Aufgearbeitete Vergangenheit
Sie können die Frau von oben sehen, auch wenn die Haare unter der Kopfbedeckung sind erkennt Alucard ein paar blonde Strähnen. Sie stehen auf einem Hügel, unter ihnen Steppenlandschaft. Die Pferde, auf denen sie geritten sind um dem Mann weiterhin zu folgen, stehen mit dem Mann in einiger Entfernung um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Mit dem Auto kommt man nicht hierher und Alucard hätte nicht gewusst wo sie hinmüssen. Der Wind streift über das Land, glättet die Grashalme und lässt die Mähnen und die Schweife der unten stehenden Pferde durchwirbeln die zu der Ansammlung an nomadischen Bewohnern gehören die ihre Zelte aufgestellt haben. Dass es selbst in dieser Zeit noch solche Leute gibt ist höchst faszinierend, aber manchmal will man den alten Weg beschreiten und er scheint noch zu funktionieren. Bevor Evelyn aber loskann, streckt Alucard den Arm aus und hält sie zurück. „Du erwartest sicherlich keinen Besuch, habe ich recht?" Irritiert blickt sie zu ihm hoch, sieht dann aber dorthin wo er hinschaut und kann nur gerade noch so jemanden erkennen der sich geduckt durch das hohe Gras bewegt. Langsam und so, sodass die Pferde die Person nicht durch den Wind wittern könnten. „Du kannst nicht zufällig herausfinden was die Person will...?" Alucard braucht nicht lange und sieht zu Evelyn. „Dein Ziel eliminieren." Urplötzlich wird sie ernst, sie presst die Kiefer aufeinander und will schon wieder losgehen, doch er schüttelt den Kopf. „Ich gehe davon aus dass du wissen willst wer den Menschen geschickt hat, oder?" Die grauen Augen sehen ihn entgeistert an. „Nein. Ich sterbe, was interessiert mich es noch." Seufzend hält er ihr die Hand hin. „Dann lass mich dir wenigstens helfen da so schnell es geht hinzukommen und den Kerl zu erledigen. Oder soll ich ihn dir holen um keine Aufmerksamkeit zu erzielen?" Kurz denkt sie nach, schüttelt aber den Kopf. „Ich brauche keine Infos, ich mach das schon. Warte du hier." Hier warten? Und sie geht zum sterben? „Ich bin in deinem Schatten, weniger kannst du von mir nicht verlangen." Sie kann ihn so oder so nicht aufhalten, von ihr kommt genau deswegen auch nur ein Nicken bevor Evelyn in die Hocke geht und die Person fokussiert. Es gab noch einen kurzen Abstecher zu einem der kleineren... Außenbasen ihrerseits in welcher sie sich umziehen konnte und somit auch mit der passenden Kleidung ausgestattet ist. Aufgrund der Abendsonne wird es auch ein wenig dunkler, was ihr nur ein Vorteil sein kann auch wenn sie sich jetzt langsam aber sicher in Bewegung setzen sollte wenn sie die Person sein will die Lucy umbringt. Aus dem geduckten Gang wird ganz schnell ein robben, wobei das für sie eine der einfachsten Übungen ist. Zwar brennt es teilweise am Gesicht wenn die Halme die Haut aufritzen, doch sie ist zu sehr auf das Ziel fokussiert und damit auch teilweise auf die Umgebung. Immerhin will sie nicht auffliegen, wäre scheiße wenn schon. Immer wieder bleibt sie reglos liegen und hebt vorsichtig den Kopf um die Lage zu checken, das Gras wird immer lichter und weniger, die Umgebung aber auch immer dunkler. Minute für Minute und auch der Kerl kommt nicht so schnell voran wie er es wollte! Ein leises, aber dennoch unvorsichtig hörbares Schnalzen mit der Zunge ist zu hören. Das aber wiederum gibt Evelyn die Möglichkeit ihren Weg anzupassen, da sie für einige Minuten nur nach Gefühl gerobbt ist und ihn nicht aufspüren konnte. Sie hätte Alucard fragen können, aber sie ist da sehr stur im Moment. Das letzte hier sollte auch ihre eigene Aufgabe sein, so viel Anstand muss sein. Da, vor ihr bewegt sich das Gras. Der Urvampir beobachtet sie nun nicht mehr aus dem Schatten heraus, sondern von vielen Seiten als Käfer und Insekten, er will wissen wie genau das ablaufen wird. Wie in Zeitlupe zieht die weißhaarige, deren hervorstechende Haare unter einer grünlichen Mütze verstaut sind, das Messer und atmet nur noch flach. Ihr Mund steht leicht offen, die Augen sind weit aufgerissen, die Ohren gespitzt, der Körper angespannt. Wie ein Raubtier welches nur noch auf den perfekten Augenblick wartet, so wartet auch die Frau auf den Moment in welchem sie zuschlagen wird. Die Sekunden vergehen, der Kerl bewegt sich nicht weil er sieht dass die Pferde ein wenig nervös werden und er jetzt keine Aufmerksamkeit will. Er ist sich des Fakts nicht bewusst dass er die Beute ist, nicht der Jäger. Langsam aber sicher beruhigen sich die Tiere wieder und er bewegt sich wieder langsam nach vorn. Nicht mehr lange und er hat sein Ziel erreicht, das Geld ist es wirklich wert welches er von seinem Auftraggeber bekommen wird und da ist es ihm auch egal dass er bis hierher musste und jetzt einen auf Robbe macht. Da hinterfragt man auch nicht, bei so einer Summe.
Nicht einmal ein Laut der Überraschung kann aus seiner Kehle kommen, da hat ihn schon ein Hieb mit etwas hartem gegen die Schläfe die Lichter ausgeschaltet. Evelyn hört wie die Pferde unruhig hin und her trampeln, sie müssen ruhig bleiben! Der Kerl bekommt nichts davon mit wie ihm die Halsschlagadern aufgeschlitzt werden, wobei die weißhaarige jetzt schnell handeln muss. Das Blut wird die Pferde alarmieren, die wiederum die Menschen und sie braucht nur einen bestimmten davon! Wobei... wieso nutzt sie das nicht aus. Die Tiere sind dann so oder so alarmiert, da kann man sicherlich auch einmal anders an die Sache rangehen. Vorsichtig hebt sie den Kopf und zieht sich wieder in das dichtere und höhere Gras zurück, lässt die Leiche hinter sich und fängt an die Zelte weit zu umrunden. Nach ein paar Minuten, sie ist zum Glück schon weit genug entfernt, fängt das erste Pferd wieder an unruhig zu werden und dieses Mal bleibt es nicht ruhig, das Blut in den Nüstern des Tieres scheint es in Alarmbereitschaft zu versetzen. Somit sind aber auch alle anderen Pferde unruhig und nervös und natürlich sieht man nach seinen Tieren wenn man schon so weit außerhalb der normalen Zivilisation ist und nicht viel hat was hier sein sollte. Vor Raubtieren muss man sich und die Tiere schützen, was anderes erwartet man hier eigentlich nicht. Die ersten Menschen kommen aus ihren Zelten, blicken skeptisch in die Richtung und dann zu anderen der Gruppe um nonverbal zu kommunizieren. Mit einem Mal hört man das Bellen von Hunden und Evelyns Augen weiten sich. Scheiße, daran hat sie gar nicht gedacht. Verdammter Anfängerfehler. Könnte das Grande Finale wirklich wegen einem beschissenen Anfängerfehler ins Wasser fallen? Nein. Und- Und wenn sie Alucard dafür braucht! Sie spürt ihren Puls rasen, das ist überhaupt nicht gut. Sie braucht Ruhe dafür! Einfach weitermachen, das wird schon wieder. Ein Brüllen, dass man eine stark verletzte Person gefunden hat und Hilfe braucht, wird laut und das reicht ihr schon aus. Während immer mehr Menschen aus ihren Zelten strömen, insgesamt stehen dort 12 oder 13, erhebt sich Evelyn vorsichtig und kann so noch viel schneller in die Richtung des Zelts in welches sie muss. Vor dem Eingang an der Seite muss sie stehen bleiben und dreht sich seitlich hin, sodass die Person sie nicht bemerkt welche gerade aus dem Zelt stürmt. Die grauen Augen sehen sich kurz um, bevor sie in das Zelt läuft und dort eine Frau mit dem Rücken zu ihr gedreht über bei einer Kochstelle steht. Evelyn geht langsam zu ihr, bleibt aber noch unbemerkt. „Lucy." Der hölzerne Kochlöffel fällt in den großen Topf und die Frau dreht sich um, die grünen Augen starren sie weit geöffnet an, der bräunliche Fleck an der rechten Iris ist deutlich zu sehen, genau wie der Fleck an der linken Seite der Wange. Blonde Strähnen hängen ihr ins Gesicht. „Woher kennst du-" Sie bricht ab als Evelyn auf sie zukommt und weicht nach hinten aus. „Wir haben alle eine Vergangenheit.", fängt die weißhaarige ruhig an und nickt ihr zu. „Die einen leben darin, die anderen machen sich nichts drauß und wieder andere..." Sie lächelt und umgreift das Messer fester welches sie so hält dass Lucy es nicht sehen kann. „Andere bereinigen Dinge die aufgrund der Vergangenheit noch offen sind." Die Blondine stolpert, kommt Evelyn aber ganz recht, so stürzt sie sich auf sie und drückt sie auf den Boden, die Hand auf dem Mund und das Messer dringt in die Brust ein. Das Schaben ist zu spüren als sie an einem der Rippen entlang kratzt und im Herz versinkt. Das dumpfe Kreischen verstummt schnell als die Klinge rausgezogen und in der Kehle versenkt wird. Sie schneidet sie nicht durch, stattdessen ist sie genau dort wo die Stimmbänder liegen. Die grünen Augen treten weit hervor, sie schnappt nach Luft, die Arme schlagen um sich, die Beine treten nach ihr! Doch Evelyn hält sie weiterhin unten, ist beim letzten Todeskampf direkt dabei und horcht auch immer wieder ob von draußen jemand kommt. Alucard achtet aber auch darauf und sieht schon dass der Kerl, der vorher rausgelaufen ist, auch langsam aber sicher wieder zurückkommt um sich zu waschen, seine Kleidung ist voll mit dem Blut des Mannes den die weißhaarige vorher umgebracht hatte. Höchstwahrscheinlich haben sie versucht ihn irgendwie zu retten, aber bei so etwas hilft nicht mehr viel. Der Urvampir wartet noch ein paar Sekunden, bis er sich neben ihr manifestiert und ihr eine Hand auf die Schulter legt. „Sie wird sterben, komm. Der andere ist auch gleich da und ich habe im Moment keine Lust auf einen Mord. Das ist mir vergangen." Evelyn reißt das Messer dann schlussendlich doch noch von links nach rechts und steht erst dann auf, ehe Alucard mit ihr im Schatten verschwindet und die letzte Tat vollbracht ist.
Gemeinsam treten auf dem Hügel wieder aus dem Schatten und sie schnauft noch ein paar Mal tief durch, ehe sie sich hinsetzt. Sie ist müde. Müde von allem. Der Reise, den letzten Tagen, dem Leben... Alucard setzt sich neben sie, winkelt ein Bein an und legt ihr einen Arm um die Schultern. „Du wirst mir abgehen, Vivi." Diese sieht zu ihm hoch und lächelt leicht, legt ihren Kopf an seine Brust und lässt das Messer vor sich fallen während die untergehende Sonne alles erleuchtet. „Ich weiß nicht ob ich die Erinnerungen an dieses Leben behalten werde... aber du bist eines der wenigen guten Dinge an die ich mich erinnern will." Sie spürt wie er ihr über den Oberarm streicht, ob es nun für sie beruhigend sein soll oder für ihn, das weiß sie nicht. „Ich und gut... dass ich das einmal in einem Satz hören darf ist schon fast eine Ehre.", brummt er und schluckt schwer, er muss die Fassade wahren bis es vorbei ist. Wie lange kann so ein Mensch mit solchen Wunden bitte leben! Einerseits will er nicht dass sie geht, andererseits aber ist alles schon geschehen und sie warten auf den Tod. „Weißt du über welches Meer ich dich verstreuen soll?" Das sollte auch noch schnell geklärt werden! „Pazifischer Ozean, ist der größte." Und damit würde sie auch am meisten herumreisen, wenn auch nur stückchenweise. „Weißt du... ich pack deine Asche am besten in einen Dudelsack, blas einmal richtig rein und dann hat sich die Sache." Ihre Mundwinkel gehen kurzzeitig hoch, ehe sie nickt. „Tu was du nicht lassen kannst, Vlad. Und... danke für alles." Den Schmerz in seinem Blick zu verstecken ist nicht leicht, es in seiner Stimme zu unterdrücken ist noch viel schwerer und den üblichen sarkastischen Unterton hervorzubringen ist im Augenblick nicht möglich. Stattdessen klingt er tonlos. „Man tut was man kann." Wie lange kann das Weib noch leben, inzwischen wären normale Menschen schon drei Mal gestorben! Lange kann er die Emotionen nicht mehr zurückhalten, das gibt's doch nicht. Nach all den Jahrhunderten wird er doch tatsächlich zum Gefühlsdusel! Die grauen Augen blicken in Richtung der nun fast komplett untergegangen Sonne die hinter der grasbewachsenen Hügellandschaft der Mongolei verschwindet. „Sag Pip dass es mir leid tut und ich... nicht für weitere Generationen da bin. Und kannst du Seras ausrichten dass ihre Vorfahrin eine der besten und mutigsten Frauen war die ich je kennengelernt hatte? Es war mir eine Ehre..." Evelyn fühlt sich immer müder und erschöpfter, aber auch sicher und geborgen genug um die Augen zu schließen und sich zu entspannen. Sie hört Lasse wie er nach ihr ruft und auch Elaines zarte Stimme. ‚Mama!' ruft sie und der weißhaarigen laufen die Tränen über die Wange. Das entfernte und hallende Glucksen von Mads ist auch zu hören, er klingt fröhlich und zufrieden. Vielleicht war es das alles doch wert, die Jahrhunderte die sie daran gearbeitet hatte alle Nachfahren auszumachen und die einem nach dem anderen auszulöschen. „Vivi?" Nur schwerfällig öffnet sie die Augen, die Stimmen rücken in den Hintergrund. Alucard erwidert ihren Blick und presst die Lippen aufeinander, während er ihr die Tränen aus dem Gesicht wischt. „Erzähl deinen Kindern was für eine Mutter du bist, okay? Und... lass dir von ihnen nicht auf der Nase rumtanzen." Ein leichtes Nicken, ehe sie sich wieder entspannt und die Augen schließt. Der Urvampir legt sich die andere Hand auf dem Mund damit niemand sehen kann wie sein Kinn zittert oder wie sein Mund verzogen ist. Alles muss man ihm nehmen, nicht wahr? Alles. Jede Freude in seiner Existenz wird ausgelöscht, oder zumindest fast jede. Er kann froh sein dass Seras noch an seiner Seite ist, seine Schülerin die er mit all seinen Seelen beschützen wird da sie wirklich die einzige Person ist die wohl konstant da sein wird. Er merkt wie die Körperspannung von Evelyn neben ihm immer weniger wird, jetzt ist es an der Zeit komplett Abschied zu nehmen. Er hasst Abschiede, denn wenngleich es bei den Menschen meistens auf Zeit ist, bei ihm sind diese Abschiede für immer. Langsam lässt er die Hand vom Mund sinken, jetzt ist es auch schon egal. Stattdessen holt er die Kette aus der Innenseite hervor, das Jahr 1721 ist sehr, sehr blass nur noch zu erkennen. Mit viel Fantasie, um genau zu sein. Und er soll das jetzige Jahr reinritzen? 301 Jahre hat sie damit verbracht alles zu erledigen und das nur um ihre Rache zu bekommen die sie damals blind vor Wut hatte und erst jetzt zu sterben. Hätte sie das damals nicht gemacht, wäre sie diesen Deal nicht eingegangen! Sie beide hätten sich nie kennengelernt und er hätte jetzt nicht diesen verdammten Schmerz während sie jetzt erst erlöst wird. Sanft drückt er ihren Körper an sich und presst die Augenlider aufeinander. „In was für eine Scheiße bringst du mich... und dann bist du einfach weg."
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