Der Bunker
Dass ich auf der Fahrt eingeschlafen war, realisierte ich erst, als Dean den Motor abstellte.
»Da wären wir«, flötete er fröhlich, während ich noch nicht mal richtig wach war.
Verschlafen rieb ich mir die Augen. Der Impala stand inzwischen in einer Tiefgarage zwischen einer Menge anderen Oldtimern. Teilweise echte Goldstücke. Ein paar Motorräder befanden sich auch darunter.
Hatten sie sich etwa ein Luxusapartement gemietet oder warum stand hier so viel herum?
Mehrfamilienhäuser passten überhaupt nicht zu Jägern und schon gar nicht zu Sam und Dean.
Ich öffnete die Tür und stieg aus, während die Brüder bereits auf dem Weg zu einer schweren Tür waren. Sam hatte meinen Civic etwas weiter hinten abgestellt und hatte bereits zu Dean aufgeholt. Ich folgte ihnen eilig. Als ich mich allerdings genauer umsah, wurde mir schnell klar, dass es sich hier nicht um eine normale Tiefgarage handelte. Die Wände sahen alt aus und die Tür, auf die wir zu hielten, wirkte wie die Tür eines Bombenschutzbunkers.
Sam öffnete das riesige Ding und ließ uns hinein. Als ich den dahinterliegenden Flur betrat, verfiel ich in staunen.
»Wow, das sieht jetzt schon riesig aus.«
Dean nickte und ich glaubte so etwas wie stolz in seinen Augen sehen zu können.
Er gab mir zu verstehen, dass ich ihm weiter folgen sollte und als sich uns am Ende des Ganges eine Bibliothek eröffnete, war ich hin und weg.
»Was ist das für ein Ort?«, fragte ich mit großen Augen und trat näher an die Bücher heran. Sie mussten unheimlich alt sein und die meisten befassten sich mit übernatürlichen Wesen.
»Ein Bunker der Männer der Schriften«, sagte Sam hinter mir.
Als ich mich umdrehte, lehnte er bereits an einem großen Tisch.
»Er schützt vor allem übernatürlichen. Vor Engeln, Dämonen, Werwölfen... Niemand kann uns hier drin finden.«
»Männer der Schriften«, murmelte ich. »Ich glaube, davon habe ich schon gelesen. Ist das nicht eine Art Geheimbund gewesen? Ich dachte, es gäbe ihn nicht mehr.«
»Tja, jetzt gibt es uns.« Dean lächelte mich an und ich lenkte meinen Blick wieder durch den großen Raum.
»Ich bin gleich wieder da. Bevor ich dir alles zeige, muss ich noch kurz etwas erledigen«, erklärte Dean schließlich und verschwand dann in Richtung der anderen Zimmer.
»Ja, sein Zimmer aufräumen«, murmelte Sam.
Aber kaum, dass Dean den Raum verlassen hatte, richtete sich der Blick seines Bruders auf mich.
»Du bist die erste Frau, die er hierher mitgebracht hat. Und ich glaube, du wirst auch die einzige sein.«
Ich verstand nicht sofort, worauf er damit hinauswollte. Eine Augenbraue hochgezogen lehnte ich mich gegen eins der Bücherregale.
»Du bist irgendwie etwas Besonderes für ihn. Jede andere hätte er in ein Motel mitgenommen oder gleich im Wagen - du weißt schon.«
Jede andere hätte vermutlich bei seiner Annahme, dass es bei unserem Aufeinandertreffen zwangsläufig auf das eine hinauslief vermutlich auch empört reagiert, aber ich schmunzelte.
Trotzdem wollte ich ihn damit nicht einfach so davonkommen lassen. Auch wenn er vielleicht nicht ganz Unrecht hatte. Seit ich Dean in der kleinen Hütte erkannt hatte, kribbelte alles in mir.
»Sam Winchester, ich hätte nicht gedacht, dass du mich für so ein Mädchen hältst.« Gespielt beleidigt stemmte ich die Hände in die Hüften und funkelte ihn an. »Immerhin bin ich kein billiges Flittchen!«
»Ich? Was? Also nein, natürlich nicht. Ich wollte nur damit sagen, dass du ihm vermutlich viel bedeutest und - ich denke wirklich nicht -«
Mein Lachen unterbrach sein Gestammel.
»Schon gut, schon gut. Danke, dass du mir das gesagt hast. Und falls du dir Sorgen machst, ich würde ihn ausnutzen, sei dir sicher, dass ich das nicht tue. Ich denke, diese Sache bedeutet uns beiden gleich viel. Auch wenn ich noch herausfinden muss, wieviel das ist. Vermutlich kennen wir uns für so eine Einschätzung auch einfach zu wenig. Mach dir da mal keinen Kopf, Sam. Wir sind beide erwachsen. Das kriegen wir schon hin.«
Sam unterbrach mich nicht, sah aber direkt an mir vorbei zu der Tür, durch die wir die Bibliothek betreten hatten.
Als ich mich umdrehte, sah ich in zwei verwaschengrüne Iriden. Meine Hoffnung, dass er nicht mein gesamtes Geplapper gehört hatte, löste sich in den Moment in Luft auf, als ich sein Grinsen bemerkte.
»Na dann sollten wir da besser mal Licht ins Dunkel bringen, oder?«
Ich konnte Sam hinter mir schnauben hören. Vermutlich eine Reaktion auf Deans anzügliches Lächeln und die hochgezogene Augenbraue.
»Komm, ich zeige dir erstmal den Bunker. Alles weitere lassen wir auf uns zukommen, oder wolltest du gleich loslegen?«
Bei Deans letzten Worten klappte mir die Kinnlade herunter, während er zu lachen begann.
»Dean!«, ermahnte ich ihn. »Vielleicht hätte ich dich vor zwei Jahren einfach erschießen sollen, anstatt den Hexenbeutel zu verbrennen.« Theatralisch verdrehte ich die Augen und bis mir auf die Wange, um nicht zu grinsen.
»Alter, das war echt nicht cool.« Sam stärkte mir damit den Rücken, auch wenn ich das nicht unbedingt nötig hatte.
»Ist ja gut, beruhigt euch Leute. Also willst du jetzt den Bunker sehen, oder nicht?«
Ich seufzte. Warum nochmal fand ich diesen Mann so anziehend? Ich hatte es spontan vergessen.
»Ich würde den Bunker gern sehen, danke«, sagte ich zuckersüß und zog ganz langsam das Hemd aus, dass ich über meinem knappen Top trug.
Und damit verfehlte ich mein Ziel nicht, denn diesmal klappte Dean die Kinnlade herunter.
»Vorausgesetzt du kannst dich konzentrieren«, schnurrte ich und strich mit den Fingerspitzen über seine Brust, als ich an ihm vorbei in den Flur zurückging. Was er konnte, konnte ich schon lange.
In der großen Küche des Bunkers öffnete Dean einen beeindruckend alten Kühlschrank, um uns zwei Flaschen Bier herauszuholen. Er öffnete beide und reichte mir dann eine davon.
Schließlich stieß er noch mit mir an. »Auf unser Wiedersehen.«
Sein Blick war so intensiv, dass ich beinahe darin versank. Ich hob die Flasche an meine Lippen und trank einen Schluck, ohne von ihm aus den Augen gelassen zu werden.
»Wie ist es dir in den letzten Jahren ergangen?«, fragte er mich vollkommen ernst. Ganz ohne Witz oder Anzüglichkeit in der Stimme.
Irgendwie fühlte ich mich dadurch eingeschüchtert. Diese Aufrichtigkeit war neu.
Schulterzuckend drehte ich deshalb die Bierflasche in meinen Händen. »Ein Vampirnest hier, ein Chupacabra da. Das übliche eben. Ein Dämon, der dachte, ihm gehört ganz South Carolina. Aber ich bin bisher aus allem heil herausgekommen. Ein Urlaub war allerdings nicht drin, wobei ich den dringend gebrauchen könnte.«
Ein Schmunzeln huschte über Deans Gesicht.
»Ein Vampirnest? Allein?«, hakte er nach. Sollte ich mich geschmeichelt fühlen, weil er mir das zutraute, oder eher beleidigt, weil er es in Frage stellte?
»Nein, ich hatte Hilfe, aber er war neu in unserem Metier. Also die meiste Arbeit habe ich erledigt«, gestand ich ein und sah dabei zu, wie Deans Gesichtszüge etwas entgleisten.
»Und wie war er sonst so? Hattet ihr Spaß?«, fragte er argwöhnisch und ließ mich dadurch auflachen.
»Höre ich da einen Hauch von Eifersucht heraus?« Ich grinste breit. »Wir haben den Fall erledigt und das wars. Ich weiß nicht mal mehr, wie er hieß. Mein Namensgedächtnis ist aber auch nicht das Beste.«
»Ich und eifersüchtig? Bitte - an mich reicht doch keiner heran. Zumindest war ich einprägsam genug, dass du meinen Namen noch wusstest.« Sein Gesicht hellte sich wieder etwas auf und ich schmunzelte.
Wenn er gewusst hätte, wie richtig er damit lag, wäre er vermutlich noch überheblicher gewesen. Zwei Jahre und trotzdem löste seine bloße Anwesenheit ein Kribbeln in mir aus.
»Sind noch mehr Narben dazugekommen?« Sein Blick glitt über meinen Körper, soweit es die Theke zwischen uns zuließ.
»Das bleibt nicht aus. Es sollte dir nicht unbekannt sein«, erwiderte ich und musterte ihn ebenfalls.
Dean trank einen tiefen Schluck Bier und ließ den Blick anschließend gesenkt. »Die letzte Zeit war wirklich hart.«
Ich hatte davon gehört, dass Dean auf wundersame Weise aus dem Fegefeuer entkommen sein sollte und eigentlich brannte es mir unter den Nägeln, ihn zu fragen, wie er das geschafft hatte. Allerdings hielt ich mich zurück. Wenn er nicht darüber sprechen wollte, sollte ich ihn nicht drängen. Zumal mir auch zu Ohren gekommen war, dass der Engel Castiel nicht zurückgekehrt war. Ich hatte ihn noch nicht kennengelernt, aber er musste Dean viel bedeutet haben. In den letzten Jahren waren sie wohl fast schon zu einer Einheit verschmolzen.
Ich hätte ihn gern gekannt. Vermutlich hätte er mir noch etwas über Dean erzählen können, was ich noch nicht irgendwo aufgeschnappt hatte.
»Wenn du über irgendetwas sprechen möchtest - ich will nur, dass du weißt, dass ich dir zuhöre.« Verlegen friemelte ich das Ettiket der Flasche ab.
»Danke, Cherry. Das weiß ich zu schätzen.«
Cherry - das hatte ich ewig nicht im Zusammenhang mit meinem Namen gehört, aber jetzt jagte es mir einen Schauer über den Rücken.
Schnell neigte ich den Kopf, um mein gerötetes Gesicht abzuwenden.
Wir schwiegen für einen Moment, eher Dean sich von der Theke abstieß.
»Wie wäre es, wenn ich dir jetzt erstmal mein Zimmer zeige?«, fragte er und trank den Rest seines Bieres in einem Zug aus.
»Gern«, hauchte ich und legte meine Hand in seine, die er mir ausgestreckt hinhielt.
Seine schwieligen Finger glitten über meinen zerschrammten Handrücken. Sein Blick flog über meine frischen Kratzer.
»Du hättest da nicht allein reingehen sollen. Vier Werwölfe sind nicht leicht zu schaffen«, tadelte er mich sanft, während er langsam rückwärts aus der Küche trat und mich mit sich zog.
»Erstmal bin ich ja eigentlich von drei Werwölfen ausgegangen, was es allerdings nicht unbedingt besser macht. Aber ich arbeite eben am liebsten allein.« Meine Miene blieb ernst, denn es war die Wahrheit. Andere Jäger brachten nur Unruhe in meine Vorgehensweise und damit ihr und mein Leben in Gefahr. Deshalb hatte ich es schnell aufgegeben, mich anderen anzuschließen. Zumindest da ich wusste, dass die Winchesters auch keinen freien Platz in ihrem Team hatten.
»Und das vor zwei Jahren war auch so eine Sache wie mit dem Typen und dem Vampirnest?«, fragte Dean mit hochgezogener Augenbraue. Wir waren inzwischen schon ein ganzes Stück den Flur hinunter gegangen.
»Nein. Ich würde sagen, da habe ich die einzigen beiden Jäger getroffen, mit denen ich gern zusammenarbeite. Aber ich wusste ja nicht, dass ihr im Moment abkömmlich seid.«
Bei meinen Worten konnte ich geradezu dabei zusehen, wie Deans Gesichtszüge entgleisten. Es dauerte aber nicht besonders lange an. Nur ein paar Wimpernschläge später, hatte er seine Fassung wieder.
»Es tut mir leid, ich wollte nicht -«, begann ich eine wirklich schlechte Entschuldigung zu formulieren. Allerdings unterbrach Dean mich sofort. Zu meinem Glück, denn ich hatte überhaupt keine Ahnung wie der Satz hätte weitergehen sollen. Ich wollte keinen Scherz darüber machen und hoffte sehr, dass er es nicht falsch aufnahm.
»Ich weiß. Ich möchte jetzt nicht daran denken, weswegen das so war. Es gibt gerade wichtigere Dinge.«
Er stieß eine Tür neben uns auf und ermöglichte mir den Blick auf den Raum dahinter.
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