Elaine, Mads und Lasse
Ein wenig überrascht ist sie dann schon, als Evelyn zurückkehrt und Walter noch nicht zu sehen ist. Er ist weder in ihrem Zimmer, noch in seinem eigenen. Die grauen Augen gehen zu dem Bett, soll sie es sich leisten sich hinzulegen, oder wäre hinsetzen besser? Mit leicht verzogenem Gesicht reibt sie sich den Nacken, der ist wieder so verspannt dass er weh tut. Man könnte meinen dass es langsam einmal besser werden würde, aber leider ist das nicht der Fall und so schenkt sie sich nur kurz ein wenig Wasser ein, welches Malik ihr hingestellt hatte. Erst dann zieht sie sich die Jacke und die Hose aus, beides legt sie über den Stuhlrücken und schwankt noch kurz zwischen den Entscheidungen, bevor sie sich dann doch hinlegt- nicht aber ohne ein Messer unter dem Kopfkissen. Klischee? Auf jeden Fall. Praktisch? Immer noch. Ihr Schlaf ist leicht, die absoluten Ruhephasen nur kurz gehalten. Dennoch reicht es um genug Energie zu bekommen und gleich weitermachen zu können. Sie hat die weiteren Infos bekommen, war nicht einmal so schwierig nachdem es sich rumgesprochen hat dass sie wieder da ist und was sie verlangt. Hoffentlich hat Walter genau so viel Glück. Dieser kommt ungefähr eineinhalb Stunden später an nachdem sie sich hingelegt hatte, seine Arbeit wurde erst bei dem letzten einfacher. Denn erst da hat man der Organisation telefonisch bescheid gegeben bevor er angekommen ist. Wäre es nur die gesamte Zeit so gut gelaufen- Das Medaillon hat nur relativ wenig geholfen und man hat immer versucht ihn loszuwerden. Im Zimmer der weißhaarigen Frau taucht er auf und findet sie schlafend im Bett auf, hat sie sich verdient. Er wird sie in Ruhe lassen, wenn er die Bettdecke hochgezogen hat, dann wird er- Mitten in der Bewegung bleibt er stehen und sieht auf sie hinunter. Evelyn hat gemerkt dass jemand im Raum ist, wusste aber nicht wer und hält ihm mit einem misstrauischen Blick die Klinge des Messers an die Kehle. Erst als sie erkennt wer es ist lässt sie es sinken und entspannt sich. „Du kannst einem durchaus einen Schock verpassen.", murmelt sie und legt sich eine Hand auf den Nacken, durch die ruckartige Bewegung ist das nicht besser geworden. „Entschuldigen Sie, Sicarius. Dies war nicht meine Absicht." Gelassen winkt sie ab, ist ja nichts passiert. Kurz gähnt sie und setzt sich richtig auf das Bett hin. „Wie siehts aus, wie weit bist du gekommen?" Der ehemalige Butler ignoriert ihre knappe Kleidung bauchabwärts und holt ein paar Zettel hervor. „Es ist alles erledigt." Sie nimmt die Papiere entgegen, legt sich auf den Rücken und streckt ihren Arm aus um ja nicht aufzustehen- Faul ist sie ja schon. Dennoch schafft sie es die Nachttischlampe anzumachen und das Licht erhellt das Zimmer um einiges mehr als die Laternen von der Straße. Kurz bleibt sie noch liegen, bevor sie sich wieder aufsetzt und sich auf der Unterlippe herumkaut während sie sich das durchliest. Walter wartet geduldig bis es scheint dass sie durch ist, bevor er das Medaillon hervorholt und es ihr zurückgibt. „Leider hatte es nicht die gewünschte Wirkung, der Grund wieso es meinerseits länger gedauert hat. Man glaubte mir nicht und... ich musste sie überzeugen." Die grauen Augen gehen zu ihm hoch, leicht werden sie zusammengekniffen ehe sie seufzt und den Kopf schüttelt. „Ich würde ja etwas dagegen unternehmen, aber das wird das letzte Mal sein dass man mich hier sieht... es bringt nichts mehr zu sagen dass du zu mir gehörst." Ugh, sie braucht vielleicht doch Schmerztabletten wegen dem Nacken. „Kann ich dich um einen Gefallen bitten?" Die Seele nickt, dafür ist er an sich da. „Ich gebe dir ein bisschen Geld mit- ich brauche nur Schmerztabletten von einer Apotheke." Schmerztabletten? „Um welche Schmerzen handelt es sich, Sicarius?" Müde reibt sie sich den Nacken. „Vielleicht verlegt oder so. Ibuprofen reicht aus, danke." Dann kann sie sich noch um eine grobe Zusammenfassung aller Informationen kümmern, sollte nicht allzu lang dauern. Irgendwo hier sollte sie noch die Karte rumliegen haben, Malik ist so nett und tauscht die Karten dieses Landes und der Stadt immer wieder gegen die neueste aus, sollten sich Änderungen ergeben haben. „Wenn Sie es mir erlauben würde ich mir das selbst ansehen, vielleicht können Sie sich somit ein wenig Geld sparen." Ohne den Kopf zu drehen sieht sie ihn an und zieht eine Augenbraue hoch, warum sollte sie jetzt noch Geld sparen? Dennoch nickt sie leicht. „Tu dir keinen Zwang an, ich schau mir das nur nebenbei an." Walter entschuldigt sich als er sich hinter sie auf die Bettkante setzt und die Handschuhe auszieht, wenn einem langweilig ist lernt man viel in der Seelenhölle und insbesondere wenn die anderen Seelen einem auch noch so etwas eigentlich nutzloses beibringen können bevor sie terminiert werden.
Er sieht wie sich ihre Nackenhärchen aufstellen als er mit den Fingern entlangstreicht um zu erfühlen wo sich eine direkte Verhärtung finden lässt- Sie hat mehr als eine davon und er kann sich vorstellen dass sich das bei Personen mit Schmerzempfinden durchaus unangenehm darstellt. „Ich entschuldige mich dafür wenn es weh tut, wäre es möglich sich kurz zu entspannen?" Evelyn schnaubt, schließt aber die Augen und versucht sich zu entspannen. Walter zieht die Augenbrauen hoch, sie sollte unbedingt einmal einen Physiotherapeuten aufsuchen oder Massagen in Betracht ziehen. Alucard hingegen wusste nicht einmal dass Walter so etwas beherrscht und wundert sich gerade was er wohl sonst noch alles gelernt hat. „Ich bitte um Entschuldigung, nehmen Sie das nicht persönlich." Die Frau runzelt die Stirn, spürt aber wie er BH-Träger und Top-Träger auf die Seite schiebt. Sie fühlt sich bei ihm sicher genug um das alles zuzulassen, kann auch daran liegen dass sie nicht mehr viel zu verlieren hat. „Sie müssen nicht antworten, Sicarius." Na wenn das so anfängt dann kann das nur beschissen werden. Walter fährt an einem der Muskeln entlang und sie muss tatsächlich die Kiefer aufeinander pressen- Verdammte scheiße tut das weh! „Dürfte ich erfragen wie alt Sie waren als Sie ihre Kinder bekamen?" Überrascht spannt sie sich an, das merkt der ehemalige Butler und merkt sich dass er das nächste Mal nicht so forsch sein sollte. „Tut mir leid, ich wollte keine unangenehmen Erinnerungen wecken." Nur langsam entspannt sich Evelyn, dreht aber den Kopf leicht lächelnd obwohl es schmerzt. „Die Geburt der eigenen Kinder ist, zumindest für mich, eine der besten Erinnerungen die ich haben kann. Elaine habe ich mit 16 bekommen. Mads kam... zwei Jahre später." Sie sieht wieder nach vorn, presst die Lippen aufeinander. Mehrere Jahrhunderte sind vergangen und trotzdem ist es immer noch ein wenig belastend. „Sie haben jung angefangen, wenn ich so forsch sein darf." Ihre Mundwinkel gehen hoch und Walter fährt fort. „Elaine war-" Sie muss kurz amüsiert schnauben. „Sie war ein Unfall, es gab damals einiges an Streit mit unseren Eltern... er als Sohn vom Chef und... eigentlich war er jemandem versprochen! Ja... kam anders und- Nach Elaines Geburt waren die Eltern aber überraschend besänftigt. Sie haben es geliebt und Lasse und ich konnten... eigentlich friedlich zusammenleben. Dann kam Mads und er war genau so perfekt wie Elaine- sie hat ihren kleinen Bruder geliebt! Und dann- dann kam DER Tag. Alles war weg. Jeder. Mein eigen Fleisch und Blut, mein Mann, meine Familie, mein Dorf... Es ging in Flammen auf. Den Rauch konnte man bis über den nächsten Berg sehen." Auch wenn die Informationen wohl nun langsam enthüllt werden- Alucard spürt ihren Schmerz als wäre es sein eigener. Er hat sich eine Hand auf den Mund gelegt, spürt die eigene Leere die seine Familie hinterlassen hatte. Das Loch in seinem Herzen welches man nie füllen wird. Evelyn ist in der damaligen Situation schon fast wieder gefangen, sie spürt es kaum noch wie Walter die Verspannungen nebenher löst. „Sie nahmen mich mit, sie haben meine Kinder und meinen Mann getötet, ich- Ich war Kriegsbeute. Ich bin nie wieder zurückgekehrt als ich mit ihnen wegsegeln musste. Das kalte Meer und... ich war nicht allein. Viele Frauen aus dem Dorf wurden mitgenommen, einige verheiratet, einige getötet... auf was man Lust hatte. Ich kam auch in eine Zwangsehe, so wie die meisten. Manche hatten Glück und ihre Männer merkten wie unglücklich sie waren und- sie haben sie wieder freigelassen. Andere, wie ich, hatten nicht ganz das Glück. Ich sollte wieder Kinder kriegen, mit diesem... ‚Mann'. Gestunken hat er, wenn er das Maul aufgemacht hat, dann kam da so viel Scheiße raus als hätte er es mit seinem Arschloch verwechselt. Ich musste seine Sprache lernen aber das was er sagte- Ich kannte vieles. Aber das war entwürdigender als alles bisher erlebte. Ich habe mir viel geschworen und ich habe viele Versprechen gemacht in dieser Zeit und... ich hab ihn umgebracht." Nun wird der Urvampir aufmerksam, Schwüre und Versprechen? Hat sie sich diese selbst gegeben oder jemand anderem? „Mann für Mann habe ich aufgesucht und die Frauen befreit, wobei wir schlussendlich eine ganze Truppe Weiber waren die die anderen aus ihren Gefängnissen geholt haben die Gruppe löste sich auf und... ich kenne noch den ein oder anderen Nachfahren." Wieder dreht sie leicht den Kopf, blickt Walter direkt an. „Alucard... hörst du?" Dieser kneift leicht die Augen zusammen, brummt aber zustimmend. „Laut und deutlich." Sie nickt. „Eine dieser Nachfahren ist Seras. Pass bitte gut auf sie auf, ich kannte die Frau die vor hunderten von Jahren ihren Stammbaum in Schwung gebracht hatte."
Also das sind Neuigkeiten die selbst den Urvampir ein wenig überraschen, Sicarius kannte die Vorfahren seiner Schülerin? Moment, das gibt ihm die Möglichkeit herauszufinden wer das sein könnte und wenn er die Vorfahrin findet, mit dieser Geschichte dürfte das nicht zu schwer sein sie auszumachen, dann könnte er auch herausfinden was damals sonst noch alles passierte! Er kann sie lachen hören und konzentriert sich wieder auf die Übertragung, wobei sich Evelyn im nächstem Moment nach hinten lehnt und Walter die rechte Hand auf den Hinterkopf legt. Sie sieht ihn schmunzelnd an. „Schweden, Alucard. Schweden 1721. Die russische Galeerenflotte unter Admiral Fedor Apraxin griff Siedlungen an der schwedischen Ostküste zwischen Gävle und Pitea an. Drei Städte... 506 Dörfer... unzählige Tote... unzählige Gefangene." Der ehemalige Butler rührt keinen Finger, behält sie bei sich und wartet auf eine Reaktion des Urvampirs. Diese kommt aber nicht. Wenn er das alles richtig zusammenrechnet war sie 18 als das alles passierte. 18 Jahre mit zwei Kindern, einem Mann, einer liebenden Familie! Und dann wurde alles innerhalb weniger Minuten zerstört und ihre Kinder vor ihren Augen umgebracht. Das ist ein schlimmeres Schicksal als er mit seiner Familie erleiden musste, denn auch wenn seine Töchter jung starben- Sie starben an Krankheiten. Sie wurden nicht vor der eigenen Mutter umgebracht. Und seines Wissens nach starb seine Frau einen schnellen Tod bei einem Überfall. Gewaltsam, aber schnell. Hat Sicarius etwas ähnliches gemacht wie er, nur aus anderen Gründen? „Sag... Sicarius." Alucard leckt sich über die Lippen und blickt durch Walters Augen auf sie hinunter. „Ist diese Lucy das letzte Teil deines Rachefeldzugs?" Ein sanftes Lächeln, sie nickt. „Und ich hoffe dass ich es so schnell wie möglich schaffe sie umzubringen." Somit hat sie offiziell zugegeben was passieren wird und er hat auch weitere Vermutungen, die er aber jetzt nicht aussprechen wird. Es könnte noch dauern bis sie es geschafft haben sie zu finden und es könnten sich weitere Situationen wie diese ergeben. Ruhige Minuten in denen man etwas besprechen kann. Außerdem wirkt sie müde, nicht nur körperlich sondern auch geistig und sie sollte sich für die kommende Jagd ausruhen. Er wünschte er könnte sich selbst daran beteiligen, aber die Lady lässt ihn nicht, auch wenn es ihm langsam aber sicher ein persönliches Anliegen wird jemand anderem die Rache zu verschaffen die er niemals in seinem Leben erreichen wird. Die Genugtuung alles getan zu haben was man kann, auch wenn es die geliebten Personen nicht zurückbringen wird. „Geh von meiner Seele runter und schlaf, du wirst es brauchen.", brummt der Urvampir und sieht dabei wie die weißhaarige lächelt. „Ach komm... Walter ist gemütlich." Dennoch richtet sie sich wieder auf und sieht nun direkt Walter an. „Danke dafür, vielleicht ist das Geld wirklich woanders besser angelegt." Der ehemalige Butler neigt seinen Kopf, dafür ist er zu Diensten. „Ich hoffe dass Sie sich nun ein wenig besser fühlen." Evelyn schiebt sich die Träger wieder hoch und sieht kurz nach draußen. „Ein paar Stunden Schlaf, nicht mehr und nicht weniger. Dann setze ich mich daran das alles zusammenzuschreiben, Malik hat immer eine Karte da." Der Monokelträger neigt leicht seinen Kopf. „Wenn Sie es mir erlauben, dann werde ich die Standorte der Personen in die Karte eintragen, das war Ihr Vorhaben, nicht wahr?" Leicht schmunzelt sie, wie recht er doch hat. „Danke Walter. Und... danke Alucard." Testweise dreht sie den Kopf und zuckt zusammen als es sogar für den Urvampir hörbar knackt. Tief zieht Evelyn die Luft ein und stößt sie wieder aus, ehe das gleiche auf der anderen Seite macht und wieder zu dem schwarzhaarigen sieht. „Selbst wenn man mir das Genick bricht- Ich sterbe nicht. Noch nicht." Walter steht auf um Platz für sie zu machen sodass sie schlafen kann, was sie auch dankend annimmt. Er hingegen kümmert sich um die Blätter die sie zu einem kleinen Stapel zusammengepackt hatte und schaltet die Nachttischlampe aus nachdem sie ihm gesagt hatte wo die Karte ist. Um sie in ihrem Schlaf nicht zu stören, begibt er sich in das ihm zugewiesene Zimmer und beginnt mit der Arbeit. Alucard hat die Verbindung getrennt, er hat einiges was er noch suchen muss. Denn wenn er Seras als Verbindung hat, dann kann er dadurch vielleicht auch herausfinden wie der richtige Name von Sicarius lautet- Er behauptet zu wissen dass sie ihn nämlich nicht einfach so herausgeben wird und selbst Pip ist verdammt hartnäckig was ihren echten Namen angeht. Der rückt damit nicht heraus. Sie beide verbindet das Ereignis mit dem Verlust ihrer eigenen Kinder und eine Art selbstauferlegter Fluch. Wie es jedoch bei ihr genau ist, das weiß er nicht und das möchte er noch herausfinden bevor sie möglicherweise stirbt, was sie immer und immer wieder andeutet. Somit ist es für ihn nun an der Zeit historisch ein wenig auf die Suche zu gehen und in Seras Nachfahren herumzuwühlen.
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