Kapitel 6 - Erste Begegnung
Kapitel 6
Graf von Krolock Sicht
Heute Nacht war ich, wie jede vierte Nacht jagen gegangen, um meinen Durst zu stillen.
Diese Nacht ist mir ein betrunkener Mann, der sich im Wald verlaufen hat zum Opfer gefallen. Seine Leiche versteckte ich in einem Gebüsch, auch wenn die Menschen wussten, sobald sie sein verschwinden bemerken, dass ich dahinter steckte.
Nun war ich wieder auf dem Weg ins Schloss, doch ich lief langsam, damit mir genug Zeit zum Nachdenken blieb und noch ein wenig Ruhe.
Manchmal fragte ich mich, was ich mit der Zeit, die ich hatte, anfangen sollte. Ein lautes, langgezogenes Heulen riss mich aus den Gedanken.
Doch das Heulen der Wölfe war nicht das einzige was ich vernahm.
Ich hörte das freudige Lachen eines Mädchens, welches noch ein Stück von den Wölfen entfernt war. Meine Neugier trieb mich in die Richtung aus der die Geräusche kamen.
Das Lachen wurde durch einen Aufschrei abgelöst und dann waren nur noch schnelle Schritte zu hören.
Meine Schritte beschleunigten sich und irgendein Gefühl in mir sagte mir, ich solle nachschauen. Ihr helfen.
Nach einem kurzen Fußmarsch konnte ich zwischen den Bäumen ein Mädchen, welche höchstens 15 Jahre alt war, erkennen. Es rannte kopflos durch den Wald, wobei der Schnee und Hindernisse ihr Tempo zügelte.
Im weiten Abstand, in der Dunkelheit verborgen, rannte ich neben ihr her. Durch meine geschärften Sinne, konnte ich sie gut erkennen.
Sie hatte schwarze, hüftlange Haare mit herausstechenden roten Strähnen. Ihre Haut war bleich und sie sah wunderschön aus. Ihr langes schwarzes Kleid mit dem Rankenmuster und auch der lange schwarze Umhang waren nicht besonders zum Rennen geeignet, weshalb sie es anheben musste.
Ich musste nur kurz weiter nach hinten sehen um zu wissen, vor was sie davon rannte.
Hinter ihr liefen ein Dutzend Wölfe, welche immer näher kamen. Innerlich rang ich mit mir, ob ich ihr nun helfen, oder den Wölfen eine Mahlzeit gönnen sollte.
Was mich an dem Bild mit dem Kind und den Wölfen verwirrte, war das Merkmal, dass das Mädchen anscheinend keine Angst hatte.
Die Sorge um sie gewann die Oberhand. Bevor ich jedoch reagieren konnte, wand sie den Kopf um und kam ins Stauchen. Einer der wilden Hunde nutzte dies, sprang auf ihren Rücken und warf sie um. Die Kleine drehte sich unter dem Wolf auf den Rücken und das Tier rutschte ab.
Nun war es zu spät für sie, als die nächsten hungrigen Wölfe sich auf sie stürzten und ich wandte den Blick ab und drehte mich um, um zu gehen und um dem Anblick zu entgehen, wie ein Kind von Wölfen gefressen wurde.
Aber was ich dann hörte ließ mich stoppen.
Das schwarzhaarige Mädchen begann doch tatsächlich zu lachen. Sofort machte ich kehrt und versteckte mich hinter den Bäumen.
Bei genauerem Hinsehen konnte man erkennen, wie die Wölfe sie abschleckten. „Ok! Ok! Hört auf! Ist ja gut, ihr habt mich!", rief sie lachend.
Hatte sie etwa mit diesen hungrigen Wölfen etwa Fangen gespielt, wie Kinder im Dorf es taten? Ist sie denn lebensmüde?
Mein Interesse an ihr hatte sie nun endgültig geweckt und ich spielte mit der Vorstellung, sie auf mein Schloss einzuladen.
Währenddessen rappelte sie sich mühsam auf und blickte, wenn auch nur einen kurzen Moment in meine Richtung, wodurch ich ihre Augen erkennen konnte. Ihre Augen waren blau-violett, was mir einen Stich ins Herz versetzte.
Aber ich wusste nicht wieso. Und ich wusste auch nicht an wen sie mich so sehr erinnerte. Bestimmt fällt es mir bald wieder ein.
Wahrscheinlich habe ich sie früher einmal im Dorf gesehen. Aber da musste ich mir wiedersprechen.
Wenn ich sie früher im Dorf gesehen hätte, hätte ich sie vermutlich zu einem der jährlichen Mitternachtsbälle eingeladen und in einen Vampir verwandelt. Trotz ihers jungen Alters.
Alles von dem ist nie eingetroffen. Bei der Vermutung, dass sie nicht aus dem Dorf stammt, war ich mir sehr sicher.
Vielleicht sieht sie auch nur einem Portrait in meinem Schloss ähnlich. Mit dem Entschluss dem Verdacht nachzugehen und womöglich Herbert zu fragen, ob er sie kennt ließ meinen Blick wieder zu ihr gleiten.
„Jetzt geht schon etwas jagen, wir können morgen nochmal spielen", sagte sie und die Wölfe rannten mit hoher Geschwindigkeit durch den Wald.
Bestimmt würden sie diese Nacht noch einen Hirsch reißen, um ihren Hunger zu stillen. Nach einer Weile der Stille begann sie zu singen, während sie hinauf zum Vollmond sah:
„Folg mir nach! Vertrau der Nacht! Sie nur kann deine Seele retten. Fluch dem Tag und seiner Macht! Lös die Sehnsucht von allen Ketten. Folg mir nach, komm, fühl die Nacht! Wirklich ist nur, woran wir glauben. Flieh vor dem, was dich bewacht. Lass dir nicht deine Träume rauben! Die Welt im Tageslicht hat keinen jemals glücklich gemacht. Drum tauch ins Meer des Nichts, wo's immer dunkel ist und kühl. Und wenn du von der Dunkelheit betrunken bist, dann, fühl, fühl die Nacht. Fühl die Nacht!".
Das Lied und ihre Stimme waren so schön. Das Lied, welches sie sang kam mir ebenfalls bekannt vor. Dieses Mal aber wusste ich woher. Es heißt 'Carpe Noctem' und die Vampire, die auf dem Friedhof leben, singen es des Öfteren.
Ich bin während sie sang so in meiner Gedankenwelt versunken, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie sie in meine Richtung sah.
Mit unsicherem Blick kam sie auf mich zu. „Wer ist da?", fragte sie laut. „Sie da hinter dem Baum. Kommen Sie raus, ich sehe Sie!", rief sie energisch. Wie hatte sie mich nur entdeckt?
Da es nun sinnlos war, sich weiter zu verstecken, gab ich mir einen Ruck und trat hinter dem Baum hervor, direkt auf sie zu.
Dabei machte sie einen unsicheren Schritt nach hinten. Misstrauisch sah sie mich an, was mich zum Schmunzeln brachte.
Nun war es offensichtlich, dass sie nicht aus dieser Gegend hier stammte, denn sonst würde sie mich kennen und vielleicht, wie jeder andere es tun würde, schreiend davonlaufen.
„Wer sind Sie?", fragte das Mädchen erneut. Mut hat sie, so mit einem Fremden zu reden. „Wollen sie nicht mitkommen und sich bei mir daheim etwas aufwärmen? Sie müssen doch frieren", fragte ich statt einer Antwort und hielt ihr meine Hand hin, welche sie skeptisch betrachtete.
„Wenn bei Ihnen keine Knoblauchknollen hängen und Sie mir demnächst Ihren Namen verraten, dann ja", antwortete sie ruhig und die Kälte in ihrer Stimme war kaum zu überhören.
Erneut musste ich grinsen: „Selbstverständlich, meine Dame". Das Mädchen kam auf mich zu und sah mich auffordernd an, meine Hand ignorierte sie nun. Also ließ ich meine Hand sinken und sagte: „Bitte folgen Sie mir".
Daraufhin nickte sie leicht und ich ging voran, Richtung Schloss. Auf dem Weg blieb sie stumm und auch ich sagte nichts, doch nach einer Weile sprach ich sie an: „Eine schöne Stimme haben Sie. Und ein schönes Lied, woher kennen Sie es?". Man bemerkte ihr zögern.
„Ich habe es mir selbst ausgedacht. Wo gehen wir eigentlich genau hin? Soweit ich mich erinnere geht es zum Dorf in die andere Richtung", antwortet sie und deutete mit dem Daumen über ihre rechte Schulter. Dass sie das Lied ausgedacht hat, nahm ich als Lüge auf.
Es wäre schon ein sehr großer Zufall, wenn sich ein Vampir und ein junges Mädchen sich ein Lied ausdenken und der Text und die Melodie übereinstimmen.
Die Friedhofvampire haben es von einem Vampir, der wiederum das Lied von einem unsterblichen Freund hatte, dieser hatte das Lied wiederum von seinem Sohn und der hatte eine unbekannte, den Gerüchten zufolge weibliche Person, die den Text und die Melodie geschrieben hatte. Und dies war bestimmt vor über 300 Jahren.
Das witzige daran ist, dass genau dieser Sohn, namens Eric bei uns auf dem Friedhof lebt. „Da haben Sie Recht, meine Liebe. Ich wohne nicht im Dorf. Und wenn Sie wollen können Sie gern bei mir zu Gast sein", bot ich ihr an und sah ihr dabei ins Gesicht und wartete auf ihre Antwort, welche aber nicht kam.
Kurz sah ich zu ihr, und sah ihr im Gesicht an, dass sie sich gerade einen Kommentar verkniffen hat. Eine Weile später konnte man einen Teil des Schlosses hinter den Bäumen erkennen. „Wow. Da wohnen Sie?", fragte sie verblüfft. Wieder einmal brachte sie mich zum Grinsen und ich sagte stolz: „Ja, dies ist mein Schloss".
Anscheinend sprach ich die Worte ihrer Meinung nach mit zu viel Stolz aus, denn sie verdrehte die Augen, was mir nicht besonders gefiel. In manchen Momenten stellt sie meine Beherrschung jetzt schon auf die Probe, doch andererseits gefiel mir ihr Temperament.
Aber das wird sich sicher bald ändern. Spätestens wenn sie, falls sie die Legenden über mich aus dem Dorf kennt, erfährt wer ich bin. Als wir uns dem Schloss näherten, konnte man erkennen, dass sie über das Bauwerk staunte.
Den restlichen Weg über blieb es wieder still. Mit Leichtigkeit stieß ich das große Eingangstor auf und wir betraten die Eingangshalle.
„KOUKOL!", schrie ich nach meinem Diener, nachdem die Eingangstür ins Schloss gefallen ist. Kurz darauf hörte man lange schlurfende Schritte die durch die Gänge hallten.
Als mein buckliger Diener erschien, zeigte mein Gast keine Andeutungen der Abscheu ihm gegenüber, was auch Koukol leicht verwunderte. So sah es jedenfalls aus.
„Koukol wird Sie auf Ihr Zimmer führen, damit sie sich von dem nassen Kleid befreien können. Dort liegt auch schon ein Kleid für Sie parat. Ich erwarte Sie dann in einer halben Stunde im Kaminzimmer", erklärte ich und ging auf sie zu.
Ich nahm ihre zärtliche Hand in meine und spürte wie kalt diese war. Doch ich dachte mir dabei nichts und gab ihr einen Handkuss. Dabei merkte ich wie sie kurz davor war, mir ihre Hand zu entziehen.
Nach dieser Geste verschwand ich ohne weiteres zum Kaminzimmer.
1606 Wörter
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Wie versprochen noch ein Kapitel. Was denkt ihr? Wird er herausfinden wer und was sie ist? Und ob Layla auch herausfindet wer er ist? Schreibt mir doch mal in die Kommentare was denkt ihr?
Hanni
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