009- Chaos (2)
Unkontrolliert :) wer einen Tippfehler findet kriegt ein Sternchen.
In den Wochen danach konnte Harry kaum atmen. Die Momente, in denen Louis' Lippen auf seinen Lagen tauchten immer wieder in seinen Gedanken auf und raubten ihm den Atem. Louis' Lippen waren weich gewesen. Und warm. Er hatte sie ein wenig geöffnet und Harry hatte seinen Atem gespürt, wie er warm gegen seine eigenen Lippen schlug.
Er konnte es nicht erklären.
Louis' Lippen hielten ihn gefangen.
Seinen besten Freund nicht anrufen zu können, um nach Ratschlägen zu fragen, machte die Sache noch schwieriger. Sie hatten sich gegenseitig weder geschrieben, noch angerufen, noch war einer um Mitternacht im Regen vor der Haustüre des anderen gestanden, um ihm seine unsterbliche Liebe zu gestehen. Nicht dass Harry sich das vorgestellt hätte.
Er hatte sich gar nichts vorgestellt. Nicht vor diesem Abend zumindest. Louis war sein bester Freund gewesen. Nicht mehr und nicht weniger. Natürlich sah er ihn wie eine Art Seelenverwandten, seine zweite Hälfte. Aber auf eine... freundschaftliche Art. Hatte er zumindest gedacht. Jetzt war er sich nicht mehr sicher. Er stellte sich vor, Louis nochmal zu küssen, und sein Herz schlug schneller, trieb ihm Röte auf die Wangen.
Und raubte ihm den Atem.
Olivia rief ihn drei Wochen später aus dem Krankenhaus an.
Er wusste nicht, wohin mit sich. Sein Handy lag schwer in seiner Hand. Er sah auf die Nachricht, die er getippt hatte. Sein Blick fiel immer wieder auf sein Profilbild.
Er stand vor dem Zimmer in dem Olivia lag und dachte an Louis, und an die Küsse, und daran, dass er gerade Vater geworden war und ihm die Welt gerade Angst machte.
Er steckte das Handy mit zitternden Händen weg. Bevor er sich befahl, Louis aus seinem Kopf zu verbannen, erlaubte er sich für einen Moment sich zu wünschen, dass Louis jetzt hier bei ihm wäre. Dann klopfte er an.
„Hey." Er war noch immer nervös, und seine Stimme war kratzig. Er räusperte sich. Olivia saß in ihrem Bett. Sie sah müde aus. Das Baby war wohl am Abend zuvor auf die Welt gekommen. Fast ehrfürchtig suchte er mit den Augen das Zimmer ab, konnte aber keine Krippe entdecken.
Olivia sprach mit einem halben Lächeln auf dem Lippen. „Sie ist auf einer anderen Station." Dann sah sie ihn direkt an. „Und: hey." Er musste lächeln und setzte sich neben ihr Bett auf den breiten Holzstuhl mit unmodischer Polsterung. „Wie geht es dir?" Er musterte sie ganz genau. Obwohl sie müde aussah, war ihr Gesicht schön. Ganz blass, mit zartem Rotschimmer auf den Wangen. Ihre stechenden Augen.
Er hatte ein Kind mit dieser Frau.
Ihm war, als Stände er im Auge eines Wirbelsturms. Um ihm herum zerrte die Welt an seinen Gliedern, aber wenn er sich nicht bewegte, würde er hier, genau hier, unbeschadet bleiben. Ein kleines bisschen fragile Sicherheit.
„Beschissen. Das war weitaus schlimmer als ich es mir vorgestellt hatte.", schnaubte sie und schloss für einen Moment die Augen. Dann sah sie die Decke an, als sie verstohlen hinzufügte: „Aber... irgendwie war es das Wert." Harry war überrascht. „Wirst du sie behalten?" Aber anstatt zu antworten streckte Olivia ihre Hand nach dem Schalter aus und rief per Knopfdruck eine Schwester herbei. „Ich stelle sie dir vor, okay?"
Die Schwester half Olivia in einen Rollstuhl und begleitete die beiden zu der Station, auf der das Kind lag. Durch eine große Scheibe konnten sie in einen Raum voller kleiner Bettchen sehen. Er ließ seinen Blick über die Kinder schweifen. Im ersten Moment sah er kaum einen Unterschied. Viele kleine runzelige Gesichter mit minikleinen Fingerchen und klitzekleinen Näschen. Aber dann fielen ihm die Gesichtszüge des Babys ganz vorne am Glas auf. Sie war Olivia wie aus dem Gesicht geschnitten.
„Ist sie das?" Sein Hals war trocken. Olivia nickte. Und er sah sich seine Tochter an.
Er hatte noch nie in seinem Leben einen Menschen getroffen und direkt gewusst, dass er fantastisch war. Er sah sie an, wie sie friedlich schlief, wie sich ihr kleiner Brustkorb hob ind senkte, wie sie ganz sachte mit den Lippen schmatzte. Er glaubte, jede Emotion zu fühlen, die menschlich möglich war. Eine Träne rollte über seine Wange. Olivia kommentierte das nicht.
„Hat sie einen Namen?", fragte er leise. Als Olivia den Kopf schüttelte, traf ihn die Realität. Dieser Moment würde vorerst der letzte sein, in dem er Vater war. Es war nicht seine Zeit im Leben, um ein Kind zu haben. Dieses Kind gehörte wohl schon zu jemand anderem. Er hatte nur diesen einen Augenblick in dem sie ganz ihm gehörte, in dem sie für ihn und er für sie existierte.
„Willst du sie behalten?", fragte Olivia. Sie sah zu Harry nach oben und er konnte den Blick nicht von dem Baby abwenden. Er schluckte schwer. Diese gewaltige Gefühlswelle, die ihn eingenommen hatte als er sie gesehen hatte, brach über ihn herein. Er schloss die Augen und ließ eine zweite Träne über seine Wange rollen. Dann strich er sie weg.
„Nein.", antwortete er. Vielleicht ist das egoistisch, dachte er. „Du?"
Olivia atmete schwer. „Ich..."
Er sah zu ihr hinunter. „Du denkst darüber nach? Wirklich?" Sie sah zu ihm auf, aber als sich ihre Blicke trafen, wandte sie sich wieder ab und lachte über den Schmerz in ihrer Stimme. „Nein. Nicht wirklich. Ich dachte nur nicht, dass ich wirklich... etwas empfinden würde. Das ist alles."
Sie sahen für eine Weile stumm zu ihrem Kind. Das habe ich gemacht, dachte er. Immer und immer wieder. Das habe ich gemacht. Und er war ein bisschen stolz. Das Licht in ihrem Gang flackerte sanft. Er hörte es surren. Er hörte das ferne Geschrei von dem Baby in dritter Reihe rechts, das aufgewacht war. Er hörte die Schritte einer Schwester die angerannt kam, um zu verhindern, dass alle Kinder aufwachten.
„Olivia, darf ich dich was absurdes fragen?" Sie sah fast dankbar aus, als er so die Stille brach.
„Denkst du, dass..." Er fühlte wieder das Gewicht auf seinem Brustkorb. „... Louis und ich... mehr sein können als Freunde?"
Sie sah weniger überrascht aus, als er erwartet hätte. Das Baby in dem Raum hatte sich auf dem Arm der Schwester beruhigt.
„Ist irgendwas passiert zwischen euch?"
Er atmete gepresst aus. „Kannst du bitte erst antworten?"
Sie sah wieder nach vorne, mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen.
„Ich glaube, dass ihr vielleicht füreinander das seid, was ihr sucht."
Er kniff die Augen zusammen und sah zu ihn hinunter. „Was soll das denn heißen?"
Sie antwortete nicht darauf, sondern erwiderte: „Was ist zwischen euch passiert?" Harry gab sich ungern damit zufrieden, aber musste kapitulieren.
„Er hat mich geküsst. Und dann habe ich ihn geküsst. Und jetzt reden wir nicht mehr miteinander."
„Wow..." Sie schnaubte und lehnte sich in ihrem Rollstuhl zurück. „Weißt du, sobald wir uns getrennt hatten, war Louis viel netter zu mir.", sagte sie dann und brachte Harry damit leicht zum Lachen. Auch wenn das einen neuen Gedanken in ihm heraufbeschwur, der ihm gleich darauf alles Lachen aus dem Gesicht fegte. „Warte, du meinst also, dass er... in mich verliebt ist?"
Sie sah verwirrt zu ihm hoch. „Wieso sollte er dich sonst küssen du Idiot?" Fast hätte Harry versucht, den Kuss durch das Missverständnis und seinen wirren Wortschwall zu erklären, aber dann klappte er seinen Mund zu und spürte, wie seine Wangen rot wurden.
Mit oder ohne Missverständnis: Sie hatte Recht.
„Harry, ich glaube, du solltest jetzt gehen." Sie sah ihn halb schmunzelnd an. Er schüttelte den Kopf, als müsse er sich selbst davon überzeugen, nicht direkt zu seinem Auto zu rennen. „Nein, ich haben versprochen euch zu besuchen, und-"
"Und das hast du getan. Sie ist noch bis Ende der Woche hier, ihre Adoptivfamilie holt sie erst Samstag ab. Bis dahin kannst du immer wieder kommen und sie dir ansehen. Sie wird hier auf dich warten. Aber wenn ich recht habe, wartet Louis schon über ein Jahr lang auf dich."
Harry hatte Olivia lange nicht mehr so weich erlebt. Vielleicht war sie auch einfach nur müde. Oder sie hatte Mitleid mit ihm. Jedenfalls brachte ihre weiche, einfühlsame Stimme ihn dazu, in Tränen auszubrechen.
„Scheiße, was mache ich nur?", schnieftet er, das Gesicht hinter seinen Händen vergraben. Ein trauriges Lachen wurde von seinen Handflächen gedämpft. Olivia hängte ihre Hand in seine Armbeuge und strich sanft mit dem Daumen über deinen Unterarm. „Das war alles ein bisschen viel, hm?" Sie sah zu ihrem Kind und strich sich eine Träne von der Wange. „Ich weiß, wie das ist."
——
Um 23:37 machte Louis die Tür in seinem Wohnheim auf. Er hatte sich nicht getraut diese Woche nach Hause zu gehen weil er noch genau im Kopf hatte, dass Harry in diesem Zeitraum bei seinen Eltern bleiben wollte, und die beiden wohnten nur wenige Straßen voneinander entfernt. Solange er also hier in seinem Zimmer saß, gab es nichts zu befürchten.
Außer einen durchnässten Harry vor seiner Tür.
Louis erschrak auf eine gute Weise. Mit einem Mal explodierte Adrenalin in seinem Körper und tausende nervöse Krabbeltiere erwachten in seinem Magen zum Leben. Er spürte einen gewaltige Hitzewelle durch seinen Körper schlagen. Harrys Blick traf seinen. „Louis, bist du in mich verliebt?"
Louis blinzelte einige Male, ohne seinen Gesichtsausdruck zu verändern. Er brauchte einige Sekunden, bis die Frage in seinem Kopf ankam. Dann runzelte er die Stirn und versteckte sein nervöses Lachen hinter einem Räuspern.
„Was?"
Harry fuhr sich durch die tropfenden Haare. Er wollte nicht darüber nachdenken wie ironisch es war, dass es jetzt tatsächlich regnete. Auf den Treppen und nun auch auf dem Teppich vor Louis' Zimmertür hatte er bereits einige Wassertropfen verloren. Er konnte seinen Blick nicht von Louis wenden, sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
„Bist du in mich verliebt?"
„Harry, du-" Louis fuhr sich über sein Gesicht. „... du küsst mich, ignorierst mich für einen Monat, schreibst mir dann aus heiterem Himmel dass das Kind, das du mit deiner Exfreundin gezeugt hast auf die Welt gekommen ist und dann stehst du am selben Abend um halb 12 vor meiner Tür um mich zu fragen, ob ich in dich verliebt bin?"
„Ja."
Louis konnte es nicht. Er konnte die Frage nicht beantworten. Er schluckte und schluckte bis kein Speichel mehr in seinem Mund war. „Willst du nicht rein kommen? Du bist ganz nass."
„Bist du in mich verliebt, Louis?"
Er umfasste den Türgriff härter. „Harry, wenn du jetzt eine klare Antwort su-"
Harry machte einen Schritt auf ihn zu. Seine Locken tropften direkt vor seine Füße.
„Bis du in mich verliebt?"
Es dauerte mehrer Sekunden bis Louis endlich genug Mut gesammelt hatte.
„Ja." Du bist alles was ich will.
Sie sahen sich schweigend an und keiner konnte die Miene des anderen lesen.
„Bist du in mich verliebt?", fragte Louis dann leise, obwohl er die Antwort darauf kannte. Er wusste, dass Harry verwirrt war. Er wusste, dass er noch nie zuvor einen Mann geküsst hatte. Und er wusste, dass Harry ihn als besten Freund sah. Nicht mehr und nicht weniger. Und es tat so sehr weh, dass er Harry fast verboten hätte, zu antworten.
„Nein. Ja! Ich weiß nicht.", antwortete Harry, genau wie Louis erwartet hatte. Er senkte den Kopf ein Stück. „Komm wieder, wenn du dich entschieden hast.", sagte er leise, aber Harry schien ihn gar nicht gehört zu haben. Er drückte Louis rückwärts in sein Zimmer und legte seine Stirn gegen seine. „Louis, alles an was ich denke sind deine Lippen. Ich will dich küssen bis du keine Luft mehr bekommst. Selbst wenn ich du ohnmächtig wirst und ich dich beatmen muss, solange meine Lippen auf deinen sind, ist mir der Rest egal." Er küsste ihn.
„Ich weiß gar nichts, okay? Ich weiß nicht ob ich verliebt bin, oder ob ich wirklich Vater bin, oder ob ich Angst habe." Er küsste ihn nochmal. Louis wollte seine Augen nie wieder öffnen.
„Ich weiß nicht einmal, warum ich hier bin."
Louis verband ihre Lippen erneut, diesmal inniger, und krallte sich in Harrys feuchten Hoodie. „Ist mir egal, solange du nicht wieder gehst.", brachte er atemlos hervor, bevor Harry sich ebenfalls in seinen Klamotten vergriff, als wäre er sein einziger Halt auf dieser Welt.
„Ich gehe nicht."
„Bleib hier."
„Ich bleibe."
„Küss mich."
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