Part 126
Stephans Sicht
"Ruf Klaus an und schalte den Herd aus! Ich fahre hinterher. Das kann doch nicht wahr sein!", schreit Phil aufgebracht durchs Haus, während er sich schnell seine Schuhe über die Füße streift und anschließend seinen Autoschlüssel schnappt.
"Warum wurde er überhaupt verhaftet?", frage ich leicht überfordert, da ich erst später dazu gekommen bin.
"Keine Ahnung! So wie Tom aussah, wusste er es auch nicht. Die haben ihn fast zu Mus verarbeitet, diese Idioten", zetert Herr Funke ungehalten vor sich hin und rennt zu der noch immer offen stehenden Haustüre hinaus.
Als ich völlig perplex einige Schritte auf das Tor zur Außenwelt zulaufe, sehe ich Rebekka kreidebleich vor den Treppenstufen stehen.
"Rebekka?"
Toms Freundin blickt in die Richtung, in die der Streifenwagen verschwunden ist und nun auch Phils Karre davon düst.
"Wurde Tom gerade allen Ernstes verhaftet?", nuschelt sie vor sich hin und dreht ihren Kopf langsam in meine Richtung.
Ich fahre mir mit der Hand durch mein Gesicht und bringe nur ein Nicken zustande.
"Was ist passiert? Hat er irgendetwas angestellt? Die haben ihn nicht gerade sanft in den Streifenwagen gesetzt!"
Ich atme tief durch und bin froh, dass sie das vorhergegangene Spektakel nicht mitbekommen hat:
"Ich... Wir.. Keine Ahnung. Die haben uns überrumpelt und Tom einfach mitgenommen. Komm rein! Ich sollte schnell bei Klaus anrufen und fragen, ob er irgendetwas weiß", ich verdeutliche ihr mit einer fuchtelnden Handgeste, dass sie ins Haus kommen soll, was sie zum Glück auch sofort macht.
Als die Psychologin mit ihren Krücken die Treppe erklommen hat, läuft sie direkt an mir vorbei ins Wohnzimmer und lässt sich dort auf dem Sofa nieder.
Nachdem ich die Türe geschlossen habe, organisiere ich mein Handy und setze mich neben die fassungslose Frau.
Als ich den Kontakt von Klaus direkt vor Augen habe, lasse ich mein Smartphone sofort eine Verbindung aufbauen:
Klaus: "Hallo, hier..."
Ich: "Klaus? Klaus, gerade wurde Tom von drei Polizisten abgeholt. Was ist hier los?"
Klaus: Hallo Stephan. Was ist los?"
Ich: "Hier sind gerade drei Polizisten aufgetaucht und haben Tom einkassiert. Die haben ihm auf brutalste Art und Weise Handschellen angelegt und ihn dabei fast auf dem Boden erstickt. Was ist hier los?"
Klaus: "Bitte was? Also, mir liegt nichts vor... Kannten Sie die Herrschaften? Was wird ihm denn vorgeworfen?"
Ich: "Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Tom hat, glaube ich, selbst nicht verstanden, was los ist. Die Polizisten waren mir vollkommen fremd und äußerst brutal!"
Klaus: "So ein Mist! Erst verschwinden drei unserer Leute und dann wird Mayer verhaftet. Das kann doch kein Zufall sein. Haben die verlauten lassen, auf welches Revier er gebracht wird?"
Ich: "Auch nicht, nein. Der eine meinte nur, dass Tom einen guten Anwalt brauchen wird... Ah, Phil ist hinterher gefahren, vielleicht meldet er sich bald und kann uns einige Infos zukommen lassen! Hat die Ortung der Handys schon etwas ergeben?"
Klaus: "Laut Ortung müssten sich alle Herren zuhause aufhalten.... So ein verdammter Mist! Stephan, ich muss kurz ein paar Telefonate führen. Ich melde mich, sobald ich etwas weiß. Bis später!"
Ich: "Okay!"
Missmutig lasse ich mein Handy sinken und schließe die Augen.
"Klaus weiß auch nichts!", stellt Rebekka trocken fest und seufzt jetzt ebenfalls auf.
Erst der Geruch von Angebranntem lässt mich wieder meine Sehorgane öffnen.
Was ist das?
"Sag mal, riechst du das auch?", will die Frau neben mir wissen und versucht, schnüffelnd den Raum des Ursprungs zu finden.
Als sich ihr Kopf zur Küche dreht, fallen mir wieder Phils Worte ein:
"Verdammt, der Herd!"
In Rekordgeschwindigkeit springe ich vom Sofa auf, renne in die Küche und schubse die Pfanne von der erhitzten Herdplatte.
Obwohl Herr Funke die Heizfunktion auf niedriger Stufe eingestellt hat, wollte das Hackfleisch-Soßen-Gemisch sich gerne farblich und geruchstechnisch verändern.
"Stephan?"
"Ja?"
"Hat die Ortung auch irgendetwas mit Tom zu tun?"
Ich öffne das Küchenfenster, um den Geruch entweichen zu lassen und lehne mich kurz darauf in den Türrahmen der Küche:
"Nein. Robin, Marc und Cedric sind verschwunden und wir haben gehofft, so herauszubekommen, wo die drei stecken!"
Die blonde Frau dreht ihren Kopf in meine Richtung und zieht die Augenbrauen zusammen:
"Was. Ist. Passiert? Es ist doch nicht normal, dass drei Polizisten des selben Reviers verschwinden und ein vierter festgenommen wird! Stephan... Ich kann einiges ab, also sag mit bitte, was Vorgefallen ist!"
"Ehrlich, ich weiß nichts! Außer, dass in Toms Auto eine Leiche vermutet wurde... Och nööööö!", erst jetzt, als ich diese Tatsache ausspreche, wird mir bewusst, dass genau das der springende Punkt sein könnte!"
"BITTE WAS?" Rebekka ist völlig zurecht entsetzt und eventuell hätte ich diese Äußerung nicht einfach so in den Raum werfen sollen.
Ich überbrücke die paar Schritte, setze mich wieder auf das Polstermöbel und erkläre ihr, was es mit meiner Aussage auf sich hat.
"Aber... Das ist doch absurd! Tom lag die ganze Zeit im Krankenhaus und sein Auto stand in dieser Zeit nonstop vor der WG! Was soll das? Nur aufgrund einer unbedachten Äußerung, kann man doch niemanden festnehmen! Wen hätte er denn auch bitte umbringen sollen?", obwohl Rebekka immer noch sehr aufgebracht ist, entspannt sie sich etwas, da es offensichtlich ist, dass Tom überhaupt nichts angestellt hat.
"Das Ding ist, dass dieser John ein totales Arschloch ist und es schon sehr lange auf Cedric abgesehen hat. Tom hat sich einmal eingemischt und den Typ echt fertig gemacht. Anscheinend hat das ordentlich an ihm genagt. Warum jetzt aber auch noch Robin und Marc mit reingezogen werden, ist mir ein Rätsel!"
"Sag mal... Kann eigentlich jeder machen, was er will? Nur weil das ein Polizist ist, kann er einfach so irgendwelche Tatsachen in den Raum werfen und andere festnehmen lassen?"
"Da hängen noch größere Fische mit im Netz! Johns Chef ist Klaus' Cousin und die sind sich, laut Marcs Erzählung, überhaupt nicht grün. Da wird es bestimmt unter anderem auch um irgendwelche Machtspielchen gehen!", ich reibe mir mit beiden Händen durchs Gesicht und schüttele mit dem Kopf.
Rebekka lässt ihren Oberkörper mit voller Wucht gegen das Rückenteil fallen und stöhnt lauthals auf.
Die eingehende Nachricht, die lauthals nach meiner Aufmerksamkeit schreit, lässt mich zu meinem Handy greifen:
Phil, 18: 49 Uhr
Hey, ich schicke dir gleich meinen Standpunkt. Sie haben Tom durch einen Hintereingang in das Revier "West" geschleppt. Als ich angekommen bin, waren sie leider schon im Inneren verschwunden. Die Haupttüre ist verschlossen und niemand will mir öffnen. Egal was ich veranstalte!
Ich, 18: 53 Uhr
Super, danke Phil. Ich leite es gleich an Klaus weiter. Komm lieber wieder zurück, nachher verhaften die dich auch noch.
"War das Phil?", will Rebekka wissen und richtet ihre Aufmerksamkeit auf mich.
"Ja, und meine Vermutung stimmt. Er wurde auf das Revier gebracht, das Klaus' Cousin unter seinen Fittichen hat. Boah, das hätte jetzt echt nicht sein müssen!"
In meinem Inneren braut sich eine riesengroße Welle der Sorge auf, was ich versuche, vor meiner Nebensitzerin so gut wie möglich zu verbergen.
Wir wissen alle, wie skrupellos dieser John sein kann und der veröffentlichte Zeitungsartikel wird nicht gerade die Freude und Sanftmütigkeit dieses Herrn geschürt haben!
Am meisten Sorgen mache ich mir um Cedric, da er sich gegen solche Typen einfach nicht zur Wehr setzt.
Er hat zu viel Angst.
Bei Tom mache ich mir, obwohl er sich gut wehren kann, auch meinen Kopf.
So wie die Herrschaften vorhin mit ihm umgegangen sind, wird das keinesfalls ein Zuckerschlecken für ihn.
"Wo sind Zoey und Leo?"
"Gute Frage! Das weiß ich nicht!", erst jetzt wird mir bewusst, dass uns noch ein weiteres Drama bevorsteht.
Unsere zwei Kids habe ich total verdrängt und weiß jetzt schon, dass berechtigterweise Land unter Stimmung herrschen wird.
"Vielleicht weiß ja Phil etwas!", murmelt Rebekka vor sich hin und wirkt mehr ab- als anwesend.
In der Zeit, in der wir auf Phil warten, gebe ich Klaus Meldung über die von Herrn Funke erlangten Erkenntnisse.
Dieser schreit sich so in Rage, dass ich schon Angst habe, dass er am anderen Ende der Leitung bald einem Herzinfarkt erliegen wird.
Nach meinem Telefonat werfe ich mein Handy zur Seite und lege einen Arm um die Schultern der Frau neben mir:
"Rebekka, mir wäre es lieb, wenn du heute bei uns bleibst und nicht zuhause alleine vor dich hin grübelst. Okay?"
Sie lässt ihren Kopf gegen meine Schulter knallen und nickt einfach nur vor sich hin.
Klaus hat mich gebeten, die Füße still zu halten, da er nicht will, dass wir auch noch in diese hinterhältigen Machenschaften hineingezogen werden.
Was genau los ist, weiß leider keiner von uns und mir behagt es ganz und gar nicht, dass wir gar nichts machen können, außer abzuwarten.
Toms Sicht
Seit geschlagenen drei Stunden sitze ich in einer Art Abstellkammer, die einem Kellerloch gleicht.
Hier drin gibt es kein Regal, keine Lampe, keinen Stuhl.
Die Wände sind feucht, der Boden kalt und steinig.
Dieser Raum besitzt kein Fenster, wodurch die Dunkelheit nur allzu präsent ist.
Ich bin froh, dass hier eine Art Wecker neben der Türe auf dem Boden steht, dessen schwaches Licht mir die Uhrzeit verrät und mir wenigstens ein Stück weit Orientierung bietet.
Mein Hintern ist schon fast taub vor Kälte, da der harte, steinige Boden nicht unbedingt die beste Sitzgelegenheit darstellt.
Mir wäre es lieber, wenn mein rechtes Fußgelenk taub wäre, denn das pocht unentwegt vor sich hin und ist dem Gefühl nach, auch reichlich angeschwollen.
Die Handschellen zieren immer noch meine Handgelenke und haben sich mittlerweile ein Stück weit in meine Haut eingearbeitet.
Meine Gefühlswelt steht Kopf.
Ich weiß nicht, was mir vorgeworfen wird und wo genau ich mich befinde.
Ganz koscher kann die Sache allerdings nicht sein, denn im Normalfall würde man mich in eine Zelle stecken und nicht in solch ein schäbiges Loch.
Tief in meinem Inneren brodelt ein kleines Süppchen, das leider zu viel mit Angst gewürzt wurde.
Nicht nur, dass die Unwissenheit an mir nagt, nein, ich bin körperlich einfach nicht fit und kann mich deshalb auch nicht vernünftig wehren.
Eine weitere Stunde später wird ohne Vorwarnung die Türe aufgerissen.
Das grelle Licht einer Taschenlampe richtet sich direkt auf meine Augen, die ich dann sofort schmerzvoll zusammenziehe und letztendlich schließe.
Ich höre mehrere Schritte im Raum, bevor mir unerwartet unter die Arme gegriffen wird und ich kurz darauf wackelig auf meinem linken Fuß stehe.
Als ich meine Augen öffne, sehe ich nur lauter helle Flecken in meiner Sicht und schließe sie deshalb sofort wieder.
"Los!", brummt eine tiefe Stimme neben mir und sofort werde ich nach vorne weggezogen.
Meine nicht vorhandene Standfestigkeit sorgt allerdings dafür, dass ich stolpere und wie ein nasser Sack zwischen den beidseitigen festen Griffen hänge.
"Hey! Reiß dich zusammen!", ein Schlag gegen den Hinterkopf sorgt dafür, dass die Worte mein Gehirn erreichen.
"Ich kann mit meinem rechten Fuß nicht auftreten!", knurre ich in die linke Richtung, aus der die Stimme gekommen ist.
"Das ist mir scheißegal. Du läufst jetzt gefälligst anständig!", ertönt es von der anderen Seite, in die ich jetzt auch meinen Kopf drehe und wiederholt versuche, meine Augen zu öffnen.
Kaum habe ich es geschafft, zumindest eine Silhouette des menschlichen Wesens zu erfassen, trifft mich mit enormer Wucht irgendetwas hartes an meiner Stirn.
"AAAAAHHH!!!", schreie ich voller Wut und Schmerz, werde dafür sofort grob am Kinn gepackt.
An meinem Ohr verspüre ich Atem, der mir einen kompletten Gänsehautschauer beschert.
"Halt die Fresse! Verstanden?"
Ich äußere mich nicht und lasse mich wieder in Richtung Türe ziehen.
Mein rechter Fuß arbeitet so gut wie möglich mit, jedoch spüre ich, wie instabil er ist und bei jedem Auftreten, durchfährt mich ein blitzartiger Schmerz, der mir durch meinen kompletten Körper zieht.
Außerhalb der Kammer ist alles mit grellen Licht beleuchtet.
Meine Sehfähigkeit erbarmt sich langsam wieder dazu, ihre Dienste aufzunehmen.
Da für einen Moment totenstille herrscht, dringt eine gedämpfte Stimme an mein Ohr, die meinen Namen nennt und mich sofort meinen Kopf erheben und lauthals schreien lässt:
"MARC?"
Wenn mich nicht alle Sinne verlassen haben, müsste sich mein Freund und Kollege hier irgendwo aufhalten.
Das darauffolgende "JA!" ist deutlich kräftiger, doch meine Wegbegleiter unterbinden diese erkenntnisreiche Situation, indem sie mich wieder zum Laufen animieren.
Ich weiß nicht, ob ich froh über die Tatsache sein soll, dass Marc auch hier ist oder mir das noch größere Sorgen bereitet.
Dadurch, dass ich mich so sehr darauf konzentrieren muss, einigermaßen laufen zu können, verschiebe ich meine Stimmungsanalyse auf einen späteren Zeitpunkt.
Völlig fertig werde ich in einem sehr schäbigen und heruntergekommenen Verhörraum auf einem Stuhl platziert.
Nachdem die beiden Männer mich losgelassen haben, positionieren sie sich irgendwo in diesem Raum, um mich im Auge zu behalten.
Obwohl der Drang in mir, mich umzuschauen, sehr präsent ist, konzentriere ich mich nur auf den blutverschmierten Tisch vor mir.
Mir wird einen Moment lang speiübel und ich hoffe, dass dieses Blut nicht von Marc stammt.
Wenn er hier ist, werden Cedric und Robin bestimmt auch in diesem Gebäude festgehalten.
Die Türe wird geöffnet und eine weitere Person betritt den Raum.
Erst als der Besuch direkt gegenüber, auf dem zweiten Stuhl Platz nimmt, löse ich meinen Blick von dem Blut und schaue einem älteren, sehr amüsiert aussehenden Mann ins Gesicht.
Wenn mich nicht alles täuscht, muss das Viktor sein, der, der das Revier "West" unter seinen Fittichen hat.
Ich habe sein Gesicht schon in mehreren Zeitungsartikeln gesehen.
"Na, wen haben wir denn da? Der berühmt berüchtigte Tom Mayer. Wie fühlt man sich denn so auf der anderen Seite, mh?" Viktor grinst mir amüsiert entgegen und mustert ausführlich mein Gesicht.
"Was ist hier los? Was soll das ganze?", will ich wissen und bekomme ein verächtliches Lachen geschenkt.
"Ihre impulsive Ader hat sie dieses Mal wirklich in Schwierigkeiten gebracht... Tom, wie konnten Sie nur denken, dass diese Tat unentdeckt bleibt? Ein Mord unter Kollegen. Kommt bestimmt nicht gut beim Richter an!"
Meine Gesichtszüge entgleisen mir im Bruchteil einer Sekunde.
Mord unter Kollegen?
"Ein bitte was? Seid ihr noch ganz sauber im Kopf?", frage ich geschockt und verspüre nun ein Pochen an meiner Stirn, das auf die vorherige Kopfnuss zurückzuführen ist.
"Wir konnten es auch nicht fassen.... Aber verraten sie mir doch, warum ausgerechnet Herr Sturm?"
Mein Gegenüber lehnt sich zurück und grinst mir frech entgegen.
Anscheinend ist meine Gesichtsakrobatik sehr unterhaltsam.
"Was soll mit Robin sein?"
"Vertuschen bringt nichts mehr, Tom. Es wurden genug Spuren gesichert, die beweisen, dass sie ....”
Scheiße.... Wenn die Robin irgendetwas angetan haben..
Ich lasse den überheblichen Arsch gar nicht ausreden, sondern fahre ihm sofort übers Maul:
"WAS HABT IHR SCHWEINE MIT IHM GEMACHT?"
Innerlich explodiere ich vor Wut, Angst und Verzweiflung.
Am liebsten würde ich den Kerl vor mir in Stücke reißen, doch leider sind mir immer noch sprichwörtlich die Hände gebunden.
Meine Rückenschmerzen geben nun auch wieder ein Lebenszeichen von sich, das mich dazu zwingt, eine etwas lockerere Haltung einzunehmen.
"Na, na, na.. Ich darf doch wohl um etwas Zurückhaltung bitten! Mein Cousin wird sicherlich keine Freude daran haben, dass sein Revier jetzt unter Verruf steht!"
"Was soll die Scheiße hier? Wo ist Robin und was habt ihr mit Cedric und Marc gemacht?", belle ich ihm entgegen und beobachte mit wachsendem Ärger die steigenden Mundwinkel meines Gegenüber:
"Naja, da sie ihren Kollegen schließlich nicht alleine aus dem Weg räumen konnten, haben wir nach Mittätern gesucht und sind dann natürlich auch schnell fündig geworden!"
"Das ist doch wohl ein schlechter Scherz! Wo ist die versteckte Kamera?"
"Tzzz. Herr Mayer, es wurden genug Beweismittel in Ihrem Auto gefunden. Wir haben jede Menge Haare, Hautschuppen und Blutreste ihres Kollegen in ihrem Kofferraum sicherstellen können. Wir haben extra ein anderes Revier zur Bestätigung hinzugezogen, damit auch alles mit rechten Dingen zugeht!", lacht mein Gegenüber siegessicher.
Mir schießt sofort die Erinnerung an unseren Besuch bei John durch den Kopf.
Robins Nase...
Daher das Blut...
Diese Ratte hat das schamlos gegen uns verwendet.
"Damit kommt ihr niemals durch! Ihr hattet mein Auto, bevor Robin verschwunden ist. Er wurde noch vor seinem plötzlichen Verschwinden in der KaS behandelt und ich lag ebenfalls im Krankenhaus. Vielleicht solltet ihr jemand mit Gehirn an die Planung eurer Intrigen ranlassen!", schnaube ich verächtlich und schüttle meinen Kopf.
"Ich bin mir sicher, dass es keinerlei Aufzeichnungen über eine Behandlung des Herrn Sturm gibt. Ihr Auto wurde auch erst vor zwei Tagen in Beschlag genommen. Sie waren doch während ihres Krankenhausaufenthaltes auf einem nächtlichen Ausflug, wenn mich nicht alles täuscht, oder?"
Ein lautes ungläubiges Stöhnen entfährt meinem Mund und ich muss den Drang unterdrücken, meine Stirn gegen die Tischplatte zu hauen.
Die bestehenden Schmerzen reichen vollkommen aus.
"Welches Motiv habt ihr wirklich? Cedric steht eh schon länger auf der Abschussliste von John, das kann ich mir noch erklären. Aber welche Ehre lasst ihr uns Restlichen zukommen?"
"Klingelt bei ihnen etwas, wenn Sie den Namen 'Meinert' hören?", will Viktor wissen und erhebt sich nebenher von seinem Stuhl.
Meinert, Meinert, Meinert...
Auf die Schnelle will mir nicht einfallen, was es mit diesem Namen auf sich hat.
Während sich der überhebliche Schmierlappen seinen Anzug glatt streicht, betritt eine weitere Person den Raum.
Viktor sieht auf und fängt an breit zu grinsen:
"John! Ich habe dir die Ehre überlassen, Herrn Mayer über die weiteren Einzelheiten aufzuklären. Ich muss nach Hause, meine Frau wartet auf mich. Viel Vergnügen!"
John?
Ich dachte, den hat Klaus festgenagelt…
Als Viktor den Raum verlassen will, bremst er neben mir ab und führt seinen Mund direkt an mein Ohr:
"Wissen Sie, was passiert, wenn ein Polizist im Gefängnis auf alte Bekannte stößt?"
Ein dreckiges Lachen ertönt, während der Polizeichef sich von mir abwendet und sich auf den Weg zu seiner Frau macht.
"Wie lange habe ich auf diese Gelegenheit gewartet?", ertönt die leider bekannte Stimme hinter mir.
Mir stellen sich alle Nackenhaare, da ich John auf den Tod nicht ab kann und ihm am liebsten meine Faust direkt zentriert ins Gesicht zukommen lassen würde.
Eine Hand schiebt sich in meine Haare, greift fest zu und zieht meinen Kopf mit einem Ruck nach hinten.
Meine Zahnreihen pressen sich fest aufeinander, damit kein einziger Schmerzlaut aus meinem Mund entfliehen kann.
"Falls du es noch nicht wusstest: Mein Name lautet John Meinert. Meinen Bruder müsstest du auch kennen.... Ich weiß, die Schönheit blieb leider nur bei mir hängen und eine Ähnlichkeit kann man rein äußerlich nicht unbedingt erkennen, jedoch ist es so, dass man für seine Familie einstehen muss. Egal wie dumm die Angehörigen sind.... Ich warte schon lange auf eine Gelegenheit und diese Rotzblagen haben sie mir auf dem silbernen Tablett serviert! Deine bescheuerten Kollegen dürfen sich natürlich auch einen Orden anstecken!"
Ich verstehe immer nur noch Bahnhof und kann mir nicht zusammenreimen, was dieser Drecksack von mir will.
Der Griff in meinen Haaren, der kurz davor war, mir ein neues Lüftungsloch für meinen Schädel zu schaffen, lockert sich.
Ein leises Seufzen ertönt und John lässt komplett von mir ab, um sich in die gleiche Position wie Viktor zuvor begeben zu können.
Aus seiner Hosentasche entnimmt er einen zusammengefalteten Zettel, den er öffnet und abwechselnd einen Blick zu mir und dann wieder auf das Papier wirft.
Für einen kurzen Augenblick schließe ich meine Augen, um die ganzen Schmerzen, die durch verschiedene Stellen meines Körpers fegen, mit einer kontrollierten Atmung etwas entschärfen zu können.
"Vielleicht hilft dir das etwas auf die Sprünge und eröffnet deinem Geiste, wer mein Bruder sein könnte: Nasen- und Unterkieferbruch. Diverse Rippenbrüche. Magenblutung. Anscheinend durch einen Zellenkollegen verursacht. Zur Zeit sitzt er in einer psychiatrischen Anstalt und wird mit Tabletten vollgepumpt, da er an Verfolgungswahn leidet und sich einpisst, sobald er sich in einem dunklen Raum aufhält." Johns Blick wird finsterer und als er mir ins Gesicht sieht, zieht er seine Augen zu Schlitzen.
Meine Lust auf Rätselraten hält sich sehr in Grenzen, vor allem auch deswegen, da ich mir sicher bin, dass er mir den Namen seines Bruders früher oder später eh zukommen lassen wird.
Mein Schweigen scheint den Mann gegenüber jede Sekunde wütender zu machen.
Ich zucke mehrmals mit den Schultern, was John nicht milder stimmt.
Ruckartig erhebt er sich von seinem Stuhl, beugt sich über den Tisch und organisiert ein Treffen zwischen meiner Wange und seinen Fingerknöcheln.
Nur ein leises Brummen verlässt meinen Mund, da ich ihm nicht die Genugtuung von Schmerz erfüllten Lauten zukommen lassen möchte.
Ich befürchte langsam, dass mir eine sehr lange Nacht bevorstehen könnte.
Einen tiefen Atemzug später schaue ich ihm wieder unverblümt in die Augen, die so dicht vor mir sind, dass ich fast zu schielen beginne.
Als er sich zurückzieht, holt er erneut aus und trifft dieselbe Stelle wie zuvor.
Ich beiße mir auf die Zunge und versuche die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.
"RAFAEL! RAFAEL MEINERT!", brüllt er mir voller Wut entgegen und lässt mich somit ebenfalls feststellen, dass er eine ziemlich feuchte Aussprache besitzt.
"Sagt mir immer noch nichts!", flüstere ich vor mich hin und kann beobachten, wie die Röte von Johns Hals langsam Besitz von dem Gesicht des arroganten Arschloch ergreift.
"Du gehst mir so auf den Sack... Weißt du eigentlich, dass Cedric schon nach ein paar Schlägen wie ein kleines Mädchen geheult hat?"
Das Kreislauf aufrechterhaltende Organ in meiner Haut- und Knochenhülle zieht sich schmerzhaft zusammen.
"Dieser... Wie heißt er doch gleich.. Westernhoven ist da schon etwas geübter, wenn es darum geht, Schmerzlaute zu unterdrücken... Aber lange hat er es trotzdem nicht ausgehalten!", gibt John trocken von sich und schenkt mir ein amüsiertes Lächeln.
Wut und Trauer kämpfen in meinem Kopf, während sich langsam meine Erinnerungen melden und mir unter Umständen eingefallen ist, wer Johns Bruder sein könnte:
"War dein Bruder Sanitäter?"
Überrascht zieht der Prügelfritze seine rechte Augenbraue nach oben und nickt einmal.
Leck mich doch am Arsch!
Hört diese Scheiße denn nie auf?
"Ich habe deinen Bruder nicht verprügelt!"
"Weiß ich. Aber Kollegen von dir. Zumindest von diesem ätzende Kind und da du diese Rotzgöre adoptiert hast, fällt das ganze nunmal auf dich zurück!"
Mein Herzschlag beschleunigt sich, als mir bewusst wird, dass er von Zoey redet.
"Da guckst du, was? Weißt du, Parker sollte nicht so selbstsicher sein und denken, dass er die Leute mit drei Gramm Koks zum Schweigen bringen kann. Je mehr du ihnen bietest, desto redefreudiger werden sie. Naja und mein Bruder hat mir auch einige Hinweise gegeben!"
"LASS ZOEY IN RUHE!", schreie ich ihm voller Wut entgegen.
"Ach Tom! Auf dieses Gekeife dieser vorlauten Göre habe ich gar keine Lust. Ich habe mir sagen lassen, dass es sie mehr treffen könnte, wenn man einen gewissen Mann aus ihrem Umfeld beseitigt. Stell dir mal vor, was es bei dieser jungen kaputten Seele anrichtet, wenn der ach so geliebte Vater im Gefängnis seinen Verletzungen erliegt... Der Gedanke daran zerreißt mir fast mein Herz", theatralisch verzieht er sein Gesicht und wischt sich eine imaginäre Träne unter seinem Auge hinfort.
"Lass Zoey, Marc, Cedric und Robin in Ruhe. Mit mir kannst du machen, was du willst!"
"Danke für das Angebot. Ich mache aber eh was ich will! Du wirst dir noch wünschen, dieser Göre niemals begegnet zu sein!"
Ein gehässiges Lachen später erhebt sich das Arschgesicht von seinem Stuhl, umrundet den Tisch und bleibt direkt neben mir stehen:
"Sieh dich vor, wenn es dunkel wird! Man weiß nie, was passiert!"
Ich muss schwer schlucken und schaue John hinterher, wie er voller Freude den Raum verlässt.
Erneut schließe ich meine Augen und versuche mich auf meinen baldigen Untergang einzustellen.
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