Part 106
Immer noch Marc's Sicht
"MARC! SIE KOMMEN MIT UND ZWAR DALLI!" Klaus fegt wie ein wild gewordenes Rhinozeros an mir vorbei und ich frage mich, ob er mit dem Herrn am anderen Ende der Leitung überhaupt irgendetwas geredet hat.
"Ähm.. aber...", ich bin kurz total überfordert und würde am liebsten die Biege machen.
Allerdings in die entgegengesetzte Richtung von Klaus.
Moritz schüttelt sofort den Kopf, als könne er meine Gedanken lesen und gibt mir einen ordentlichen Schubs, damit ich Klaus' Verfolgung endlich aufnehme.
Schwermütig trotte ich dem brodelnden Reaktor hinterher und staune nicht schlecht, als er auf seinen privaten Wagen zusteuert.
"Sollen wir nicht lieber mit...", der Ansatz meines Vorschlages wird sofort abgelehnt:
"ICH FAHRE! HOPP, INS AUTO JETZT. WIR HABEN ES EILIG!"
Kaum habe ich die Seitentüre des Mercedes geschlossen, lässt Klausi auch schon die Reifen quietschen:
"Am besten machen Sie die Augen zu. Je weniger sie wissen, desto besser. Das Gesetz legen wir uns für die nächsten paar Minuten so zurecht, wie wir es brauchen!"
Der stechende Seitenblick verleitet mich dazu, sofort in Dauerschleife zu nicken und dann auch tatsächlich meine Augen zu schließen.
Vielleicht könnte ein überraschender Tod besser zu verkraften sein, als wenn man ihn auf sich zukommen sieht.
Je schneller wir fahren, desto ruhiger wird mein Chef.
Das nimmt mir persönlich allerdings kaum etwas von meiner eigenen Anspannung.
"Marc, entspannen Sie sich doch mal ein bisschen. Ich weiß schon, was ich tue!"
"I-Ich bin nur in Sorge um Cedric!", stottere ich vor mich hin und entlocke meinem Nebenmann ein lautes Seufzen:
"Ich weis... Das wird kein Zuckerschlecken werden.... Johns Onkel ist ein ganz großzügiger Spendenzahler und lässt Viktors Revier schon fast in Geld schwimmen. Sie können sich vorstellen, dass John deshalb etwas Narrenfreiheit hat. Geld regiert die Welt!"
Das sind ja wieder tolle Aussichten...
"Aber keine Sorge, wir boxen Herrn Scherer schon irgendwie da raus!"
"Ihr Wort in Gottes Ohr!"
"Sind Sie bei Ihrem Telefonat erfolgreich gewesen und können mir einige Informationen über dieses Wirrwarr liefern?"
Nach einem tiefen Atemzug lege ich alles, was ich weiß, offen und versuche ausnahmsweise auch mal nichts zu vertuschen.
Cedric muss geholfen werden und da könnte jede noch so kleine Info hilfreich sein.
Als ich mit meinem Geschwafel durch bin, seufzt Klaus nur augenverdrehend auf:
"Genau genommen, sind Sie und Cedric an dieser Lage selbst schuld. Bis auf die Besetzung eines Behindertenparkplatzes hat Mayers Junge nichts verbrochen. Ich verstehe nicht, wie sie darauf kommen, dass in Toms Auto eine Leiche gelegen haben könnte! Ihm ist wirklich einiges zuzutrauen, aber ein Mord... Nein! Könnten wir uns vielleicht darauf einigen, dass sie in Zukunft Abstand von Dingen nehmen, die mit Tom in Verbindung stehen? Gerne können Sie Ihre Kollegen informieren, damit die sich um die Angelegenheiten kümmern, aber Sie... Sie entwickeln sich langsam aber sicher zur wandelnden Katastrophe, wenn es um die Mayers geht!"
Etwas überrascht von der in neutraler Tonlage verpackten Ansage, wende ich Klaus mein Gesicht zu:
"Es ist ja nicht so, dass ich absichtlich..."
"MARC! KLAPPE! ICH WILL KEINE ENTSCHULDIGUNG HÖREN, SONDERN EINE BESTÄTIGUNG MEINER ANSAGE!"
"Ja!", flüstere ich fast vor mich hin und bekomme wieder einen scharfen Seitenblick geschenkt.
"Ja, zu der Ansage und Ja, zum Rest", bringe ich jetzt mit etwas mehr Festigkeit in der Stimme heraus und stimme Klaus somit zufrieden.
Kaum ist der Mercedes geparkt, bekomme ich nochmals eine Ansage:
"Arsch zusammenkneifen und Brust raus. Sie laufen dort jetzt mit ihrer größten Arroganz rein, die sie besitzen. Verstanden? Das Reden überlassen Sie aber mir. Von Ihnen will ich nichts hören!"
"Geht klar, Chef!"
"Dann mal los!"
Es kommt einem fast so vor, als würde Klaus sich durch einen Transformator, der in der Karosserie eingebaut ist, durchzwängen, denn sein Anblick, als er letztendlich im Freien steht, ist wirklich furchteinflößend.
Sein Blick ist verbitterter als an den schlechtesten Tagen im Revier.
Die Augenbrauen sind dermaßen zusammengezogen, dass sich seine komplette Stirn in Falten legt und er fast einem dieser Shar-Pai Hunden gleicht.
Sein ganzer Körper bringt sich in Angriffsstellung und strahlt puren Hass aus.
Ich an Viktors Stelle würde heulend davon rennen.
Damit meine Knie unter diesem erschlagenden Blick nicht nachgeben, rede ich mir in Dauerschleife selbst gut zu, dass dieser Hass nicht mir gilt.
Im Stechschritt marschiert der Vollstrecker höchstpersönlich auf das neu renovierte und äußerst moderne Revier zu und reißt fast die Türen aus der Angel, als er diese öffnet.
Noch bevor er von der Besatzung im Innenraum zu sehen ist, kann er selbst von einem Schwerhörigen gehört werden:
"VIKTOR!"
Als ich kurz nach Klaus den Empfangstresen erreiche, stechen mir drei blasse Gesichter ins Auge.
Allesamt eingeschüchterte Polizisten.
Einer dieser drei Pappnasen deutet mit einem ausgestreckten Zeigefinger den Gang entlang und läuft anschließend ein paar Schritte rückwärts, um mehr Abstand zwischen sich und der wandelnden Kernschmelze zu bringen.
Klaus stürmt natürlich sofort den in azurblau gestrichenen Flur entlang und scheint ganz von alleine zu wissen, wo sich das Büro unseres Zielobjektes befindet.
An der Türe angekommen, reißt er fast den Griff aus der Holzplatte, aber auch nur, da die Raumtrennung nach innen geöffnet werden muss, anstatt nach außen.
Dem Knacksen in der Schulter meines Vordermannes zu urteilen, wird sich die Laune gleich noch erheblich verschlechtern.
Falls das überhaupt noch möglich ist.
Unser Empfangskomitee entpuppt sich als ein dürrer Lauch, dem schon einige Haare auf dem Köpfchen fehlen und der garantiert bei einer Windböe der Stärke zwei davongeweht wird.
"Klaus! So schnell habe ich dich gar nicht erwartet. Habt ihr denn nichts zu tun, auf eurem Revier?", singt Viktor schon fast freudig vor sich hin und lächelt meinem Chef rotzfrech ins Gesicht.
"WO IST MEIN POLIZIST?"
"Klaus. Denk an deinen Blutdruck. Setz dich doch erst einmal und atme tief durch. Kann ich dir ein Wasser oder einen Kaffee anbieten?"
"DEINE GESPIELTEN NETTIGKEITEN KANNST DU DIR IN DEINEN ALLERWERTESTEN STECKEN! ICH BIN HIER, UM HERRN SCHERER ABZUHOLEN!"
"Tja, da werde ich dich enttäuschen müssen, lieber Cousin. Dein Herr Scherer sitzt unten in der Zelle und denkt gerade über seine Vergehen nach! Nicht gerade Vorbildlich, deine Beamten... So voller Gewalt und ohne jegliche Moral!"
Cousin?
Ach du scheiße....
Familienkrieg wird hierbei wohl echt eine schwierige Verhandlungsbasis schaffen...
"WAS HEIßT HIER VOLLER GEWALT?", schreit Klaus auch gleich wieder los, was Viktor nur lachend den Kopf schütteln lässt:
"Ich zeig es dir! JOHN! KOMM MAL BITTE!"
Das Stimmvolumen muss erblich bedingt sein.
Mir klingeln jetzt schon die Ohren von dem Gebrüll, obwohl wir erst am Anfang stehen und ich bin mir ganz sicher, dass ich spätestens in zwei Stunden einen totalen Sinnesverlust in Bezug auf meine hörende Fähigkeit verzeichnen muss.
Der Gerufene läuft innerhalb von ein paar Sekunden zur Türe herein, was den Anschein weckt, dass er gelauscht haben muss.
So schnell bin nämlich nicht mal ich, wenn es Donuts gibt und das will was heißen.
Das Seitenprofil unseres geliebten Johns, wirkt etwas abstrakt:
Sein linkes Auge ziert eine bläuliche Umrandung, während seine Oberlippe mit sehr vielen rot leuchtenden Flecken bedeckt ist.
Klaus lehnt sich leicht zu mir:
"Tom ist wirklich noch im Krankenhaus?"
Genauso flüstern wie mein Chef, gebe ich ein "Ja!" zur Antwort.
Herr Wiebel kratzt sich am Hinterkopf und gibt sich gänzlich unbeeindruckt:
"Sollte sich mal waschen, der Gute, mh?"
"DAS lieber Klaus, war dein Herr Scherer. Er wollte sich nicht den Anweisungen meines Polizisten beugen und ist sofort ausgerastet, als dieser ihn etwas besänftigen wollte!"
"Hahahaha. Also, Viktor... Tolles Theater was du hier vollzieht, aber DAS war mit Sicherheit nicht Herr Scherer!"
Viktors Blick verdunkelt sich schlagartig.
Seine Finger krallen sich in die Schreibtischplatte, bevor er sich ruckartig aus seinem Bürostuhl bequemt und sich in einen bedrohlichen, aufrechten Stand begibt.
Im Gegenzug zu Klaus ist diese Erscheinung zwar lachhaft, aber er gibt sich dennoch Mühe:
"WILLST DU DAMIT ETWA ANDEUTEN, DASS JOHN UND ICH LÜGEN?"
"Ja! Du hast es erfasst! Ganz schlaues Kerlchen. Ich kenne meine Mannschaft ganz genau und weiß, wer wozu fähig ist und wer nicht! Was, außer diesem lächerlichen Picasso, hast du ihm noch vorzuwerfen?"
"Beamtenbeleidigung!"
"Kann ich nachvollziehen. Was noch?"
"Verschleierung eines Mordes und Beseitigung einer Leiche!"
"Viktor, ich bitte dich! Wo hast du eigentlich dein Studium gemacht? Auf der Baumschule? Verschleierung eines Mordes... Tzzzz... Was hast du für Beweise?"
"Das Auto von diesem Scherer!"
"Schön schlampig bist du... Das Auto gehört nicht Herrn Scherer! Wie kommst du überhaupt darauf, dass in der Karre eine Leiche gelegen hat?"
"Der Geruch, mein Lieber. Meine feine Nase kann einen Verwesungsgeruch in hundert Kilometer erschnüffeln!"
"Hahaha. Die Verwesungausdünstungen stammen aus dem Darm eines einundzwanzigjährigen. Der hat Magen-Darm-Grippe und fast ins Auto geschissen... Meine Güte... Ich will dir übrigens raten, dass Auto in einem gepflegten Zustand an den Besitzer zu übergeben, denn der... ja... finde es selbst heraus oder auch nicht! So, da wir hier keine wasserfesten Beweise haben, können wir unseren Mann bestimmt wieder mitnehmen, oder?"
"Nein!"
"Warum?"
"Er hat John geschlagen und es besteht die Gefahr einer Flucht!"
Klaus rollt mit den Augen und stemmt die Hände in die Hüfte:
"Viktor. Lass es jetzt gut sein und blamiere dich nicht noch mehr. Wenn du dir wegen der nicht bewiesenen Gewaltanwendung gegenüber deines heißgeliebten Sponsorenkindes in die Hose machst, dann schreib doch einfach eine Anzeige. Weist ja wie es geht oder?"
"NEIN!!! HIER BIN ICH DER CHEF UND BESTIMME, WER WANN FREIGELASSEN WIRD UND WER NICHT!"
Wow...
Bei denen möchte ich auch bei keiner Familienfeier anwesend sein!
Mein Chef seufzt leise auf und dreht sich zu mir:
"Marc, gehen Sie bitte an den Empfang und lassen Sie sich von einer dieser Nasen zu Cedric führen. Muntern Sie ihn etwas auf. Ich komme auch bald. Muss hier nur noch ein kleines Gespräch unter vier Augen führen".
"Natürlich!", ich verliere wirklich keine Zeit, aus diesem Raum zu flüchten, denn den Kampf dieser beiden eingebildeten Gockel will ich mir keinesfalls geben.
Am Empfang angekommen, werde ich von einem Polizisten mit lädierter Hand angesprochen:
"Kann ich Ihnen irgendwie helfen?"
"Ja, in der Tat. Ich möchte gerne zu Herrn Scherer, bitte!"
"Natürlich. Folgen Sie mir!", nuschelt der Brunhaarige vor sich hin und drückt sich an mir vorbei, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen.
Ich folge dem, meiner Meinung nach, eingeschüchterten Typ bis in den Keller, wo wir vor einer Zellentüre einen Stopp einlegen.
"Würden Sie bitte Ihre Taschen leeren und den Inhalt in diese Box legen. Sie bekommen alles wieder zurück, sobald sie den Besuch beendet haben", der namentlich immer noch Unbekannte hält mir eine durchsichtige Plastikbox unter die Nase, in die ich nach ein paar schnellen Handgriffen mein Geldaufbewahrungsmittel, mein Smartphone, ein Päckchen Tempos, drei Bonbons, einen Labello, die Treuebonuskarte einer Bäckerei und einen Blister Schmerztabletten hineinlege.
Den Waffengürtel muss ich schwachsinniger weise nicht ablegen, was mir natürlich total entgegenkommt, da ich den diesem Fuzzi auch nicht freiwillig ausgehändigt hätte.
Nach vollführen dieses Aktes und einer total unnötigen Aufklärung, dass ich keine Fluchtpläne mit dem Beschuldigten schmieden und keinen Körperkontakt herstellen darf, wird mir endlich die Türe geöffnet.
Der Anblick, der sich mir hinter der Stahltüre bietet, schmerzt mein Herz.
Cedric sitzt wie ein Häufchen Elend zusammengekauert auf einer Pritsche und starrt Löcher in den Boden.
"Hey Kumpel!", kaum habe ich den Raum betreten, scheppert die Zellentüre auch schon ins Schloss und verschafft mir die Aufmerksamkeit meines Kollegen.
"Hey", kommt mir kaum hörbar entgegen.
Mein Hintern platziert sich genau neben Cedric auf der Pritsche, worauf ich ungeniert in sein Gesicht starre und auf etwas aufmerksam werde:
"Wer hat dich in deinem Gesicht so grob angepackt?"
Durch die Anordnung der jetzt schon ordentlichen blauen Flecken kann man genau sagen, an welcher Stelle seines Kiefers ein Finger angelegt wurde und wo nicht.
"Dreimal darfst du raten!"
"Hat er dir sonst noch irgendwie weh getan?"
"Nein....", diese Antwort überzeugt mich nicht wirklich, denn mein Nebenmann weicht mir mit seinen Blicken aus.
"Das muss dir nicht peinlich sein. Wir wissen alle, was John für ein Arschloch ist! Komm schon, sei ehrlich!"
Mit verkniffenen Gesichtszügen entblößt mein Kollege seine beiden Handgelenke und lässt mich damit erschrocken aufzischen:
"WAS HABEN DIE GEMACHT?"
Eigentlich kann ich mir das schon selbst zusammenreimen:
Die Handschellen wurden bis zum Anschlag zusammengequetscht und zur Krönung hat irgendein Vollidiot daran herumgerissen.
Ich kann mir vorstellen, dass er enorme Schmerzen haben muss.
"Mich festgenommen. Aber, ist schon okay!"
"Nein, das ist überhaupt nicht okay, Cedric. Klaus versucht gerade, dich rauszuboxen. Ich hoffe, er hat Erfolg! Hör mal... Es tut mir wahnsinnig leid, dass du wieder in so eine Scheiße reingezogen wurdest!"
"Früher oder später musste es ja mal so kommen. John hat doch nur darauf gewartet mir eins reindrücken zu können"
"Und das nur, weil sich diese Marie damals für dich entschieden hat... tzzzz... Manche Männer und ihre gekränkten Egos!"
"Tja. Shit happens!"
Tom's Sicht
Als ich von meinem kleinen Nickerchen erwache, kommen gerade Zoey und Leo zur Türe herein geschlichen.
Man sieht ihnen schon von weitem an, dass irgendetwas faul ist, aber so kurz nach dem Aufwachen kann ich noch keine Nachforschungen anstellen.
Lieber beobachte ich die zwei und da sie noch nicht bemerkt haben, dass ich wach bin, verstellen sie sich nämlich auch nicht.
Im Tuscheln ist die Bande sehr geübt,wie ich feststellen muss, so dass nur vereinzelte Worte zu mir durchdringen.
Leider beunruhigen mich diese Wortfetzen mehr, als dass sie mir aufschlussreiche Erklärungen liefern.
Gefängnis, Auto futsch, Leiche...
Was haben die schon wieder angestellt und vor allem wann?
Um nicht ganz so gemein zu sein und dass sich ihre Herzen an die bevorstehende Beschleunigung langsam gewöhnen können, gähne ich lauthals auf und strecke mich einmal ordentlich durch.
Sofort wird es mucksmäuschenstill im Raum.
Nach einem gespielt suchenden Blick, visiere ich die drei Grinsebacken, die sich allesamt in Sams Bett verschanzt haben, an:
"Alles okay?"
"Mhm!", kommt es von Zoey wie aus der Pistole geschaffen, worauf Sam gleich noch ein "Aber klar doch, Chef!" hinterher wirft.
Langsam sollten die doch wissen, dass ich sie durchschaue....
Um mein Starren besser ausführen zu können, fahre ich mein Kopfteil weiter nach oben und lächle den dreien unschuldig entgegen.
Ich bekomme dreimal ein verdächtiges Zahnpastawerbung-Lächeln zurück.
Da Sam definitiv das schwächste Glied in der Runde ist, lege ich meinen Fokus auf ihn:
"Möchtest du mir irgendetwas erzählen?"
"N-Nein... Wie kommst du da drauf?" Sam versinkt stotternd in seiner Bettdecke und sorgt bei Leo und Zoey gleichzeitig für ein Augenlooping.
"Leute, mal ganz ehrlich... Glaubt ihr wirklich, dass ich dumm bin?"
Zoey fährt sich mit einer Hand durch ihr Gesicht und seufzt ergeben auf.
Wahrscheinlich ist es nur der Tatsache geschuldet, dass sich hier absolut keine Fluchtmöglichkeit bietet.
"Nein. Aber es ist halt so, dass wir dir vorerst nichts sagen sollen!"
Das überaus breite grinsen kann ich mir absolut nicht verkneifen:
"Wer? Marc?"
Da die Übeltäter des sonstigen Ursprungs hier alle beisammen sind, ist meine Schlussfolgerung eigentlich ganz klar.
Herr Westernhoven hat gerade eine wirklich erschreckende Tendenz, sogar mein Mädchen zu übertrumpfen und so wie Zoeys Gesicht gerade zu Boden fällt, scheine ich goldrichtig zu liegen.
Anstatt dass meine Chaosqueen sich weiterhin zu Wort meldet, nimmt Leo das ganze jetzt in die Hand:
"Eigentlich ist das alles meine Schuld!"
"Naja, ohne mich und gewisse abweichende Flüssigkeiten wäre das doch glatt gegangen... Also bin ich schuld!", bringt sich Sam jetzt auch noch mit ein, bleibt aber vorsichtshalber tief in seiner Decke vergraben.
"Momentan ist es mir egal, wer schuld ist... Ich würde prinzipiell erst mal gerne das Problem verstehen!"
Herr Britz legt in null komma nichts eine traurige Grimasse auf und beginnt mit den Worten "Ich habe dich und Zoey so sehr vermisst und euch gebraucht!" mein Herz schon mal etwas aufzuweichen.
Seine Vorarbeit entpuppt sich als sehr klug, denn mein Puls bleibt konstant im grünen Bereich.
Wer kann Leo denn überhaupt etwas übel nehmen, wenn er doch solche Sehnsucht nach uns hatte.
Nicht mal mein stinkenden Auto interessiert mich.
Ich finde es fast schon bewundernswert, dass die beiden es überhaupt lebend hierher geschafft haben.
"Aber... das war noch nicht alles!" Zoey kratzt sich am Hinterkopf und lächelt zerknirscht vor sich hin:
"Dein Auto wurde von der Spurensicherung einkassiert und Cedric verhaftet!"
"Bitte was? Hey, ihr müsst kein schlechtes Gewissen wegen der Sache haben und euch noch schlimmere Sachen ausdenken, um die Lage danach nur halb so schlimm aussehen zu lassen!"
"Tom, das ist tatsächlich so. Wir haben uns das nicht ausgedacht!", antwortet Leo und beobachtet ganz genau meine Reaktion:
"Was um Himmels willen ist passiert, dass Cedric festgenommen wurde?"
"Naja, Marc und Cedric wollten dein Auto nach Hause bringen, weil ich aus Versehen falsch geparkt habe. Durch den Gestank haben die eben eine Leiche im Auto vermutet... wie der Rest abgelaufen ist wissen wir nicht... Sorry!"
"Wie schafft er es nur immer wieder sich und andere in solch eine Lage zu bringen? Das sprengt jegliche Grenzen zur Blödheit!", ich kann es wirklich nicht fassen, was ich da wieder zu Ohren bekomme.
Dass Marc das ganze dann auch noch vertuschen will, macht das alles nicht besser.
Mit geschlossenen Augen und Hand auf meinem Gesicht, versuche ich, meine bestehenden Möglichkeiten durchzugehen.
Eigentlich sind mir die Hände gebunden, denn von hier aus kann ich nicht viel ausrichten.
Allerdings könnte ich Marc wenigstens anrufen und nachforschen, was denn mit Cedric los ist und ob er wieder seine Freiheit genießen kann oder nicht.
Der arme Kerl kann doch wirklich nichts dafür, dass er zur falschen Zeit am falschen Ort war und zudem die falschen Kollegen um sich herum hat.
Fest entschlossen schwinge ich meine Beine aus dem Bett, ignoriere die aufkommende Übelkeit und humpele zur Türe.
"Warte! Wo willst du hin? Du sollst doch nicht ohne Krücken...."
"Lass gut sein, Zoey. Das geht schon. Ich laufe nicht so viel. Bin gleich wieder da!"
Im Flur angekommen wird das Schwanken meiner Umwelt etwas stärker, was mich aber keinesfalls davon abhält, ein Telefon zu suchen.
"Herr Mayer! Wenn mich nicht alles täuscht, hat Dr. Ontsheim sie dazu verdonnert, den Rollstuhl zu benutzen!", erschreckt mich plötzlich eine wetternde Stimme hinter mir.
"Ich wollte nur kurz zum Schwesternzimmer. Das ist doch gleich da vorne!", ich denke gar nicht daran, jetzt stehen zu bleiben und kämpfe mich mit zusammengebissenen Zähnen voran.
"Dann lassen Sie sich wenigstens etwas von mir stützen!"
"Hallo? Ich bin doch nicht alt und gebrechlich!"
"Nein, aber sie haben einen gebrochenen Zeh! Ich kann auch Dr. Seehauser ausrufen lassen!"
Okay, das zieht.
Miese Schlange!
Notgedrungen bleibe ich stehen und halte meinen rechten Arm in die Höhe, um der Schwester anzudeuten, dass ich mich auf ihre stützende Funktion einlassen werde.
Die Schulter, die unter meinem Körperanhängsel eintrifft ist höher als gedacht und die Schwester, der diese Körperpartie gehört, ist keine andere als Gisela:
"Unglaublich, dass man mit dir immer erst schimpfen muss!"
"Was machst du hier?", etwas irritiert starre ich unsere gute Seele vom Empfang an und gebe jegliche Art von Widerstand auf.
Das hat bei Gisela nämlich keinen Sinn, denn sie lässt einen das sonst irgendwann spüren, selbst wenn es erst in hundert Jahren ist.
Die Frau vergisst nie etwas.
"Mir die Füße vertreten und überall nach dem Rechten schauen. Man sieht ja, dass das genau die richtige Entscheidung war. Ne?"
"Was würde ich auch nur ohne dich tun!"
"Ohne Stütze in die Schwesterkanzel laufen vermutlich!"
"Hahhahaa, ganz bestimmt sogar!"
Da wir momentan keine Schwester antreffen, gestattet mir Frau General ein kurzes Telefonat und verkrümelt sich danach auch schon wieder an Ihren Posten.
Ich bin wirklich froh, dass ich Marcs Nummer auswendig kann, denn sonst hätte ich jetzt ein Problem.
Nach ewig langen Klingeln werde ich freundlicherweise mit einer mir bekannten Stimme beglückt:
Marc: "Westernhoven?"
Ich: "Hi. Was ist mit Cedric los und wer hat ihn verhaftet?"
Marc: "Tom?"
Ich: "Nein, Prinzessin Lillifee. Jetzt sag schon, ich hab nicht ewig Zeit!"
Marc: "Klaus ist dabei, das zu regeln, aber so wie es aussieht, muss er mindestens eine Nacht hier bleiben!"
Ich: "Wer hat ihn verhaftet?"
Ein gequältes Stöhnen dringt an mein Ohr und da darauf kein Name folgt, kann ich es mir fast schon denken:
Ich: "John!"
Marc: "Ja, aber... Lass es lieber. Mit denen ist echt nicht gut Kirschen essen!"
Ich: "Jetzt hörst du mir mal zu: Cedric ist unser Kollege und ich lasse es nicht zu, dass er von diesem Arschloch fertig gemacht wird!"
Marc: "Jaaaa, aber Tom... Der macht uns fertig, wenn..."
Ich: "Nicht, wenn ich schneller bin. Ich regel das!"
Vollgepumpt mit Wut knalle ich den Hörer auf die Ladestation und will mich gerade wieder auf den Rückweg machen, als mir ein kleines Detail einfällt.
Erneut wähle ich Marcs Nummer und muss dieses mal gar nicht so lange warten:
Marc: "Ja?"
Ich: "Du musst mich abholen!"
Marc: "Was? Jetzt? Warum?"
Ich: "Nein, nicht jetzt. So gegen dreiundzwanzig Uhr. Finde Johns Adresse heraus!"
Marc: "Tom, warum..."
Ich: "Weil ich anscheinend kein Auto mehr habe, darum!"
Marc: "Aber.."
Ich: "Nichts aber. Dreiundzwanzig Uhr! Bitte nicht direkt vor der KaS parken und womöglich noch ein Namensschild in die Höhe halten. So unauffällig wie möglich, aber noch so, dass ich dich finden kann! Danke. Bis später!"
Mit diesen klaren Anweisungen sollte dann auch Herr Westernhoven klar kommen und deshalb lege ich dieses Mal endgültig auf und humpele in mein Zimmer zurück.
Zoey, Leo und Sam starren mich mit großen Augen an, da sie nicht genau wissen, was los ist.
Als ich mein Bett erreicht und mich auf die Matratze habe plumpsen lassen, drehe ich meinen Kopf zu ihnen:
"Kinder, ihr müsst mir heute Abend ein Alibi verschaffen!"
"Aber.."
"Ne, Zoey, nichts mit, aber... Fang nicht so an wie Marc. Ihr besitzt diese Vertuschungs-Fähigkeiten und heute Abend dürft ihr sie voll ausleben. Ihr müsst es nicht für mich tun, aber für Cedric, okay?"
Zoeys ängstlicher Blick wandelt sich sofort in einen fest entschlossenen um:
"Gebongt! Für Cedric!"
Auch Leo und Sam nicken mir voller Bestätigung zu und ich kann mir absolut sicher sein, dass ich ohne Bedenken die KaS verlassen kann.
Ein Klopfen an der Türe stört leider meine Bekanntgabe genauerer Details.
Als die Türe geöffnet wird, muss ich schwer aufatmen, denn niemand anderes als meine Freundin kommt durch die Türe gehumpelt.
Ihr prüfender Blick überfliegt uns im Turbomodus und ich bin mir absolut sicher, dass sie riecht, dass etwas im Busch ist.
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