", schlussfolgert Frau Tersing richtig.
"Nahain. Wir sind nur alle auf einem Geburtstag eingeladen und darauf habe ich keine Lust. Ich würde viel lieber mit dir meine Zeit verbringen!"
"Oh Gott... ist der heute? Dann müssen wir unseren Frauenabend verschieben. Ich bin ebenfalls eingeladen!"
Hätte dir auch mal irgendwie in den Sinn kommen können, Fräulein Mayer...
Dann muss eben doch Olis Vorlage herhalten!
"Also gut, dann sehen wir uns heute Abend!", so schnell ich kann, stehe ich von dem Sofa auf und laufe Richtung Haustüre.
"Warte, wo willst du hin?"
Mir eine Krankheit überlegen!
"Mir ist gerade eingefallen, dass ich noch lernen muss. Wir sehen uns später und danke fürs Getränk. Ciao!", hastig schlüpfe ich durch die Haustüre in die Freiheit und laufe schnellen Schrittes nach Hause.
Zu meinem Glück scheinen alle Männer ausgeflogen zu sein, was mir noch etwas Spielraum lässt, um mir zu überlegen, welches Leiden mich heimsuchen wird.
Während ich meinem Magen eine große Menge ungesunde Nahrungsmittel zuführe, summe ich das Lied "Natural" von den Imagine Dragons mit und komme zu dem Entschluss, das eine künstlich herbeigeführte Magen-Darm-Grippe mir den Arsch retten könnte.
Mir stellen sich jetzt schon allein bei dem Gedanken daran alle Haare zu Berge, doch anders werde ich mich nicht aus der Affäre ziehen können.
Falls ich es schaffen sollte, alleine gelassen zu werden, kann ich Leo beauftragen, mich abzuholen und zur Beschattung mitzunehmen.
Dann kann ich mich gleich selbst von der tatsächlichen Identität von Frau Hoffmann überzeugen.
Völlig im Einklang mit meiner super tollen Idee, stopfe ich mich bis zum Limit mit Süßkram voll und hoffe, dass bald einer der Männer erscheint, damit ich mit meiner Show beginnen kann, denn allzu viel passt nicht mehr in meinen Magen.
Ein Motorengeräusch vor dem Haus lässt mich hellhörig werden.
Nach einem schnellen Blick aus dem Fenster stelle ich mit Freude fest, dass Stephan nach Hause kommt und renne sofort wie eine Irre ins Badezimmer.
Damit Herr Sindera auch ja nichts überhört, lasse ich die Türe offen und werfe mich sofort vor die Kloschüssel.
Als ich die Öffnung der Haustüre vernehme, atme ich tief ein und stecke mir den Zeigefinger in den Hals, um die Show beginnen zu lassen.
Die Aktion läuft sogar schneller als gedacht, was wohl auch an der entstandenen Übelkeit durch die Überfüllung meines Magens liegen könnte.
Stephan scheint heute wirklich gute Ohren zu haben, denn schon nach dem ersten Würgen wird er auf mich aufmerksam.
"Zoey!" Herr Sindera kommt ins Badezimmer gesprungen und fummelt meine Haare zu einem Bündel zusammen, damit sie nichts von der rückläufigen Futteraktion abbekommen.
Als der Brechreiz nachlässt, schiebt mein kompletter Körper eine Gänsehaut und es schüttelt mich kräftig durch.
"Wie lange geht das schon so?", will mein Haar Retter wissen, worauf ich nur mit den Schultern zucke:
"Weis nicht.... Das war glaube ich das dritte Mal oder so. Aber ich denke, jetzt bin ich wirklich leer!"
Stephan betätigt die Klospülung und zieht mich, unter meinen Armen, in einen aufrechten Stand.
Anschließend spüle ich meinen Mund schnell aus und werde dann von dem Polizisten auf das Sofa verfrachtet.
Mit Decke über dem Körper, Tee auf dem Tisch und laufender Glotze feiere ich innerlich meinen Triumph.
Stephan bleibt immer in meiner Nähe und bemuttert mich wo er nur kann, was ich natürlich ein klein wenig genieße und versuche, mein schlechtes Gewissen bei Seite zu schieben.
Du musst das heute auf die Reihe bekommen, Zoey.
Dann wäre der größte Stressfaktor beseitigt und du kannst dich anderen Dingen widmen.
Zum Beispiel, ob du Tom jetzt nur noch sporadisch siehst oder Termine vereinbaren musst, damit er für dich Zeit hat...
Heute bist du definitiv zu emotional, Fräulein Mayer!
Da ich so vertieft in meine Gedanken bin, erschrecke ich regelrecht, als eine Hand durch mein Gesicht wischt und meine aufgekommenen Tränen vernichtet:
"Geht es dir so schlecht?"
"Nein. Es geht schon. Das Fernsehprogramm war so mitreißend!", ich lächle Stephan leicht an und sehe, dass gerade eine Dokumentation über einen Porzellanhersteller im Fernseher läuft und bete daher, dass er meine Worte nicht genauer überprüft.
"Versuch ein bisschen zu schlafen. Ich werde heute Abend lieber hier bleiben und auf dich aufpassen, mh?"
"Nein, musst du nicht. Leo ist doch gegen später auch da und wenn irgendetwas ist, kann er euch auch anrufen!"
"Mal schauen, was Tom dazu sagt. Ich rufe ihn schnell mal an."
"Quatsch, warum denn? Wegen dem bisschen kotzen? Lass ihn in Ruhe arbeiten. Der macht sich sonst nur wieder unnötig Stress!"
Bevor Herr Sindera überhaupt irgendwie reagieren kann, kommt Phil von seinem morgendlichen Vorhaben zurück und wird natürlich sofort auf mich aufmerksam:
"Was ist mit unserer Hexe los?"
Ich verziehe mein Gesicht zu einer leidenden Grimasse und ziehe die Decke etwas enger um meinen Körper, damit Herr Funke den passenden Eindruck bekommt.
"Als ich heimgekommen bin, hat sie sich gerade das dritte Mal übergeben. Bisher gibt der Magen Ruhe, aber sie hat auch noch nichts getrunken!" Stephan gibt die Info's Preis, die den Notarzt sofort besorgt neben mich niederknien lassen:
"Wie geht es dir gerade? Du musst unbedingt etwas trinken, sonst dehydriert dein Körper!"
"Geht, danke! Ich habe aber Angst, dass ich dann wieder über der Kloschüssel hänge, wenn ich irgendetwas zu mir nehme!"
"Versuche es bitte. Zumindest ein bisschen Flüssigkeit, okay?" Phil reicht mir die Teetasse, aus der ich ganz kleine Schlucke herausnippe.
"Du bleibst heute Abend auf jeden Fall hier!", der Notarzt streicht mir sanft über den Kopf und gesellt sich anschließend zu Stephan an den Esszimmertisch.
"Muss man das Geschenk eigentlich noch abholen?", will Stephan von Phil wissen, der ihm sofort eine Antwort liefert, die mir allerdings so gar nicht in den Kram passt:
"Nein, Alex und Linus haben den Geschenkkorb gerade abgeholt und sind auf dem Weg hier her! Wir nehmen den Herrn mit, da er nicht weiß, wo er hin muss.... Hast du Tom schon angerufen?"
Aaaaah!
Jetzt will ich jegliches Aufeinandertreffen vermeiden und dann bringen die den Typ einfach hierher...
"Phil, kann ich auch nach oben in mein Zimmer?", eigentlich kann ich mir die Antwort schon denken, aber auf einen Versuch lasse ich es dennoch ankommen.
"Nein, bleib bitte hier. Ich hätte dich gerne im Auge!"
"Ich habe aber keine Lust, dass mich hier jeder krank rumgammeln sieht!"
"Wenn das "jeder" eine Anspielung auf Linus ist, dann musst du dir keine Sorgen machen. Der ist zufällig Notarzt und sieht öfter kranke Menschen!"
Ich verdrehe gekonnt die Augen und ärgere mich, dass ich die Kotzerei ausgewählt habe.
Durchfall wäre viel besser gewesen, da hätte ich mich stundenlang im Bad verschanzen können.
Da mir nicht mehr so viel Zeit bleibt, wähle ich den Weg des vorgetäuschten Schlafes.
So muss ich wenigstens mit niemandem reden und auch keinem ins Gesicht schauen.
Als es an der Türe klingelt, begibt sich Phil dorthin und öffnet für Alex und Linus die Türe.
"Sorry. Ich habe die Hände voll und komme nur schlecht an meinen Schlüssel!" Alex' Stimme wird von einem Geknister begleitet, das vermutlich von der Verpackungsfolie des Geschenkkorb stammt.
"Kein Ding! Hi Linus!"
"Hi!"
"Komm schon rein. Erschreckt aber nicht, wir haben einen kleinen Kotzbrocken auf dem Sofa liegen!"
Ha ha ha
Sehr witzig Herr Funke!
Da ich so genervt von dieser ungeplanten Anwesenheit des Herrn Hoffmann bin, kostet es mich enorme Überwindung ruhig liegen zu bleiben und meinen Schlaf vorzutäuschen.
Die Notärzte tauschen währenddessen ihre Informationen untereinander aus und beratschlagen, ob man mich alleine lassen könnte oder nicht.
Wenn man bedenkt, dass ich siebzehn Jahre alt bin und nicht im Sterben liege, ist diese Diskussion wirklich unnötig.
Als ich vor meinem Gesicht eine Präsenz wahrnehme, nimmt mein Herzschlag sofort volle Fahrt auf, da ich nicht weiß, wer da genau vor mir ist.
"Sie schläft!", flüstert Alex schon fast und greift nebenher nach meinem Handgelenk.
Ich weiß nicht, ob er taube Fingerspitzen hat oder ob er die Tatsache meines rasenden Puls mit Absicht ignoriert, jedenfalls brummt er nur kurz auf und lässt mich zufrieden.
Nach ein bisschen Gemurmel in der Küche, gesellt sich irgendjemand zu mir auf das Sofa.
Der Körper ist nicht weit entfernt von meinen Füßen und da ich nicht angefasst werde und mir auch keine Hand auf mein Bein aufgelegt wird, gehe ich stark davon aus, dass das Linus ist.
Durch ganz minimale Augenschlitze versuche ich die Person zu erkennen und erschaudere sofort, als ich sehe, wie intensiv mich der nicht haushaltszugehörige Notarzt mustert.
Na los Zoey, ab durch die Mitte!
So schnell wie möglich schiebe ich die Decke von mir, springe auf und halte mir als Alibi meine Hand vor den Mund, während ich in das Badezimmer renne.
Dort angekommen schließe ich die Türe ab und lasse mich mit meinem Rücken an dem Holz bis zum Boden hinuntergleiten.
Du bist nicht mehr normal!
Kann man auch solche Angst vor einem Mensch haben?
Die Aktion später muss unbedingt Erkenntnis bringen!
Das Klopfen an der Türe lässt mich kurz zusammenzucken.
"Zoey, warum schließt du ab? Was ist los?" Alex hört sich überhaupt nicht begeistert an, aber mal ehrlich: Wenn Besuch da ist, schließt doch jeder die Badezimmertüre ab und somit ist das überhaupt nicht verwerflich!
"Falscher Alarm, sorry. Aber ich warte noch kurz, vielleicht kommt doch noch etwas!", um mir die Langeweile zu vertreiben, zähle ich die Fliesen auf dem Boden und höre mit einem Ohr, das Tom gerade mit Rebekka eintrifft.
Jetzt gilt es eine perfekte Balance zwischen "Ich bin so krank, dass ich das Haus nicht verlassen kann" und "Ich kann gut alleine bleiben, da ich nicht sterbe" herzustellen.
Gar nicht so einfach bei einem besorgten Zoey-Versteher!
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro