Kindheit
,,Herzlichen Glückwunsch! Es ist ein Mädchen!", die Geburtshelferin hielt mich im Arm und übergab mich in die warmen Hände meiner Mutter. Mein Vater brach in Tränen aus und umarmte meine Mutter und zog mir vorsichtig die Decke aus dem Gesicht. ,,Sie ist so süß, Helen.", die Stimme von meinem Vater klang so freundlich und offen. ,,Sie ist ,ohne Zweifel, unsere kleine Freude." ,,Wie wollt ihr sie nennen?", wandte sich die Helferin an meine Eltern. Meine Mutter sah mich an und steckte ihren Finger in meine ausgestreckte, offene Hand. ,,Joselyn.", sie lächelte und mein Vater nickte.
Ich fing an zu weinen. Mein Magen brachte mich beinahe um.
Die Hebamme ging nach einigen Untersuchungen wieder und meine Mutter konnte mich endlich füttern.
Noch bevor ich überhaupt richtig denken konnte, wusste ich, dass ich mal ein kleiner Frechdachs werden würde.
Ich hatte drei Geschwister. Zwei Zwillingsbrüder Eddie und Emilio und eine große Schwester Sophie.
Wenn meine Eltern draußen das Feld bestellen mussten, passte sie auf mich auf und zeigte mir viele Dinge auf unserem kleinen Bauernhof.
,,Schau mal, wenn du mal groß bist, musst du wissen, wie es hier läuft, damit du unseren Eltern helfen kannst." Sophie hatte ein kronisches Leiden. Ihr eines Bein war lahm und sie konnte keine schweren Arbeiten erledigen. Meistens fütterte sie das Vieh oder passte auf mich auf und half meiner Mutter bei kleineren Arbeiten, wie Nähen und Flicken.
Wir hatten damals einen alten Jagdhund, der so groß war, dass ich ohne Probleme auf ihm reiten könnte.
Meine beiden Brüder bauten oft Mist; sie futterten die Kekse auf und schoben es auf die Ratten. Versteckten die Haarspangen von Sophie oder ärgerten die Kinder im Dorf.
Wenn ich jetzt zurückdenke, war ich eigentlich genau, wie sie, als ich drei Jahre alt wurde.
,,Eddie, rück mal! Ich kann nichts sehen!", ich lag mit meinen Brüdern im Gebüsch und wir beobachteten ein kleines Kalb, das friedlich neben seiner Mutter graste.
Plötzlich stürmte Emilio los und stürzte sich auf das Kalb. Er sprang auf seinen Rücken und versuchte nicht von ihm runterzufallen, während das Kalb versuchte, sich zu befreien. Es sprang umher und schlug mit seinen Hinterhufen aus. ,,Jiha! Lauf, mein Ross! Zurück in den Westen!" Eddie und ich kamen aus dem Busch hervor und klatschten.
,,Ja, Emi!", ich lachte und lobte meinen großen Bruder.
Die Mutter des Kalbs schien es nichts mehr auszumachen. Jedes Jahr, wenn sie neue Kälber bekam, mussten die dieses Rodeo des Wahnsinns durchstehen und jedes Jahr bekamen die Zwillinge erneut Ärger von meinem Vater. Die Aufgabe meiner Mutter war es dann ihn zu beruhigen.
Womit wir nicht rechneten war, dass einer der Stiere des Hofs gerade in der Nähe war und das Rumbocken des Kleinen mitbekam. Sobald das Kalb Emilio abgeworfen hatte und er sich seinen schmerzenden Allerwertesten rieb, kam der Stier laut muhend angerannt.
Mein Vater wischte sich den Schweiß von der Stirn und setzte seinen Rechen erneut an, in die Erde des Ackers zu schlagen. Ein Schrei ertönte und Vater konnte nur noch sehen, wie Emilio wild kreischend am Acker vorbeirannte, gefolgt von einem wütenden Stier und Eddie und mir, die ihm zuriefen, dass er auf einen Baum klettern sollte.
Vater schlug sich die Hand vors Gesicht und seufzte. Er fragte sich wohl, ob wir wirklich seine Kinder sein konnten.
Am Abend standen wir drei dann vor Mutter und Schwester, die böse auf uns runter sahen. Wir waren komplett mit Dreck übersäht, dass man kaum noch unsere Gesichter erkennen konnte. ,,Wie ist das passiert?!", meine Mutter, die sonst immer ruhig und liebevoll war, sprach so laut und hysterisch, dass ich zusammenzuckte. ,,Ich bin vom Baum gefallen und in einen Fladen gef-.... der- Fluss war rutschig." Eddie musste sein Lachen unterdrücken. ,,Und was ist mit euch beiden?", Mutter deutete auf Eddie und mich. ,,Die... Nachbarskinder hatten Joy mit Schlamm abgeworfen, aber ich hab sie gerächt und deren Leichen im Wald vergraben!", er salutierte mit Stolzgeschwellter Brust. Natürlich war das eine Lüge. Während wir weiter weg vom Baum, auf dem Emilio saß, warteten, dass der Stier von ihm ablässt, stolperte ich über eine Dornenranke, die mein Kleid zerriss und der Dreck auf dem Boden färbte mein neues Kleid in einen braun-grau-ton. Damit ich dann nicht alleine Ärger bekommen würde, schmierte sich Eddie auch mit dem Staub und der Erde ein und meinte nur, dass alles gut werden würde.
Die Eingangstür öffnete sich und Vater kam müde, von der Arbeit, herein und stellte seine Stinkstiefel vor die Tür. ,,Bin wieder da.", er kam direkt zu uns ins Wohnzimmer, wo der Tisch schon gedeckt war und der Duft von frischem Brot und einer köstlich riechenden Suppe den Raum erfüllte.
Meine Mutter begrüßte ihn mit einem Kuss und die Zwillinge sprangen, frisch gewaschen und mit neuen Sachen, um ihn herum und umarmten ihn. Sophie winkte alle zum Tisch und strahlte dabei bis über beide Ohren. Ich saß auf ihrem Schoß. ,,Daddy, Daddy!", ich streckte meine Arme nach ihm aus und er hob mich auf seine starken Arme. ,,Na, meine Kleine? Bist du etwa größer geworden, seit ich dich das letzte mal gesehen habe?" Ich schüttelte unverständnisvoll den Kopf: ,,Dummer Daddy. Das war doch heute Morgen!" Alle lachten und wir nahmen unser Abendbrot zu uns.
Dann meldete sich Sophie, die versuchte ruhig zu bleiben, aber dennoch so eine Freude ausstrahlte, dass ich fast gekotzt hätte: ,,Vater, Mutter? Ich muss euch was erzählen." Die Aufmerksamkeit aller war von mir auf Sophie übergegangen, die ihr Kleid glattstrich. ,,Harry hat um meine Hand angehalten!", polterte es aus ihrem schönen Mund. Mutter und sie krischen überglücklich, denn Mutter hoffte, dass sie, trotz ihrer Behinderung, eines Tages auch jemanden finden könnte.
Meine Brüder lachten, da sie Sophie vorher damit aufzogen, wie sanft Harry, der Sohn von einem Schmied, mit ihr umging, wenn er zu Besuch kam und neues Werkzeug lieferte.
Nur Vaters Gesicht verdüstert sich, während er sich an seiner Suppe verschluckte und seine Faust das leckere Essen aus seiner Lunge prügelte. Er schien nicht gerade darüber begeistert zu sein, aber er sagte nichts, weil Sophie seit langem mal wieder überglücklich bis über beide Ohren strahlte.
Mutter griff nach ihren Händen. ,,Und? Hast du ja gesagt?!" Sie unterhielten sich noch bis spät in die Nacht. Ich nickte irgendwann einfach weg und träumte davon, dass meine Familie für immer bei mir bleiben konnte und wir ein wunderbares Leben auf unserer Farm haben konnten.
Dieses Leben war das schönste, was ich mir damals erträumen konnte. Leider schien es nicht für immer anzuhalten.
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