Kapitel 28
Dieses ewige Hin und Her tut mir ehrlich leid... aber ich hoffe, euch gefällt es trotzdem haha
lots of love
TPWK
Lou
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THOMAS
Ich wollte Hannah nicht verlieren. Der bloße Gedanke daran, was ich ihr gesagt hatte, bereitete mir physische Schmerzen und ich stellte mir ernsthaft die Frage, weshalb ich auch nur für den Bruchteil einer Sekunde gedacht hatte, sie schützen zu können, wenn sie sich von mir fern hielt. Sie war in den vergangenen Wochen und Monaten zu einem solch großen Teil in meinem Leben geworden, dass sich jede Minute ohne sie anfühlte, als würde ein Teil meiner Selbst fehlen.
Bevor ich richtig darüber nachdenken konnte, begann ich, von meinem Leben zu erzählen. Ich erzählte Hannah davon, wie ich Mike im Kindergarten kennengelernt hatte. Von dem Tag, an dem ich der Neue gewesen war und niemanden gekannt hatte. Ich hatte Mike bei den Schaukeln sitzen sehen. Er war auch alleine gewesen. Genauso alleine, wie ich. Ich war zu ihm gegangen und hatte ihn gefragt, ob wir Freunde werden wollten und er hatte ja gesagt. Damals waren wir vier gewesen. Ich hatte eine schöne Kindheit gehabt. Ich hatte Freunde und meine Eltern erfüllten mir jeden Wunsch, den ich hatte. Wir hatten viele Ausflüge gemacht und Mike zu beinahe jedem Einzelnen davon mitgenommen. Wir waren wie Brüder und unsere Familien waren sehr eng miteinander befreundet gewesen. Waren wir immer noch. Als ich dreizehn war, starb meine Mutter. Doch das eigentlich schlimme daran war, dass mir mein Vater die Schuld am Tod meiner Mutter gab.
Der Tag, an dem sie gestorben war, war ein sonniger und warmer Frühlingstag gewesen. Irgendwo war irgendeine Party gewesen und meine Eltern hatten mir verboten hinzugehen, weil sie weder wollten, dass ich betrunken war, noch hatten sie gewollt, dass ich mit meinen dreizehn Jahren zu einer Party ging, die erst um neun Uhr am Abend und im Dunkeln begann. Im Rückblick war es eigentlich verständlich, doch vor vier Jahren hatte ich es natürlich nicht verstehen können und auch nicht verstehen wollen. Also war ich trotzdem hingegangen. Ich durfte immer zu Mike. Egal, welcher Wochentag. Egal, wie viel Uhr. Mike ging es genauso. Wir erzählten unseren beiden Eltern, dass wir bei dem jeweils anderen übernachten würden, was auch sonst. Jedes Kind hat das in seinem Leben mindestens einmal gemacht. Das Problem war allerdings, dass an diesem Tag etwas schief lief.
Mike und ich trafen uns, um zusammen zu der Party zu gehen. Wir blieben um die vier Stunden, doch irgendwann, um halb zwei in der Nacht, riefen ein paar Nachbarn die Polizei wegen Lärmbelästigung. Die Polizei tauchte auf und konnte einen Großteil der Leute einfangen, bevor sie wegrennen konnten. Unter anderem Mike und mich. Mit Alkoholkonsum bei Minderjährigen geht die Polizei in Berlin relativ entspannt um, trotzdem brachten sie uns auf die Wache und riefen unsere Eltern an. Wenigstens hatten wir nicht gekifft oder andere Drogen genommen, weshalb wir nur eine Geldstrafe bezahlen mussten und meine Mutter Mike und mich abholen konnte. Erfreut war sie darüber selbstverständlich nicht. Sie setzte ihn bei sich Zuhause ab und fuhr mich anschließend nach Hause.
Während sie auf mich einredete, wie verantwortungslos ich gewesen sei und welche Strafen mich nun Zuhause erwarten würden — Hausarrest und Handy-Verbot, das Übliche, womit man dreizehn jährige Kinder nun einmal bestrafte — waren Mike und ich nicht die Einzigen gewesen, die an diesem Abend reichlich getrunken hatten. Ein betrunkener Minivan-Fahrer rammte unseren Wagen, da er eine rote Ampel ignoriert hatte und schleuderte damit unseren Wagen zwischen eine Litfaßsäule und eine dicke Eiche.
Meine Mutter erlag nach einem Monat Koma ihren Verletzungen, wobei ich mit Kratzern und einem angebrochenen Bein, sowie einer kräftigen Gehirnerschütterung, im Vergleich zu ihr, relativ glimpflich davon kam.
Bis heute hörte ich noch die leise, brüchige Stimme meiner Mutter, die mir versicherte, dass alles gut werden würde und bis heute hatte ich Flashbacks von diesem Tag, wann immer ich Sirenen von Polizei oder Rettungsdienst hörte.
Mein Vater war nie über den Verlust seiner Frau hinweg gekommen und sagte mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass meine Mutter enttäuscht von mir wäre, wenn sie mich jetzt sehen würde und dass das alles meine Schuld gewesen sei, weil dies alles nicht passiert wäre, wäre ich nicht auf diese Party gegangen. Und ich glaubte ihm. Es war meine Schuld. Natürlich konnte ich nichts für den betrunkenen Fahrer, der schlussendlich zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde, allerdings gab auch ich mir in einer gewissen Weise die Schuld daran.
Mein Vater war zum ersten Mal ausgerastet, als ich vierzehn wurde. Ihm war die Verantwortung und der Umstand, verwitwet zu sein, über den Kopf gewachsen, was dazu geführt hatte, dass ich ein paar Monate lang praktisch bei Mike gelebt hatte. Dessen Eltern halfen uns, so gut es ging und seine Mutter wurde für mich zu einer Art Zweitmutter. Sabine und Frank hatten mir eine Familie gegeben und dafür war ich den beiden unendlich dankbar.
Mein Vater und ich wahrten vor anderen zwar den Schein, einigermaßen okay zu sein und gut klar zu kommen, auch vor Mikes Familie, was wie ein letzter Pakt zwischen uns war. Wir wollten nicht, dass sich irgendjemand in unser Leben einmischte. Schließlich hatte mein Vater mitunter gute Tage, auch wenn die Schlechten oftmals überwogen. Sabine und Frank hatten zum Glück nie großartig Fragen gestellt, wenn ich unangemeldet und teilweise grün und blau bei ihnen aufgetaucht war. Ich wusste zwar nicht, ob sie erahnten, was bei meinem Vater und mir los war oder ob sie Mike und mir wirklich glaubten, dass ich unglaublich oft in Streitigkeiten geriet und tollpatschig war, aber letztendlich war es mir auch ganz Recht so. Bald würde ich achtzehn werden und würde ausziehen. Wohin auch immer und egal, wie ich das finanziell hinkriegen würde, aber irgendwie würde ich das mit Mike schon hinbekommen. Ich musste es einfach hinbekommen.
Nach dem Tod meiner Mutter, war ich in ein riesiges Loch abgerutscht, aus dem mich Mike nur mühsam und nie vollständig hatte herausholen können. Ich hatte mit meinen damals dreizehn beziehungsweise vierzehn Jahren mehr getrunken und mit mehr Mädchen geschlafen, als man es einem dreizehn Jährigen hätte wünschen können und hatte meinen Missmut an allem und vor allem an mir selber ausgelassen. Ich hatte mit Trinken und exzessiv feiern gehen angefangen, bevor es jeder andere gemacht hatte. Irgendwann hatte ich bei einer solchen Gelegenheit Julian und Artur getroffen, mit denen Mike und ich seit der Grundschule befreundet gewesen waren, auch wenn beide ein Jahr älter gewesen waren, als wir. Seitdem waren Mike und ich wieder enger mit beiden befreundet.
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