Prolog
Mein Arm schmerzte, als Benedict mich nur noch fester am Oberarm packte und grob aus der großen Halle und in Richtung der gläsernen Doppeltür zerrte. Alles ging so schnell, dass ich nicht einmal richtig realisieren konnte, was sich hier gerade abspielte. Mehrfach rempelte Ben mit mir eng an seiner Seite Menschen an, die rein wollten und nicht so wie wir gegen den Strom ankämpften. Ich taumelte mehr mit ihm mit, als selbst zu laufen und wenn er mich nicht so fest halten würde, wäre ich vermutlich längst gefallen.
„Ben, lass mich los!", begehrte ich jetzt scharf zischend auf, als er seine stumpfen Fingernägel plötzlich ohne Vorwarnung noch härter in meiner Haut vergrub. Verwirrt blickte ich zu ihm auf, doch er starrte nur mit leicht verengten Augen stur geradeaus, ehe er die hohe Tür schwungvoll aufstieß und mich weiter mit ihm zog. „Was tust du denn?", fragte ich verunsichert, während ein ungutes Gefühl in mir hochkroch.
In diesem Augenblick sah er das erste Mal unmittelbar zu mir und ich zuckte automatisch so weit es sein eiserner Griff zuließ vor ihm zurück. Seine Augen waren wild und getrübt von aufkeimender Wut. Seine Züge angespannt und das Brodeln in seinem Blick ließ mich unkontrolliert erschauern. Ben biss seine Zähne so fest zusammen, dass ich seine markanten Wangenknochen noch deutlicher hervortraten.
„Was ich tue? Die Frage sollte viel mehr lauten was du tust", zischte er aufgebracht und obwohl er wohl versuchte soweit es ging ruhig zu bleiben, bemerkte ich einige Augenpaare, die bereits neugierig auf uns lagen – und das nicht nur von Gästen.
„Wovon sprichst du?", fragte ich stirnrunzelnd und distanziert, beäugte weiterhin skeptisch seine Hand, die immer noch um meinen Arm lag.
„Das weißt du nicht?", schrie er jetzt ungehalten los, holte mich wieder ein ganzes Stück näher an sich heran, sodass ich seinen warmen Atem unmittelbar auf meinem Gesicht spüren konnte. Als mir der süßliche Geruch von Alkohol entgegenschlug, verzog ich automatisch angewidert das Gesicht. „Verflucht, was sollte das da drin? Dieser dämliche Schwachkopf!"
„Du hast getrunken", entgegnete ich kühl, beherrscht und sah besorgt in die Richtung, in der die ganzen Medienleute ihre Zelte aufgeschlagen hatten. Glücklicherweise waren sie noch zu weit weg, um etwas von Bens Wutausbruch mitzubekommen, aber ich sah einigen bereits an, dass sie bald Lunte riechen würden.
„Was hat das denn nun damit zu tun?", fauchte er unbeherrscht, zerrte mich jetzt wieder ein Stück weiter zur Straße, bedeutete dem dort wartenden Parkwächter seinen Jaguar zu vorzufahren.
„Du weißt nicht was du sagst. Ich habe mit Nate lediglich etwas Smalltalk betrieben, weil du...", versuchte ich ihn zu beruhigen, doch er unterbrach mich grob.
„Nate? So, ihr wart also schon beim Vornamen, obwohl du den Kerl bis vor ein paar Minuten noch gar nicht kanntest. Nun, tut mir leid, dass ich euren Smalltalk unterbrochen habe", schnappte er und endlich begriff ich, was sich da gerade abspielte – meine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
„Du denkst ich habe mit ihm geflirtet? Du bist eifersüchtig?"
Bevor Ben mir antworten konnte, fuhr sein dunkler Jaguar vor. Sofort ging er mit mir um den Wagen herum, öffnete für mich die Beifahrertür und wollte mich hineinverfrachten, doch ich verharrte unverändert auf der Stelle. So gut ich konnte wandte ich mich in seinem Griff, doch das ließ ihn vollends unbeeindruckt – stattdessen wurde der Druck auf meinen Arm nur noch härter. Ich verzog das Gesicht und sah aus den Augenwinkeln, wie jegliches Blut aus seinen Knöcheln entwichen war.
„Du tust mir weh, Ben! Lass los!", fuhr ich ihn schockiert und zugegebenermaßen jetzt auch etwas panisch an. „Du machst mir Angst", fügte ich etwas kleinlauter hinzu, aber dennoch in einer Lautstärke, in der er mich auf alle Fälle noch gehört haben musste.
„Steig in das Auto", erwiderte er bissig, lockerte seine Finger kaum merklich, aber ich weigerte mich trotzdem seiner Aufforderung nachzukommen. Unruhig ließ ich meinen Blick kurz hinter ihn gleiten, doch ich sah keine Menschenseele mehr – die Leute waren alle drin. Da, wo wir eigentlich auch sein sollten, doch darüber versuchte ich erst recht nicht zu diskutieren.
„Nicht wenn du fährst. Du bist betrunken, Ben", schoss ich trotzig zurück. Missmutig beäugte ich seine bebenden Schultern, ehe meine Augen zurück über seine Schulter und in die Richtung der Medienvertreter wanderten. Einige Presseleute sahen trotz der Entfernung jetzt deutlich interessierter zu uns und ich wusste, dass er es mir danken würde, wenn sein seltsames Verhalten was er heute an den Tag legte morgen nicht jedes britische Klatschblatt schmücken würde. Ben sog lautstark die Luft ein.
„Wenn du jetzt nicht sofort einsteigst, dann...", drohte er, griff nun auch noch mit seiner anderen Hand nach mir und auch wenn mich das verdammt schockierte, schluckte ich mein Unverständnis und den Schmerz hinunter – ihm zuliebe, auch wenn es grotesk war. Obwohl er nicht weitersprach und ich mir meine spitze Bemerkung, die mir bereits auf den Lippen gelegen hatte, hart zurückkämpfte, fühlte ich mich dieses Mal nicht einfach nur vor den Kopf gestoßen – ich war zutiefst erschüttert.
Ohne ein weiteres Wort machte ich Anstalten mich in seinen Wagen zu setzen und schließlich ließ er mich los. Sobald ich saß, knallte er die Tür mit so einer Wucht zu, dass meine Ohren klingelten. Meine Gedanken rasten, meine Händen waren auf einmal extrem verschwitz und zitterten. Das Blut rauschte wie ein reißender Fluss in meinen Ohren. Was war nur in Ben gefahren? Trieb ihn wirklich die Eifersucht zu diesem obskuren Verhalten? War er noch in der Lage Auto zu fahren? War dieses eigenartige Empfinden tief in meiner Brust tatsächlich Angst? Angst vor dem Mann an meiner Seite, dem ich bisher blind vertraut hatte?
Das noch lautere Zuknallen der Fahrertür riss mich zurück ins Hier und Jetzt. Als ich meinen Kopf zu ihm drehte, startete er bereits den Motor. Kein Wort drang über seine Lippen, als er so impulsiv aufs Gas trat, dass ich mit voller Wucht in die Lehne meines Sitzes gepresst wurde. Zunächst wartete ich, ob er doch noch den Mund aufmachen, sich erklären würde, doch nichts dergleichen geschah. Sein Blick war stur geradeaus auf die Straße geheftet, während die Finger beider Hände das lederne Lenkrad malträtierten. Ben kochte vor Wut und ich wusste beim besten Willen nicht wieso.
Ich überlegte lange, was ich nun tun oder sagen sollte – ob ich überhaupt etwas sagen sollte. Ich wagte es nicht ihn länger direkt anzusehen, also beobachtete ich ihn lediglich aus den Augenwinkeln. Seine Züge waren vollends verhärtet und er wirkte selbst auf mich so verschlossen und in sich gekehrt. Innerlich schien er eine ihn verschlingende Schlacht auszufechten, an der er mich nicht teilhaben lassen wollte. Was war nur mit dem Mann geschehen, in den ich mich verliebt hatte?
„Du machst mir wirklich Angst, wenn du so bist", wiederholte ich verkrampft meine Worte, all meinen Mut zusammenkratzend und sprach damit genau das aus, was ich gerade wirklich fühlte, auch wenn ich nichts von alle dem verstand, was da gerade vor sich ging. Ich wusste nur, dass dieses flaue Gefühl in meinem Magen wahrhaftig Angst zuzuschreiben war. Angst vor ihm – auf so vielen Ebenen, wenn auch auf emotionaler am aller meisten.
Nervös rieb ich meine Handflächen aneinander, als ich den kalten Blick, den er mir unmittelbar zuwarf, auf mir spürte. Nervös sah ich auf meine Hände, die eng aneinander gepresst auf meinen Oberschenkeln ruhten. Mein Puls raste und ich schluckte schwer, kämpfte gegen den schier unüberwindbaren Kloß in meinem Hals an, doch es half alles nichts. Ich hoffte innständig, dass er etwas sagen würde – irgendetwas – oder ich wenigstens die Sorge um mich aufgrund meiner deutlichen Aussage in seinem Gesicht sehen würde, doch alles was er tat war schweigen. Seine Aufmerksamkeit galt wieder der Straße und den Lichtern, die so schnell an uns vorbeirasten, dass ich lieber gar nicht näher darauf achtete und stattdessen ihn wieder musterte. Es schien geradezu so, als ob die unzügelbare Wut in ihm aufgrund meiner Worte nur noch mehr an die Oberfläche gekrochen war.
„Das gerade war nicht sonderlich subtil, weißt du. Wenn die Presse mal so etwas mitbekommt, könnte das deinem Ruf ziemlich schaden", versuchte ich es anders, wählte meine Worte so gut es eben ging mit Bedacht.
„Belehr mich nicht ständig was gut oder schlecht für mich ist, Yasmin", brach es da plötzlich lautstark aus ihm heraus. Seine rechte Faust knallte auf das Lenkrad, ließ mich zum wiederholten Male zusammenzucken. Ja, es tat immer noch weh, wenn er mich bei meinem vollen Vornamen nannte. Schon seit einer ganzen Weile gab er mir keinen seiner üblichen Spitznamen mehr, nicht einmal die Kurzform meines Vornamens. Meinen ganzen Namen hatte er davor ewig nicht mehr genutzt.
„Ich belehre dich nicht, ich will dir einfach nur helfen. Ich bin immer noch deine Freundin, Ben. Auch dafür sind Partner da", erwiderte ich ruhig und mit so einer festen Stimme, wie nur irgend möglich.
„Bist du das? Soweit ich das im Kopf habe flirtet man, wenn man in einer Partnerschaft ist, nicht bei der erst besten Gelegenheit mit fremden Männern", konterte Ben und seine Stimme triefte nur so vor Missbilligung. Mit offenem Mund starrte ich ihn jetzt an, nicht mehr im Stande meine Gefühle für mich zu behalten.
„Wie kannst du sowas nur sagen? Nach allem was wir zusammen durchgestanden haben!", hauchte ich, bis meine Stimme zum Ende des Satzes immer lauter wurde. „Ich erkenne dich nicht mehr wieder. Ich will meinen alten Ben zurück. Den, in den ich mich Hals über Kopf verliebt habe", sagte ich überflutet von Schmerz, während heiße Tränen begannen meine Wangen zu befeuchten, die ich all die Zeit über tapfer zurückgekämpft hatte. „Wenn du so weiter machst weiß ich nicht, ob ich das noch lange durchhalten kann", zwang ich mich schließlich zu sagen und merkte, wie mich die wahre Bedeutung hinter diesem Satz schier zu überwältigen drohte, wenn ich nur daran dachte. Innerlich sträubte sich alles in mir gegen diesen schrecklichen Gedanken, aber so sehr ich mich auch dagegen auflehnte, es war durchaus eine der furchtbaren Möglichkeiten, die mir nachts wenn ich wach lag durch den Kopf geisterten.
„Gut, dann geh doch", hörte ich Benedict neben mir ungehalten brüllen, während er seinen Jaguar noch einmal einen Gang höher schaltete und der Motor schon etwas ächzte unter der harschen Behandlung.
Nun komplett aus der Bahn geworfen, schnappte ich nach Luft. Meine Augen noch weiter aufgerissen, wenn das denn überhaupt noch möglich war. Nur schwer begriff ich, was er da gerade von sich gegeben hatte. Mein Herz zerbrach in eine Millionen, winzig kleine Teile.
„Was?", fragte ich atemlos, auch wenn ich definitiv nicht wollte, dass er diese brutalen Worte wiederholte. Vielleicht hatte ich auch einfach nur noch die naive Hoffnung gehabt, dass ich mich verhört hatte.
„Du hast mich schon richtig verstanden", sagte er unterkühlt, sah weiterhin nicht zu mir, beschleunigte den Wagen so weit, dass mir schlecht wurde – nicht nur aufgrund seiner rabiaten Fahrweise. „Wenn ich dir so zuwider bin, dann geh."
~~~ ~~~ ~~~
Nun geht es also auch hier auf Wattpad mit dem Sequel zu 'Praktikum der Superlative' weiter. Dabei handelt es sich um eine deutlich kürzere Sache, die ich aber dennoch seit geraumer Zeit zu Papier bringen wollte :) Viel Spaß damit und lasst mir doch gerne Votes und Feedback da!
Wer will kann mich auch auf fanfiktion.de (Dumai) unterstützen :)
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro