Kapitel 22
Und damit kämen wir dann zum zweiten Teil des Gesprächs mit Mike und dem Montag danach.
Viel Spaß beim Lesen :)))
lots of love
TPWK
Lou
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THOMAS
„Dann habe ich sie gefragt, wer Jakob ist." Mike richtete sich auf und verschränkte die Arme. Anscheinend interessierte ihn diese Frage ebenso sehr, wie sie mich interessiert hatte. „Und ich habe absolut überhaupt keinen Plan, wie ich jetzt mit der Antwort umgehen soll.", sagte ich und fuhr mir durch die Haare.
Ich spüre Hannahs zitternde Hände förmlich wieder in meinen und erneut hatte ich das starke Bedürfnis zu ihr zu gehen und sie in den Arm zu nehmen. Ich wollte sie beschützen. Ich wollte nicht, dass ihr nochmal so etwas Derartiges passieren würde. Sie verdiente etwas besseres. Meine Kopf senkte sich und ich schloss die Augen. Hannahs ersticktes Keuchen hallte ihn meinen Ohren wider. Ich hätte schreien können.
„Wie schlimm ist die Antwort?", fragte Mike nun und sah mich aus besorgten Augen an. Ich richtete meinen Blick wieder auf ihn und nickte. Eine knappe halbe Stunde später, in der ich ihm in aller Ausführlichkeit sämtliche Gesprächsausschnitte berichtet hatte, saß Mike mit seiner Hand vor seinem weit geöffneten Mund auf seinem Bett. Meine Stimme klang mittlerweile genauso verzweifelt, wie ich es innerlich war.
„Oh Gott!", sagte Mike und hielt sich die Hand immer noch vors Gesicht, während er mit leerem Blick auf die gegenüberliegende Wand starrte. „Jesse letztens...", begann er, doch brach seinen Satz wieder ab. Daran hatte ich garnicht gedacht. Der Moment mit Jesse musste wahnsinnig viele Emotionen und Erinnerungen in ihr hochgebracht haben. „Wir sollten auf jeden Fall ein bisschen auf sie Acht geben. Ich mag sie. Sie ist nett. Allerdings habe ich sie in der Schule noch nie mit anderen Personen zusammen gesehen. Es wirkt fast so, als sei Christina ihre einzige Freundin.", bemerkte er und ich nickte.
„Und ich habe noch ein Problem.", sagte ich zähneknirschend und Mike sah mich erwartungsvoll an. „Ich treffe mich Montag mit ihr." Mike zuckte mit den Schulter und kniff die Augen zusammen, als wolle er fragen, was genau daran das Problem sein sollte. Als ich ein leises ,Bei mir' hinterher schob, weiteten sich seine Augen erschrocken und er schlug sich mit der Hand vor den Kopf.
„Bist du komplett wahnsinnig geworden?", rief er so laut, dass ich mir sicher war, dass es das gesamte Haus gehört hatte. „Was ist mit deinem Vater, du Idiot! Und überhaupt, hast du dir das gut überlegt? Sie wurde fast vergewaltigt und du willst sie zu dir nach Hause schleppen! Weißt du, wie schnell sowas seltsam werden kann?" Mike schimpfte weiter vorwurfsvoll auf mich ein, während meine Gedanken in meinem Kopf verrückt spielten. Er hatte Recht. Was zum Geier hatte ich mir bitte dabei gedacht. Hannah hatte zwar ja gesagt, aber sie war eine wahnsinnig gute Schauspielerin. Immerhin kriegte sie es jeden Tag hin, tough zu wirken, auch wenn sie innerlich kaputt war. Und niemandem fiel es auf. Nur diejenigen, denen sie es erzählt hatte, wussten es. Und wie ich sie kennengelernt hatte, schien man diese Personen an einer Hand abzählen zu können.
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Als wir sie Montag wieder im Schulflur sahen, lächelte sie Mike und mich nur schüchtern an. Kein hallo. Kein leises hey. Nur der Schatten eines Lächelns.
In der ersten Stunde hatten wir Mathe zusammen. Sie saß zusammengesackt auf ihrem Stuhl, ohne sich die ganze Stunde über großartig zu bewegen. Sie sprach nicht, sie meldete sich nicht. Es sah aus der Entfernung zwar so aus, als schreibe sie mit, allerdings war ich mir dabei nicht wirklich sicher, so gedankenverloren, wie der Stift über das Papier kratzte.
In Erdkunde saß sie in der zweiten Reihe. Ich mit Julian, Artur und Mike in der Letzten. Sie trug einen schwarzen Hoodie. Ihre Hände wurden bis zu den Fingerknöcheln von ihren Ärmeln bedeckt. Sie wirkte eingeschüchtert und in irgendeiner Art und Weise auch verschreckt. Herr Ebers erzählte uns gerade irgendetwas über die Stadtentstehung im römischen Reich, doch ich konzentrierte mich nicht wirklich auf den Unterricht. Ich wollte nichts über das Römische Reich wissen, ich wollte wissen, was mit Hannah los war. Ihre Art verwirrte mich immer wieder aufs Neue. Jedes Mal, wenn ich dachte, dass ich sie besser kennen würde, bewies sie mir das Gegenteil.
Als es endlich klingelte, stopfte ich meine Sachen so schnell es ging in meine Tasche und ging zu Hannah hinüber.
„Wie viele Stunden hast du heute noch?", fragte ich sie und sie sah mich verwirrt an.
„Zwei. Wieso?"
„Lass uns schwänzen.", schlug ich vor und erwartete ein nein oder eine Art Erwiderung, doch sie nickte nur kurz und schnell und zuckte mit den Schultern. Ich griff nach ihrer Hand und lief zurück zu meinen Freunden.
„Wir hauen ab. Kommt ihr mit?" Mike sah mich fragend an und ließ seinen Blick für den Bruchteil einer Sekunde zu unseren Händen wandern, bevor er mir wieder ins Gesicht sah. Schlagartig ließ ich ihre Hand los. Hannah zuckte neben mir zusammen.
„Also, ich komme mit.", sagte Julian und Artur nickte.
„Ich kann nicht. Ich schreibe gleich etwas.", sagte Mike und sah mich an.
„Denk doch einmal nicht an Schule.", meckerte Artur und Mike schnaubte auf.
„Nicht jedem ist sein Abi-Durchschnitt egal. Ich komme nach." Er drehte sich um und ging. Wir liefen die Treppe nach unten, wohl darauf bedacht, nicht von einem der Lehrer gesehen zu werden. Hannah lief hinter uns, während Julian, Artur und ich uns unterhielten. Sie war noch stiller als sonst.
Nachdem wir uns etwas zu trinken gekauft hatten, setzten wir uns in den Park in der Nähe der Schule. Hannah ließ sich auf die Bank sacken und hing wie eine Sack Zement über ihrem Handy. Aus dem Augenwinkel blinzelte ich auf ihr Handy. Sie tippe eine Nachricht in ihr Handy. Beinahe zeitgleich ertönte ihr Klingelton und Hannah schreckte zusammen, bevor sie auf den grünen Hörer drückte. Die andere Person am anderen Ende der Leitung sprach dermaßen laut, dass ich neben Hannah alles verstand.
„Wie konnte er bloß?" Es war Christina.
Zur Antwort kam ein leises: „Ja, was weiß ich."
„Wie schlimm ist es."
„Geht, es war schon schlimmer."
„Du weißt, was ich meine."
„Tut mir leid."
„Ok ich komm heute Abend zu dir."
Hannah nickte und flüsterte zum Abschied ein leises „Okay." Anschließend steckte sie ihr Handy wieder in die Tasche. Sie trank ihr Getränk aus.
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Eine gute Dreiviertelstunde später, zog Artur eine Packung Zigaretten aus seiner Jackentasche und zog eine einzelne aus der Packung, die er sich in der Mund steckte. Mit der anderen Hand fummelte er in seiner Jackentasche herum. Anscheinend suchte er nach seinem Feuerzeug.
„Hier.", sagte Hannah und hielt ihm eins hin. Verwundert sahen sowohl Artur, als auch ich sie an. Arturs Verwunderung rührte wahrscheinlich eher Hannahs plötzlicher Freundlichkeit ihm gegenüber her, während ich mich fragte, weshalb sie ein Feuerzeug dabei hatte. Artur nickte dankend und nahm es entgegen. Er zündete seine Kippe an und reichte ihr ihr Feuerzeug.
„Willst du auch eine?", fragte er und streckte ihr seine Schachtel hin. Sie nahm sich dankend eine heraus und zündete sie sich an. Sie zog lange an ihr, bevor sie langsam ausatmete, wodurch eine dünne Rauchwolke über ihr in den Himmel stieg.
Hannah hatte die Augen geschlossen und hielt die Zigarette erneut in ihren Mund. Sie sah beinahe verloren aus wie sie da stand. Artur sah sie an. Er bewegte seine Lippen, als wolle er etwas sagen, doch schloss sie wieder, bevor er die Stimme erhob. Nach zwei weiteren Zügen an seiner Zigarette hatte er es sich allerdings anscheinend anders überlegt und sprach doch.
„Ich dachte, du hältst nicht viel vom Rauchen.", stellte er fest und ich fixierte Hannah mit meinem Blick. Sie öffnete die Augen, richtete sich neben mir auf der Holzbank auf und sah ihn an. Anscheinend dachte sie über ihre Antwort nach. Schlussendlich zuckte sie nur mit den Schultern.
„Und woher der Sinneswandel?", fragte Artur und trat seine Zigarette aus. Hannah zupfte gedankenverloren an der abblätternden Farbe der Bank herum, die wohl einmal gelb gewesen sein musste.
„Ich denke, wir haben alle unsere Gründe. Du doch auch."
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