Part 19
"Zoey, lässt du mich rein?" Leo's Stimme ertönt vor der Türe, was mich sofort aufatmen lässt.
"Ja, warte!" ich klettere auf allen Vieren durchs Bett, stelle mich auf die Füße und öffne die Türe.
Mit einem Ruck ziehe ich Leo am Arm in unser Zimmer und verschließe sofort wieder die Türe.
"Was ist denn los? Die Männer sind total stinkig weil du dich anscheinend schon den ganzen Mittag im Zimmer eingeschlossen hast!"
"Ich wollte eben meine Ruhe! Ausserdem hatte ich keine Lust auf Alex, da der heute Saskia im Badezimmer genagelt hat und ich das natürlich wieder hören musste!"
"Hahaha was?"
"Krass oder? Weißt du, wenn man offen mit dem Thema umgeht, ist das ja okay. Aber der kann doch nicht allen Ernstes da drin eine Nummer schieben, wenn alle anwesend sind. Ich meine.... Was denkt der sich dabei?"
Leo verdreht gekonnt die Augen:
"Es ist Tatsache, das uns das auch immer total egal ist und Alex ist eben auch nur ein Mann. Aber.... Bist du sicher das du nicht wieder mal etwas falsch interpretiert hast?"
Mich schüttelt es einmal komplett durch, als ich an die gehörten Worte denke:
"Wieder? Geht's noch? Meine Ohren funktionieren hervorragend! Ausserdem stand Clea auch vor der Türe und die hat das genauso gehört!"
"Soll ich mal bei Alex und Saskia nachfragen?" mein Freund scheint sich prächtig zu amüsieren, was mich ein klein wenig ärgert:
"Damit ich nachher wieder ein tolles Gespräch mit Herrn Hetkamp führen kann?"
"Ach komm schon! Das letzte Mal war er doch auch ganz chillig und ausserdem hat er dir gesagt, das du dir nichts dabei denken brauchst. Wenn er weiß, das ihr das mitbekommen habt, dann ist er nächstes mal vielleicht etwas vorsichtiger!"
"Vergiss es. Können wir jetzt vielleicht den Koffer holen?" ich stemme meine Hände in den Hüften ab und lege einen bösen Blick auf.
"Ja wegen mir. Dann machen wir das aber gleich! Komm!" Herr Britz schnappt sich meine Hand, schließt die Türe wieder auf und läuft mit mir nach unten.
Wie soll es auch anders sein, ziehen wir sofort jegliche Aufmerksam auf uns.
Die Gesichter der Männer sehen ziemlich unentspannt aus und ich befürchte fast, dass das an mir liegen könnte.
"Halt! Wohin des Weges?" Tom springt schon fast vom Sofa auf und kommt auf uns zugelaufen.
"Wir gehen schnell Zoey's Koffer holen!" antwortet Leo schnell, doch Tom schüttelt gleich den Kopf:
"Nene. Das Fräulein kommt jetzt bitte einmal mit ins Wohnzimmer!"
"Nein! Keine Zeit!"
"Zoey, was ist mit dir los? Warum schließt du dich den ganzen Mittag in deinem Zimmer ein und reagierst auf keinen von uns?"
"Das fragst du jetzt nicht wirklich oder?"
"Doch! Phil erzählt mir vorhin, das Linus dich von der Straße aufgesammelt und Oli dir Schmerzmittel gegeben hat, da du es wieder mit dem Laufen übertrieben hast. Dann bist du hier, verhältst dich komisch, bekommst plötzlich Migräne und schließt dich dann in deinem Zimmer ein.... Wir machen uns einfach nur Sorgen!"
"Schon komisch, das ich euch jedesmal Rede und Antwort stehen muss und ihr mich einfach hintergehen könnt wie ihr wollt. Findest du nicht auch?" ich verenge meine Augen und schaue Tom dabei zu, wie er sich seufzend durch die Haare fährt:
"Zoey ich..."
"Ne, Zoey hat jetzt keine Lust mit dir zu reden. Die hat nämlich noch etwas zu erledigen und muss mit ihrem Freund auch endlich mal aufbrechen! Tschüss!" ohne auf eine Antwort zu warten zische ich an Leo vorbei und begebe mich in die Freiheit.
Leo ist mir dicht auf den Fersen, da er womöglich mit einem aufkommenden Gewitter in der WG rechnet und sich auch nicht länger wie nötig dort aufhalten möchte.
Tom's Sicht
"Weist du, irgendwie hat sie ja schon recht!" höre ich Alex aus dem Wohnzimmer sagen und geselle mich wieder zu ihm.
Mir ist sehr wohl bewusst, das wir selbst schuld an Zoey's Reaktionen sind, aber wenn es um ihre Gesundheit geht, lasse ich nicht mit mir reden:
"Natürlich. Allerdings hört der Spaß bei den gesundheitlichen Themen auf und das muss sie begreifen. Apropos: Habt ihr den Holzzsplitter rausbekommen?"
Saskia hält ihre rechte Hand hoch, die von einem Verband verziert wird:
"Ja, der Herr Metzger wollte nicht aufgeben. Zuerst hat er ihn immer weiter reingeschoben und als ich dann das Ganze abbrechen wollte, hat er es doch noch geschafft!"
"Der saß aber auch tief! Wir sollten uns für solche Fälle eine bessere Pinzette zulegen, die die wir haben ist vornerum einfach zu dick!" mischt sich Alex gleich ein und entlockt mir mit der Beschreibung ein leichtes Grinsen.
Alex rammt mir jetzt seinen Ellenbogen in die Rippen und schüttelt lachend seinen Kopf:
"Du wirst langsam genauso schlimm wie.... Oh...!"
Da der Notarzt seinen Satz abprubt abbricht und auf einen Schlag so nachdenklich wirkt, schaue ich ihn verwirrt an:
"Was ist?"
Am Hinterkopf kratzend seufzt er laut vor sich hin:
"Vielleicht denke ich zuviel, aber ich habe da so eine Theorie, warum Zoey heute so plötzlich einen hochroten Kopf und Migräne bekommen hat!"
"Dann spucks doch mal aus und lass dir nicht alles aus der Nase rausziehen!" Stephan setzt sich jetzt etwas aufrechter hin, da er plötzlich sehr neugierig wird.
"Die zwei Mädels standen doch vor der Badtüre, als ich Saskia verarztet habe. Unter Umständen habe ich da auch ein paar zweideutige Sätze ausgesprochen, was die zwei eventuell falsch interpretiert haben!"
"Das.... Hahaha.... Meinst du etwa Zoey und Clea denken, das ihr eine Nummer im Badezimmer geschoben habt? Hahaha ich werd noch bekloppt in diesem Haus!" Herr Sindera kann sich nicht mehr zurück halten und lacht schon bitterliche Tränen.
Saskia stöhnt nur lauthals auf:
"Och neeee. Alex! Du musst das nächste mal deine Klappe halten!"
"Wer hat denn lauthals rumgestöhnt und gesagt, das er zu tief drinsteckt?" zuerst klingt Alex etwas vorwurfsvoll, aber dann zucken seine Mundwinkel ebenfalls.
Herr Sindera gibt uns letztendlich den Rest, da er fast an Luftnot zugrunde geht und sorgt damit dafür, das wir alle lauthals lachen.
Nachdem wir uns einigermaßen beruhigt haben, seufzt Saskia laut auf:
"Meint ihr, die denken das wirklich?"
"Das lässt sich schnell herausfinden!" mein Kollege erhebt sich vom Sofa und läuft in den Flur, um lauthals Clea's Namen zu schreien.
Es dauert keine Minute, da kommt sie schon unsicher die Treppe runtergelaufen.
Stephan legt einen Arm um ihre Schulter und zieht sie mit auf die Sitzgelegenheit.
Als Clea's Blick auf Alex und Saskia trifft, sieht sie schnell auf den Boden und wird leicht rot.
Eigentlich sagt das schon alles, aber wir wollen sie natürlich über diesen Trugschluss aufklären, damit sie nicht weiterhin mit ihrem Kopfkino zu kämpfen hat.
"Clea... Es muss dir wirklich nicht unangenehm sein, aber ich muss dir jetzt unbedingt eine Frage stellen: Haben du uns Zoey zufällig angenommen, das Alex und Saskia im Badezimmer Sex hatten?"
Das Fräulein läuft in sekundenschnelle knallrot an, worauf Stephan sie sofort an seine Brust zieht, damit sie ihr Gesicht verstecken kann.
Alex fährt sich mit der Hand durchs Gesicht und atmet einmal tief durch:
"Clea, das hatten wir nicht! Ich habe aus Saskias Hand einen Holzsplitter entfernt und da muss es dann durch unsere Wortwahl zu Missverständnissen gekommen sein. Sorry das wir euch ein derartiges Kopfkino beschert haben!"
Die Angesprochene regt sich kein Stück, was wir aber einfach so stehen lassen, da man auf dieser Sache nicht herumreiten muss.
Stephan streicht ihr einfach weiterhin beruhigend über den Rücken und wechselt das Thema:
"Mit Zoey hast du dich noch nicht ausgesprochen oder?"
Ein Kopfschütteln bestätigt die Annahme.
"Das solltet ihr bitte zeitnah erledigen. Wir wollen bei ihrer Rückkehr auch die Wogen glätten, falls sich das so schnell bewerkstelligen lässt. Da hat sich einiges angestaut und das darf nicht länger auf sie einwirken!"
Noch bevor von Clea eine eventuelle Antwort kommen kann, klingelt es an der Türe.
Ich opfere mich, die Türe zu öffnen und treffe Linus und Rebekka davor an.
Da ich von Rebekkas Eintreffen weiß, schlüpft sie nach einem Kuss an mir vorbei, direkt zu der restlichen Mannschaft in das Wohnzimmer.
"Hey. Willst du reinkommen?" biete ich Linus an, der unsicher mit den Schultern zuckt:
"Ich will nicht stören. Oli hat seinen Geldbeutel auf der Wache vergessen und da ich ihn nicht erreichen konnte, wollte ich..." ich lasse Linus gar nicht weiter reden, sondern stoße die Türe weiter auf und winke ihn herein.
Herr Hoffmann läuft ein paar Schritte Richtung Wohnzimmer und begrüßt die restlichen Anwesenden mit einem allgemeinen Gruß.
"Komm her, setz dich!" Alex klopft gleich neben sich aufs Sofa, worauf der neue Notarzt sofort der Einladung nachkommt.
Bevor er sich setzt, legt er den Geldbeutel auf dem Esszimmertisch ab und sieht sich nochmal genauer um.
"Falls du Zoey suchst, muss ich dich enttäuschen. Die ist gerade ausgeflogen!" ich weiß nicht ob er ihr einfach nicht zuviel zumuten will oder er nur wissen wollte wie er sich verhalten soll, aber nach dieser Info scheint er etwas lockerer zu werden.
"Geht es ihr denn wieder besser?"
"Ja. Sie hat sich den kompletten Mittag über ausgeruht und konnte vorhin schon wieder ganz normal laufen. Apropos laufen: Alex, du solltest die Übungen nachher noch mit ihr machen!" eine leichte Belustigung schwingt in meiner Stimme mit, wenn ich daran denke, wie sehr sich Zoey über die Zusammenarbeit mit Alex "freuen" wird.
"Hahaha. Erst muss ich sie aufklären und dann schauen wir weiter!"
Rebekka zieht die Augenbrauen zusammen und scheint genauso verwirrt zu sein wie Linus.
Aus Rücksicht auf Clea schüttel ich nur den Kopf und deute mit einem leichten Kopfnicken in ihre Richtung.
Die beiden verstehen es auf Anhieb und somit fällt das Thema erst mal wieder unter den Tisch.
Zoey's Sicht
Kaum habe ich die Autotüre geschlossen, mache ich meinem Ärger auch sofort Luft:
"Weist du, wie mich das ankotzt? Die sehen sich immer im Recht und denken das sie tun und lassen können, was sie wollen. Aber nicht mit mir!"
"Babe, jetzt reg dich doch nicht so auf! Die Männer haben dir doch schonmal gesagt, das der gesundheitliche Aspekt über jeglichen Streit gestellt wird. Tom hat doch auch nur ganz normal gefragt, was mit dir los ist. Was erwartest du denn von denen?"
"Ganz einfach! Die sollen auf allen Vieren angekrochen kommen und sich mir reumütig unterwerfen, um Gnade winseln und..."
"Jetzt übertreibst du es aber!" Leo sieht mich vorwurfsvoll an, doch ich schüttel mit dem Kopf:
"Nein, ich übertreibe nicht! Die wollen immer das ich aus meinen Fehlern lerne und die machen was sie wollen!"
"Zoey, die haben dich halt schützen wollen. Klar war das der falsche Weg, aber..."
"Ach hör mit auf! Wie oft habe ich es schon gut gemeint, leider für die Problemlösung den falschen Weg eingeschlagen und wurde dann fertig gemacht? Meine gute Absichten wurden da auch nicht zur Kenntniss genommen und nur das misslungene Resultat, das wie so oft schief gegangen ist, wurde bewertet!" ich werde von Wort zu Wort lauter und rede mich komplett in Rage.
Am liebsten würde ich jetzt alle anschreien, das sie mich mal kreuzweise können und mich verkrümeln.
"Bitte, flipp nicht so aus. Ich verstehe dich doch auch aber..."
"ICH HABE KEINEN BOCK MEHR DARÜBER ZU REDEN! JETZT FAHR ZU!" bevor sich Leo durch sein Gequatsche selbst noch auf die Todesliste setzt, unterbreche ich erneut seine Beruhigungsversuche und schmolle vor mich hin.
Diese ständige Aufregung bringt mich irgendwann noch um den Verstand, was sich auch wieder durch mein zuckendes Auge bemerkbar macht.
Die Gelüster auf Süßigkeiten erobern jetzt wieder jede Gehirnzelle und täuschen mir vor, das ich mich nur noch durch ein halbes Zuckerkoma wieder beruhigen kann.
Leider habe ich nichts bei mir und muss irgendwie damit klar kommen.
Vorerst.
Vor der Physiopraxis angekommen, stellt Herr Britz den Motor ab und mustert mich eingehend:
"Vielleicht bleibst du lieber sitzen. Wenn die da drin dein böses Gesicht sehen, flüchten die in alle Richtungen!"
"Ha ha ha. Mein Gott, bist du witzig!"
"Das sollte kein Scherz sein! Ich wollte dir nur durch die Blume vermitteln, das ich da jetzt alleine rein gehe!" mein Fahrer scheint jetzt auch angesäuert zu sein, denn der schwingt sich aus seiner Karre raus und knallt die Türe mit viel Schmackes zu.
Leo's Nerven waren auch schonmal stabiler!
Ob er noch mit mir einkaufen geht?
Ich muss jetzt unbedingt Schokolade essen, sonst platze ich!
Kurz bevor mein Kofferorganisator zurückkehrt, bekomme ich eine Nachricht auf mein Handy.
Mit der Vorahnung, dass das nichts gutes sein kann, ziehe ich das Smartphone aus meiner Hosentasche und werfe einen Blick auf den eingegangenen Einzeiler:
Jaron, 17:14 Uhr
Muss mit dir reden!
"Tzzzz, wie wäre es denn mit einem 'Hallo Zoey'.... Vielleicht könnte man auch lieber eine Frage formulieren, wie 'Hast du Zeit zum reden?'... Aber neeee, da kommt nur ein Befehl und fertig. Pfffff... Der soll erst einmal die richtigen Umgangsformen lernen!" motze ich vor mich hin und werde auf Leo aufmerksam, der direkt neben meiner Fensterseite steht und mich anguckt, als wäre ich geisteskrank.
"Was glotzt du so?" zische ich ihm entgegen und bekomme lediglich ein Kopfschütteln als Antwort.
Nachdem der Herr den Koffer verstaut hat, setzt er sich wieder hinter das Steuer.
Jaron's Nachricht lasse ich unbeantwortet und widme mich lieber mit ein paar versöhnlichen Worten an meinen Freund:
"Sorry Leo... irgendwie... Mir ist gerade alles ein bisschen zuviel. Können wir noch schnell einkaufen?"
"Weist du, ich verstehe das ja, aber steigere dich doch nicht so sehr da rein! Das macht die Lage nicht besser. Was brauchst du denn?"
"Schokolade!"
"Das ist ein Punkt, das mich gerade wirklich etwas verstört. Seit wann isst du soviel Süßkram?"
"Boah, ist das jetzt ein Verbrechen oder was? Phil und Alex schieben sich kiloweise Zuckerzeug in den Rachen und da sagt keiner was... Aber wehe Frau Mayer hat mal Gelüste... Da herrscht sofort Alarmstufe Rot. Weist du was? Vergiss es einfach und fahr nachhause. Ich hab die Schnauze voll!"
"Zoey, das ist doch nicht böse gemeint... Aber du hast noch nie soviel Wert auf Süßigkeiten gelegt wie jetzt gerade und das ist halt komisch!"
Ich spare mir meine Worte und deute mit einer scheuchenden Handbewegung, das Leo endlich zufahren soll.
Genervt aufschnaubend fährt der Herr endlich, ohne weitere Diskussionen, Richtung Heimat.
In mir brodelt es gewaltig.
Ich fühle mich wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht.
Die imaginäre Lava zieht sich schon durch meinen kompletten Oberkörper und kriecht langsam meinen Nacken hinauf, um an seinem Zielort, mit lauten Knall, alles zu vernichten.
Meine Augen füllen sich langsam mit Wuttränen, was mich noch wütender macht, da das nur mal wieder meine emotionale Schwäche widerspiegelt.
Kaum hat Leo sein Auto vor der WG geparkt, springe ich aus der Beifahrertüre heraus und stampfe auf den Eingang zu.
Herr Britz kommt ganz gemütlich mit dem Koffer hinterher gelaufen und lässt sich jede Menge Zeit, um die Türe aufzuschließen.
Kaum steht diese offen, drücke ich mich an ihm vorbei und laufe zielstrebig in die Küche.
Die blöden Gesichter, aufgrund meiner aufgebrachten Erscheinung, ignoriere ich geflissentlich.
Meine Hände fangen fast schon an zu zittern, als ich die Türen des Hängeschrank öffne und die Schokobonpackung nicht mehr finden kann.
Neeeeeein!
Wo sind die Dinger?
Wie wild wühle ich mich durch gefühlt hundert Packungen Gummibärchen und kann keinerlei Schokobons oder annähernd schokoladenhaltiges finden.
"Suchst du was bestimmtes, Zoey?" ruft Tom aus dem Wohnzimmer, worauf ich einmal tief durchatme und versuche nicht allzu zickig zu antworten:
"Wer hat die scheiß Schokobons gefressen?"
Das mit der Nettigkeit üben wir nochmal ein bisschen!
"Die hat Franco mitgenommen. Hast du Hunger? Wir haben noch..." Tom meint es sicherlich nur nett, aber das Einzige was ich will, sind diese scheiß Schokobons oder irgendeine andere Art von Schokolade.
"Nein!"
"Im Kühlschrank..."
"NEIN!" dieser Brüller sorgt dafür, das endlich Ruhe ist, aber auch ein gewisses männliches Wesen in der Küche erscheint:
"Sag mal, was hat dich denn gebissen? Flippst du jetzt ernsthaft wegen Süßigkeiten aus?"
Sag nichts...
Beherrsche dich einfach!
Als die Schranktüren geschlossen sind, laufe ich wieder zielstrebig in den Flur zurück.
Leo ist gerade dabei meinen Koffer die Treppe hochzutragen, was wieder zu einigen Fragen führt.
"Wo kommt denn der Koffer jetzt her?" frägt ausgerechnet Alex, dem ich jetzt nicht unbedingt ins Gesicht schauen will.
"Aus dem Kofferraum. Geniale Erfindung, kann ich dir sagen!" zische ich vor mich hin, worauf auch schon wieder Tom's Stimme erklingt:
"Können wir alle mal miteinander reden?"
Kaum hat Tom seinen Mund geschlossen, schreit auch Clea schon aus ihrem Zimmer:
"Zoey? Kannst du nachher kurz kommen, ich muss mit dir reden!"
Boah, Leute...
Ich hab echt keinen Nerv dafür!
"Muss das jetzt sein?" frage ich Tom, während ich mich umdrehe und meine Arme verschränke.
"Ja eigentlich schon. Wir wollen das nicht länger hinauszögern. Das sollte geklärt werden!"
"Und wenn ich nicht will?" mein herausfordernder Blick trifft auf zwei zusammengezogene Augenbrauen.
Herr Mayer wird langsam pissig, das sieht man ihm direkt an.
Leo taucht plötzlich hinter mir auf und flüstert mir zu, das ich mir einen Ruck geben soll.
Ich könnte direkt wieder ausrasten, da plötzlich ALLE auf einmal mit mir reden wollen, mein Freund mich bequatscht und mir somit alles zu viel wird.
Eigentlich möchte ich die Flucht ergreifen und steuere desshalb die Richtung des Badezimmers an, knalle aber stattdessen frontal mit meinem Gesicht gegen eine Person.
"Oh, alles in Ordnung?"
Nicht der auch noch!
Ich drehe auf dem Absatz um und will die Treppe hoch flüchten, doch da öffnet sich auch schon die Haustüre und Oli kommt mit Jaron im Schlepptau hereinspaziert:
"Zoey! Gut das du da bist! Jaron möchte mit dir reden!"
Mich überrollt die komplette Überforderung.
Leise lache ich vor mich hin, während ein paar Tränen meine Augen verlassen.
Kopfschüttelnd raufe ich mir die Haare, versuche mich irgendwie zu beherrschen, damit ich nicht lauthals losschreie.
Oli, der sich der Lage gerade absolut nicht bewusst zu sein scheint, wirft eine weitere Frage ein:
"Hab ich irgendetwas verpasst?"
Jetzt habe ich wirklich genug:
"NEIN, ES IST DOCH IMMER DAS SELBE! DER GEFÜHLSMESSI WILL SICH NICHT MIT EINER AUFRÄUMAKTION ANFREUNDEN UND WIRD DESSHALB VON ALLEN SEITEN BELAGERT! LASST. MICH. DOCH. EINFACH. IN. RUHE!"
Durch meine mittlerweile total verschwommene Sicht, sehe ich wie geschockt Oli und Jaron von meinem kleinen Statement sind.
Auch als ich mich der Meute im Wohnzimmer zuwende, sehe ich nur verwirrte Gesichter.
Linus steht wie angewurzelt zu meiner rechten und bewegt sich kein Stück.
In meiner linken Körperhälfte spüre ich mein Herz rasant an Geschwindigkeit zulegen.
Die aufkommende Übelkeit paart sich mit zusätzlichen Kopfschmerzen und irgendwie kann ich mich gar nicht mehr auf eine Gefühlsregung festlegen.
Wut, Trauer, Angst und Aggression wechseln sich im Sekundentakt ab und füllen meinen Kopf mit einer total überfordernden Gefühlflut, das mir ganz schwindelig wird.
Mein Schwanken scheint Linus nicht zu gefallen, denn der stellt sich direkt an meine Seite.
"Nicht anfassen!" entweicht es mir mit schwacher Stimme und halte schnell meine Handfläche in die Höhe, damit der Notarzt merkt, daß es mir ernst ist.
Oli steht natürlich auch nicht untätig herum, sondern kommt mit den Worten "Beruhig dich Zoey!" auf mich zu.
Da mich diese Aussage wieder so sehr aufregt, schnaube ich wie ein wildes Tier vor mich hin und sorge somit dafür, das mir noch schwindeliger wird.
"Du musst ruhig atmen und wieder einen Gang zurückschalten!" Herr Dreier steht jetzt direkt neben mir und dreht mich so, das er mir direkt ins Gesicht schauen kann:
"Zoey! Hey! Komm, setz dich mal hin!"
"Nein, ich will nicht!"
"Doch! Du setzt dich jetzt hin, sonst kippst du uns gleich aus den Latschen!" ohne das ich etwas dagegen tun kann, werde ich an den Schultern nach unten gedrückt.
Oli spielt mein Wackelpudding in den Beinen jetzt natürlich gut in die Karten, denn somit muss ich mich ihm fügen und sitze auch schon zwei Sekunden später auf dem Boden.
Linus, der hinter mir ebenfalls zu Boden geht, wird von Oli per Blickkontakt angewiesen.
Mir passt das natürlich überhaupt nicht in den Kram, aber da ich damit beschäftigt bin, mit der Gesamtsituation irgendwie zurecht zu kommen, kann ich mich nicht auch noch darum kümmern.
Zu allem Überfluss gesellt sich Alex noch dazu und schnappt sich mein Handgelenk:
"Der Puls rast!"
Hinter mir ertönt Linus' Stimme:
"Atme mal ganz tief ein und danach aus!"
Ich denke gar nicht daran, auf den Mensch hinter mir zu hören, doch das hat anscheinend auch Alex bemerkt:
"Zoey, du hörst jetzt darauf was Linus sagt! Hast du mich verstanden?"
Da mir wirklich nich gut ist und ich keinen Nerv für weitere Diskussionen habe, tue ich, was Herr Hoffmann ursprünglich befohlen hat.
Nach ein paar Atemzüge schüttelt Alex seinen Kopf, was wohl bedeutet, daß mein Herz noch nicht langsamer schlagen will.
Als sich zwei Finger an meinen Hals legen und ich begreife, das die weder von Oli, noch von Alex sind, versuche ich mit meinen Händen Linus' Finger wegzudrücken.
Eine erneute Panikwelle erfasst mich und beschleunigt wieder meine Atmung.
"Mensch Zoey, Linus will dich nicht erwürgen, sondern den Karotissinusnerv massieren. Das verlangsamt deinen Herzschlag!" Alex ist von einem Moment auf den anderen stocksauer und drückt meinen Oberkörper auf die knieenden Beine des Herrn Hoffmann nieder.
Oli übernimmt darauf die geplante Halsschlagadermassage und obwohl ich den Notarzt hinter mir nicht mit meinem Charme bombardiert habe, nimmt er meine linke Hand, drückt sie fest und streicht mit seinem Daumen in kleinen kreisförmig Bewegungen über meinen Handrücken.
Seine andere Hand fährt vorsichtig über meine Stirn, womit sich mein Gesicht langsam aber sicher entspannt.
"So ist gut. Gleich wird alles besser werden!" flüstert er mir ganz ruhig entgegen.
Es ärgert mich wahnsinnig, das der Typ so eine beruhigende und angenehme Stimme hat, denn so fällt es mir schwer, ihm meine Abneigung entgegen zu bringen.
Nach ein paar Minuten, in denen mein Körper wieder auf Normalmodus umgestellt hat, werde ich auf zwei Arme verladen.
Der Badezimmerpopper trägt mich ein Stück weit und setzt mich anschließend auf einem Schoß ab.
Ich lasse mich gegen den männlichen Oberkörper fallen und werde sofort von zwei Armen umschlossen.
Nach einem Kuss auf den Kopf weiß ich, das Tom mir mein Ausraster nicht allzu übel nimmt und entspanne jetzt vollkommen.
Alex löchert so lange Leo, wo denn jetzt der Koffer so plötzlich herkommt.
Mein Lügenbaron lässt mich nicht im Stich:
"Wir waren im Heim. Dieser Dominik war nicht da und darum haben wir nur den Koffer eingeladen und sind desshalb auch so schnell wieder hier gewesen".
"Da bist du aber ganz schön die Straßen langgebrettert, mh?" Herr Sindera muss natürlich wieder in die Tiefe gehen und kann das Gesagte nicht auf sich beruhen lassen.
"Du, es war kaum Verkehr, grüne Welle und von daher haben wir keine Zeit verloren. Es wird kein Strafzettel ins Haus flattern, keine Sorge! Ich geh mit Jaron hoch" mein Freund macht das Beste, was man in dieser Situation tun kann.
Die Flucht ergreifen.
Ich selbst verhalte mich ganz ruhig, damit keiner auf die Idee kommt mich anzusprechen und mich alle in Ruhe lassen.
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