Part 128
Erst als ich die Türe geschlossen habe und sich die Kälte des Steinbodens durch meine Socken frisst, wird mir mal wieder klar, dass ich vergessen habe, meine Schuhe anzuziehen.
Wenn du jetzt nochmal rein gehst, lassen sie dich nicht mehr gehen!
Da ich es ja schon mehr oder weniger gewohnt bin, auf Socken durch die Gegend zu spazieren, mache ich mich jetzt eben ohne Schuhe auf den Weg zum Bootshaus.
Sollte ich vielleicht eine Jacke anziehen?
Kurz bleibe ich stehen, da der Wind eiskalt ist und ich jetzt schon zu zittern beginne.
Ich werfe einen Blick auf die WG, die nur ein paar Schritte entfernt liegt, entscheide mich aber einfach dafür, den Weg rennend hinter mich zu bringen, denn dadurch müsste mir auch warm werden.
Bevor ich meinen Sprint beginne, wird mir bewusst, dass Parkers Schuppen noch gar nicht geöffnet hat, da wir es mitten am Tag haben.
Wie komme ich denn jetzt da rein?
Genervt aufstöhnend, da sich alles gegen mich zu verschwören scheint, fahre ich mir mit der Hand durch mein Gesicht.
Du kannst Ronja anrufen und sie bitten, dich rein zu lassen.
Zufrieden mit meinem neuen Plan renne ich endlich los, bleibe aber nach ein paar Metern wieder stehen, da mir einfällt, dass mein Handy gerade von Stephan benutzt wird.
Ich richte meinen Blick in den Himmel und strecke meine Arme seitlich aus:
"Boah... Wenn ich nicht zu Parker soll, dann gib mir ein eindeutiges Zeichen und lass einen Bus über mich drüber rollen!"
Vorsorglich, da man bei meinem Glück ja nie weiß, kneife ich meine Augen zusammen und warte darauf, dass mein Körper in wenigen Sekunden zu Mus verarbeitet wird.
"Kann man dir irgendwie helfen?", fragt eine irritierte, weibliche Stimme, die sich ganz nach Saskia anhört.
Als ich meine Augen öffne, sehe ich tatsächlich Alex' Freundin vor mir stehen.
"Nö... Ich habe gerade nur darauf gewartet, ob meine getroffene Entscheidung abgesegnet wird oder ich ein Oneway Ticket in die Hölle bekomme!"
Saskia verzieht ihr Gesicht und richtet ihren Blick jetzt in den Himmel, während ich meine Arme wieder in Normalmodus bringe.
"Hast du eine Antwort bekommen?"
"Nein!"
"Das ist schlecht!"
"Nein, das ist sogar sehr gut. Saskia, ich muss weiter, sorry. Du kannst den Herren ausrichten, dass ich wieder nach Hause komme, wenn ich alles erledigt habe!"
Die Braunhaarige nimmt mich jetzt seufzend ins Visier:
"Hattet ihr Streit und du bist geflohen?"
"Nein. Ich schwöre!"
"Warum..."
"Saskia! Ich muss jetzt wirklich los, um für Tom etwas zu organisieren. Alex wird dir das schon erklären. Bis später dann. Tschüssi!", ich flitze so schnell wie möglich los, damit ich nicht noch in weitere Gespräche verwickelt werde.
Als ich außer Reichweite bin, verlangsame ich meinen Sprint in etwas schnelleres Gehen.
Die verkürzte Nacht, die Aufregung und vor allem das Zittern meines Körpers machen mir ordentlich zu schaffen und am liebsten würde ich mich jetzt in Toms Bett verkriechen und mir die Decke über den Kopf ziehen.
Da das momentan leider nicht möglich ist, nehme ich mir das für heute abend vor.
Vor dem Bootshaus angekommen, sehe ich einige Autos auf den Parkplätzen stehen, darunter auch einen Sprinter der Putzkolonne.
Zuerst mache ich mich an den Haupteingangstüren zu schaffen, rüttele und klopfe wie eine Wilde: "PARKER?"
Ich spitze die Ohren, doch kein Geräusch ist zu hören.
Mit aller Kraft, die ich aufbringen kann, hämmere ich meine Faust gegen diese blöde Barrikade und brülle abermals den Namen des Besitzers.
Nichts.
Mein Ohr legt sich an der Abtrennung von Club zur Außenwelt ab, um eventuelle Geräusche, Bewegungen oder Stimmen im Inneren hören zu können.
Nach fünf Minuten wird mir klar, dass alle Anstrengungen vergebens sind und ich mir anderweitig Zugang verschaffen muss.
Mist!
Was mache ich denn jetzt?
Der Sprinter der Lappenschwinger fällt in mein Sichtfeld und somit offenbart sich mir eine neue Möglichkeit in das Club Innere zu gelangen.
Ich begebe mich zu den Türen des Hintereingangs und grinse sofort breit los, als ich sehe, dass die Tür durch einen Keil offen gehalten wird.
"Yes!", jubele ich leise vor mich hin und versuche mich so lautlos wie möglich über die Schwelle zu schmuggeln.
Ich kann es fast nicht glauben, dass ich es ohne Probleme ins Bootshaus geschafft habe und weder von einem Aufpasser, noch von einer Putzfee aufgehalten wurde.
Gutes Zeichen, Zoey!
"Hi Gonso!", grüße ich den großen Teddybär, als ich an der Umkleide vorbei flitze und ihn inmitten des Raumes stehen sehe.
"Hi Zo... Halt! Wo willst du hin?"
"Parker!"
"NEIN!"
Dem Gebrüll nach, sollte ich wahrscheinlich nicht unangemeldet in sein Büro reinplatzen, doch ich will jetzt nicht mehr länger warten und mir Gehör verschaffen.
Vor der besagten Türe angekommen, drücke ich die Klinke nach unten, stoße das Türblatt mit voller Wucht auf und trete mit dem lauten Knall, da das Holz gegen die Wand donnert, in die Räumlichkeiten ein.
Parker scheint ein Kaffeekränzchen zu halten, denn er sitzt zusammen mit Matteo und zwei weiteren, düster aussehenden Kerlen auf seiner schwarzen Ledergarnitur und grinst sich fast zu Tode.
Hinter den Unbekannten stehen zwei weitere Personen, die beide sofort auffällig ihre rechte Hand in das Innere ihrer Jacke verschwinden lassen.
Mat scheint sich gerade die Nase gepudert zu haben, denn um sein Näschen verteilt sich noch etwas weißes Pulver.
"Hi zusammen! Sorry für die Störung, aber ich muss mit Parker reden!", ich bahne mir meinen Weg zu meinem Zielobjekt und bleibe dicht vor ihm stehen.
Ich lege meinen Kopf leicht schief und beobachte das seltsame Zucken seines linken Auges und die rasant abfallenden Mundwinkel.
Ob er wohl irgendeine Nervenkrankheit hat, von der ich bisher noch nichts mitbekommen habe?
Vielleicht hat er sich auch bei Mat angesteckt...
"Raus!", knurrt mir Ronjas Freund leise, aber gefährlich zischend entgegen, während er ein paar kleine Plastiktüten von dem schmutzigen Boden aufsammelt.
"Gleich! Du musst mir erst zuhören! Ich brauche.. "
"RAUS, HABE ICH GESAGT!", brüllt mir der Bootshausbesitzer entgegen, was mir so gar nicht in den Kram passt:
"Du kannst gleich weiter machen, aber ich muss dir schnell etwas sagen. Es ist wichtig!"
Gerade als Parker ansetzt, sich zu erheben, legt Mat ihm eine Hand auf die Schulter drückt ihn zurück in seine sitzende Position und steht selbst auf.
Eigentlich gehe ich davon aus, dass Matteo mich unterstützt, doch die Saftschubse hat ganz andere Pläne.
Vor mir angekommen, geht er blitzschnell in die Knie, umfasst meine Beine und schultert mich ohne Rücksicht auf Verluste auf seine rechte Körperhälfte auf.
"Nein! Mat! Ich muss mit Parker reden, uns läuft die Zeit davon!"
"Nicht jetzt!", meckert es unter mir, während wir uns aus dem Raum bewegen und Kurs auf die Umkleide nehmen.
"ABER... PARKER! VERDAMMT NOCHMAL...", alles schreien, bitten und fluchen bringt nichts.
Matteo schleppt mich direkt in die Umkleide, in der uns Gonso seufzend empfängt.
Sein Blick ist tadelnd und leicht angesäuert, was ich geflissentlich ignoriere.
Als ich wieder auf meine Beine abgelassen werde, boxe ich meinem Taxi beleidigt gegen die Schulter:
"Das war unfair! Was sollte das?"
"Zoey! Du kannst nicht einfach irgendwo reinstürmen und Parker anschreien. Schon gar nicht vor Kundschaft."
"DOCH! ER MUSS MIR HELFEN!", brülle ich jetzt meinen Gegenüber an, der leicht überfordert zu sein scheint.
Ich kenne mich zu wenig mit der Materie des feinen Pulvers aus, aber anscheinend kann man mit vollgedröhnten Kopf nicht klar denken.
Vielleicht ist er auch nur angepisst, weil ich ihm seinen Trip versaut habe.
"Setz dich mal hin und erzähl, was jetzt so wichtig ist und nicht ein paar Minuten warten kann!" Gonso wuschelt mir durch die Haare und deutet anschließend mit dieser Hand auf einen Stuhl.
Noch bevor ich mich setzen kann, ist die Stimme des Hausherrn zu hören und diese klingt leider nicht ganz so gechillt, wie ich es gerne hätte:
"WO IST SIE?"
Die stampfenden Schritte nähern sich schneller als mir lieb ist, was mich schwer schlucken lässt.
Kaum steht Parker in der geöffneten Türe, visiert er mich messerscharf an:
"WAS SOLL DER SCHEIß? BIST DU EIGENTLICH NOCH GANZ BEI TROST? ICH WARNE DICH! WENN DU NOCH EINMAL IN MEINE GESCHÄFTE REINPLATZT, DANN VERHÄNGE ICH DIR EIN LEBENSLANGES HAUSVERBOT, REIßE DIR ALLE GLIEDMAßEN AUS DEINEM KÖRPER UND WERFE DEINE ÜBERRESTE IN DEN RHEIN!"
Ronjas Freund steigert sich von Sekunde zu Sekunde mehr in seine Rage und läuft knallrot an.
Heute ist es wirklich das erste Mal, dass ich richtig Angst vor ihm bekomme.
So wütend habe ich ihn noch nie erlebt.
Mein Kopf verabschiedet sich von der geglaubten Unterstützung, denn ich denke nicht, dass sein verkokstes Herz sich jetzt noch umstimmen lässt.
Ein paar Tränen der Verzweiflung laufen mir über die Wangen, da ich nicht weiß, wie ich Tom ohne Parkers zutun helfen könnte.
Ich visiere den Boden an, da ich die auf mich gerichteten Todesblicke nicht ertragen kann und hoffe, dass er jetzt einfach wortlos abdampft und nicht weiterhin rumbrüllt.
Verärgertes Grummeln dringt an mein Ohr, dicht gefolgt von einem geräuschvollen Durchatmen.
Entgegen meiner Erwartung, steht Parker ein paar Sekunden später dicht vor meiner Nase und drückt mich fest an sich.
Ich kann spüren wie sein Körper vor Zorn bebt, aber er reißt sich zusammen und schlägt eine fast schon neutrale Tonlage an:
"Mach das nie wieder! Wenn dort irgendwann mal die falschen Leute beisammen sitzen, dann... Was ist denn so wichtig, dass du mich derart überfallen musst, mh?"
"Tom wurde verhaftet!", nuschele ich in das seidig glatte Hemd vor meinem Gesicht und löse meine angespannte Körperhaltung.
Parker drückt mich ein Stück von sich weg und sucht den Blickkontakt zu mir:
"Was hat er angestellt?"
"Ich weiß es nicht genau... Aber er kann eigentlich gar nichts angestellt haben, weil er schon ein paar Tage im Krankenhaus lag. Da gibt es so einen arschigen Polizist, der anscheinend mitgemischt hat... Der heißt John und das ist wirklich kein netter Geselle. Sein Chef, Viktor, ist wohl auch...", direkt nach der Erwähnung der Namen versteift sich Parker:
"Hast du gerade Viktor und John gesagt?"
Ein vorsichtiges und ebenfalls verwundertes "Ja" kommt mir über die Lippen.
Die Gesichtszüge meines Gegenüber versteinern und er lässt nun von mir ab, um ein paar Runden hin und her zu laufen.
Mat und Gonso sehen auch nicht mehr so entspannt aus und darum bin ich mir sicher, dass die drei schon Bekanntschaft mit den Genannten gemacht haben.
"Wann haben Sie ihn verhaftet?", will Parker wissen, zückt nebenher sein Handy und tippt ein paar Mal auf seinem Display herum.
"Gestern. Die restlichen Männer suchen schon nach einem Anwalt, aber anscheinend will es keiner mit diesem Typ aufnehmen!", gebe ich gequält von mir und hoffe so sehr, dass mir mein Lieblingsverbrecher doch noch hilft.
Vor meinem Gesicht taucht das Display von Parkers Handy auf und zeigt ein Bild, auf dem John und Rafael zusammen zu sehen sind:
"Ist er das?"
"Ja, das ist er! Was haben Rafael und er miteinander zu tun? Sind sie befreundet?"
"Schlimmer! Brüder!"
"BITTE WAS?", schreie ich entsetzt los und verstehe die Welt nicht mehr.
Eine unmittelbare Ähnlichkeit kann ich nicht feststellen, aber das muss ja nicht unbedingt etwas heißen.
Während Parker sich das Bild nochmal ansieht, legt Mat einen Arm um meine Schultern:
"John ist vor längerer Zeit des Öfteren hier aufgetaucht und hat versucht, Parkers Personal auszufragen. Zuerst hat er sich als Drogen Taxi angeboten und als das nicht geklappt hat, hat er gedroht, seine ganzen Geschäfte auffliegen zu lassen, da er angeblich sehr viele Insider Informationen besitzt. Wir haben ihn natürlich überprüft und dabei sind diese familiären Verhältnisse ans Tageslicht gekommen. Seltsamerweise ist er irgendwann einfach nicht mehr aufgetaucht. Er und sein Chef, dieser Viktor, sind keine unbeschriebenen Blätter und schrecken vor nichts zurück!"
Diese Information macht mir gleich noch viel mehr zu schaffen und die Angst um Tom wächst.
Ich starre Parker so lange an, bis er aufsieht und mich überlegend mit seinen Augen fixiert.
Nachdem der linke Mundwinkel gezuckt hat, hebt er seinen Blick an und richtet sich an Gonso und Mat:
"Habt ihr Lust ein klein bisschen zu spielen?"
Meine Mundwinkel schnellen sofort in die Höhe, worauf ich Parker um den Hals falle:
"Danke, danke, danke!"
"Ist schon gut... Ich muss ein paar Kontakte spielen lassen und kann das ganze erst gegen Morgen abend in Angriff nehmen, aber wir kümmern uns. Ich hoffe, dein Tom hält so lange durch!"
"Das hoffe ich auch!"
"Gut, dann ist das ja geklärt. Zoey, du denkst an meine Worte!"
"Versprochen! Es tut mir wirklich leid, aber ich konnte einfach nicht länger warten!", mit Wimperklimpern und einer darauffolgenden langgezogenen Schnute, scheine ich den Brocken tatsächlich erweichen zu können:
"Jaja. Passt. Du hast Glück, dass die Trottel sich mit ein paar Gramm extra zufrieden stellen lassen konnten. Jetzt zieh ab, ich habe noch zu tun!"
Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen.
Mat und Gonso bekommen von mir ebenfalls noch eine Umarmung geschenkt, bevor ich mich wieder durch die Hintertür vom Acker mache.
Auf dem Rückweg fegen mir nonstop Parkers Worte durch den Kopf.
John an sich ist ja schon eine große Nummer, aber wenn sein Chef ihm Rückendeckung gibt, wird das alles kein Zuckerschlecken.
Ich weiß, dass sich Tom im Normalfall gegenüber Angriffen gut wehren kann, aber sein angeschlagener Zustand spielt ihm momentan nicht gut in die Karten.
Was mich ebenfalls total verrückt macht ist die Tatsache, dass John Rafaels Bruder ist.
Ob ich morgen nochmal Schule schwänzen und selbst das Revier aufsuchen sollte?
Wie aus dem Nichts, setzt sintflutartiger Regen ein.
Innerhalb von Sekunden bin ich nass bis auf die Unterhose und sehe das als Zeichen, dass ich morgen wohl lieber in die Schule gehen sollte.
"Na klasse", knurre ich vor mich hin und stampfe völlig verärgert durch die immer größer werdenden Pfützen auf dem Gehweg.
Anstatt mich von einem Bus überrollen zu lassen, möchte Gott mich anscheinend lieber ertränken.
Welcher Tod jetzt der angenehmere ist, kann ich momentan nicht genau beurteilen.
Triefend und total durchgefroren, komme ich vor der WG an.
Mein Türöffner, der von Franco verkörpert wird, zieht mich sofort fluchend ins Hausinnere und schiebt mich direkt ins Badezimmer:
"Ausziehen und duschen. Ich bringe dir frische Klamotten! Mensch, Zoey... Du kannst bei dem Wetter nicht ohne Schuhe und Jacke rumlaufen... Vor allem hättest du doch anrufen können, damit dich jemand abholen kommt!"
"Tut mir leid, aber es war wichtig und Stephan hat mein Handy!", gebe ich leise von mir und beobachte die Wassertropfen, die sich von meinen Klamotten abseilen und todesmutig in den Abgrund stürzen.
Der Italiener seufzt leise auf und nicht mich in den Arm:
"Mach dich schnell fertig und dann kuscheln wir eine Runde auf dem Sofa, okay? Vielleicht kannst du uns ja dann auch erzählen, was du so wichtiges zu erledigen hattest", nach einem Kuss auf meiner Stirn, lässt mich Franco wieder los und verzieht sein Gesicht, da er jetzt ebenfalls durchnässt ist.
"Wisst ihr denn schon was Neues von Tom?"
"Leider nicht. Lass den Kopf nicht hängen, er beißt sich da schon durch! Du kennst doch unseren Hulk!", der Blick des Italieners ist im Gegenzug zu seiner Stimme, mit Sorge überladen und vermittelt mir leider nicht das befreiende Gefühl, dass alles gut werden wird.
Ich nicke ihm zu und fange an, meine nasse Klamotten, die wie eine zweite Haut an mir kleben, von meinem Körper zu schälen.
Die durchgeweichten Stoffteile schmeiße ich in die Badewanne und stelle mich anschließend unter das warme Wasser der Dusche.
Ein wohliger Schauer durchfährt meinen Körper, als sich meine Temperatur dem des Wassers anpasst.
Gefühlt nach Stunden trete ich aus der Dusche, trockne mich ab und sammle die frischen Klamotten vor der Türe ein, um mich damit einzuhüllen.
Gerade als ich den Weg zum Wohnzimmer beschreite, kommen Phil und Franco in den Flur gerannt.
"Was ist denn mit euch los? Vergessen, dass ihr arbeiten müsst?"
"Nein, wir müssen..." Phil hält kurz inne und scheint nach einer passenden Erklärung zu suchen.
"Komm zu mir, Zoey!", schreit Stephan und gibt den beiden Flüchtigen somit die Chance, ohne eine Erklärung das Haus zu verlassen.
"Wo gehen die denn hin?" Vorwurfsvoll marschiere ich in das Sofa beherbergende Zimmer ein und treffe dort den Polizisten, sowie Alex und Saskia an.
"Szymon hat die Männer angefordert, um den gesundheitlichen Zustand von Tom, Marc und Cedric zu beurteilen!"
"Aber.. Ich will mit!", gerade als ich mich umdrehe, pfeift Stephan schrill durch seine Zähne.
Ich lasse meine Schultern sacken und ziehe eine Schnute bis zum Boden:
"Ich will doch nur sehen, ob es ihm gut geht!"
Herr Sindera geht gar nicht auf meine Worte ein, sondern klopft auffordernd auf seinen Schoß, worauf ich mich schmollend dorthin begebe.
Nachdem ich meinen Körper gegen den des Polizisten geschmissen habe, wandern dessen Arme um mich:
"Mich würde ja jetzt brennend interessieren, woher du Szymon kennst!"
Verdammt...
"Naja... Ich bin da zufällig auf etwas gestoßen und... Kann er Tom denn helfen?", ich setze jetzt mal auf volle Ablenkung, da ich keine Lust habe, mich zu erklären.
"Ja, er versucht es! Kannst du mir jetzt bitte meine Frage beantworten?"
"Welche Frage?"
"Zoey", kommt es rügend von Alex, der mich ebenfalls voll im Visier hat.
"Na, ich habe seinen Namen gefunden und dann halt mal Kontakt hergestellt. Schlimm?"
"Wo hast du den Namen her? Es ist ja nicht so, dass die beiden einen identischen Nachnamen besitzen", forscht Stephan weiter nach und bringt mich damit sofort in Erklärungsnot.
Mein Schweigen deutet den anwesenden Personen, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein muss.
Alex seufzt leise auf:
"Toms Vater bringt übrigens deine Jacke mit, die du bei ihm vergessen hast!"
Ups...
Der Herr, der in Verhörtechniken geschult wurde, übernimmt sofort wieder das Zepter:
"Wann warst du dort?"
"Freitag", flüstere ich vor mich hin und hoffe, dass wenigstens meine schulische Abwesenheit irgendwie vertuscht werden kann.
"Weiß Tom davon?"
Mein Kopfschütteln muss den Herren jetzt genügen, denn ich befürchte, dass ich in den nächsten paar Minuten noch mehr als genug Worte verbrauchen werde.
Stephan drückt mich etwas von sich weg, legt seine Finger an mein Kinn und dreht meinen Kopf so, dass ich ihn anschauen muss:
"Ich habe keine Lust dir alles aus der Nase zu ziehen. Erzähl uns doch bitte alles in einem Abwasch!"
"Muss das jetzt sein?", muffe ich vor mich hin, obwohl die Frage natürlich völlig überflüssig ist.
Ein synchrones "Ja" von Alex und Stephan deuten mir, dass ich jetzt wirklich keine andere Wahl habe.
"Ich habe in Toms Zimmer einen Brief gefunden und bin eben neugierig geworden. Da Tom in letzter Zeit so viel im Kopf rumgeht, dachte ich, dass das auch mit Szymons Brief zusammenhängen könnte. Ich weiß, dass die beiden letztendlich kein gutes Verhältnis zueinander hatten und wollte eben herausfinden, ob sich Szymon verändert hat. Freitag bin ich dann gleich nach der Schule zu ihm gefahren, habe ein bisschen geplaudert, bin anschließend zurück gefahren und habe meine Physio Stunde wahrgenommen!"
Alex' linke Augenbraue wandert sofort in die Höhe:
"Du hast freitags bis um dreizehn Uhr Schule... Die Zugfahrt nach Duisburg dauert bestimmt zwei Stunden. Um sechs Uhr hattest du Physio... Willst du mir jetzt ernsthaft erzählen, dass du nur ungefähr eine halbe Stunde dort warst?"
"Ja! Reicht doch!"
"Das glaubst du doch selbst nicht! Vor allem haben wir Tom einfach so ins kalte Wasser geworfen! Er hat doch jetzt genug um die Ohren und dann taucht noch plötzlich sein Vater auf", faucht Herr Hetkamp vor sich hin und streicht sich immer wieder mit seiner Hand über den Oberbauch.
"Jetzt zieh doch nicht so eine Show ab. Das wird schon gut gegangen sein. Außerdem war mein Handeln doch genau richtig, sonst hätte Tom jetzt keinen Anwalt... Warum sind denn Marc und Cedric auch dort?"
Stephan zuckt mit den Schultern:
"Wir wissen immer noch nichts, aber hoffen natürlich, dass uns Szymon gegen später aufklärt. Er kommt noch vorbei, bevor er in sein Hotel eincheckt!"
Ich kuschel mich wieder an die Brust des Polizisten und atme schwer auf:
"Ich habe Angst um Tom!"
"Ich weiß... Aber ich bin mir sicher, dass er bald wieder hier bei uns sein kann!"
Ich schließe meine Augen und nehme mir vor, Leo nachher noch anzurufen, damit er ebenfalls Bescheid weiß.
Die Müdigkeit überfällt mich mit voller Wucht.
Ich gebe mich ihr hin, da ich damit rechne, sonst noch weiteren Fragen, Rede und Antwort stehen zu müssen und außerdem will ich wieder fit sein, wenn Szymon hier auftaucht und Bericht erstattet.
Das aneinander klackern irgendwelcher gläsener Gegenstände dringt an meine Ohren.
Ich höre einige Stimmen durcheinander reden und schnappe irgendwelche Wortfetzen auf, die ein "Herzlich Willkommen", "Chaos" und "nicht langweilig beinhalten".
Eine Stimme, die mir zwar bekannt vorkommt, ich aber nicht zuordnen kann, bedankt sich.
Habe ich schon vergessen, wie sich Toms Stimme anhört?
Nach einem herzhaften Aufgähnen merke ich, dass ich mit meinem Gesicht an der Sofalehne klebe.
Mein lautes Murren lässt abrupte Stille einkehren.
Eine Hand streicht über meinen Kopf:
"Schlaf weiter. Ich trage dich nach oben, dann hast du deine Ruhe!"
"Nein... Ich will jetzt nicht alleine sein! Ist Tom da?"
Stephan seufzt leise auf:
"Nein, tut mir leid! Ich bring dich zu Oli hoch, okay?"
Der Zwiespalt zwischen Toms Bett und menschlicher Präsenz überfordert mich, da mein Gehirn nur auf Notversorgung läuft, was auch Stephan bemerkt.
Ohne weitere Diskussionen gabelt er mich auf seine Arme und bringt mich zwei Stockwerke höher.
Eigentlich habe ich mir vorgenommen zu schauen, zu wem die bekannte und doch fremde Stimme gehört, jedoch wollten sich meine Augen einfach nicht öffnen lassen.
Nachdem ich neben ein warmes Etwas abgelegt wurde, höre ich nur noch ein "Schlaf weiter, Mädchen" und gebe mich wieder ohne Probleme meinem Koma hin.
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