One Shot 26 - Gerettet
Harry P.o.V.
Ich rannte zwischen Bäumen und Felsen hindurch. Der Wind pfiff durch meine Kleidung und zog durch meine Haare, welche schon zerzaust waren durch das lange Überleben in der Wildnis. Hinter mir hörte ich das Gebrüll derer, die mein Leben beenden wollten. Diejenigen, die nichts anderes als die Karte wollten. Die Karte... Ich drehte mich um, wischte mir schnell über die Stirn, sah wieder nach vorne. Mein Fuß verfing sich an einem Stein und riss mich auf den Boden. Keuchend schnappte ich nach Luft, versuchte, mich nach oben zu stemmen. Wenn ich jetzt nicht weiterlaufen würde, wäre mein Leben beendet. Dann wäre ich nichts anderes mehr als ein blutiges Stück Fleisch, das von Fliegen überfallen werden würde.
„Halt!", schallte es durch die Gegend, ich zuckte zusammen und hörte Stampfen hinter mir. Schritte näherten sich meinem Körper und ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass das Arthur war. Seine schleimige Stimme, welche gleichzeitig so sanft war wie die Seide einer Frau, jagte mir einen Schauer über den Rücken und bestätigten meine Vermutung, verloren zu haben.
„Wir haben uns lange nicht gesehen, Harold." Tief atmete ich durch, bevor ich mich auf die Ellbogen stützte und langsam aufstand. Mein ganzer Körper tat weh, als ob ich tagelang nichts anderes getan hätte als laufen. Doch es waren keine Tage, nein. Es waren Stunden. Ich brachte keine Antwort heraus, weswegen ich mich an einen Baum lehnte und tief durchatmete. Ich war am Ende meiner Kräfte. Und das wusste er. „Wollt Ihr nichts dazu sagen?", grinste er und kam auf mich zu. Sein Pferd hielt an, er stieg herunter und ließ sein Schwert in der linken Hand kreisen.
„D - Doch.", stotterte ich. Ich hatte Angst. Angst davor, den Schmerz zu spüren, welcher mich ereilen würde, wenn er sein rostiges Messer in meinen Brustkorb rammen und dabei hämisch lachen würde. Er stoppte mitten in der Bewegung und bohrte mit der Spitze Kreise in den losen Waldboden. Muster über Muster entstanden dort, wo das kühle Metall die Erde berührte. Muster, die ich nur allzu gut kannte. Muster, die nur ich lesen konnte. „Was heißt das?", raunte er und sah mir intensiv in die Augen. Ich hob den Blick, begegnete dem von Arthur. Er hob eine Augenbraue, wartete angespannt. Ich schluckte.
Ich hatte die Wal. Entweder eine Antwort geben und in Gefangenschaft geraten, oder nichts sagen und sterben. Beides war nicht besonders prickelnd, doch mein Stolz verbot es mir, ihm zu antworten. „Lieber sterbe ich, als Euch eine Antwort zu geben!" Es war still. Selbst die Vögel hatten aufgehört zu zwitschern, Nagetiere huschten schnell und ängstlich in ihre Höhlen, um vor dem Feind beschützt zu werden. Die Augen meines Gegenübers verdunkelten sich, bekamen einen wütenden Glanz. Langsam hob er sein Schwert. Die Klinge schimmerte im Schein des Mondes, berührte dann meinen Hals.
Keuchend atmete ich ein und aus, versuchte, nicht davonzulaufen. Es würde sowieso nichts bringen. „Das", begann er, „war die falsche Antwort." Und mit diesen Worten holte er aus, ich rollte mich weg, so gut es ging und spürte sogleich, wie er das Metall in meinen Rücken bohrte. Ein Ruck durchfuhr mich, kein Wort entkam meinen Lippen. Der Schmerz bereitete sich langsam, fast schleichend, in meinem Körper aus, durchtränkte ihn und ließ mich die Zähne zusammenbeißen. Meine Knie knickten ein, der Schimmer in meinen Augen verblasste. Arthur zog mit grimmiger Miene das Schwert aus meinem Rücken und drehte sich um. „Wir kehren um!", schrie er noch zu seinen Männern, bevor er auf sein Ross stieg, verschwand und mich tödlich verwundet liegen ließ. Dann klappte ich zusammen und wurde von Dunkelheit umhüllt.
Louis P.o.V.
Fröhlich pfeifend schlenderte ich den Pfad entlang und warf hin und wieder einen Blick hinunter ins Tal. Die Meute hatte am Rande einer Schlucht ihr Lager aufgeschlagen und briet gerade ihr Essen. Es war sehr unklug, an einer Schlucht zu rasten, wenn ein Anderer in der Nähe war. Einer, der etwas vom Kämpfen verstand und mühelos ein paar unerfahrene Krieger auslöschen konnte. Einer, der mehr konnte als nur kämpfen.
Sie lagen um einen Konvoi herum, der zu einem Kreis geformt war und Unmengen an Essen und Waffen beinhaltete. Wen sie verfolgten, wusste ich schon lange. Den Lockenkopf. Der, der ihre Muster lesen konnte. Ich biss die Zähne zusammen, spähte zwischen zwei Ästen hindurch und kniff die Augen zusammen, um schärfer zu sehen. „Jetzt ruht euch aus, im Morgengrauen geht es weiter. Es gibt noch einen anderen, der die Runen lesen kann. Und diesmal ist es kein Waschlappen wie der von gerade! Tot bringt er uns nämlich nichts!"
Mein Atem stockte. Tot? Nein, das konnte nicht sein. Er war viel zu gewieft dafür, einfach abgeschlachtet zu werden. Die Überzeugung lenkte meinen Weg nicht zu dem Lockenkopf, sondern zu den Wesen, die sich Menschen nannten. Während ich zwischen Felsen und Bäumen meinen Weg zu diesen Kreaturen fand, zog ich langsam mein Schwert und presste es an meinen Körper. So leicht würden sie mir nicht davonkommen. Leise tapste ich weiter, wich Laub und anderen knacksenden Dingen aus, die mir vor den Füßen lagen.
„Schweigt still! Wenn uns jetzt jemand hört, sind wir tot!", zischte der Anführer. Getuschel folgte, ich grinste und schlich mich näher an sie heran. Das Feuer, das sie entzündet hatten, knisterte und schickte glühende Funken in den dunklen Nachthimmel. Dass sie es wagten, so ein Erkennungsmerkmal aufzustellen, wunderte mich. So dumm konnten auch nur sie sein. Aber was sollte ich erwarten? Von Menschen, die ihr Lager an einer Schlucht aufschlugen? Kopfschüttelnd ging ich weiter und stand nach kurzer Zeit zwei Meter hinter einem von ihnen. Er hatte den Kopf gesenkt und murmelte irgendwas in seinen dichten Vollbart hinein. Seine Kleidung bestand aus einem Unterhemd, das von einem Kettenhemd und einer dicken Rüstung umhüllt wurde, welche Löcher und Ritze hatte. Der Mann maulte noch irgendwas vor sich hin, drehte sich dann um und blickte mir direkt in die Augen. Sein Atem stockte, die Augen wurden groß. Er hatte nicht mit mir gerechnet.
„Guten Tag den Herren.", grinste ich und holte aus. Mein Schwert traf ihn direkt am Hals, die Klinge fuhr durch ihn hindurch und trennte den Kopf vom Körper. Ein Röcheln verließ seinen Mund, bevor er vor mir auf die Knie sank und tot auf den Boden fiel. Ich hob den Kopf und spürte dreizehn Blicke auf mir. Somit hatte ich sie alle in meine Aufmerksamkeit gezogen. „Wie geht's, wie stehts?", grinste ich und hob provokant mein Schwert, um es in meiner Hand kreisen zu lassen. Das Blut des soeben Getöteten lief an dem scharfen Metall hinab und benetzte meine Rüstung mit ihm.
„Arghh!", schrie einer derjenigen, die mich angestarrt hatten. Er kam von links und sprang auf mich zu, sein Schwert schon erhoben. Mit einer einfachen Drehung rollte ich mich unter ihm hinweg und rammte ihm meine Waffe in den Rücken. Immer mehr verfiel ich in den Wahn des Kampfes, bemerkte nicht mehr, wie ich alle anderen tötete. Ich tat es einfach. Nichts konnte mich davon abbringen, niemand konnte mich aufhalten. Meine Atmung war verschnellert, als wäre ich gerade eine lange Strecke gelaufen. Schweißperlen rollten von meiner Stirn herab und mischten sich unter das Blut, das aus einem Schnitt meiner Stirn tropfte. Vor mir stand ein einziger Mann. Ein einziger. Er hatte seinen Blick gehoben und biss die Zähne aufeinander. Sein Mund öffnete sich und er brachte ein einziges Wort heraus. „Louis." Dann holte ich Schwung und schlug ihm den Kopf ab.
Nachdem ich die Leichen beseitigt und sie nach Vorräten durchsucht hatte, kehrte ich zu dem Pfad zurück, von dem ich gekommen war. Die Vögel zwitscherten wieder und ließen ein kleines Lächeln auf meinen Zügen entstehen. Wie schön die Natur doch war. Seufzend wischte ich mein Schwert am Saum meines Unterhemdes ab, steckte es in die Schneide und machte mich auf den Weg zu der Lichtung, auf der der Lockenkopf liegen musste.
Er lag auch dort, mit einer klaffenden Wunde. Seufzend reinigte und verband ich sie, unterdrückte dabei die Sorgen, die in mir aufkamen. Irgendwie war er wunderschön. Seine Augenlider waren über den Augen geschlossen und schimmerten sanft violett. Sein Körper war gut gebaut unter dem dünnen Gewand, das er trug und man konnte einen leichten Ansatz von Muskeln erkennen. Nach gefühlten Stunden hatte ich es dann geschafft, ihn in eine Höhle zu schleppen und wartete gerade darauf, dass er aufwachte, als ich ein Feuer machte. Jetzt war es ungefährlich.
„Ah", krächzte eine Stimme hinter mir, ich drehte mich um und sah direkt in zwei grüne Augen, welche mich verwirrt musterten. Er verzog seinen Mund zu einer schmerzverzerrten Grimasse und biss fest die Zähne aufeinander. Ich nahm den Krug, der vor mir auf dem Boden stand und kniete mich zu ihm runter.
„Trink.", forderte ich ihn auf und gehorsam ließ er mich die Flüssigkeit in sich flößen, bis der Schnaps aus war. „Wer bist du? Und warum machst du das?", ächzte er und stützte sich mühevoll auf die Ellbogen. Es musste verdammt weh tun, aber er ließ sich nichts anmerken. „Jemand, der dir helfen möchte. Und ohne mich würdest du immer noch da draußen liegen und verrecken." Er stöhnte und schloss erschöpft die Augen. „Danke. Wirklich. Es - es war nicht nötig." Ich schnaubte. „Nein? Ich beobachte dich schon länger und habe nur darauf gewartet, diese Bande anzugreifen. Also war das auch zu meinen Gunsten."
Später lag ich neben ihm und lächelte, da der Lockenkopf im Schlaf seine Arme um mich schlang. „Schlaf gut, Süßer." Ich gab ihm einen leichten Kuss auf die Stirn. In dem Moment wusste ich, dass ich mich verliebt hatte und viel in einen wundervollen Schlaf, in dem nur er vorkam.
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